Tim Curran – Feuertod

Mysteriöser Niederschlag lässt Pechvögel erst sterben und dann als buchstäblich kochende Zombies zurückkehren, die nach Opfern gieren, die sie in Rauch aufgehen lassen können … – Simpel gestrickter, auf einer nur zu bekannten Grundidee ruhender, von Wiederholungen geprägter und mit Klischeefiguren durchsetzter Horror, der erst im letzten Drittel routiniert Fahrt aufnimmt und in einem Hauruck-Finale gipfelt, das den Leser verblüfft zurücklässt: Das war alles?

Das geschieht:

Middleburg ist – schon der Name drückt es aus – eine gänzlich durchschnittliche Kleinstadt irgendwo im US-Staat Nebraska. Hier leben Leute, die wir weder kennen noch dabei beobachten möchten, wie sie ihr von alltäglichen Ärgernissen (und Klischees) erfüllten Leben fristen. Eine lange Reihe dieser Bürger wird uns trotzdem vorgestellt, denn die örtliche Tristesse erfährt einen unerwarteten Schwung, als ein seltsamer Hagelschauer niedergeht, der jene, die das Pech haben, ihm ausgesetzt zu sein, erst unter grässlichen Zuckungen sterben und später als eine Art Dampfkessel-Zombie wiederaufstehen zu lassen.

Diese Kreaturen schüren in ihren untoten Leibern ein echtes Höllenfeuer, das sie bei Bedarf als Waffe einsetzen können. Das hilft ihnen, ihre Opfer – die sich selbstverständlich aus der vom Giftregen verschonten sowie ahnungslosen Restbürgerschaft rekrutieren – zu überwältigen, um sie anschließend zu Knochen und Asche verbrennen zu lassen. Umbringen lassen sich diese feurigen Zombies nicht. Ihre einzige Achillesferse ist ihre Blindheit; sie müssen ihre Opfer hören, um sie finden und packen zu können.

Da die Ungeheuer erst in der Nacht aktiv werden, hilft dies den (noch) lebenden Bewohnern von Middleburg wenig. Überall werden sie überrascht und umgebracht, wobei die kollektive geistige Schwerfälligkeit der Bürger sie erst recht zu leichten Zielen macht. Nur wer den Kreaturen zunächst entkommt und begreift, was durch die Straßen schleicht, kann sich Gedanken über Gegenwehr und Flucht machen.

Kooperation wäre wichtig, gestaltet sich aber schwierig, da die Middleburger wie gesagt dumm und die Feuer-Zombies hellhörig sind. Die Kommunikation unter den wenigen Überlebenden wird dadurch schwierig. Außerdem liegt den Umtrieben der kokelnden Untoten ein finsterer Plan zugrunde, der weit über die Grenzen von Middleburg hinausreicht …

Gruselgarn mit groben Maschen

Der Horror hat es als Genre nie einfach gehabt. Anders als beispielsweise der Geister-Grusel kommt er breitbeinig, laut und brutal zur Sache. Das Böse neigt im Horror höchstens anfänglich dazu, sich im Verborgenen zu halten. Sind ihm genug Opfer in die jeweilige Falle gegangen, offenbart es sich – und wie! Meist wird es eklig, in der Regel blutig, und der Tod bedeutet keineswegs das Ende für entsprechende Heimsuchungen.

Diese wenigen Worte deuten scheinbar an, dass der Horror in seiner reinen Form nur einen begrenzten Unterhaltungswert besitzt. Dem ist nicht so, und es soll an dieser Stelle erst recht nicht jenen Gutmenschen das Wort geredet, die das Ende der Zivilisation mit dem Auftritt von Jason Vorhees, Michael Myers oder John „Jigsaw“ Kramer gleichsetzen. Tatsächlich kann es durchaus vergnüglich sein zu beobachten, wie Schurken, Ungeheuern oder außerirdischen Pechvögeln nachsetzen, um ihnen hässliche Lebensenden zu bereiten. Ein solches Garn muss nur richtig gesponnen werden – eine Maxime, die übrigens für jedes unterhaltende Genre gilt.

Eigentlich geht es nur den beinharten Gore-Fans primär um den Akt des Folterns, Schändens und Tötens. Selbst der nur latent anspruchsvollere Horror-Freund – u. a. daran zu identifizieren, dass er beim Zählen nicht die Finger einsetzen muss – zieht es vor, Metzeleien als Ereignisse einer Geschichte zu goutieren, die diesen Gruseltaten einen Sinn verleiht. Dabei muss der Erzähler (oder Regisseur) keineswegs originell oder komplex vorgehen. Eine solide Story mit Auftakt, Mittelteil und Höhepunkt reicht völlig aus.

Konzentration aufs Wesentliche?

Tim Curran weiß das; er legt immer wieder Romane vor, die sehr gut handfesten Horror nicht nur mit einer Handlung verknüpfen, sondern darüber hinaus auch eine entsprechende Atmosphäre des Schreckens erschaffen. Curran ist allerdings ein immens fleißiger Autor, der für seine Werke wohl nicht berauschend entlohnt wird, was er über seinen Ausstoß ausgleichen möchte. Das Ergebnis sind Romane wie „Feuertod“, der das Pendant eines jener Trash-Filme darstellt, mit denen Null-Studios wie „The Asylum“ ihr Publikum plagen.

Was Curran vorschwebte, wird aus dem Zusammenhang durchaus klar. Er will anders als z. B. Stephen King seine Apokalypse nicht erst über mehrere hundert Seiten vorbereiten und dabei das Figurenpersonal vorstellen, sondern sofort Gas geben. Selbