Alle Beiträge von Birgit Andrae

Schätzing, Frank – Tod und Teufel

Im Jahre 1260 zieht Jacob, genannt „Der Fuchs“, seine Bettel- und Stehlrunden durch Köln, um zu überleben. Sein Leben ist bis auf „Dieb! Dieb!“-Rufe recht ereignislos – bis er sich eines Tages an die verlockenden Äpfel des Erzbischofs wagt und damit leider zur falschen Zeit am falschen Ort ist.
Vor seinen Augen wird der Kölner Dombaumeister Gerhard Morart von der sich noch im Bau befindlichen Kirche in die Tiefe gestürzt. Und als wäre das nicht schlimm genug, kann Jacob es sich nicht verkneifen, dem Sterbenden noch die letzten Worte abzunehmen, was dafür sorgt, dass der Mörder ihn sieht und Jagd auf ihn macht.
Gerüchten folgend war Morart mit dem Teufel im Bunde und von daher steht für Jacob fest, dass eben dieser ihm nun auf den Fersen ist. Trotzdem gelingt ihm um Haaresbreite die Flucht, was ihm ermöglicht, seinen beiden Freunden Tillmann und Maria von dem Mord zu berichten. Seine Verstörtheit ist komplett, als Zeugen auftauchen, die von einem Unfall, einem Fehltritt des Dombaumeisters, reden, denn er selbst war der einzige Zeuge des Geschehens. Kurz darauf sind Tillmann und Maria tot und Jacob muss um sein Leben rennen.

In dieser mehr als unglücklichen Situation macht er die Bekanntschaft einer höchst interessanten Familie, bestehend aus Richmodis von Weiden, ihrem Vater Goddert und ihrem Onkel Jaspar Rodenkirchen. Während ihr Vater lieber dem Weinkellerinhalt seines Bruders frönt und unsinnige Gelehrtendiskussionen mit diesem ausficht, kümmert Richmodis sich um seine Arbeit als Färber.
Der Physikus, Doktor und Dechant Jaspar entschließt sich nach genauerer Prüfung von Jacobs Intellekt und weil er sich eine anspruchsvolle Abwechslung verspricht, dem Fuchs zu helfen. Und die soll er auch bekommen, denn nach dem Aufspüren der angeblichen Zeugen zeigt sich schnell: Mit diesem Killer ist nicht zu spaßen. Die Zeugen sind kurz darauf tot und der Mörder steht mit beiden Beinen mitten in Jaspars Haus.
Ganz langsam wird den Beiden klar, dass Gerhards Ermordung nur ein lästiges Hindernisbeseitigen war, denn die mächtigste Patrizier-Familie in Köln, die Overstolzen, hat ein viel höheres Ziel…

Frank Schätzing hat mit „Tod und Teufel“ ein wirklich gelungenes Debüt hingelegt. Wie schon bei Kinkels „Die Puppenspieler“ findet sich auch hier eine perfekte Vereinigung von interessantem Geschichtsunterricht und spannender Story. Wir können Neues über die Kreuzzüge lernen (denn der Herr Jaspar Rodenkirchen hat dazu seine ganz eigene Meinung), erfahren die Entwicklung des Kölner Handels und warum sich Päpste, Könige und Erzbischöfe nie einig waren – egal, worum es ging -, wer mit wem was getan hatte und welche Auswirkungen es auf Köln hatte. Und wir laufen natürlich immer vor dem unheimlichen Mörder davon, rätseln, was die Overstolzen vorhaben und lernen vor allem unsere vier „Helden“ lieben.

Die Charaktere sind hervorragend ausgearbeitet, besitzen Ausdruckskraft und überzeugen durch eine immense Lebendigkeit. Aufgeteilt in zwei gegensätzliche Lager, geht das Bild eines einzelnen Helden verloren, auch in „gut und böse“ kann man sie nicht grundsätzlich einordnen, denn Schätzing versteht es, dem Leser beide Parteien näher zu bringen, durch häppchenweise eingestreute Hintergründe der Personen, durch lehrreiche Gespräche und durch einen glänzenden Schreibstil.
Doch Glanzlicht der Charaktere sind die oben bereits erwähnten unsinnigen Diskussionen zwischen Goddert und Jaspar, die einfach herzerfrischend und liebenswürdig sind und den Leser zum Lachen bringen. Köstlich!
Kurzum: Ganz und gar empfehlenswert!

Frank Schätzing, 1957 in Köln geboren, studierte Kommunikationswissenschaften, ist Mitbegründer und kreativer Geschäftsführer der Kölner Werbeagentur „INTEVI“ und Mitbegründer der Musikproduktion „Sounds Fiction“. Nach dem Erfolg von „Tod und Teufel“ folgten 1996 der Krimi „Mordshunger“, 1997 die Kurzgeschichtensammlung „Keine Angst“ und der Psychothriller „Die dunkle Seite“ und 2000 der Politthriller „Lautlos“.
„Tod und Teufel“ und „Keine Angst“ gibt es auch als Hörbücher, die der Autor selbst liest und für die er auch die Musik mitkomponierte.

Homepage des Autors: http://www.frank-schaetzing.com

Mankell, Henning – Mörder ohne Gesicht

Ein altes Ehepaar wird auf seinem abseits gelegenen Bauernhof grausam überfallen und ermordet. Als der schwedische Polizist Kurt Wallander am Tatort eintrifft, ist die Frau noch am Leben und gibt mit dem Wort „Ausländer“ einen verwirrenden und hochbrisanten Hinweis auf die Täter. Denn keinerlei Spuren deuten auf Ausländer hin, im Gegenteil: Ein Bekannter der Toten enthüllt den Beamten, dass eher eine ehemalige Geliebte des Ermordeten und ihr gemeinsamer Sohn als Täter in Frage kommen, weil diese um das geheim gehaltene Vermögen des Bauern wussten.

Als an die Öffentlichkeit gelangt, dass auch nach Ausländern gefahndet wird, geben ein Brandanschlag auf ein Asylheim und ein nachfolgender Mord an einem Somalier den Polizisten zusätzliche Arbeit und setzen sie unter Zwang, den Doppelmord schnellstmöglich aufzudecken. Doch die Ermittlungen in Richtung Familie der Ermordeten enden schnell in einer Sackgasse und keine neue Hinweise durch mögliche Zeugen gehen ein. Wallander und seine Kollegen sind ratlos und befürchten, dieses grausame Verbrechen zu den ungelösten Fällen ablegen zu müssen, bis eine Bankangestellte sich an etwas erinnert …

Der „Mörder ohne Gesicht“ läutete die Wallander-Erfolgsstory ein und schnell wird klar, warum diese Romane süchtig machen: Die Figur Wallander wird binnen weniger Kapitel zum alten Bekannten, den man bemitleidet, bewundert und gleichzeitig mag und nicht mag. Der Leser folgt ihm wie unter Zwang auf seinen zwei Lebenswegen: Auf der einen Seite sein Polizistendasein, mit dem er hadert, in dem er leidet, das ihm menschliche Seiten zeigt, die er nicht versteht, aber auf’s Argste bekämpfen möchte und das ihn zur Verzweiflung treibt, wenn es scheinbar nicht möglich ist.

Auf der anderen Seite Wallanders Privatleben: Geschieden, der Tochter entfremdet, oft in Alkohol fliehend, vegetiert er dahin, von utopischen Wünschen und Hoffnungen erfüllt, die doch nie wahr werden. Eine jämmerliche Existenz, die jedoch vielleicht gerade deswegen den Leser fasziniert und in einem Gefühlschaos versinken lässt.

Stilistisch gesehen bietet Henning Mankell in seinen Romanen nicht sehr viel. Seine Stärke ist die Darstellung der Charaktere, nicht seine Ausdruckskraft. Viele Wiederholungen, vor allem Passagen Wallanders persönliches Dilemma betreffend, stoßen doch öfter auf, da sie einfach den Lesefluss stören und der Leser aus der eigentlichen Geschichte herausgerissen wird. So leidet auch der Spannungsbogen hauptsächlich in der Mitte des Romans ganz erheblich.

Mankell versteht es zwar, Bilder von seiner Hauptfigur in allen Situationen im Leser auferstehen zu lassen, doch bleibt alles andere größtenteils verschwommen, was meiner Meinung nach sehr schade ist, denn Mankells schriftstellerisches Potenzial ist deutlich erkennbar. Durch Wallander entsteht zwar eine melancholische Atmosphäre, diese könnte aber weit mehr ausgefeilt werden – so weit, dass der Roman schließlich von ihr beherrscht und der Leser durch sie gnadenlos bis zum tiefsten Abgrund geführt wird.

Doch Wallander-Fans werden diese kleinen Schwächen dem schwedischen Autor (nähere Infos im Review zu [„Hunde von Riga“) 95 verzeihen und das ist auch richtig so, denn „Mörder ohne Gesicht“ ist allemal lesenswert und lädt zum kniffligen Ratespiel ein: Wer ist denn nun der Mörder ohne Gesicht?

Homepage von „Kurt Wallander“: http://www.wallander-web.de

Hans Werner Kettenbach – Sterbetage

Heinz Kamp ist Buchhalter. Oder war Buchhalter, denn jetzt, mit sechzig Jahren, ist er arbeitslos. Seine Frau ist gestorben und sein Lebensalltag besteht aus regelmäßigen Besuchen der Stadtbibliothek, einmal in der Woche Schwimmen und selteneren Stelldicheins bei Hertha Klose, die praktischerweise sechs Etagen unter ihm wohnt.

Er wacht mitten in der Nacht auf, lauscht den Güterzügen, die über die Brücke in Nähe seiner Wohnung fahren, steht auf und geht spazieren. Er hofft, keine anderen Hausbewohner zu treffen, sie könnten ihn als unnormal ansehen, weil er mitten in der Nacht seine Wohnung verlässt.

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Marlen Haushofer – Die Wand

Die Phantasie der Menschen regt sich schaudernd, aber neugierig, wenn die Frage in den Raum geworfen wird: Was wäre, wenn du der letzte Mensch auf Erden wärst? Die Antworten auf diese Frage könnten unterschiedlicher und teilweise dümmer nicht sein. Wenn man der letzte Mensch auf dieser Welt ist, muss man alle Handwerksberufe in sich vereinen, um zu überleben. Strom, Heizung und warmes Wasser gibt es nicht mehr. Es gibt keinen Arzt, der Krankheiten heilt, keinen Bäcker, bei dem man Brötchen kaufen kann, es gibt nicht mal jemanden, der einem zuhört.
Entweder lernt man, mit der Natur zu leben oder man gibt sofort auf und sucht sich einen Baum mit einem starken Ast, der sehr hoch ist.

Die Protagonistin aus Marlen Haushofers „Die Wand“ gibt nicht auf. Sie ist zu Besuch bei ihrer Kusine und deren Mann. Sie ist zu Besuch in einem Jagdhaus, das in einem Kessel liegt, umringt von Bergen und Wald. Sie ist zu Besuch, als die Wand sie vom Rest der Welt trennt und sie zur wahrscheinlich einzigen Überlebenden macht. Ihre Kusine und deren Mann sind ins Dorf gegangen und als sie nicht wieder zurückkommen, macht sie sich in Begleitung des Jagdhundes Luchs auf den Weg und stößt auf eine unsichtbare Barriere, die einfach so da ist. Ohne Sinn, ohne Logik und vor allem ohne Erklärung.
Im ersten Moment völlig verwirrt, hält sie die Wand für eine Illusion, eine Sinnestäuschung, wieder einen Moment später ist die Wand eine militärische Waffe, eingesetzt von einer unbekannten Siegermacht, die sicherlich bald feststellen wird, dass sie irgendetwas nicht verstanden hat und nicht da sein dürfte, wo sie jetzt ist: Auf der anderen Seite der Wand. Auf der Seite, wo alles lebt, wo Vögel ohne Vorwarnung gegen die Wand geflogen sind und jetzt halb zerfetzt am Boden liegen. Auf der Seite, wo die Vögel nicht einfach so vom Himmel gefallen sind und die Menschen nicht in ihrer letzten Haltung erstarrt sind, als wäre plötzlich die Atmosphäre verschwunden. Auf der Seite, wo Luchs nun ihr einziger Freund wird und Angst ihre größte Herausforderung.

Als sie den Bericht beginnt, lebt sie bereits mehrere Jahre alleine im Jagdhaus. Sie glaubt nicht, dass ein menschliches Auge ihre Worte jemals lesen wird. Sie schreibt, um sich einen letzten Rest Menschlichkeit zu bewahren, sieht sich aber selbst, wie sie eines Tages das Geschriebene findet und es animalisch zerfetzt. Sie schreibt auf alte Kalenderrückseiten, um nicht wahnsinnig zu werden.
Innerhalb kurzer Zeit wird Luchs vermenschlicht. Auch die alte Katze, die sich eines Tages bei ihr einnistet, wird zum Menschersatz. Zusammen mit der Kuh Bella, die sie auf einem Erkundungstrip findet, schmelzen die drei zu einer neuen Familie zusammen.
Ihre echte Familie existierte sowieso schon lange nicht mehr. Ihr Mann war vor mehreren Jahren gestorben, ihre Kinder waren längst erwachsen und ihr komplett entfremdet, als die Wand die Scheidung endgültig machte. Sie mochte ihre Kinder als Erwachsene sowieso nicht leiden. In ihrer Erinnerung bleiben sie klein und brauchen ihre Mutter noch. Nun brauchen die Tiere sie. Die Kuh stellt sie alleine vor große Probleme. Sie braucht einen Stall und nach kurzer Zeit keimt der Verdacht auf, dass das Tier trächtig ist.
Sie muss sich um Nahrung kümmern. Sie hasste es schon immer, Tiere zu töten, doch nun ist sie gezwungen, auf die Jagd zu gehen. Dankbar für einen kleinen Vorrat an Bohnen und Erdäpfeln, beginnt sie den Ackerbau zu lernen. Sie lernt, an Rückschlägen, an ihrer mangelnden Kraft, Intelligenz und Courage nicht zu verzweifeln, sondern erneut das Haupt zu heben und verbissen weiterzumachen. Sie lernt das Überleben für sich und ihre Tiere. Und um sie herum hält die Wand, hinter der es offenbar kein Leben mehr gibt, den Tod von ihr fern.

Sie hat keinen Namen, denn in einer Welt, wo sie niemand mehr rufen kann, ist ein Name bedeutungslos geworden. Bedeutung haben nur noch der Wald, die Tiere und ihre Gedanken, die in ihrem Erlebnisbericht herumspringen wie Flöhe auf einem Hundefell. Ihre Worte sind einfach – sie selbst hält sich für eine Frau durchschnittlicher Intelligenz. Doch gerade diese Einfachheit ist schmerzhaft eindringlich. Ihre sprunghafte Analyse der zwei Leben, vor und nach der Wand, klingt hart und abgestumpft und ist doch nur ein Resultat der Distanziertheit – wer soll ihr schon einen Vorwurf machen, wenn sie ihre Kinder als heranwachsende, gefühlskalte Monster sieht? Sie fühlt sich befreit von den Zwängen und Regeln, die andere Menschen ihr aufgedrückt haben. Es gibt keine Menschen mehr und nun kann sie sich selbst die Wahrheit eingestehen: Irgendwie ist die Wand doch das Beste, was ihr widerfahren konnte.

Doch Menschen können nicht ohne andere Menschen leben. So werden die Tiere ihre Gefährten. Der Hund, der ihr bedingungslos vertraut und sie beschützt, sie aufmuntert, sie rüffelt. Die Katze, die launisch mit Zuckerbrot und Peitsche spielt und sie emotional am meisten berührt. Die kleinen Katzen, die ihre Kinder werden und ihr alle wieder genommen werden. Sie nimmt sich vor, ihr Herz nicht wieder zu verlieren und kann doch nichts gegen den nächsten Wurf unternehmen. Sie lernt, dass Abschied nehmen nun einmal mit ihrem neuen Leben untrennbar verbunden ist.
Bella, die Kuh, die ihr größtes Sorgenkind und ihre Nährmutter ist. Bella, die ihr Stier als neuen Sohn gibt, um den sie sich kümmern kann. Bella ist Segen und Fluch zugleich, denn gerade die Kuh zeigt ihr mit ihren Anforderungen, wie klein und schmächtig und unzulänglich sie ist. Und gerade die Kuh treibt sie immer wieder an, noch mehr zu schaffen.

Marlen Haushofer veröffentlichte „Die Wand“ im Jahre 1963. Zu dem Zeitpunkt war sie 43 Jahre alt, verheiratet, geschieden und mit dem gleichen Partner erneut verheiratet. Sie hatte bereits die Novelle „Das fünfte Jahr“ veröffentlicht, für die sie mit dem Staatlichen Förderungspreis für Literatur ausgezeichnet wurde.
Mit „Die Wand“ schuf sie ihr Lebenswerk.

Eingezwängt von den Erwartungen ihrer Familie, floh sie sich ins Schreiben, schuf sich ihre Wand, die sie gegen die Menschen abschottete. In der Natur und in ihrer Arbeit fand sie vorübergehende Erfüllung – wie ihre Heldin in dem Roman. Ihre Sprache ist trostlos und wunderschön, teilt Empfindungen in ihrer höchsten und reinsten Form mit. Der Leser wird mit einer Identitätskrise konfrontiert, die ihn selbst tief erschüttert und ihm zeigt, wie sinnlos und töricht die meisten menschlichen Wünsche und Erwartungen sind. Natürlich kommt unterschwellig die Frage nach dem Sinn des Lebens zum Tragen und das ist bei diesem Roman äußerst legitim. Denn „Die Wand“ zeigt eine neue Einschätzung des Lebens, die unweigerlich zum Nachdenken führt. Hinzu kommt eine unheimliche, düstere Atmosphäre, die schwermütig und hoffnungslos ins Gehirn des Lesers schleicht und gleichzeitig doch von so viel Freiheit und Schönheit spricht, dass einem das Herz noch schwerer wird.

Marlen Haushofer starb im März 1970 an Krebs. „… ein Abschied ohne Bedauern, sachlich-entrückt: fixiert in ihrem geistigen Vermächtnis, luzid ob seiner Erkenntnis und Selbsterkenntnis:
‚Mach dir keine Sorgen. Du hast zuviel und zuwenig gesehen, wie alle Menschen vor dir. Du hast zuviel geweint, vielleicht auch zuwenig, wie alle Menschen vor dir. Vielleicht hast du zuviel geliebt und gehasst – aber nur wenige Jahre – zwanzig oder so. Was sind schon zwanzig Jahre? Dann war ein Teil von dir tot, genau wie bei allen Menschen, die nicht mehr lieben oder hassen können.'“ (Zitat aus dem Nachwort von Klaus Antes)

„Die Wand“ ist das einzige Buch, das ich bisher von der österreichischen Autorin gelesen habe, aber dafür geht es mir nicht mehr aus dem Kopf. Nur wer wirklich an hoher literarischer Kunst interessiert ist, an einer Psychoanalyse auf poetischem Niveau, nur der sollte dieses Werk zur Hand nehmen und sich auf einen einzigartigen Ausflug in ein Jagdhaus in einem Kessel zu Füßen von Bergen und mitten im Wald, ganz allein mit sich und einigen herzgewinnenden Tieren, begeben. Denn so könnte es sich anfühlen, der letzte Mensch auf der Welt zu sein.

Dübell, Richard – Tochter des Bischofs, Die

[„Der Tuchhändler“ 2750
[„Der Jahrtausendkaiser“ 3003
[„Eine Messe für die Medici“ 3288
[„Die schwarzen Wasser von San Marco“ 3323
[„Das Spiel des Alchimisten“ 3380

Wir befinden uns im Aquitanien des 12. Jahrhunderts. Raymond le Railleur ist ein Vagant, ein Sänger. Und leider mag er auch gerne spöttische Versduelle zum Besten geben, die ihm nicht so gut bekommen. Aufgrund seines letzten, sehr unglücklich verlaufenen Auftrittes befindet er sich nun auf den Weg nach Poitiers, um den mächtigen Bischof Jean Bellesmains aufzusuchen.

Er erhofft sich von ihm die Chance, zu spielen und eine Empfehlung für den Hof des jungen König Henri Plantagenet zu bekommen, um seinem Beruf weiter nachgehen zu können. Doch der Bischof hat von seinem Ruf und auch von seiner letzten Pleite bereits gehört, und um dessen Empfehlung zu bekommen, muss Raymond einen Auftrag erfüllen. Der Assistent des Bischofs, Firmin, ist verschwunden; sollte Raymond ihn zurückbringen, wäre seine Zukunft gerettet. Widerwillig nimmt der Sänger den Auftrag an.

Glücklicherweise folgt der zweite Arbeitgeber auf der Stelle. Der ehrgeizige Ritter Robert Ambitien möchte, dass Raymond für ihn ein Fest ausrichtet, bei dem auch der Bischof eingeladen werden soll. Dankbar, einen Grund zu haben, um in der Gegend zu bleiben und Firmins Spur aufzunehmen, begibt sich Raymond auf Roberts Anwesen und verliebt sich prompt in dessen Frau Suzanne, die nicht nur wunderschön ist, sondern auch über ein scharfes Zünglein – vor allem gegenüber dem Klerus – verfügt.

Raymond, als Sänger natürlich verpflichtet, die Hausherrin anzubeten, schwankt nun zwischen zwei Aufträgen und seinen stetig wachsenden Gefühlen. Zu allem Übel findet er heraus, dass Firmin nicht nur verschwunden, sondern sogar ein Mörder ist. Als er selbst als Mörder gesucht wird, wird eines ganz deutlich: Dieser Auftrag hat es mächtig in sich, und seine Liebesgefühle sind nicht gerade förderlich für seine Situation …

„Die Tochter des Bischofs“ ist nun der fünfte Roman von Richard Dübell, den ich genießen durfte. Zwar stand mir diesmal nicht der Kaufmann Peter Bernward zur Seite, aber Raymond le Railleur ist mir auch ein wenig ans Herz gewachsen. Insgesamt ist der Roman meiner Meinung nach nicht so gelungen wie die Bernward-Romane, aber eine Lektüre wert ist er allemal – unterhaltsam, spannend, flüssig lesbar. Der Plot steuert gradlinig auf den Höhepunkt zu, nur eine Überraschung erwartet den Leser, und das natürlich am Ende der Erzählung.

Sprachlich fasziniert der Autor immer wieder mit pointierten Sätzen, zielgerichteten Beschreibungen und gut gesetzten Metaphern und Vergleichen. Das unterhält und verleitet zum Weiterlesen. Oft habe ich einen Satz ein zweites Mal gelesen – nicht, weil ich den Sinn nicht verstanden hätte, sondern weil der Satz einfach schön und harmonisch klingt. Das weiß zu gefallen!

Die Dialoge sind zum einen sehr spritzig, weil Raymond einen sehr sarkastischen, aber treffenden Humor besitzt, der ihm natürlich bei den Spottversen sehr zugute kommt. Zum anderen dienen die Dialoge aber natürlich auch dem Voranschreiten der Handlung, und auch hier beweist der Autor sein handwerkliches Geschick.

Nur die Charaktere sind mir etwas zu blass geraten. Ich kann noch nicht mal sagen, dass mir etwas an ihnen direkt fehlen würde, aber ich konnte mich bei weitem nicht so intensiv in sie hineinversetzen wie bei den anderen Romanen des Autors. Der bereits erwähnte Humor von Raymond ist die einzige Ausnahme, ansonsten verlaufen sich mir die Figuren doch zu sehr ins Klischee: der mächtige, grollende Bischof, der geifernde Pastor, die wunderschöne und kluge Rittersfrau, die natürlich nicht von ihrem Mann geliebt wird, sondern von dem Held der Geschichte. Ja, klar, Liebe gehört dazu, aber irgendwie hat man das in dieser Form doch schon allzu oft gelesen.

Raymonds Spurensuche kann der Leser gut folgen, durch dessen Gedanken auch gut mitziehen. Das Buch ist zwar in der dritten Erzählperspektive geschrieben, aber eindeutig aus Sicht des Sängers; es gibt auch keinen Moment, der den Leser von Raymonds Seite weichen lässt, dadurch wirkt alles fortlaufend und geradeaus geführt. So entdecken der Sänger und der Leser Stück für Stück das Geheimnis des verschwunden Mönches, und dadurch kommt entsprechende Spannung auf. Man will halt nicht nur wissen, wie Raymond Firmin schnappt, sondern auch, was der Bischof mit seinem abtrünnig gewordenen Untertan anstellt. Und nebenbei kann man dann ja auch noch erfahren, was nun mit den Gefühlen zwischen Suzanne und unserem Held sein wird. Happy End oder gebrochenes Herz auf Lebensende?

Insgesamt lässt sich sagen, dass mir „Die Tochter des Bischofs“ ganz gut, aber eben nicht herausragend gefallen hat. Ich habe das Buch gelesen, werde es aber kein zweites Mal zur Hand nehmen. Es ist zwar eher eines der mäßigeren dieses Autors, dafür aber immer noch deutlich besser gelungen als die vergleichbare Masse auf dem Buchmarkt.

Homepage des Autors: http://www.duebell.de
http://www.bastei-luebbe.de/
http://www.ehrenwirth.de

Benson, Ann – Schreckenskammer, Die

_Die Story:_

|Nordfrankreich, Mitte des 15. Jahrhunderts:|

Die Äbtissin Guillemette la Drapière ahnt Böses, als eine Frau in das Kloster kommt und dem Bischof von Nantes berichtet, dass ihr Sohn verschwunden ist. Obwohl sich der Bischof dagegen ausspricht, kann er es nicht verhindern, dass sie Ermittlungen aufnimmt. Dabei erfährt sie, dass in der näheren Umgebung von Nantes unzählige Kinder, überwiegend Jungs, verschwunden sind. Daraufhin übernimmt der Bischof im Auftrag des Herzogs die Ermittlungen, die auf einen Verdächtigen hinweisen: Auf Gilles de Rais, Ritter, Baron der Bretagne, Marshall von Frankreich – ein mächtiger Adliger und zudem fast ein Sohn von Guillemette, die seine Amme war und ihn zusammen mit ihren zwei Söhnen aufgezogen hatte.

Die Äbtissin wehrt sich dagegen, dass der ihr so vertraute Adlige diese Kinder entführt und gefoltert haben soll, doch die Zeugenaussagen, die sich plötzlich häufen, lassen kaum Zweifel zu, und verschwand nicht ihr ältester Sohn, als er mit Gilles zu einem Jagdausflug unterwegs war? Die Unwissenheit über das Schicksal ihres Sohnes hatte sie jahrelang gequält, doch nun kann sie die Wahrheit herausfinden, indem sie die vermissten Kinder aufspürt und Gilles‘ finstere Machenschaften aufdeckt …

|Los Angeles, Gegenwart:|

Die Polizistin Lany Dunbar erhält einen Anruf von einer Mutter, die ihren Sohn vermisst. Eine Zeugin will gesehen haben, wie der Junge morgens in das Auto seiner Mutter eingestiegen ist, doch diese war zu der Zeit bei der Arbeit gewesen. Ihr Vorgesetzter gibt ihr daraufhin die Fälle eines Kollegen, die sich ebenfalls um vermisste Jungs drehen, die angeblich von einem Verwandten oder Bekannten entführt wurden. Doch auch hier hatten die Verdächtigen ein unwiderlegbares Alibi.

Nachdem weitere Kinder verschwinden und Lany ältere ungelöste Fälle hervorholt, ergibt sich ein schrecklicher Verdacht: Da die Opfer sich alle sehr ähnlich sehen und die Umstände der Entführungen ähnliche Muster zeigen, sieht Lany in ihrem Verdächtigen einen Serientäter. Diese Spur führt sie nach New York, wo sich ähnliche Fälle zugetragen haben, und damit zu einem möglichen Täter, der in beiden Städten zur passenden Zeit verweilte: Wilbur Durand, reich, introvertiert, Special-Effect-Macher für Horrorfilme. Sie findet endlich Beweise, um ihn verhaften zu lassen, als der beste Freund ihres Sohnes in die Klauen des Monsters gerät …

_Meine Meinung:_

Die Inhaltsangabe auf der Rückseite des Buches gibt vom Inhalt nicht viel preis, aber eine Äbtissin im Mittelalter und eine Polizistin in der Gegenwart, die jeweils das gleiche Verbrechen aufklären, das klingt für den Anfang schon mal richtig gut.

Das erste Kapitel entführt den Leser ins Frankreich des 15. Jahrhunderts, doch kaum dort heimisch geworden, reißt ihn das zweite Kapitel ins Los Angeles der Gegenwart, um beim dritten Kapitel wieder ins Mittelalter zurückzukehren. So wechselt die Autorin mit jedem Kapitel den Schauplatz, die Zeit und die Hauptfigur. Das stört am Anfang noch nicht so sehr, da die beiden Geschichten ja erst entwickelt werden, doch je mehr der Roman fortschreitet und je mehr der Leser in die beiden Geschichten eintaucht, desto mehr irritiert der immense Sprung, denn wie so gerne praktiziert, erfolgt an fast jedem Kapitelende ein Leckerchen, das den Leser gebannt festhält und zum Weiterlesen zwingt. Und das bei beiden Geschichten!

Ist die Äbtissin gerade noch dabei, Gilles nachzuspionieren, bekommt die Polizistin auf einmal ein neues Indiz, während die Äbtissin an der Gerichtsverhandlung teilnimmt. Das ist verwirrend, aber auch wahnsinnig spannend. Obwohl es schwerfällt, ist man zwischendurch immer wieder gezwungen, den Roman zur Seite zu legen und das gerade gelesene Kapitel zu resümieren, um dann die andere Zeitebene ins Gedächtnis zu holen. Zwei Romane in einem sind halt nicht einfach so hintereinander wegzulesen, aber genau hat durchaus seinen Reiz, denn von Langeweile ist auf diesen 570 Seiten nichts zu finden. Ein Ereignis jagt das nächste, eine neue Entdeckung ist schauriger als die folgende.

Dabei sind sich die zwei ermittelnden Frauen sehr ähnlich in ihrer Art und Weise: Beide verfügen über Lebenserfahrungen; die Äbtissin durch ihr fortgeschrittenes Alter und den frühen Verlust ihres jüngsten Sohnes, und die Polizistin durch ihre Arbeit und die daraus resultierende Konfrontation mit Verbrechen und Gewalt. Während sich die Äbtissin durch ihre enge Beziehung zu dem Täter in einem seelischen Konflikt befindet, muss die Polizistin miterleben, dass der Freund ihres Sohnes in die Hände des Täters fällt. Beide befinden sich somit in einer brisanten Lage, die trotz allem dem festen Willen nach der Ergreifung und Bestrafung des Täters nichts anhaben kann.

An ihrer jeweiligen Seiten glänzen ein Bischof und ein Psychologe, die ebenfalls Parallelen aufweisen. Beide unterstützen die jeweilige Frau nach Kräften, jeder auf seine Art. Der Bischof übernimmt die offiziellen Ermittlungen, der Psychologe die Profilerstellung. Beide nehmen Beschützerstellungen ein, beide werden zum Vertrauten.

Das dritte Zwillingspaar sind natürlich die beiden Täter. Der hochrangige Adlige Milord Gilles de Rais, der so tapfer an der Seite der Jungfrau Jeanne d’Arc gegen die Engländer gekämpft hatte, und der im Filmgeschäft erfolgreiche Wilbur Durand – zwei mächtige und einflussreiche Männer, deren Überführung alles andere als leicht ist. Die Autorin zeichnet einen ähnlichen Hintergrund für die beiden Männer, das typische Bild eines Serientäters: eine schlechte, grausame Kindheit, die aus unschuldigen Kindern solche Monster macht. Was man ihnen antat, geben sie nun weiter. Was ihr säet, das erntet ihr, sagt immerhin schon die Bibel. Und die muss es ja wissen. Was immer man davon hält, Ann Benson hat es zumindest sehr überzeugend dargestellt.

Ebenso überzeugend kommt der gesamte Roman daher. Die amerikanische Autorin Ann Benson verwendet für ihre beiden Ermittlerinnen die Ich-Perspektive, deren Vorteil unbestreitbar das Identifikationspotenzial ist, das dadurch im Leser geweckt wird, zumal die Gefühle der beiden Frauen deutlicher und plastischer dargestellt werden können als in der Erzähl-Perspektive des Allwissenden. Dazu kommen ein ausgewogenes Tempo – die Handlung wird immer stetig vorangetrieben – und gut dosierte Detailbeschreibungen. Die Dialoge sind lebendig, die Figuren entstehen dem Leser vor dem inneren Auge, der Leser sieht, fühlt, riecht und schmeckt. Unterhaltsam und spannend geschrieben!

Zu der historischen Figur Gilles de Rais (Gilles de Montmorency-Laval, Baron de Rais): Ann Benson hat sehr genau recherchiert, um das Leben und vor allem die Taten des Adligen im historischen Teil zum Hauptthema machen zu können. Insofern ist die Lektüre geschichtlich natürlich sehr lehrreich (auch wenn dies ein sehr dunkles Kapitel daraus ist). Da sich die Prozessakten über die Verhandlungen gegen de Rais bis heute erhalten haben und in der Nationalbibliothek von Paris und Nantes aufbewahrt werden, ist der Fall auch gut rekonstruierbar. Die Amme des Adligen hieß tatsächlich Guillemette la Drapière, der Bischof von Nantes (Jean II. de Châteaugiron von Nantes, Jean de Malestroit) hatte den Prozess als Bischof und als Kanzler geführt. De Rais hatte unter Androhung von Foltern die Verbrechen gegen die Kinder, Hexerei und Ketzerei gestanden. Mehr als 400 Kinder sollen auf sein Konto gehen, verurteilt wurde er in 140 Fällen.

Für den Grund seiner Taten habe ich während der Recherche zwei mögliche Gründe gefunden: Zum einen soll sein Großvater, der ihn aufgezogen hatte, ihn sexuell missbraucht haben, daraus soll Gilles de Rais schließlich selbst Lust entwickelt haben, die er später schließlich an Kindern aus der Umgebung, die hauptsächlich zwei seiner Diener ihm zuführten, ausgelassen hat. Andere Quellen geben an, er hätte ein Buch des römischen Historikers Suetonius gelesen, in welchen der römische Kaiser beim Missbrauch von Kindern dargestellt wurde. Während seines Prozesses soll er gesagt haben: „Das Buch war mit Abbildungen versehen, auf denen das Treiben heidnischer Kaiser dargestellt war; und in diesem feinen Buche, wie es Tibenus und Caracalla und andere Kaiser mit Kindern trieben, und es ihnen besonderes Vergnügen bereitete, sie zu quälen. Das erweckte in mir Wunsch, sie nachzuahmen, und noch am gleichen Abend tat ich das, was mir auf den Abbildungen vorgemacht wurde.“ Was es auch immer gewesen sein mag, er missbrauchte die Kinder und tötete sie danach auf grausame Art und Weise.

Ann Benson beschreibt keinen Missbrauch direkt, aber das Grauen und die Gewaltbereitschaft sind beständig zugegen. Das Buch durchziehen diese Gräueltaten, und wenn auch keine davon szenisch dargestellt wird, so reichten mir bereits die erzählten Einzelheiten, um Abscheu zu wecken. Und trotzdem weiß die Autorin, dass solche Abscheulichkeit auch fasziniert. Die Menschen sind sensationslüstern, und in einem Roman darf man dies ausleben. Wie viele Menschen bleiben bei einem Unfall stehen, um zu gaffen? Zu viele, aber Schreckliches ist eben auch anziehend, und ein Mensch, der Schreckliches tut, ist ebenso anziehend. Somit ist de Rais auch eine schillernde, mächtige Präsenz in diesem Roman und seine Taten sind grausam interessant. Wie kann ein Mensch solche Taten begehen, fragt sich der Leser, und taucht immer tiefer in einen – ja! menschlichen – Abgrund hinein, dem er sich morbiderweise nicht entziehen kann. Dass der Täter der Neuzeit nur ein Abklatsch einer so schillernden, mächtigen Figur sein kann, versteht sich von selbst, allerdings haben seine Taten den gleichen entsetzlich faszinierenden Untergrund. Wie kann ein Mensch solche Taten begehen? Und dann auch noch an Kindern?

Zartbesaitete oder auch gerade Mütter mit kleineren Kindern sollten dieses Buch nicht zur Hand nehmen, alle anderen, die makabere Lektüre goutieren oder die Faszination des Bösen fühlen möchten, sollten direkt in die Buchhandlung eilen, um das Buch abzugreifen. Es gibt fürs Geld 570 sehr spannende Seiten, die sogar noch historisches Wissen vermitteln. Ich jedenfalls habe diesen Roman regelrecht verschlungen.

|Originaltitel: Thiefs of Souls
Originalverlag: Delacorte 2002
Aus dem Amerikanischen von Klaus Berr
Taschenbuch, 576 Seiten|
http://www.blanvalet-verlag.de

Weitere Romane der Autorin:
[„Die siebte Geißel“ 18 (1997)
„Die brennende Gasse“ (1998)
„Der Fluch des Medicus“ (2006)

Anderson, Jeffrey – schlafende Tod, Der

_Inhalt_

In Los Angeles erkranken mehrere Menschen an einer scheinbaren Virusinfektion, die innerhalb weniger Tage zum Tod führt. Symptome sind Magen-Darm-Krämpfe und massive Blutungen aus dem Unterleib und dem Mund-Rachen-Bereich. Die Ärzte stehen vor einem Rätsel. Da stündlich neue Patienten gemeldet werden, werden die Katastrophenschutzbehörde und die Seuchenzentrale sowie FBI, CIA und NSA alarmiert.

Der FBI-Agent Alan Thorpe und sein hochkarätiges Wissenschaftler-Team nehmen sich der Sache an, um dem Virus auf die Spur zu kommen. In einem Hochsicherheitslabor untersuchen sie Proben von Erkrankten und finden tatsächlich etwas: Nanoröhrchen – winzigste Bauteile der Nanotechnologie. Die Angst, es mit einer künstlich hervorgerufenen Viruserkrankung zu tun zu haben, steigt extrem an, zumal die Computerprognosen über die Verbreitung der Krankheit eine eindeutige Epidemie hervorsagen.

Zeitgleich wird eine entsetzliche Entdeckung im Internet gemacht: Die Besucher der Pentagon-Seite werden umgeleitet – zu einer Drohung, die ihnen den Nanotod im Namen von Allah ankündigt! Nicht nur in Los Angeles bricht Panik aus, denn der Nanotod schlägt nun auch in anderen Städten gnadenlos zu.

Für Präsident Sutherland ist die Lage prekär, die Weltmacht USA muss auf diesen offensichtlichen Anschlag reagieren. Als der Verdacht aufkommt, dass syrische Terroristen die Urheber der Katastrophe wären, plant er einen militärischen Eingriff. Doch bevor der Krieg ausbrechen kann, gibt es neue Beweise, dass die Terroristen aus dem eigenen Land kommen. Ein Agent, der in die Terroristenbande eingeschleust wurde, bringt nicht nur neue Informationen mit, sondern auch ein Virus, das sehr schnell tötet und gegen das die Wissenschaftler noch kein Mittel haben …

_Meinung_

Das ist längst noch nicht alles, was auf den 412 Seiten dieses Thrillers passiert, aber es reicht, um im Groben zu verstehen, worum es geht: Um Terrorismus, Wissenschaft, Politik und um Menschenleben. Dieser Thriller lässt sich kaum aus der Hand legen, denn er ist verflucht spannend! Bereits die ersten Seiten fesseln den Leser; die Story setzt mit der Erkrankung ein und schnellt damit augenblicklich auf ein hohes Spannungslevel – und das Schöne daran ist, dieses Level wird konstant gehalten!

Viel trägt dazu bei, dass das entworfene Szenario sehr realitätsnah gehalten ist; es spielt zwar nicht in der Gegenwart (das ist nur daran zu erkennen, dass Bush nicht mehr der Präsident der USA ist), allerdings auch nicht in allzu weiter Zukunft. Eine solche Nanotechnologie-Biowaffe könnte tatsächlich in wenigen Jahren bereit sein, fast die gesamte Menschheit innerhalb kürzester Zeit auszulöschen. Die psychologische Angst, die geschickt auf den Leser übertragen wird, begleitet diesen durch die Seiten und lässt ihn mit den Wissenschaftlern mitfiebern, die unter schwersten Bedingungen ein Heilmittel suchen.

Das Debüt von Jeffrey Anderson ist ein Wissenschaftsthriller, und demnach finden sich reichlich wissenschaftliche Ausführungen, die den Laien erklären sollen, was da eigentlich gerade stattfindet. Ich gebe zu, ich habe zwar nicht alles verstanden, aber das, was ich begriffen habe, reichte allemal, um den Roman nachzuvollziehen und zu genießen. Der Autor baut auch nicht einfach einen trockenen Absatz mit Erklärungen ein, sondern bringt dem Leser die Informationen größtenteils mittels Dialogen nahe – eine sehr schöne Variante, da sie gleich auch die Charaktere formt und deren Fachkompetenz als Super-Genies unterstreicht. Ich habe es ihnen jedenfalls abgekauft, dass sie Koryphäen auf ihrem jeweiligen Gebiet sind!

Zur besseren Vorstellung hat der Autor das Biodefense-Team (Alan Thorpe & die besagten Genies) auf der allerersten Seite gesondert vorgestellt. Das hilft natürlich, diese Figuren dem Leser nahezubringen und sie als \“Helden\“ wiederzuerkennen. Nun sind mir diese fünf Charakter nicht unbedingt ans Herz gewachsen, aber unsympathisch kann man sie auch nicht nennen. Doch nur der Agent Alan Thorpe und der Arzt Sam Goldberg konnten meine volle Aufmerksamkeit erreichen, da diese beiden jeweils mitten im Zentrum eines Krisengebietes kämpften: Alan inmitten von hochrangigen Politikern bis hin zum Präsidenten, und Sam inmitten der Infizierten im LA-Krankenhaus. Die restlichen drei kämpfen zwar verbissen um ein Heilmittel, sind mir aber als Figuren nicht so nahegegangen, weil sie doch eher außerhalb der Gefahr stehen. Auch sind ihre Eigenschaften blasser ausgefallen (außer ihrer fachlichen Kompetenz, wie erwähnt) und damit gibt es weniger Identifikationspotenzial für den Leser.

Insgesamt ist das Debüt von Anderson ein gelungener, spannender Wissenschaftsthriller, der gerade durch seine Realitätsnähe besticht und mitreißt. Ich spreche damit eine Empfehlung aus, und zwar nicht nur für Fans von Wissenschaftsthrillern.

_Der Autor_

Jeffrey Anderson, Dr. med. und Dr. phil, ist Neuroradiologe an der Universität von Utah und veröffentlicht seine Forschungsergebnisse in den führenden amerikanischen Fachzeitschriften wie \“Science\“, \“Nature Neuroscience\“ und \“Neuron\“. \“Der schlafende Tod\“ ist sein erster Roman und mit seinem zweiten Werk \“Die Erben der Schöpfung\“ wartet bereits ein neuer Wissenschaftsthriller im Handel.

http://www.goldmann-verlag.de

Schacht, Andrea – Sünde aber gebiert den Tod, Die

Teil 1: [„Der dunkle Spiegel“ 369
Teil 2: [„Das Werk der Teufelin“ 1764

_Die Geschichte:_

Köln, Weihnachten im Jahr 1376: Im Benediktinerkloster wird während der Christmesse ein Säugling gefunden. Dieser trägt ein Feuermal im Gesicht. Pater Ivo bringt das Kind zu den Beginen am Eigelstein, wo sich Almut darum kümmern soll.

Kurz darauf versuchen drei Männer in den Beginenkonvent einzubrechen; schnell wird Almut klar, dass sie es auf den Säugling abgesehen hatten. Doch wer sie beauftragte, bleibt im Dunkeln. Derweil findet sie heraus, dass eine junge Frau mit ihrem Baby im Gasthaus gewohnt und sich mit dem Prior des Klosters getroffen hat. In den Windeln des Babys findet die Begine ein Schreiben, das an einen unbekannten Helfer gerichtet ist. Wer ist dieser ominöse Helfer?

Eine kopflose Frauenleiche, die in der Kirche gefunden wird, verkompliziert die Ermittlungen, die Almut und Pater Ivo sowie ihre Freunde in Angriff nehmen. Und dann findet Pater Ivo den Kopf: Die Frau ist die Mutter des Babys und die Geliebte des Ritters, der sich seit einigen Tagen im Kloster aufhält, um – wie er sagt – seine vergangenen Sünden zu büßen. Inwieweit hat dieser Mann seine Hände im Spiel?

Brenzlig wird die Lage, als der Prior Pater Ivo im Keller des Klosters anketten und misshandeln lässt, angeblich weil er sündhaften Umgang mit den Beginen hegt. Was aber, wenn die junge Mutter beim Prior war und dieser in die mysteriöse Angelegenheit verwickelt ist? Almut nimmt die Forschungen alleine auf und bringt sich selbst mal wieder in Gefahr …

_Meine Meinung:_

Die Geschichte um Almut und Ivo geht in die dritte Runde, und ich muss gestehen, dass ich auch dieses Buch in wenigen Stunden ausgelesen hatte. Ich habe festgestellt, dass sich der Schreibstil der Autorin zwar nicht gravierend verbessert hat, allerdings sind mir die Figuren des Romans inzwischen so vertraut geworden, dass ich einfach extrem neugierig bin, wie es mit ihrem Leben weitergeht. Schaffen es Almut und Pater Ivo endlich, sich ihre Liebe einzugestehen? Hat ihre Liebe überhaupt eine Chance? Der neue Kriminalfall versackte dabei für mich fast zur Hintergrundgeschichte, wobei das natürlich genau anders herum sein sollte. Sei’s drum, mir war die Weiterentwicklung der Beziehung zwischen den beiden Protagonisten wichtiger. Da noch kein Ende der Serie in Sicht ist, werden diese Fragen natürlich immer noch nicht beantwortet, allerdings kommen die Gefühle verbal immer deutlicher zum Ausdruck, wenn auch aus Sicht der außenstehenden Nebencharaktere.

Zum Schreibstil sei angemerkt, dass Frau Schacht solides Handwerk abliefert, allerdings nur ganz, ganz wenige Stilraffinessen zu verzeichnen sind. Sie schreibt lebendig, unterhaltsam und sehr gut verständlich. Im letzten Teil hatte sie Zitate von Sirach verwendet, jetzt bedient sie sich des Heiligen Jakobus, um spritzige Diskussionen zwischen den Liebenden zu erzeugen. Manchmal etwas zu dick aufgetragen, meistens aber amüsant. Außerdem sammelt sie neue Freunde des „Paares“. Nun ist eine Köchin namens Franziska, die später den Wirt heiratet, hinzugekommen, während aber auch mein geliebter Meister Krudener sowie die taubstumme Trine ihre Auftritte haben dürfen. Ja, an die Figuren gewöhnt man sich schnell. Und auch sonst gibt es nicht viel zu meckern: Die Kriminalgeschichte ist spannend aufgebaut, die Auflösung plausibel, die Hintergründe nachvollziehbar.

_Fazit:_ Ein solider, guter Kriminalroman, dessen größtes Plus die Charaktere sind. Allerdings sollte man die beiden Vorgängerromane (s. o.) zuerst gelesen haben!

_Die Autorin:_ Andrea Schacht wurde 1956 geboren. Sie arbeitete als Wirtschaftsingenieurin in der Industrie und als Unternehmensberaterin. Sie lebt heute als freie Autorin mit ihrem Mann in Bad Godersberg.

http://www.andrea-schacht.de
http://www.blanvalet.de

Ihre Bücher:

|Die Ringtrilogie|
Der Siegelring (2003)
Der Bernsteinring (2004)
Der Lilienring (2004)

|Die Begine-Almut-Romane|
[Der dunkle Spiegel 369 (2003)
[Das Werk der Teufelin 1764 (2004)
Die Sünde aber gebiert den Tod (2005)
Die elfte Jungfrau (August 2007)

|Weitere Romane|
Rheines Gold (2005)
Die Lauscherin im Beichtstuhl (2006)
Kreuzblume (Februar 2007)

Douglas, Tania – Tanz der Wasserläufer

_Story:_

Die 15-jährige englische Adlige Julie Dearsley wird mit dem zwanzig Jahre älteren Frederik Glenstair, dem Earl of Eastington, verheiratet. Das Mädchen ist noch zu unerfahren, um die Lieblosigkeit ihres Ehemannes erklären zu können, doch ihr wird schnell deutlich gemacht, dass Frederik nur eines von ihr will: einen Sohn, um seinen Bruder John als Erben von Eastington abzusetzen. Kurz darauf melden sich John und seine Frau Henriett zu Besuch an, und Julie erfährt von „seltsamen“ Neigungen ihres Mannes. Neugierig sucht sie die Aussprache mit Frederik, doch diese endet in einer Nacht der Vergewaltigung.

Julie flieht in den nahe gelegenen Wald, um sich im Weiher von der Demütigung rein zu waschen. Erschöpft schläft sie kurz darauf am Ufer ein, um von einem Fremden verführerisch geweckt zu werden. Sie vergisst die zuvor erlebte Grausamkeit und ihre Leidenschaft erwacht unter den Händen des Franzosen, ebenso bekommt ihr unbändiger Lebenswille neue Nahrung. Sie verlässt den Unbekannten am Morgen und beschließt, mit Frederik einen Neuanfang zu wagen. Kurz darauf weiß sie um ihre Schwangerschaft. Als sie ihrem Mann die freudige Nachricht überbringen will, erwischt sie diesen in leidenschaftlicher Umarmung mit seinem Leibdiener. Frederik zieht nach London um und stirbt noch vor der Geburt des Sohnes an der Pest.

Julie ist nun die Herrin von Eastington und ihr Sohn Thibault ihr einziger Lebensinhalt. Doch John lässt sich das Erbe nicht so leicht wegnehmen, er empfiehlt seine junge Schwägerin dem ersten Minister Englands, dem Herzog of Buckingham. Dieser stiehlt ihr das Kind und erpresst sie damit. Sie muss die Hochadlige Marie de Chevreuse als Spionin nach Frankreich begleiten. Nur wenn sie dem Minister Informationen über die politische Gesinnung Frankreichs bringt, wird sie ihr Kind wiederbekommen.

In Frankreich angekommen, trifft sie ihren Verführer wieder: Francois de Tallevende, der Comte de Fontes-Villaray, ist ausgerechnet der Liebhaber und Vertraute von Marie de Chevreuse, ihrer Erpresserin. Julie hatte alle Hoffnungen in den wirklichen Vater ihres Sohnes gelegt, doch nun muss sie mit ansehen, wie dieser gegen sie arbeitet. Zu allem Übel begehrt sie den jungen Adligen auch noch und verliebt sich sogar in ihn. Ohne zu ahnen, dass Francois ein Spitzel des französischen Ministers, des Herzogs de Richelieu, ist, beginnt sie, um ihn zu kämpfen. Doch skrupellose Politiker beider Länder machen den beiden das Leben zur Hölle. Und Francois will sowieso alles andere als eine feste Bindung …

_Meine Meinung:_

Dieser Roman hat 722 Seiten und lässt sich dennoch in wenigen Tagen auslesen: Eine verflucht spannende Geschichte!

Doch von vorne:

Julie heiratet Frederik. Der Leser ahnt von Beginn an, dass mit Frederik etwas nicht stimmt. Der Mann ist kalt wie ein Eisblock, hegt unheilbaren Hass auf seinen Bruder, reitet wie der schwarze Teufel durch die Wälder und „besteigt“ Julie wie ein Pferd, eine Ware. Kein Gefühl, keine Liebe.

Julie trifft Francois. Hier allerdings weiß der Leser sofort, dass der junge Waldverführer eine tragende Rolle im Leben unserer Heldin innehaben wird. Er ist sanft, liebevoll. Er gibt Julie durch eine Liebesnacht neuen Mut. Er ist in dieser Situation ihr Retter, ihr Prinz, ihr unbekannter Liebhaber.

Julie bekommt Thibault. Ja, ihr Sohn taucht zwar nur am Anfang und am Ende des Romans auf, spielt für die Charakterentwicklung Julies aber eine wichtige Rolle. Sie wird zur verbissenen Kämpferin, wenn es um den Kleinen geht. Sie steht die gefährliche Zeit in Frankreich durch, sie gibt Francois nicht auf – alles für ihren Kleinen, oder? Nein, nicht ganz. Francois will sie für sich und für ihren Sohn.

Julie ist in Frankreich. Und trifft Francois wieder – doch der entpuppt sich als Feind. Er arbeitet mit ihren Erpressern Hand in Hand – wo ist der Verführer? Ihr Prinz? Ihr Held? Unser Held? Er bleibt es, denn Liebe lässt sich rational nicht erklären. Und siehe da, Francois steht in Wahrheit auf einer ganz anderen, aber deshalb nicht ungefährlicheren Seite: auf der des Kardinals Richelieu, des mächtigsten Mannes von Frankreich. Und auch Richelieu hat es in sich, nachdem er erstmal auf Julie aufmerksam geworden ist. Der Kardinal schafft es, Julie und Francois auseinanderzutreiben, als sie sich endlich gefunden haben. Dass Robert, Julies Page, seinen Anteil dazu beitrug, sei einmal beiseite geschoben. Der Kardinal hat die Macht inne, und er nutzt sie nicht nur für sein Land, sondern auch für sich selbst. Besonders, nachdem des Königs Bruder Gaston Interesse an der englischen Lady bekundet, weiß Richelieu, was gut für sich, den König, Francois und Julie ist.

Ach, ich könnte hier noch so viel dazu schreiben, doch soll die Neugier auf diesen zauberhaften Roman erhalten bleiben. Deshalb wende ich mich nun den stilistischen Elementen des Buches zu: Die Kapitel sind recht lang gehalten, auf 722 Seiten gibt es nur 19 davon. Diese sind aber wiederum durch Absätze unterbrochen, die in der Regel auch einen Szenenwechsel mit sich bringen. Das hält die Spannung aufrecht. Natürlich hat das Buch nicht 722 actiongeladene Seiten, aber die Spannung zieht sich tatsächlich von der ersten bis zur letzten Seite durch. Zwischendurch darf der Leser mal Luft oder Kaffee holen, um das Zubettgehen noch lange zugunsten des Buches hinauszuzögern. Die Autorin schreibt in jeder Zeile lebendig, klar und mitreißend. Selbst Beschreibungen über Städte, Kleidung, Personen standen mir lebendig vor Augen. Eine perfekte Mischung aus Beschreibungen (Stillstand der Handlung) und Dialogen (Vorantreiben der Handlung) bietet Lesevergnügen ohne Ende. Der dicke Wälzer liest sich federleicht; ich war zu jeder Sekunde tief in der Geschichte gefangen.

Tania Douglas muss viel recherchiert haben. Der Hochadel Frankreichs ersteht hier neu auf, die Dekadenz, die Ignoranz, die Intrigen, die Liebeleien – alles ist da, was ein Hof braucht, um unterzugehen. Kein Wunder, dass wir heute keinen königlichen Hof mehr haben. Auch der Krieg zwischen Frankreich und England, zwischen Richelieu und Buckingham, besticht durch Detailbeschreibungen und gute Information der damaligen Auseinandersetzung. Die Autorin zeigt uns drei Jahre Geschichte in fesselnder Art und Weise auf und baut darin eine herzergreifende Liebesgeschichte ein, anhand derer jegliche politische Gesinnung scheitern muss.

Die Charaktere sind natürlich ebenso fesselnd. Julie ist bestens geeignet, um sich als Leserin mit ihr in jeder Lage identifizieren zu können: Sie macht alle Gefühle in den drei Jahren durch, die Liebe und Grausamkeit mit sich bringen. Und sie ist nicht immer stark. Sie bricht vollends zusammen, als ihre Liebe sie ablehnt. Sie ist natürlich auf eine eigene Art schön, zweifelt jedoch an sich selbst oft genug. Sie gibt viel Liebe, starke Liebe, aber sie kann sie auch annehmen. Sie ist Mutter, kämpft um ihr Kind wie eine Löwin, erkennt aber auch Unmögliches. Sie ist Adlige, weiß am Hof zu bestehen, ohne tatsächlich dazuzugehören. Julie ist ein Mädchen, alles erweckt ihre Neugierde, sie ist naiv, neugierig und besitzt über eine Unbedarftheit, die oftmals verwundert.

Ihr Auserwählter ist Francois – ebenfalls adlig, ebenfalls nicht wirklich an den Hof gehörend. Ein Weiberheld, ein Abenteurer, ein unbeständiger Geist, der sich nur schwer festhalten lässt. Er liebt seine Freiheit und dafür kämpft er. Und ausgerechnet er steht im Dienste des mächtigen Kardinals und übermittelt ihm Informationen sowohl aus England als auch aus dem eigenen Reihen. Man (und Frau erst recht) kann Julies Faszination zu diesem Mann verstehen.

Es gibt natürlich Sexszenen. Doch halten diese sich auf ein normales Maß zurück, soll heißen, es gibt keine ausgedehnten Verführungsszenen, keine pornographischen Ausschweifungen. Der Begriff ‚Liebe machen‘ passt hier gut. Sex findet nur zwischen Julie und Francois per Buchstaben statt – und meistens ist es liebevoll und berührend beschrieben. Es gehört halt dazu und erfüllt hier seinen Sinn: Julie und Francois sollen zueinander finden. Ob sie das auch schaffen, das müsst ihr schon selbst herausfinden. Vieles spricht dagegen …

_Die Autorin:_

Tania Douglas wurde 1969 bei Koblenz geboren. Als sie fünf Jahre alt war, zog sie mit ihrer Mutter und ihrem neuen Stiefvater nach Frankreich. Sie machte dort ihr Abitur und studierte Touristik. 1990 kehrte sie nach Deutschland zurück und arbeitete als Flugbegleiterin. Nach ihrer Hochzeit gab sie ihren Beruf auf und begann mit dem Schreiben. „Tanz der Wasserläufer“ ist ihr erster Roman.

Homepage der Autorin: http://www.taniadouglas.com

Sauer, Beate – Buchmalerin, Die

_Die Autorin_

Beate Sauer wurde 1966 in Aschaffenburg geboren. Sie studierte Philosophie und katholische Theologie in Würzburg und Frankfurt am Main. Seit 1997 lebt und arbeitet sie als freie Autorin in Köln. „Die Buchmalerin“ ist ihr zweiter Roman nach „Der Heilige in deiner Mitte“ (1999). Im Februar 2007 erschien bei |Grafit| ihr aktueller Historienkrimi „Der Geschmack der Tollkirsche“.

_Die Geschichte_

Als Junge verkleidet, befindet sich Donata mitten in heftigsten Winterstürmen auf dem Weg von Burgund nach Köln. Sie will dort Arbeit als Schreiber finden und sich gleichzeitig vor der Inquisition verstecken. Vor dieser ist sie aus Burgund geflohen, weil sie zwei Ketzer nicht verraten wollte.

Schwach und mehr als durchgefroren, sucht sie Schutz in der verlassenen Ruine einer alten Kirche und kriecht dort in den hohlen Altar. In der Nacht wird sie Zeuge eines Mordes. Vier Männer befinden sich in der Ruine: ein Dominikaner, ein Adliger, ein Diener und ein weiterer, von Donata nicht einzuordnender Mann. Und genau dieser stößt dem Dominikaner das Messer in den Leib. Nach Abzug der Männer verlässt die junge Frau fluchtartig den Ort des Verbrechens, um kurz darauf dem Diener in die Arme zu laufen. Doch dieser begreift erst später, dass dieser Junge zu dieser Zeit der Ruine zu nahe war und ein Risiko darstellte. Im Auftrag seines Herrn beginnt die Jagd nach dem vermutlichen Zeugen des Mordes …

Inzwischen hat der Kaiser Friedrich einen Kundschafter auf seinen Sohn, den König Heinrich, und den Kardinal von Trient angesetzt. Der Kaiser wittert eine Verschwörung der beiden mächtigen Männer gegen ihn und den Papst. Doch der Kundschafter Roger ist den beiden dicht auf den Fersen. Bei seinen Beschattungen stößt er ebenfalls auf Donata, die inzwischen bei den Beginen in Köln Unterschlupf gefunden hat. Als der Kardinal in die Stadt einzieht, wird ihr klar, dass dieser der Mörder des Dominikaners war und dass der Dominikaner der Inquisitor Gisbert war – ein treuer Anhänger des Papstes.

Ihr gelingt erneut die Flucht vor dem hohen Geistlichen, doch die Beginen und auch die Benedikterinnen müssen einen hohen Preis für ihre Hilfe bezahlen: Der Kardinal sucht unter ihnen den potenziellen Mörder des Inquisitors, dessen Leiche nun auch noch aufgetaucht ist und somit seine Pläne durcheinander bringt.

Als Donata und Roger aufeinander treffen, verbünden sie sich zwangsweise und machen sich auf die Suche nach dem zweiten Zeugen, jenem adligen Mann aus der Kirchenruine. Der weite Weg quer durchs Land beginnt und hält so manche gefährliche Situationen für die beiden bereit …

_Die Hauptcharaktere_

|Donata|

Sie ist bei Albigensern aufgewachsen, bevor deren Glauben als Ketzerei deklariert wurde. Sie hat Lesen und Schreiben gelernt und verfügt über das Talent des Malens – und zwar des naturgetreuen Malens, das zu dieser Zeit nicht gern von der Kirche gesehen wurde.

Donata ist eine junge Frau Anfang zwanzig. Sie ist gezeichnet durch Zähheit und Widerspenstigkeit gegenüber Schicksalsschlägen, aber genauso durch Mitgefühl, Verantwortungsbewusstsein für ihre Umwelt und innere Zerrissenheit. Sie hat Angst vor der Inquisition, geht aber mutig ihren Weg.

Dieser Charakter ist am stärksten ausgearbeitet, und die Autorin lüftet geschickt erst nach und nach die Geheimnisse der jungen Frau. Wie schön – das schafft Spannung!

|Roger|

Der Kundschafter Friedrichs wird dem Leser sehr früh in seinen Aufgaben vorgestellt. Er bleibt als Person sehr lange undurchsichtig und kommt stellenweise blass rüber. Roger wurde von Kaiser als Waisenkind aufgenommen und unterrichtet. Seine Leidenschaft gilt der Medizin – eine vortreffliche Tarnung für einen Spitzel. Als Arzt verdient er sich schnell das Vertrauen der Leser, doch als Donatas Begleiter bleiben Zweifel ob seiner Ehrlichkeit. Erst beim Finale klärt uns die Autorin endgültig auf.

|Der Kardinal und Legat|

Himmel, was für ein Mann! Ich weiß, er ist ein Mörder, aber dieser Charakter strahlt eine Anziehungskraft aus, die es mir unmöglich macht, ihn nicht zu bewundern. Ehrgeiz, Skrupellosigkeit und Intelligenz paaren sich zu einem Bündel an Energie und, ja, irgendwie auch sinnlicher Ausstrahlung, dass ich mir wünschte, einem solchen Mann begegnen zu können. Nun gut, ich hatte immer eine Schwäche für Bösewichte, aber dieser hier scheint schon ein Prachtexemplar zu sein. Extrem gut ausgearbeitet, Frau Sauer! Ich bin begeistert.

_Meine Meinung_

Die Charaktere verdienen also insgesamt Lob. Übrigens: Das Gleiche gilt für die Nebencharaktere, die ich aber nicht im Einzelnen auseinanderklabüsern möchte. Doch wie ist nun die Story aufgebaut? In einem Wort: Megaspannend! Der Spannungsbogen wird von den ersten Seiten an aufgebaut, steigt kontinuierlich leicht an, endet in einen kleinen Höhepunkt, flacht sachte ab und steuert den nächsten Höhepunkt an. Der Leser hängt an der Angel und muss der Strömung des Erzählflusses folgen, den die Autorin doch sehr geschickt mal hierhin, mal dorthin lenkt. Die Stränge nähern sich der saftigen, kolossalen Verschmelzung und dann …

… kommt das Ende. Mein Gott, wie kann man solch eine Spannung aufbauen, um dem Finale, dem eigentlichen Kern der Sache, so wenig Raum zu schenken? Das darf doch nicht wahr sein! Klar, rein inhaltlich ist das Ende sehr befriedigend, aber das hätte die Autorin doch noch viel gewaltiger inszenieren können. Nein, wirklich, ich bin entsetzt! Am liebsten würde ich den Stift nehmen und alles umschreiben.

Das Ende ist also nicht wie gewünscht, doch der Schreibstil ist wunderbar zu lesen. Zwar ist die Sprache der Protagonisten der heutigen Zeit angepasst, aber das empfinde ich nicht als schlimm. Beate Sauer nimmt sich die Zeit, dem Leser die Umgebung vorzustellen, erweckt damit die klirrende Kälte des Winters zum Leben und verleiht ihrem Roman damit eine lebendige und nachvollziehbare Atmosphäre.

Ein weiteres Plus ist das Tempo der Geschichte. Das Buch umfasst über 500 Seiten, aber selten kehrt Ruhe ein, die die Charaktere dann auch bitter nötig haben. In diesen seltenen Momenten erfahren wir auch die Vergangenheit der beiden Flüchtigen und die ganze Hintertriebenheit des Kardinals. Nähe und Verbundenheit werden aufgebaut, Kontakte geknüpft und der Leser in den nächsten Schachzug der Handlungsträger geschickt. Ja, das ist schon gelungen!

Zum Schluss: Sauer hat in ihrem Nachwort die fiktiven und historischen Charaktere und Geschehnisse auseinandergezwirbelt. Wie zu erwarten war, hat der Kardinal nie existiert, doch die versuchte Rebellion des Königs Heinrich gegen seinen Vater hat stattgefunden. Wann was genau geschah, könnt ihr im Nachwort selbst nachlesen.

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Volkers, Mara (Lorentz, Iny) – Reliquie, Die

Mara Volkers ist das Pseudonym von Iny Lorentz. Iny Lorenz ist wiederum das Pseudonym eines Autorenehepaars namens Iny und Elmar. Lorenz hieß Elmars Vater, daher der Nachname Lorentz. Mara stammt vom Namen Elmar ab und Volker hieß Inys Vater, deswegen Mara Volkers. Auch eine Methode, um an ein Pseudonym zu kommen.

„Die Reliquie“ ist bisher das einzige Buch, das unter dem Namen Mara Volkers erschien, während als Iny Lorentz zahlreiche historische Romane wie z. B. [„Die Kastratin“, 980 „Die Wanderhure“, „Die Kastellanin“ oder „Die Tatarin“ erfolgreich veröffentlicht wurden.

_Die Story:_

Im Jahre des Herrn 1268: Der Graf Walther von Eisenstein regiert sein Land brutal und gewissenlos, denn er ist sich seines Einzuges ins Paradies gewiss. Dank eines Holzsplitters vom Kreuze Jesu Christus, den einst einer seiner Vorfahren im Kampf um das Heilige Land mit nach Hause brachte, sind die Seelen seiner Sippe auf alle Ewigkeit gerettet. Für ihn ein Grund, nach Lust und Laune zu morden, zu vergewaltigen und zu rauben. Dabei hat er es vor allem auf das Land seiner Nachbarn und Freibauern abgesehen.

So kommt es eines Tages, dass er den Freibauernhof von Otto und Anna überfällt, den Bauern zusammenschlagen und die Frau mehrfach vergewaltigen lässt. Er lässt die beiden als Hörige in eine Kate bringen und beschlagnahmt sowohl das Land als auch die Tochter Elisabeth, die er als Geliebte mit auf seine Burg nimmt. Die jüngere Tochter Bärbel wird ebenfalls eingesackt, allerdings als hörige Arbeitskraft im Stall, in der Küche oder wo man sie sonst brauchen kann.

Derweil kümmert sich der Meister Ardani um die Kräuterfrau Usch, die von Rache an dem Grafen träumt. Der Zauberer ist sich Bärbels Wert sehr bewusst, durch ihre Verwandtschaft dritten Grades mit dem Grafen ist sie die Einzige, die die Reliquie an sich bringen und damit den Segen von dem Tyrannen nehmen kann. Also befiehlt er der Kräuterfrau, das Mädchen unter ihre Fittiche zu nehmen, dafür zu sorgen, dass das Kind rein und unschuldig bleibt. Usch verwandelt daraufhin die Kleine in einen sogenannten Waldschrat, ein schmutziges, unförmiges Ding, das alle anderen für verrückt halten. Und es wirkt, Bärbels Unschuld bleibt unberührt …

Bleibt also nur noch, die Reliquie zu entwenden und allem Bösen den Garaus zu machen …

_Meine Meinung:_

Dieses Buch beinhaltet historischen Roman, Fantasy-Story und Märchen in einem. Zauberer, Geister, Dämonen und Engel bestimmen die Handlung genauso konsequent wie Grafen, Hörige, Mönche und Eremiten. Hier findet der Leser alles: Krieg und Liebe, Gewalt und Romanze, Intrigen und Verbündungen, Habgier und Freundschaft.

Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet und verströmen eine gewisse Lebendigkeit, die die Seiten schnell vorbeifliegen lässt. Insbesondere der Graf Walther besticht durch eine eiskalte Intelligenz und Bösartigkeit, zieht mordend und plündernd durch sein Land, und was er nicht mit Gewalt erreicht, besorgt er sich mit hinterhältiger Betrügerei.

Dem gegenüber steht das Kind Bärbel, das durch den Zauberer auf sein Erbe erst hingewiesen werden muss und damit nicht wirklich umzugehen weiß. Sie verlässt sich auf ihre Freundin Usch, die allerdings wiederum unter dem Einfluss des Meisters steht, und auf ihre Intuition, die ihr doch immer wieder aus unangenehmen Situationen helfen kann.

Ihre Schwester ist das Betthupferl des Grafen und trägt alsbald dessen Kind unter ihrer Brust. In der Hoffnung, ihr Sohn werde der nächste Graf, lässt Elisabeth ihr Schwesternding gnadenlos fallen und widmet sich nur noch ihrer neuen Karriere. Auch Bärbels Eltern nehmen im Anblick einer neuen Aufstiegsmöglichkeit Abschied von ihrem zweiten Kind, wollen eigentlich nur noch Nachrichten über die „richtige“ Tochter erfahren. Bärbel steht ziemlich allein, bis ein alter Eremit auf der Burg auftaucht und ihr ebenfalls den Auftrag gibt, den Kreuzessplitter zu stehlen.

Selbst die Nebencharaktere sind dicht konstruiert, soll heißen, füllen ihre Rollen mit Realitätssinn und eigenem Stil voll und ganz aus. So ist z. B. des Grafen Haushaltsvorsteherin in diesen verliebt und geifert nach der Ehre, in seinem Bett liegen zu dürfen. In einem Anfall von Wahnsinn will sie ihn mit Hexentrunk verführen und zeigt dabei ihr wahres Gesicht: Durch jahrelangem Verzicht ist sie gelb vor Neid und gemein gegenüber allen weiblichen Wesen in Gegenwart des Grafen. Kurzerhand lässt der Graf sie von allen verfügbaren Knappen und Knechten vergewaltigen.

Der Roman besticht nicht nur durch eine gute Geschichte, sondern ebenfalls durch einen flüssigen und schönen Schreibstil. Häufiger Szenenwechsel hält die Spannung aufrecht und die Detailbeschreibungen sind meiner Meinung nach im richtigen Maß: nicht zu viel, dass es langweilte, und nicht zu wenig, dass man sich nichts vorstellen könnte. Es ist natürlich Unterhaltungsliteratur und dementsprechend gibt es keinerlei Leseschwierigkeiten im Schreibstil. Angenehm und sehr fließend gleiten die Wörter dahin und lassen die passenden Bilder vor dem geistigen Auge entstehen. Allerdings sind die Gewaltszenen doch schon recht deutlich geschildert, und was fehlt, entsteht im Kopf des Lesers sowieso noch dazu. Das ergibt zwischendurch immer mal wieder leichtes Entsetzen, zeigt aber auch sehr nüchtern, wie grausam das Leben in der damaligen Zeit halt war.

Was mich inhaltlich etwas irritierte, war der deutliche Anstieg der fantastischen Elemente zum Schluss des Buches. Auf einmal wimmelte es nur so von Geistern, Engeln und Dämonen. So hatte ich das nicht erwartet, als ich den Roman zu lesen begann. Doch irgendwie passt diese Entwicklung ins Gesamtbild hinein, und deshalb habe ich das Buch bis hin zum Happy-End-Finale auch weiter verschlungen!

Im Großen und Ganzen kann ich diesen Roman allen empfehlen, die Mittelalter-, Fantasy- oder Märchen-Vorlieben besitzen. Es ist sehr gut und leicht zu lesen und die Story unterhält von Anfang bis Ende!

Für den November 2007 ist bei |Bastei Lübbe| der Roman „Die Braut des Magiers“ unter dem Pseudonym Mara Volkers angekündigt.

Homepage von Iny Lorentz: http://www.iny-lorentz.de
http://www.bastei-luebbe.de

Dübell, Richard – Spiel des Alchimisten, Das

[„Der Tuchhändler“ 2750
[„Eine Messe für die Medici“ 3288
[„Die schwarzen Wasser von San Marco“ 3323

Der Kaufmann Peter Bernward und seine Gefährtin Jana Duglosz befinden sich noch immer auf der Heimreise von Italien nach Polen. Bernward legt einen Abstecher nach Augsburg ein, um seine Tochter Maria zu besuchen. Er möchte ihr die wahren Hintergründe des Todes ihres Mannes in Florenz erklären. Kleinschmidt wurde als Beteiligter des Attentates auf die Medici hingerichtet und Bernward selbst hatte seinen Schwiegersohn ans Messer geliefert, um Jana zu retten.

Da sein Schwiegersohn im Dienste des Handelshauses der Hoechstetter stand, sucht Bernward als Erstes deren Verwalter Stinglhammer auf, um zu erfahren, wo seine Tochter wohnhaft ist. Und als käme er wie gerufen, findet er den Mann unter seltsamen Umständen ermordet auf. Der Tatort, das Büro des Verwalters, war von innen verschlossen, ebenso die Fenster, und ein seltsames, heidnisches Symbol verziert den Fußboden. Schnell zieht die Angst vor einem Dämon, einem Todesengel durch die Stadt. Doch Bernward kennt das Symbol. Vor mehr als dreizehn Jahren, als er noch der Untersuchungsbeamte des Bischofs Peter von Schaumberg war, gab es ähnliche Mordfälle mit dem gleichen Symbol. Die Geister der Vergangenheit dringen wieder in seinen Kopf ein und vor allem sein ehemaliger Freund, der Bischof selbst, mischt kräftig mit.

Hinzu kommt, dass sein damaliger Partner Gregor von Welden, nun der Burggraf des jetzigen Bischofs, seine Hilfe bei der Aufklärung erbittet. Bernward ist alles andere als begeistert. Erst als seine Tochter bei dem Begräbnis eines zweiten, unter identischen Umständen getöteten Mannes auftaucht und danach wieder verschwindet, übernimmt er die Ermittlung. Er ahnt bereits früh, dass seine Tochter irgendwie in die Morde verwickelt sein muss, und hofft, sie während der Untersuchung zu finden und beschützen zu können. Zur Seite stehen ihm dabei der alte, ehemalige Kutscher des Bischofs Albert und dessen Enkeltochter Elisabeth, als Gegner finden sich die reichen und mächtigen Herren des Handelshauses Hoechstetter und vor allem deren Prügelnabe Lutz, der Bernward kräftig zusetzt. Doch was Bernward noch mehr zu schaffen macht, ist der Alchimist Hilarius Wilhelm, der immer wieder beteuert, den Dämon mit Hilfe seines schwachsinnigen Helfers in die Hölle zurückschicken zu können …

Die Krimireihe um Peter Bernward geht mit „Das Spiel des Alchimisten“ in die vierte Runde. Und dieses Mal wird der Schleier über der Vergangenheit des sympathischen Charakters deutlich durchsichtiger. In Augsburg hatte Bernward jahrelang im Dienste des Bischofs gestanden, der schließlich sein Freund wurde. Nun kehrt er in die ehemalige Heimatstadt zurück und ermittelt in einem ähnlichen Fall wie dem, der ihm damals keine Ruhe ließ. Und was viel schlimmer ist: Seine Tochter steckt in der ganzen Sache mit drin und ist nicht einen Funken bereit, mit ihrem Vater zu reden oder sich gar von ihm helfen zu lassen. Der Konflikt zwischen den beiden muss nun bearbeitet werden; Bernward hatte nach dem Tod seiner Frau seine Kinder allesamt extrem vernachlässigt und seine Beteiligung um den Tod von Marias Mann macht seine Mission nicht einfacher. Beide Charaktere kämpfen um das, was sie als Recht empfinden. Die Tochter ist verbittert und vergrämt ob des Vaters früheren Verhaltens, der Vater will seine vergangenen Sünden wieder rückgängig machen. Klärungsbedarf und große Emotionen sowie die Verwicklung in die Morde stehen jedoch im Weg.

Dübell hat mit „Das Spiel des Alchimisten“ erneut einen spannenden und mitreißenden historischen Krimi geschaffen, dessen Charaktere eine einzigartige Ausstrahlung und Lebhaftigkeit besitzen. Wie immer zeigen seine genauen und bildhaften Beschreibungen nicht nur die Umgebung, sondern auch das Innenleben der Protagonisten. Und natürlich enttäuscht die Auflösung der Morde nicht im Geringsten, es wäre auch zu simpel, einfach einen Dämon töten zu lassen. Viel spannender ist doch eine Verbindung zwischen namhaften Handelshäusern, dem Medici-Attentat und Geld!

Im angefügten Nachwort gibt Dübell Erläuterungen zu den historischen Persönlichkeiten, die in seinem Roman vorkommen. Und natürlich erklärt er wieder, welche Ereignisse in der Geschichte tatsächlich geschehen sind. Dieses Mal waren es die Hinrichtung des Augsburger Bürgermeisters und die Ermordung seines Nachfolgers im Jahr 1478, die den Autor zu dieser Story führten. Schön finde ich ebenfalls, dass Dübell immer wieder eine Verbindung zu den vorherigen Büchern aufbaut; hier zieht sich die Linie zu „Eine Messe für die Medici“, in dem Bernward und seine Gefährtin mitten in das Medici-Attentat geraten.

Wie alle bisherigen Dübell-Romane ist auch „Das Spiel des Alchimisten“ absolut lesens- und empfehlenswert! Noch ein Hinweis: Man sollte unbedingt die Reihenfolge der Bücher beachten, um die erwähnten Rückblicke auf vorangegangene Geschehnisse zu verstehen. Dann steht dem Lesevergnügen nichts mehr im Wege.

Homepage des Autors: http://www.duebell.de
http://www.bastei-luebbe.de

Richard Dübell – Die schwarzen Wasser von San Marco. Historischer Thriller

[„Der Tuchhändler
[„Der Jahrtausendkaiser
[„Eine Messe für die Medici

Venedig 1478: Aus den trüben Wassern der Lagune wird vor den Augen des deutschen Händlers Peter Bernward die Leiche eines Kindes geborgen. Bald darauf kommen zwei weitere Kinder ums Leben – Gassenjungen, die als Zeugen gesucht wurden. Wussten sie zu viel? Bernward beschließt, den wenigen Hinweisen nachzugehen. Dabei dringt er tief in das Räderwerk der Macht vor, mit der Venedig seit 400 Jahren den Handel in Europa kontrolliert – und gerät in ein Netz aus Verbrechen und Intrigen, das die dunkle Seite der Stadt offenbart … (Verlagsinfo)

Handlung

Nachdem sich die Wirren um das Attentat auf Giuliano und Lorenzo de Medici in Florenz gelegt haben, machen sich der Landshuter Tuchhändler Peter Bernward und seine Gefährtin, die polnische Kauffrau Jana Duglosz, auf den Heimweg. Doch heftige Schwächeanfälle, die Jana während der Reise überfallen, zwingen die beiden zu einem vorübergehenden Aufenthalt in Venedig.

Nach nur zwei Tagen, während denen Jana mit ihrer mysteriösen Krankheit niederliegt, wird Bernward von einem venezianischen Kaufmann, Enrico Dandolo, um Hilfe gebeten. Sein Neffe Pegno ist seit ein paar Tagen verschwunden, und noch bevor Bernward Informationen sammeln oder gar Ratschläge geben kann, kommt die Nachricht, dass die Leiche eines Jungen im See San Daniele geborgen wurde. Dandolo identifiziert seinen Neffen, obwohl das Gesicht des toten Jungen dermaßen verunstaltet wurde, dass ein Erkennen eigentlich auszuschließen sein sollte. Doch zwei hinzukommende Gassenjungen bestätigen seine Aussage.

Somit stellt sich Bernward und der ermittelnde Polizist Paolo Calendar die Frage, wie es der Junge auf das Gelände des Arsenals – Schiffswerft und Flottenbasis der Republik Venedig – geschafft haben soll und ob in diesem Fall ein Selbstmord oder ein Mord vorliegt. Bernwards Nachforschungen bringen relativ schnell ans Licht, dass dessen Vater Fabio Dandolo seine Söhne wohl falsch eingeschätzt hatte. Pegno, der ältere Sohn, sollte das Familiengeschäft erlernen, während Andrea für ein Leben hinter Klostermauern vorgesehen war. Doch Pegno war offensichtlich für die Geschäftswelt ungeeignet, weswegen er von seinem Vater nur Verachtung erntete und schließlich seinem Onkel als „Lehrling“ in Obhut gegeben wurde. Hatte Pegno sich selbst aus Gram und Enttäuschung ertränkt?

Bereits einen Tag später stößt Bernward durch Zufall auf eine weitere Kinderleiche: Einer der beiden Gassenjungen, die Pegno identifiziert hatten und nun von der Polizei als Zeugen gesucht werden, ist ermordet worden. Bernward ist von einem Zusammenhang überzeugt, und auch Calendar scheint an ein größeres Komplott zu glauben. Allerdings ist der Polizist alles andere als bereit, mit dem deutschen Kaufmann zusammenzuarbeiten, und so macht Bernward sich alleine auf die Suche nach Hinweisen auf den oder die Mörder. Die Spur führt über das Waisenhaus der Rara de Jadra, eine Frau, die Mädchen von Sklavenhändlern aufkauft, um sie später als Dienstmädchen, Kindermädchen oder Ähnliches in reiche Haushälter abgeben zu können. Unter ihrer Obhut befindet sich die Schwester des Gassenjungen Fratellino, der sich seit dem Mord an seinem Kumpanen versteckt hält. Doch das Mädchen ist zu verängstigt, um Bernward Informationen liefern zu können.

Erst als die Herbergswirtin Hilfe für Jana bei einer Kräuterkundigen sucht und diese das Mädchen Fiuzetta mitbringt, kommt etwas Licht ans Dunkel. Fiuzetta war bei Rara aufgewachsen und erzählt, dass die Mädchen von der Frau in allen Liebeskünsten ausgebildet werden, um dann Kunden zu bedienen. Bernward steigert sich daraufhin noch mehr in diesen Fall hinein, möchte zudem den Mädchen helfen und gerät dabei selbst in Lebensgefahr. Der Sumpf, den er nach und nach aufdeckt, zieht sich bis in die höchsten politischen Kreise Venedigs – und niemand hilft ihm, bis Calendar sein abweisendes Verhalten langsam aufgibt, und die zwei den Kampf gegen die mächtigen Gegner aufnehmen.

Und noch einen Kampf hat Bernward zu führen: Janas Krankheit heißt Schwangerschaft, und das Bild seiner Frau Marie steht ihm vor Augen. Marie starb bei der Geburt ihres vierten Kindes und auch das Baby überlebte nicht. Seine unbändige Angst, erneut seine Liebe zu verlieren, lässt ihn den Kopf verlieren …

Meine Meinung

Ohne zeitliche Verzögerung setzt Dübell da an, wo [„Eine Messe für die Medici“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=3288 aufhört. Die beiden Protagonisten Bernward und Jana erreichen Venedig, wollten eigentlich weiter nach Polen, müssen aber eine Zwangspause einlegen, weil Jana erkrankt ist. Und wie sollte es auch anders sein, Bernward wird in einen Todesfall verstrickt, der natürlich ganz und gar nicht einfach aufzuklären ist. In bewährter Manier wird der alte Kaufmann von einer Rätsellösung zur nächsten geschickt und wie immer macht es Freude, ihm zu folgen. Der Fall ist verzwickt, die Zeugen sind eingeschüchtert, der Polizist hütet ein Geheimnis und die höchsten Stadtherren sind mehr als dubios. Schön inszeniert der Autor eine Jagd, die tempo- und auch actionreich quer durch das mittelalterliche Venedig führt.

Nicht zu vergessen, dass die Beziehung zwischen Bernward und Jana weitergeht. Durch die Schwangerschaft Janas erfährt der Leser nun mehr aus der Vergangenheit des deutschen Kaufmanns. Erinnerungen an seinen alten Lehrmeister, den Bischof von Augsburg, und den tragischen Tod seiner Frau Marie geben dem Charakter noch mehr Präsenz und Ausdruckskraft. Er ist nun gezwungen, sich seiner Angst zu stellen, eventuell erneut seine Familie zu verlieren. Schön, dass Dübell den Charakter nach wie vor reifen und ihn dem Leser somit glaubwürdig erscheinen lässt.

Unterm Strich

Wie schon in dem Vorgängerroman hat Dübell auch in „Die schwarzen Wasser von San Marco“ einen historisch belegten Vorfall zum Inhalt gemacht. Die Dalmatinerin Rara de Jadra wurde 1500 in Venedig hingerichtet, weil sie und zwei Helferinnen in ihrem Bordell junge Mädchen in verschiedensten Perversionen ausgebildet und an entsprechende Kunden vermittelt hatten. In dem Roman verschleiert die Frau ihr Bordell als Waisenhaus, verkauft sich selbst als eine Art Heilige, die es den Mädchen ermöglicht, später mittels einer guten Anstellung im Hause einer reichen Familie zu leben. Ein gewohntes Nachwort des Autors erläutert die Hintergründe, gibt Informationen zum Venedig des Mittelalters und erklärt die literarischen Freiheiten des Romans.

Es bleibt mir nur zu sagen, dass mich auch Dübells Buch Nummer vier voll und ganz überzeugt hat. Ich habe die Seiten verschlungen und werde sicherlich genauso das nächste spannende Abenteuer von Bernward in mich aufsaugen. Wie alle bisher besprochenen Romane des Autors Richard Dübell ist auch dieser eine glasklare Empfehlung wert!

Anmerkung zur Taschenbuchausgabe 2004:

Aus irgendeinem Grund wurde vor einem Bindestrich immer das Gradzeichen gedruckt, z. B. … als er nach Hause wollte° – sein Haus befand sich … Das ist gerade zu Beginn sehr verwirrend, ich konnte mich jedoch nach einigen Seiten daran gewöhnen.

Taschenbuch: 542 Seiten
ISBN-13: 978-3404151028

www.luebbe.de

Die Autorin vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Dübell, Richard – Eine Messe für die Medici

_Story_

Es ist das Jahr 1478, und Italien durchlebt gerade den Machtkampf zweier herrschender Parteien: Der Papst Sixtus IV. versucht, der Familie de Medici ihren alleinigen Machtanspruch über Florenz, dessen Umgebung und einige weitere Regionen abzuschnüren. Somit befindet sich das Land in dem dazugehörigen Zustand: Überfälle gesetzloser Banden machen die Straßen unsicher, italienische Kaufleute fragen sich, mit welcher Partei sie ihre Geschäfte abwickeln sollen, und daraus wiederum ergibt sich ein Andrang ausländischer Handelshäuser, die die großen Gewinne riechen. Zu eben jenen zählt auch die polnische Kauffrau Jana Dlugosz, deren Vater gerade verstorben ist und ihr das Handelshaus Dlugosz hinterlassen hat. Da ihre Verwandten aber gegen die Führung einer Frau sind und ebenfalls ein Auge auf das gutgestellte Unternehmen werfen, haben sie Jana einen Dienstboten namens Stepan Tredittore zur Überwachung geschickt. Dieser soll jegliche Verfehlung Janas sofort berichten, damit ihre Absetzung beschlossen werden kann. Allerdings hat die junge Frau in ihrem Gefährten, dem Landshuter Kaufmann Peter Bernward, eine tatkräftige Unterstützung, die auch Tredittore unter Kontrolle halten kann.

Nachdem Jana in Prato, 20 Kilometer von Florenz entfernt, ein gutes Geschäft abschließen konnte, will sie weiter nach Florenz, um dort mit noch mehr Gewinn ihre Verwandten von ihren Fähigkeiten überzeugen zu können. Bernward ist aufgrund der Unruhen im Lande zwar dagegen, stimmt der Reise aber letztendlich zu – immerhin bestehen in der noch jungen Beziehung zwischen ihm und Jana genug Differenzen. Doch in Florenz angekommen, geraten beide sehr schnell in einen Alptraum: Während der Ostermesse im Dom Santa Maria del Fiore wird ein Attentat auf Giuliano und Lorenzo de Medici ausgeführt – Giuliano wird von einem Priester mit einem Messer erstochen, Lorenzo kann verwundet entkommen. Sofort lässt Lorenzo nach den Verschwörern fahnden, und im Zuge seiner Verfolgung wird auch Jana verhaftet. Bernward macht sich auf die Suche nach Beweisen für die Unschuld seiner Gefährtin. Er findet Verbindungen von Jana zu Anhängern der Pazzi-Familie, der Familie, die mitunter die Hauptbeteiligten der Verschwörung sind. Und je weiter er forscht, desto mehr Zweifel kommen auf: Hat Jana sich in ihrem Wunsch nach dem dicken Fang blenden lassen? Während der Kaufmann immer tiefer in die Pazzi-Verschwörung eintaucht, legen ihm sowohl Tredittore als auch sein eigener Schwiegersohn Kleinschmidt Steine in den Weg. Dabei läuft dem alten Mann die Zeit davon, denn auf Jana wartet bereits die Folterkammer …

_Meine Meinung_

Der Roman erzählt über einem Zeitraum von genau fünf Tagen: Am 24. und 25. April 1478 weilen Jana und Bernward in Prato. Sie erleben die Hinrichtung einer Sklavin, die ihren Herrn vergiftet hat. Diese Szene verdeutlicht den Machtverlust, den die Medici-Familie bereits 20 Kilometer von Florenz entfernt hinnehmen muss. In den politischen Kampf gegen den Papst verstrickt, vernachlässigen sie ihre Gerichtsausübung in der Umgebung und verlieren damit den Einfluss über die Menschen. Am 26.04. findet das Attentat auf die ranghöchsten Mitglieder der Medici statt, und Florenz erhebt sich danach zu einem Berg aus Gewalt und Angst. Einer der Hauptverschwörer, der 70-jährige Jacopo de‘ Pazzi, wird von der rachsüchtigen Meute auf der Straße quasi in Stücke gerissen und danach in den Fluss Arno geworfen, seiner Familie werden die florentinischen Besitztümer weggenommen. Ein weiterer Verschwörer, der Erzbischof Francesco Salviati, wird an der Mauer des Palazzo della Signoria (dem Regierungsgebäude von Florenz) aufgehängt, mit ihm die zwei tatausführenden Priester. Obwohl Lorenzo gegen diese Lynchmorde war, gelang es ihm nur, den dritten Hauptbeteiligten, den Kardinal Raffaele Riario, zu retten.

Der Tag des 27.04. ist von Bernwards Nachforschungen ausgefüllt, die ihn sowohl Ungereimtheiten als auch Beweise für Janas Schuld finden lassen. Seine Zweifel, seine Verzweiflung und seine immer wieder erwachenden Hoffnungen stellen den zweiten wichtigen Bestandteil des Romans dar. Zudem gesellt sich die Verlockung in Form von Beatrice Pratini hinzu, eine Frau, die den alten Kaufmann dazu bringt, seine Liebe zu Jana zu hinterfragen und schließlich zu bestätigen. Erst da kann Bernward mit ganzem Herzen und sogar unter Einsatz seines eigenen Lebens die Gefährtin unterstützen. Schlussendlich bleibt der 28.04., der Tag, der die Auflösung um die Schuld oder Unschuld Jana Dlugoszs bringt, der die Hintergründe von Janas Geschäften aufzeigt und der vermeintlich Unschuldige plötzlich in einem ganz anderen Licht dastehen lässt.

Dübell kann es einfach! Der Autor hat einen guten Riecher für Storys, ein geschicktes Händchen für die Ausarbeitung der Charaktere und ein schriftstellerisches Talent, um das Ganze zu einem fesselnden Buch zusammenzufügen. Das Medici-Attentat war wohl weit umfangreicher und komplizierter ausgefallen, als Dübell es schildert, allerdings sind die wichtigsten geschichtlichen Ereignisse und Personen korrekt eingefügt. Dübell selbst erläutert die Freiheiten, die er sich für den Roman herausgenommen hat, wie so viele Autoren in einem Nachwort, das ebenfalls noch zusätzliche Informationen zu der Pazzi-Verschwörung enthält.

Sehr zu meiner Freude ist Peter Bernward, der Landshuter Kaufmann, mit von der Partie. Bereits in Dübells Debüt [„Der Tuchhändler“ 2750 war ich von diesem Charakter sehr angetan und auch bei seinem zweiten Auftritt bleibt er der Freund für mich. Bernward ist durch und durch menschlich – obwohl der offensichtliche Held der Geschichte, hat er Ängste, Zweifel und Hoffnungen. Er ist nicht der Heroe, sondern darf Fehler machen, er darf Schwäche zeigen, und das macht ihn zur Identifikationsfigur schlechthin. Und er fällt nicht aus seiner Zeit heraus, wie die Hauptpersonen anderer historischer Romane, die irgendwie immer ihrer Zeit voraus sind und nur damit einen Konflikt erzeugen können. Nein, Bernward ist ein Kaufmann des 15. Jahrhunderts, er ist eingespannt in die mittelalterliche Glaubenswelt, er hat Angst vor der großen Welt außerhalb seines kleinen Landshuts. Er ist mit seinen über 40 Jahren bereits alt – und so wird er auch beschrieben, als alter Mann, der nur aufgrund seines Köpfchens seiner Gefährtin helfen kann. Mit Bernward steigt oder fällt der Spannungsbogen der Geschichte, und da ihm Auszeiten zugestanden werden – die ein alter Mann ja auch braucht -, kann der Leser immer wieder das gerade Erzählte reflektieren und seine eigenen Überlegungen anstellen. Das ist von Dübell sehr geschickt gemacht und führt zu einem spannungsgeladenen Übergang zur nächsten Szene, die sich garantiert wieder überschlägt und den Leser atemlos zurücklässt.

Und noch etwas spricht für Dübell: Seine Ortsbeschreibungen lassen jedes Dorf und jede Stadt lebendig werden. Florenz erstrahlt im Angesicht von Kunstwerken, versumpft in der Armut von Elendsvierteln, wird zur reißenden Bestie, wenn ihre Bewohner Rache üben, und wird zum Bollwerk für ausländische Besucher, wenn sich Florenz innerhalb seiner Mauern uneins ist. Florenz ist das Zentrum der Macht der Medici-Familie, und Lorenzo de Medici verkörpert Florenz. Viele der Verschwörer hassten ihn nicht, sondern sie neideten ihn; um sein Geld, seinen Einfluss und wohl auch um seine Beliebtheit. Dübell schildert eindrucksvoll das Entsetzen der Florentiner nach dem Angriff, aber noch lebhafter und nachhaltiger bleiben mir wohl die Racheakte dieser unaufhaltsamen Menschenmenge im Kopf, die einen der Mörder mitten auf dem Platz vor dem Palazzo in Stücke reist – Menschen, die zusammen ein Ungeheuer bilden, dessen Wut und Zorn erst abebbt, als der Priester ein Haufen Fleischklumpen ist. Das Ungeheuer fällt in Ungläubigkeit und Scham ob des eigenen Tuns panikartig zusammen. Was für ein Bild!

Somit hat mich auch das dritte Buch von Dübell begeistert. „Ich darf Ihnen versichern, dass ich mich gesegnet fühle, meinen Traumberuf zum Broterwerb gemacht zu haben …“, schreibt Dübell auf seiner Homepage. Ich darf sagen, ich freue mich riesig, dass er das geschafft hat, und werde mir gleich den nächsten Roman um Bernward vornehmen. Wie schön das Lesen doch sein kann!

Homepage des Autors: http://www.duebell.de
http://www.bastei-luebbe.de

Riebe, Brigitte – Liebe ist ein Kleid aus Feuer

_Die Autorin_

Die Autorin Brigitte Riebe, privat Brigitte Bögle, wurde 1953 in München geboren, wo sie auch heute noch als freie Schriftstellerin lebt. Sie ist promovierte Historikerin, war zunächst als Museumspädagogin tätig und hat später lange Jahre als Verlagslektorin gearbeitet, bevor sie selbst begann, Romane zu schreiben. Unter ihrem Pseudonym Lara Stern veröffentliche sie u. a. die Sina-Teufel-Romane, mit denen sie auch bekannt wurde. Bereits im Handel erhältlich ist ihr neuester Roman „Auge des Mondes“, eine Katzengeschichte, die im alten Ägypten spielt.

_Story_

Im Harz 946 n. Chr.: Auf der Burg des Grafen Raymond von Scharzfels wartet dessen Tochter Eila sehnsüchtig auf seine Rückkehr, um mit ihm zusammen auf die Falkenjagd zu gehen. Derweil vertreibt sie sich die Zeit mit ihren Tauben, die sie züchtet, und mit Träumen von ihrem neuen Geschwisterchen, das im Bauch ihrer Mutter Oda gerade heranwächst. Wenn es nur überleben würde, denn das Schicksal ließ bisher nur Eila am Leben, während vier tote Brüder bereits begraben werden mussten.

Raymond lauscht währenddessen den Trauerausbrüchen des Königs Otto I., dessen Frau im Kindbett das Leben verlor. Seine Gedanken sind ebenfalls bei seinem ungeborenen Kind – voller Angst und Grauen, was ihn erwartet, sollte er endlich wieder nach Hause zurückkehren dürfen. Doch danach sieht es erstmal nicht aus, denn der König schickt ihn in eine seiner Provinzen, wo eine Seuche wütet und er nach dem Rechten sehen soll. Dort angekommen, macht er die Bekanntschaft des außergewöhnlich begabten Schmieds Algin und dessen Familie. Kurz entschlossen, den Schmied in seinen Dienst zu nehmen, lässt er den König die Familie zum Umzug nach Scharzfels zwingen.

Auf der Burg ist inzwischen Besuch eingetroffen: Der „Strick“ – der irgendwann einmal dem Strick tatsächlich entkommen ist und der hässlichen Narbe am Hals seinen Namen verdankt – macht der Burgherrin seine Aufwartung und bietet ihr Hilfe für die Geburt an, sodass das Kind überleben kann. Die verzweifelte Oda lässt sich darauf ein, nicht ahnend, dass der Strick nichts anderes im Sinn hat, als sich an Raymond für vergangenes Übel zu rächen. Aber für Eila bringt der unsympathische Mann eine neue Freundin mit: Die kleine Roswitha wurde von ihrem Vater, ein Schwertbruder des Grafen, nach Scharzfels geschickt. Doch Rose, wie Eila sie nennt, hat eine mysteriöse Krankheit: Ohne Grund verliert sie das Bewusstsein und wird von Krämpfen geschüttelt. Und nicht nur das macht sie außergewöhnlich, Rose kann Wolken und Bäume sprechen hören, trägt ein heidnisches Symbol als Kette von ihrer verstorbenen Mutter und besitzt Wissen, das einem 12-jährigen Mädchen weit voraus ist.

Kurz darauf trifft Raymond mit der Schmiedfamilie ein. Das Baby ist tot, seine Frau Oda noch kälter und hasserfüllter als vorher. Verzweifelt stürzt er sich auf Rose, die er als sein neues Kind annimmt und die ihn mit ihrer Klugheit in Bann schlägt. Er lässt die beiden Mädchen von einem Priester unterrichten, und während Eila ihren Drang zur Freiheit unterdrücken muss, erwacht in Rose das Feuer der Poesie. Das Schicksal schlägt zu, als sich Eila in den Schmiedejungen Lando verliebt und Raymond die beiden ertappt. Der Graf verbannt Lando in die Minen des Berges, wo er lebenslang nach den Schätzen der Erde graben muss, und seine Tochter ins Kloster zu Gandersheim, wohin ihr ihre Freundin Rose folgt. Wie kann Eila ihren Lando wiedersehen, ohne Rose aufgeben zu müssen, die sich im Kloster wie zu Hause fühlt?

_Meine Meinung_

Zu viele Handlungsstränge ziehen sich durch das 633-seitige Buch, um sie alle in der Inhaltswiedergabe berücksichtigen zu können. Die beiden Hauptstränge stellen die Freundschaft zwischen Rose und Eila und die Liebe zwischen Lando und Eila dar. Die zwei so unterschiedlichen Mädchen – Rose eher still und bescheiden, Eila wild und zielbewusst – verbindet eine Freundschaft, die selbst Trennung und Schicksalsschläge überstehen kann. Rose wächst über sich hinaus, als Lando in Lebensgefahr schwebt, während Eila immer zur Stelle ist, um die schmächtige Dichterin zu beschützen und aufzumuntern. Während Rose in ihrem Glauben an die Jungfrau Maria ihr Seelenheil findet, verzweifelt Eila an der Trennung von Lando, dessen Verbleib sie nicht kennt. Die Liebe zwischen den beiden entwickelt sich aus der sexuellen Neugier zweier Teenager, die vom anderen Geschlecht fasziniert sind. Doch schnell ist klar, dass die Gefühle der beiden tiefer gehen, und trotz Trennung sind sie in Gedanken immer beieinander. Lando bleibt dem Leser am Anfang sehr fremd, weil er als oberflächlich ausgearbeiteter Charakter in Erscheinung tritt. Aber mit seiner Verbannung beginnt sein eigentlicher Reifeprozess, er gewinnt an Substanz und damit auch an Identifizierungspotential. Während Eila und Rose den Leser von Beginn an für sich einnehmen, gelingt das Lando erst als Mann. Durch seinen Unfall im Berg liegt er lange Zeit im Koma, und mir erschien es so, dass er danach erst richtig zum Leben erweckt wurde.

Die Beziehungen zwischen den einzelnen Charakteren sorgen für aufregende Spannung. Ähnlich wie in „Straße der Sterne“ verzichtet Riebe auch hier auf allzu viele Action, und auch hier ist diese nicht nötig. Die Dialoge zwischen Raymond und Oda zum Beispiel lassen von Anfang an Ungutes erahnen. Der „Strick“ sät Zwietracht und Hinterlist, wo er auch auftaucht – eine Gestalt, der man die intelligente Bösartigkeit gut abkauft und deren Motive bis zum Ende gut verschleiert bleiben. Hinzu kommen noch Auseinandersetzungen zwischen Otto I. und dessen Sohn Luidolf, der sich schließlich gegen seinen Vater stellt und die Ritter in zwei Lager spaltet. Und auch Oda geht ihren eigenen Weg – als Mätresse des Königs, der sie doch für eine neue Braut fallen lässt. Oda selbst ist übrigens ein sehr interessanter Charakter: Aus Liebe mit Raymond verheiratet, hat sie nun nur noch Verachtung und Abscheu für ihn übrig, glaubt selbst an eine Bestrafung, weil sie immer ihre Babys verliert, ist zu ihrer Tochter – ihrem einzigen Kind! – eiskalt, ja empfindet sie sogar als Ballast. Kein Wunder, dass Eila sie die „Eiskönigin“ getauft hat.

Was mir immer wieder an den Romanen von Brigitte Riebe gefällt, ist ihre Liebe zum Detail und den Kleinigkeiten, die entweder ihre Charaktere oder ihre Schauplätze ausmachen, die sie im Übrigen gerne öfter vorher besichtigt. In diesem Fall sind es die Narben im Gesicht der Schmiedfrau Gunna. Als Raymond in die Stadt der Schmiedfamilie kommt, ist das „Antoniusfeuer“ gerade am Abklingen und hat unzählige Tote hinterlassen. Gunna selbst hatte die Krankheit, die durch verderbtes Getreide hervorgerufen wird, als Kind bekommen und überlebt, doch die Narben bleiben ihr. Gunna versuchte, den Menschen den Grund für die Krankheit klarzumachen, blieb jedoch unerhört – wie so oft in der damaligen Zeit, wo die Menschen eher an Gottes Strafe oder Hexenwerk glaubten als an rationale Erklärungen.

Ebenfalls ausführlich recherchiert hat die Autorin das Thema des Bergwerks zur damaligen Zeit. Gut beschrieben wird die Arbeit der „Montani“, der Männer, die direkt im Stollen nach Erzen und Silber schürfen, und ihr Leben am Rammelsberg mit zu viel schwerer Arbeit und zu wenig Tageslicht, mit zu wenig Frauen, um Kämpfe unter den Männern zu verhindern. Ein trostloses, verlassenes Leben entweder in der ewigen Nacht des Berges oder in der Glut der Schmelzöfen. Und mittendrin ein Charakter, der sich durch einen Unfall daraus befreien kann und nicht komplett verrückt wird.

Der Geschichte folgt ein 13-seitiges Nachwort. In diesem erläutert die Autorin kurz die politische Situation der damaligen Zeit. Außerdem gibt sie Informationen zu der jungen Dichterin Roswitha von Gandersheim, der die Figur der Rose nachempfunden ist. Mehr Informationen über die Dichterin des Frühmittelalters finden interessierte Leser [hier.]http://de.wikipedia.org/wiki/Roswitha__von__Gandersheim Und schlussendlich darf der Leser erfahren, was Wahrheit und was Fiktion in „Liebe ist ein Kleid aus Feuer“ ist.

_Fazit_

Eine gute Story und sehr schöne Charaktere mit Hauptaugenmerk auf deren Beziehungen lassen „Liebe ist ein Kleid aus Feuer“ zur kurzweiligen, spannenden Lektüre werden. Riebe hat an ihren letzten historischen Roman [„Die Hüterin der Quelle“ 2190 problemlos anknüpfen können und bietet mit diesem Buch wieder einen empfehlenswerten Ausflug ins Mittelalter.

Homepage der Autorin: http://www.brigitteriebe.com/

http://www.randomhouse.de/diana/

Dübell, Richard – Jahrtausendkaiser, Der

Köln im Jahre 1245 n. Chr.: Der Besuch des Kardinals Giovanni da Uzzano aus Florenz bringt Unruhe auf das Gut Raimunds von Siebeneich. Der Kirchenmann bittet seinen alten Kreuzzuggefährten um Hilfe bei einem etwas heiklen Unternehmen. Raimunds Truchsess (führender Hofangestellter) und Kämmerer Philipp wird mit der Aufgabe betreut, Urkunden für einen Mann zu fälschen, der um seine Anteile an einem Erzvorkommen betrogen wurde, während er im Heiligen Land kämpfte. Als er zurückkehrte, brachte er es angeblich aus Liebe zu seiner Frau nicht über sich, ihre Familie zur Rede zu stellen. Aber nun, nach ihrem Tod, will er das Erbe für seine Tochter zurückgewinnen, allerdings sind seine Ansprüche bereits verjährt.

Philipp – von Anfang an misstrauisch dieser Geschichte des Kardinals gegenüber – macht sich auf den Weg zum Haus des Radolf Vacillarius, immer mit dem Bewusstsein, dass sein Herr die verstorbene Frau, Katharina, einstmals geliebt hatte und nun wünscht, dass der Tochter Dionisia ihr Erbe zurückgegeben wird. Als ehemaliger Novize und Kopist in einem Zisterzienserkloster sollte ihm die Aufgabe nicht allzu viele Schwierigkeiten bereiten. Wenn aber doch etwas schiefgehen sollte, so hatte der Kardinal unmissverständlich klar gemacht, dass mit seiner Hilfe nicht zu rechnen sei, sondern alles auf Phillip und dessen Herrn zurückfiele.

Währenddessen hält das Land eine Diskussion in Atem: Ist der Kaiser oder der Papst der mächtigste Anführer des Volkes? Die Kaiserlichen argumentieren mit der überlieferten Selbstkrönung des Kaisers Karolus Magnus (Karl der Große) und dessen Heiligsprechung, während die Päpstlichen darauf hinweisen, dass nur der Papst einen Kaiser krönen und heiligsprechen kann, da er der von Gott berufene Auserwählte ist. Außerdem sei Karolus Magnus von einem vom Kaiser bestimmten Gegenpapst heiliggesprochen worden und damit diese Heiligsprechung hinfällig. Als auf dem Marktplatz die Rede eines Propheten zur handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Parteien führt, wird deutlich, dass sich die Lage zuspitzt. Die Aggressionsbereitschaft des Volkes wächst und hinterlässt eine desorientierte Hilflosigkeit, die die Tür für Betrug, Überfälle und Mord öffnet. Die einfachen Priester sehen sich über dem Recht des Landesherrn, fällen eigene Gottesurteile. Die Kaiseranhänger verhöhnen die Christlichen, provozieren durch Gotteslästerei und missachten die Gebote der Kirche.

Philipp, der auf seinem Weg zu seiner unangenehmen Aufgabe in Köln den jungen Sänger Minstrel kennen lernt, schenkt diesen Vorgängen wenig Beachtung und auch Minstrels mysteriöses, vom Alkohol entstelltes Gebrabbel vom Untergang der Welt und dem Jahrtausendkaiser, der das Volk in eine neue Ära führen soll, schockt ihn nur kurzfristig. Viel aufgebrachter ist er wegen der Verwüstung seiner Unterkunft durch den Sänger, nachdem er ihm eine Schlafstätte und Geld gegeben hatte, um ihm zu helfen. Was hatte der Sänger bei ihm gesucht? Welche wichtige Persönlichkeit wollte er in Köln treffen und warum?

Bei Vacillarius angekommen, erfährt Philipp, dass der Herr keine Originaldokumente über die Mitgift seiner Frau mehr vorlegen kann. Angeblich sind alle verbrannt. Der Mann lebt mit seiner Tochter alleine in dem heruntergekommenen Haus, nur der Pferdeknecht kommt ab und an mal, um die Tiere zu versorgen. Als Philipp versucht, durch diesen Knecht nähere Informationen über die Familie zu bekommen, stellt sich schnell heraus, dass das gesamte Dorf davon überzeugt ist, der Herr wäre verhext und zwar von seiner verstorbenen Frau. Was Philipp allerdings feststellen kann, ist, dass Radolf ein alkoholabhängiger, verwirrter Mann ist, der den Sinn seines Lebens in seiner Tochter sieht. Diese ist auch in Philipps Augen ein begehrenswerter Grund, um die Fälschung durchzuführen. Doch ohne die Originaldokumente kann er seine Aufgabe nicht durchführen und so begibt er sich auf die verhängnisvolle Suche nach den Heiratspapieren der Familie und gerät dadurch immer mehr in den Sumpf, den die Kirche rund um ihren Machtanspruch angelegt hat.

Als auch noch Minstrels Frau Aude auftaucht, um nach ihrem Mann zu suchen, ahnt Philipp, dass sich ein großes Komplott um Radolf Vacillarius und sogar den Kardinal gesponnen hat. Welchen Umfang dieses Komplott allerdings wirklich hat, erschließt sich Philipp erst, als die ersten Toten seinen Weg kreuzen und er erkennen muss, dass er verraten und verkauft wurde …

_Meine Meinung_

Diese Inhaltsangabe gibt höchstens ein Zehntel davon wieder, was sich alles auf diesen knapp 600 Seiten ereignet: die Suche der Originaldokumente in Philipps ehemaligem Kloster und bei den jüdischen Geldverleihern, die Verhaftung dieser Juden und die Verbrennung ihrer aufbewahrten Unterlagen (die Bewahrer der Vergangenheit), das Auftauchen des Ritters Ernst Guett’heure, dem das Herz von Dionisia gehört und der erfundene Geschichten vom Kreuzzug erzählt, den er angeblich mit Radolf zusammen erlebt hatte. Die sinnlose Ermordung des Hofkaplans Thomas, der Überfall auf eine Bauernfamilie, deren Oberhaupt Lambert Philipp von einem Händler gekauft hatte und der sein Geheimnis eben jenem Kaplan anvertraut hatte. Philipps erwachende Liebe zu Aude, die verzweifelt herauszufinden versucht, was ihr Mann wem erzählen wollte und wo er geblieben ist. Und nicht zuletzt Philipps eigenes Geheimnis, das sich in seiner Jugend im Kloster abspielte und mit dem er nie fertig wurde.

„Der Jahrtausendkaiser“ ist ein groß angelegter, extrem spannender Roman um das ewige Streiten der beiden größten Mächte im Reich: Papst und Kaiser. Wer hat mehr Anspruch auf die Führung des Volkes? Wer hat mehr Macht über die einfachen Leute? Der Papst belegt den Kaiser mit einem Bann, der Kaiser belegt seine Macht mit Karolus Magnus. Das Volk ist hin- und hergerissen und fragt sich ängstlich, ob die Propheten mit ihrer Weissagung Recht haben: Der Drachen wird kommen und jene, die dem rechten Pfad nicht folgen, vernichten. Doch was ist der rechte Pfad? Woran erkennt man den Jahrtausendkaiser, der die Welt in ein tausendjähriges Reich führen wird? Ist es der jetzige Kaiser? Oder der kommende? Hat der Papst vielleicht als Einziger die Macht dazu, den bestimmten Kaiser zu erkennen? So schaukelt sich die Unwissenheit und Ungewissheit so weit hoch, dass sich die Lager an die Gurgel gehen, um ihre Ansichten mit Gewalt durchzusetzen. Das Land versinkt im Chaos und weder der Papst noch der Kaiser scheinen irgendetwas dagegen zu unternehmen.

Mit dieser Kulisse als Hintergrund steht der junge Philipp mit seinem Problem, der Urkundenfälschung, recht alleine da. Er ist ein großartiger Charakter mit seiner Aufrichtigkeit, seinem häufig ausbrechenden Sarkasmus und seiner einerseits total naiven und andererseits immens abgeklärten Lebensauffassung. Sein Aufwachsen in dem Kloster hat ihm seinen Wunsch auf Gemeinschaft gezeigt, aber nie erfüllt. Als Einzelkämpfer fühlt er sich ebenfalls auf dem Hof seines Herrn, der ihn aus dem unglücklichen Klosterdasein befreit hat. Philipps Charakter hat eine sehr besondere Eigenschaft: Er ist fähig zu reifen. Am Anfang des Buches erscheint er als ein Junge, der zwar Verantwortung besitzt, aber nie lernen musste, um die Gunst anderer zu kämpfen. Er verbarg sich hinter Späßen und ironischen Bemerkungen, um sein Selbst nicht zeigen zu müssen. Im Laufe seiner mehr und mehr grauenvollen Suche verwandelt er seinen Zynismus in Standfestigkeit, er erkennt die wichtigen Elemente seines Lebens, er gewinnt an Stärke und Zutrauen. Er wird zum Mann mit allen Stärken und Schwächen eines Mannes. Dübells Talent, seine Charaktere zu echten Sympathieträgern zu machen, erstrahlt durch Philipp (genauso wie bei Peter Bernward aus [„Der Tuchhändler“) 2750 wieder einmal in seiner ganzen Pracht.

Richard Dübell hat den richtigen Ton getroffen. Auch „Der Jahrtausendkaiser“ fesselte mich bis zur letzten Seite. Die einzelnen Handlungsstränge enden erwartungsgemäß im gleichen Strick, doch schenkt uns der Autor eine überraschende Auflösung aller kleinen und großen Rätsel, die am Ende zu einem befriedigenden Finale zusammenprallen. Großes Kino! Aber genau das wäre es: Ich wünschte, dieses Buch würde verfilmt werden – Stoff und Spannung sind ausreichend vorhanden, um einen Kultstreifen à la „Der Name der Rose“ hervorzuzaubern. Aber egal, das Buch ist glasklar empfehlenswert. Es ist Unterhaltung pur und mitreißend bis zum Ende!

Homepage des Autors: http://www.duebell.de
http://www.luebbe.de

Dübell, Richard – Tuchhändler, Der

Im November des Jahres 1475 bereitet sich Landshut auf eine der bedeutendsten und prunkvollsten Hochzeiten des Mittelalters vor: Der Sohn des reichen Herzogs Ludwig von Landshut soll die Tochter des Königs Kasimir von Polen in der reichen Handelsstadt ehelichen. Die Unterbringung der zahlreichen hoch gestellten Gäste samt Hofstaat muss geplant, die Kirche für die Trauungszeremonie hergerichtet, die Versorgung mit den unterschiedlichsten Waren von Nahrungsmitteln bis hin zu Luxusgütern sicher gestellt werden. Sämtliche Beauftragte wie Stadtkämmerer, Baumeister und Richter haben alle Hände voll zu tun, den Termin fristgerecht einzuhalten, und die Entdeckung einer Leiche in der halbfertigen Kirche hätte zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt passieren können.

Was aber schon schlimm genug sein könnte, endet in Entsetzen, als klar wird, wer die Ermordete ist: Die Gräfin Jagiello, die Nichte des polnischen Königs, wurde offensichtlich geschändet und erwürgt – eine Tat, die, sollte sie König Kasimir zu Ohren kommen, die Hochzeit zunichte machen und einen Krieg hervorrufen könnte.

Als der Kaufmann Peter Bernward mitten in der Nacht zu dem Tatort gerufen wird, erwartet ihn sein alter Freund, der Stadtkämmerer Hanns Altdorfer, der ihn sogleich um die Aufklärung des Mordes bittet. In Altdorfers Begleitung befinden sich der Stadtoberrichter Meinhard Girigel, der Kanzler des Herzogs Doktor Mair und der Anführer der polnischen Vorausdelegation, Albert Moniwid. Bernward, ganz und gar nicht von seiner neuen Beschäftigung begeistert, muss sogleich erfahren, dass der Pole nur zu bereit ist, den Vorfall seinem König zu melden. Immerhin lässt sich der halsstarrige Herr dazu überreden, bis zur Ankunft seiner Prinzessin zu schweigen. Sollte bis dahin der Mörder nicht gefunden sein, würde er dem König Bericht erstatten. Zwei Wochen bleiben somit dem Kaufmann für die Aufklärung, der aufgrund seiner Tätigkeit als Untersuchungsbeamter im Dienst des verstorbenen Bischofs von Augsburg für diese Aufgabe ausgewählt wurde.

Ohne einen Anhaltspunkt auf den Mörder oder dessen Motiv versucht Bernward bei der polnischen Delegation Informationen über die Tote zu bekommen, und trifft stattdessen auf eine Frau, die vorgibt, die Zofe der Gräfin zu sein, und wiederum ihm Hinweise zu entlocken versucht. Ein leer stehendes Haus im Zentrum der Stadt erregt ebenso seine Aufmerksamkeit, denn irgendwer scheint sich dort unerlaubt einquartiert zu haben. Seine Beobachtungen bringen ihn selbst in Lebensgefahr, und zwei weitere Morde sowie Moniwids störrisches Verhalten setzen den Kaufmann gehörig unter Druck, den Fall schnellstens aufzuklären. Und doch kommt der entscheidende Hinweis erst wenige Tage vor Ablauf des Ultimatums – von einem Tuchhändler, der Bernward klar macht, dass der Mord irgendwie in direkter Verbindung zu den Ereignissen vom Landshuter Aufstand 60 Jahre zuvor steht und dass der Name des Mörders seinen Preis hat…

_Meine Meinung_

Richard Dübells Debüt ist ein spannender und mitreißender Krimi, der die mittelalterliche Welt wieder in all ihren Faszinationen auferleben lässt. In wenigen Tagen und trotz Zeitmangel habe ich die Geschichte um den sympathischen Kaufmann Peter Bernward in mich eingesaugt. Ein Mann, der unter dem Tod seiner Frau und seines vierten Kindes noch nach einigen Jahren erheblich leidet, und der nach einem traumatischen Erlebnis im Krieg mit Albträumen und Schuldvorwürfen kämpft.

Da der Autor die Ich-Perspektive für den Roman gewählt hat, erlebt der Leser jede Gefühlsregung des Charakters hautnah mit und identifiziert sich binnen kürzester Zeit mit der ausdrucksstarken Persönlichkeit des Kaufmanns. Dadurch entsteht eine sehr angenehme und kurzweilige Atmosphäre, welche die Story von der ersten Seiten an zur Begleitung eines guten Freundes werden lässt. Ich schlotterte innerlich vor Angst, als Bernward überfallen wurde, ich folgte ihm erschöpft nach Hause, wenn der Tag wieder keine weiteren Ergebnisse gebracht hatte, und ich spürte seine neue, langsam erwachende Liebe. Ich freute mich über das ebenso langsam erwachende Vertrauen gegenüber seinen Leuten und ich spürte einen Kloß im Hals, als die Erinnerung an sein Trauma ihn überwältigte.

Die Beobachtungen, die Bernward beschreibt, erwecken Bilder im Kopf des Lesers, die Stadt Landshut erhebt sich lebendig und greifbar aus dem schwarzweißen Muster, das die Buchstaben auf die Seiten zaubert. Der Autor schafft es, den Leser die Stadt – mit ihrem geschäftigen Treiben, ihren dunklen und schmalen Gassen, ihrem freudigen Stolz auf den Bau der Kirche und ihrem starken Ehrgeiz zur Gestaltung einer unvergessenen Hochzeit – mit Haut und Haaren erleben zu lassen, sie zu durchschreiten und zu bewundern. Die Schilderungen ließen in mir den Wunsch entstehen, das damalige Landshut in seinem Reichtum sehen zu dürfen und im heutigen Landshut die Spuren der Geschichte zu suchen.

Unauffällig mischt der Autor geschichtliche Fakten und schriftstellerische Freiheiten – nur Lesern, die sich mit dieser Hochzeit genau beschäftigt haben, werden die kleinen Schummeleien zugunsten der Story auffallen, aber ich denke, niemand würde sie dem Autor verübeln. In seinem Nachwort entschuldigt er sich selbst für seine Abweichungen vom korrekten historischen Pfad und gibt gleich noch zusätzliche interessante Informationen zur damaligen politischen Situation.

Auch sprachlich lässt der Autor keinen Zweifel zu, dass er sein Handwerk versteht. Detailbeschreibungen, die mir so manches Mal einen Roman vermiest haben, werden geschickt mit Dialogen oder Gedankengängen unterbrochen, der Leser lernt seine Umgebung sehr genau, aber nicht auf langweilige Art kennen. Er weiß bereits nach kurzer Zeit, wen der Kaufmann besucht, wenn der Name der Straße fällt. Das Ende eines jeden Kapitels ist der nahtlose Aufhänger des nächsten, und eine Lesepause einzulegen, fiel mir da extrem schwer. Dübell baut von Beginn an Spannung auf, die den Krimi nur selten in ruhige Gewässer fahren lässt, und seine Charaktere springen munter im Kreis herum, um die Fäden der Geschichte zu einem undurchsichtigen Knäuel zu verspinnen, damit die Hinweise auf den Mörder nicht voreilig zu einem bestimmten Namen führen können. Ich jedenfalls hatte bis zum Schluss keinen möglichen Täter gefunden.

Der Kaufmann wurde mein Freund und kaum ein Autor hat bisher so viel Empfinden für seinen Charakter in mir wecken können. Und wenn ich bedenke, dass „Der Tuchhändler“ Dübells Debüt ist, weiß ich wirklich nicht, wie sehr mir die nachfolgenden seiner Bücher an die Nieren gehen werden. Ich hoffe, mindestens genauso stark, denn das macht für mich Lesen aus: hineingezogen zu werden in die Haut einer anderen Person und durch ihre Augen eine neue Welt zu erfahren. Mehr als nur begeistert gebe ich eine glasklare Leseempfehlung ab, und für Fans des historischen Krimi ist dieser Roman so oder so ein zwingendes Muss!

Abschließend möchte ich die sehr sympathisch wirkende [Homepage]http://www.duebell.de von Richard Dübell erwähnen: liebevoll gestaltet, mit vielen Infos zu seiner Person, seiner Familie und seinen Büchern. Die Seite ist also auf jeden Fall einen Besuch wert!

Cook, Robin – Experiment, Das

1692: In Salem bricht eine Hexenhysterie aus, als einige Bewohner drastische Verhaltensveränderungen durchmachen. Sechs Frauen werden als Hexen verurteilt und finden im Juli ihren Tod durch Erhängen. Eines dieser Opfer ist die junge Elisabeth Stewart, die aufgrund eines eindeutigen Beweises überführt und im Laufe der Jahrhunderte aus sämtlichen geschichtlichen Aufzeichnungen gestrichen wird.

Im Jahre 1994 findet sich die Krankenschwester Kimberly Stewart durch ihren Cousin Stanton mit den Ereignissen von 1692 konfrontiert. Zusammen mit ihrem Bruder hat Kim das alte Anwesen der Stewarts geerbt – das Cottage, in dem Elisabeth lebte, und die Burg, das spätere Herrenhaus der Familie. Da die Geschichte der verurteilten Vorfahrin innerhalb ihrer Familie schon immer als Tabu galt, erwacht die Neugier in der jungen Frau, welches Beweisstück unwiderlegbar für den Pakt mit dem Teufel gesprochen haben soll. Der Hirnforscher Edward Armstrong ist begeistert von ihren Nachforschungen und glaubt, die damaligen Vorfälle könnten durch einen Pilz entstanden sein, der damals in Salem gewachsen und in die Nahrung gelangt sein könnte.

Im Bemühen, Elisabeth zu rehabilitieren, nimmt Kim die Sichtung von unzähligen Papieren und Dokumenten in Angriff, die in der Burg seit Jahrhunderten unberührt lagen, und lässt Edward Bodenproben entnehmen, um Spuren eines möglichen Pilzes zu finden. Diese findet er auch. Von seinem Erfolg angespornt, züchtet er eine neue Kultur des Pilzes heran und schreckt auch davor nicht zurück, ihn an sich selbst zu testen, um seine Toxizität festzustellen. Das Ergebnis ist für den Wissenschaftler der Garant für ein neues Medikament, denn außer ein paar wenigen Halluzinationen führt der Stoff zu keinen negativen Reaktionen. Im Gegenteil, er löst Ängste und Depressionen in Rauch auf, stärkt das Selbstbewusstsein, erhöht den Energiehaushalt des Körpers und reduziert das Schlafbedürfnis auf ein Minimum von vier bis fünf Stunden pro Nacht. In völliger Besessenheit stürzt er sich in die weitere Erforschung des Pilzes und schafft es, diesen so zu verändern, dass die halluzinative Wirkung ausbleibt. Daraufhin lässt er durch Kims Cousin ein Labor einrichten, um Ultra, das neue Wundermittel, zu produzieren.

Inzwischen stößt Kim auf Hinweise, dass der Pilz tatsächlich im 17. Jahrhundert zu dramatischen Erkrankungen geführt hat und dass auch das ungenannte Beweisstück gegen Elisabeth irgendetwas damit zu tun haben muss. Trotz ihrer Versuche gelingt es ihr nicht, Edward davon zu überzeugen, das Mittel nicht vor Abschluss aller Tests selbst zu nehmen. Unter Zeitdruck und im Glauben, Ultra verursache nur Positives, nehmen der Wissenschaftler und seine neu eingestellte Crew das Mittel ein, dessen grauenhaften Auswirkungen sich erst allmählich bemerkbar machen und Salem erneut in Hysterie versetzt …

Ich habe dieses Buch gerne gelesen. „Das Experiment“ bietet eine spannende Mischung aus Medizinthriller und historischen Romanelementen, die zum größten Teil kurzweilig und unterhaltsam den Leser mitnimmt und ihn im zweiten Teil auch ein ganz kleines bisschen das Gruseln lehrt.

Medizinthriller zählen normalerweise nicht zu meinem erstgewählten Lesestoff, aber bei „Das Experiment“ verhält es sich doch etwas anders. Erstens sind die fachlichen Ausführungen gut verständlich (auch für Laien) und zweitens würde es ohnehin keine große Rolle spielen, wenn man sie nicht verstehen oder überlesen sollte, denn die Story an sich funktioniert auch prima ohne sie. Dafür ein Lob von mir an Autor Robin Cook, der aufgrund seiner Absolvierung der medizinischen Fakultät der Columbia University New York gerade diesen Aspekt viel massiver hätte anpacken können.

Stattdessen hat sich der Bestseller-Autor genauso viel Mühe bei den Charakteren und Schauplätzen gegeben, die den Roman sehr lebendig gestalten. Angefangen im Jahre 1692, lernen wir die eigentliche Hauptperson des Buches bereits mitten in ihrem Schicksal kennen: die energische, durch und durch sympathische Elisabeth Stewart auf dem Weg in ihr Verhängnis – umringt von Kindern, von denen eines die ersten Symptome der Pilzvergiftung in ihrem Haus durchleben muss. Ihr Mann weilt auf Geschäftsreise, sie kümmert sich nicht nur um Haushalt und die Kinder, sondern vermehrt ungerührt das Grundstücksvermögen der Familie in einer Zeit, in der Frauen die Geschäftsfähigkeit abgesprochen wird. Sie überlegt sich Lösungen für die herrschende Hungersnot und leistet Hilfestellungen für von Indianern überfallene Familien. Eine Frau also, die ihrer Zeit nicht nur weit voraus ist, sondern die sich auch gern Feinde mit ihrer direkten und offenen Art macht.

Zugegeben, ohne solch eine Person verlieren derlei Geschichten ihren Reiz, denn wer liest schon gerne darüber, dass eine Frau als Hexe verurteilt wird, weil sie wirklich ein ganz und gar unausstehliches, böses und kriminelles Weibsstück ist? Trotzdem ist Elisabeth mehr als nur ein armes, unschuldiges Opfer, das einfach zur falschen Zeit am falschen Ort ist – sie ist in der Tat der Auslöser der Tragödie. Und wie heißt es so schön: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Nun gut, der Leser empfindet trotzdem Mitleid mit ihr, und das ist gut so, denn ansonsten könnte man das Buch nach knapp vierzig Seiten weglegen und sich ein neues suchen. Und da die Person der Elisabeth nicht der einzige Grund zum Weiterlesen ist, möchte ich ebenfalls erwähnen, dass auch durchaus die anderen Charaktere – allen voran Kim und Edward – ihr Durchschreiten der Handlung mitreißend und spannend in Szene setzen.

Das Ganze runden die schön herausgearbeiteten Schauplätze ab, denn die Beschreibungen der Burg mit ihren Kellern und Sälen versetzten mich mitten ins Mittelalter und ließen meinen Kindertraum neu erwachen, in solch einem Gebäude einen Berg von Aufzeichnungen aus vergangener Zeit zu finden. Und so habe ich Kims Wühlen in den unermesslichen Schätzen des alten Gemäuers geradezu verschlungen und konnte ihre Aufregung nur zu gut nachvollziehen. Vor allem das letzte Drittel des Romans – die Auflösung des dubiosen Beweisstückes und des Wirkens von Ultra – ließ mich im Lesen kaum noch innehalten, und erfreulicherweise wurde ich nicht davon enttäuscht. Alles klärt sich in mehr oder weniger glücklicher Fügung auf und Elisabeth fordert ungeschönt noch mehr Mitleid, aber das darf jeder gerne selbst herausfinden. Ich empfehle es sogar!

Am Schreibstil gibt es ebenfalls nicht wirklich viel zu meckern. Ab und an verfällt Cook zwar in ganz simpel gestrickte Erzählsätze, aber das tut der Stimmung wahrlich keinen Abbruch und kommt erfreulicherweise auch nur ab und an vor.

Fazit: ein spannender Ausflug in die Welt der Wissenschaft, mit faszinierenden Abstechern in die Zeit der Hexenmythologie! Auf jeden Fall lesenwert!

Riebe, Brigitte – Hüterin der Quelle, Die

Die Autorin Brigitte Riebe, vollständig Dr. Brigitte Leierseder-Riebe, wurde 1953 in München geboren, wo sie auch heute noch als freie Schriftstellerin lebt. Sie ist promovierte Historikerin, war zunächst als Museumspädagogin tätig und hat später lange Jahre als Verlagslektorin gearbeitet, bevor sie selbst begann, Romane zu schreiben. Unter ihrem Pseudonym Lara Stern veröffentliche sie u.a. die Sina-Teufel-Romane, mit denen sie auch bekannt wurde.

„Die Hüterin der Quelle“ erschien im März 2005 und entführt den Leser ins Bamberg des Jahres 1626, in das Jahr, in dem die zweite große Hexenprozesswelle begann. Im Mittelpunkt des Geschehens steht die Familie des Krippenschnitzers Veit Sternen, der nach dem Tod seiner ersten Frau zusammen mit Sohn Simon und Tochter Selina aus Italien zurückgekehrt ist und Marie, die Tochter des Braumeisters und Ratsherrn Pankraz Haller, geehelicht hat. Doch so sehr sich Marie eine traute Zweisamkeit mit ihrem Mann und glückliche Stunden mit der ganzen Familie gewünscht hat, so bleibt ihr doch die Untreue Veits und die Ablehnung der tauben Selina nicht erspart – genauso wenig wie das Unverständnis ihres Vaters für diese Ehe. Einzig mit Simon gelingt ihr ein recht harmonisches Zusammenleben.

Veit hingegen widmet sich lieber anderen Frauen und seiner Arbeit, denn der Fürstbischof Fuchs von Dornheim persönlich hat ihm und seinem Sohn den Auftrag gegeben, für seine Kirche die schönste und prächtigste Krippe zu schnitzen. Doch ist dieser Herr sehr launisch, und so flüchtet sich der smarte Veit in die Arme der geheimnisvollen Otterfrau Ava, die mit einem Otter, Reka getauft, abseits der Stadt wohnt und sich mit Fischverkäufen übers Wasser hält. Was er dabei vergisst, ist seine abgeschobene Geliebte Agnes Pacher, die Frau des Holzhändlers, die alles andere als geneigt ist, ihren leidenschaftlichen Geliebten gehen zu lassen.

In der Stadt Bamberg beginnt es zu brodeln, und nicht nur familiäre Streitigkeiten oder persönlicher Groll sind die Auslöser. Der Weihbischof Friedrich Förner ist geübt darin, Zweifel zu säen. Zweifel an der Christlichkeit der Bürger, Zweifel an der Sicherheit der rechtschaffenen Einwohner. Hexen, Druten, Teufelspack sind seine auserkorenen Lieblingsthemen und die Menschen hören ihm zu; immer mehr strömen in seine Kirche und Unruhe und Angst beginnen sich auszubreiten. Die Otterfrau und die alte Hümlin stehen auf der Liste. Ava, weil sie geheimes Wissen über Kräuter und Tränke besitzt, die Hümlin, weil ihre Mutter schon als Hexe verbrannt wurde.

Doch dem Weihbischof gegenüber steht fest der Kanzler Kilian Haag und etwas wackliger der Fürstbischof selbst, der allerdings befürchtet, das Wohl des Volkes zu verlieren, wenn er Förner nicht gibt, was dieser verlangt. Doch sieht er die Rettung in dem Jesuitenmönch Adam Thies, der bereits seit Jahren recht erfolgreich gegen den Hexenwahn ankämpft. Aber leider weiß nur sein alter Lehrer Grün, wo der Mönch verweilt, und dieser hat geschworen, es nicht zu verraten. Und auch Marie denkt oft an den Jungen des Nachbarn Thies, der einst ihre große und erste Liebe war.

Während Simon sich auf den Weg in das ferne Italien begibt, um Stoffe für die Krippenfiguren zu besorgen, findet Selina zu einer Bande Straßenkinder, die ebenfalls engere Verbindung zu der Otterfrau hegt. Als sie beobachtet, dass ihr Vater und Ava ein Verhältnis haben, glaubt sie, in dem kleinen Straßenkind Lenchen ihre Halbschwester zu sehen. Wut und Hass bestürmen sie.

Und Förner wettert immer heftiger gegen das Drutenvolk, bis die Wogen überschäumen und Bamberg in den Hexenwahn fällt. Förner will Flammen sehen, die reinigen Kräfte des Feuers sollen die Stadt wieder befreien.

Brigitte Riebe ist mit „Die Hüterin der Quelle“ einmal mehr ein großartiger Roman über die Zeit im Mittelalter gelungen. Nicht die Folter oder die Hinrichtungen selber stellt sie in den Mittelpunkt, stattdessen verfolgt sie die Entwicklung von dem ersten Säen des Aberglaubens bis zum Eskalieren des Horrors. Anhand der Familie Sternen zeichnet sie das wahrscheinlich ganz normale Leben in einer Stadt der damaligen Zeit, lässt den Leser die Hoffnungen und Ängste, Glücksmomente und Albträume erleben, bis das Normale nicht mehr zu halten ist und das Kartenhäuschen mit lautem Getöse einkracht.

Das Band zwischen den Charakteren ist fest und gekonnt gespannt. Jeder hat seine Aufgabe in diesem Schauspiel der Grausamkeit und Tragödie zu leisten, und jeder erfüllt sie mit einer Glaubhaftigkeit, welche die Figuren dem Leser ans Herz wachsen lassen. Marie, die sich verzweifelt ein Kind wünscht, deren Bauch aber flach und hart bleibt. Veit, der seine Frau zwar liebt, aber trotzdem immer wissen möchte, wie die andere denn riecht und wie sich ihre Haut anfühlt. Simon, der es satt hat, im Schatten des Vaters zu stehen und mit Adam endlich seine Freiheit erreicht. Selina, das taube Mädchen, das sich so sehr in einen der Straßenjungen verliebt hat, dass es so gut wie alles für ihn tun würde. Das Mädchen, das ihrem Vater den Betrug mit der Otterfrau und mit Lenchen nicht verzeihen kann, denn noch eine Tochter braucht der Vater doch nicht. Ava, die ihre Freiheit nicht aufgeben möchte, sich aber selbst in ihrem Leben einsperrt. Hin- und hergerissen zwischen ihren Gefühlen für Veit und ihren Gefühlen für den zweiten Geliebten Mathis, dem Wilderer. Die Otterfrau genannt, von den Frauen der Stadt gefürchtet, aber immer befragt, wenn es schmerzt oder um die Verhinderung oder das Einsetzen einer Schwangerschaft geht. Und nicht zuletzt Förner, den seine eigenen Dämonen hetzen, die ihn jagen und ihn so wild machen, dass nur Hexen als Ursache des Übels in Frage kommen.

Nachvollziehbar und fast schon verständnisvoll erzählt die Autorin vom Beginn des Desasters, und der Leser empfindet Trauer und Melancholie, als wäre sowieso nichts zu ändern gewesen. Es bedarf keiner ausschweifenden Folterbeschreibungen oder letzten Schwüre auf dem Scheiterhaufen, um das Grauen jener Epoche zu erwecken. Riebe hat gezeigt, dass die Entfaltung des Wahnsinns ein spannendes und ergiebiges Thema für einen Roman erster Güte darstellt. Fazit: Allemal lesenwert!

Homepage der Autorin: http://www.brigitteriebe.de

Riebe, Brigitte – Straße der Sterne

Regensburg, 1245: Die 17-jährige Kaufmannstochter Pilar Weltenburger ist blind, lebt aber wohlbehütet im Hause ihres Vaters Heinrich, der seine Tochter über alles liebt. Die Mutter Rena hatte die Familie zehn Jahre zuvor ohne Erklärungen verlassen – ein Verlust, den sowohl Pilar als auch der Kaufmann nie verkraftet hatten.

Als aufgrund von Intrigen das Familiengrundstück in Flammen aufgeht und Heinrich stirbt, beschließt Pilar, der „Straße der Sterne“ zu folgen – der Straße, die den Pilgern den Weg zum Grab des heiligen Jakobus weist. Zusammen mit ihrem maurischen Diener Tariq, den ihre Mutter aus dem fernen Frankreich mitgebracht hatte, verlässt Pilar Regensburg, um im spanischen Santiago de Compostela den Heiligen zu bitten, ihr das Augenlicht wiederzugeben.

Tariq selbst trägt seit jenem Morgen, an dem seine Herrin die Stadt verließ, Renas Aufzeichnungen mit sich. Die Bitte, ihr Vermächtnis der Tochter zu geben, sobald diese alt genug sein würde, konnte er nicht mehr erfüllen, da Pilars Krankheit ihm zuvor gekommen war. Selbst unfähig, die Erinnerungen zu ertragen, die ihn dann überrollen würden, brachte er es nicht über sich, dem Mädchen die Seiten vorzulesen.

Der Weg der Pilger war seit jeher gefährlich, aber eine blinde junge Frau in Begleitung eines Nicht-Christen stellt eine allzu leichte Beute dar und so beschließen die beiden, die Hauptstraßen zu meiden. Trotzdem treffen sie nach und nach auf andere Pilger, die alle eins gemeinsam haben: dunkle Geheimnisse, die niemand außer dem heiligen Jakobus erfahren soll. Der Tempelritter Camoni, der seiner großen Liebe nachtrauert und Pilar zu kennen scheint; die Reisende Moira, die nie über ihre Familie redet und sich in Camoni verliebt; der Mönch Armando, der den Heiligen Gral sucht und an seiner Berufung zu zweifeln beginnt; und schließlich das Mädchen Estrella, das Tarot-Karten legt, um an Geld zu kommen, und als Einzige dem Heiligen uninteressiert gegenübersteht. Eine mächtigere Hand als der Zufall hat diese Menschen zusammengeführt und ihr Schicksal liegt sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart. Auf dem Weg nach Spanien erfüllt es sich unbarmherzig Stück für Stück.

Brigitte Riebe ist hier ein etwas anderer historischer Roman gelungen, der nichts von dem allseits beliebten „Gut-und-Böse-Schema“ beinhaltet. Die Geschichte lebt von den großartig ausgearbeiteten Charakteren, die ganz natürlich aus ihrem Leben erzählen und den Leser in ihre persönlichen Tragödien einblicken lassen. Hier gibt es keine Superhelden-Action, die den Leser am Wahrheitsgehalt der Geschichte zweifeln lassen, es handelt sich vielmehr um einen faszinierenden Reisebericht.

Jeder Charakter ist nachvollziehbar, verletzlich und ergreifend geschildert, und der Leser wartet ungeduldig auf die Auflösung all dieser Rätsel. Sieben Menschen ergeben sieben einzelne und eine gemeinsame große Geschichte – Brigitte Riebe versteht es, einen vielschichtigen Plot zu entwickeln und diesen dann großartig umzusetzen! Abwechselnd gerät der Leser in die Wirren der Pilgerreise und in die Wirren der Vergangenheit, die die Autorin geschickt Stück für Stück – dem Weg der Reisenden angepasst – aufdeckt. Und auch wenn dem aufmerksamen Leser die Lösungen der kleinen und großen Rätsel schnell klar werden, klingt der Roman nicht langweilig aus. Das Ende passt sich, einer logischen Konsequenz folgend, dem Rhythmus der vorangegangenen Seiten an und lässt im Leser das Gefühl nachhallen, das er von Beginn an hatte: ein ruhiges, aber ergreifendes Buch!

Im Anhang findet der Leser historische Daten über die „Straße der Sterne“ und Pilger, aber auch Anmerkungen zu dem damaligen Stand der Papierherstellung. Sehr interessant!

Brigitte Riebe, vollständig Dr. Brigitte Leierseder-Riebe, wurde 1953 in München geboren, wo sie auch heute noch als freie Schriftstellerin lebt. Sie ist promovierte Historikerin, war zunächst als Museumspädagogin tätig und hat später lange Jahre als Verlagslektorin gearbeitet, bevor sie selbst begann, Romane zu schreiben. Unter ihrem Pseudonym Lara Stern veröffentliche sie u. a. die Sina-Teufel-Romane, mit denen sie auch bekannt wurde. Seit März 2005 ist der Roman [„Die Hüterin der Quelle“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=2190 im Handel erhältlich.

Homepage der Autorin: http://www.brigitteriebe.de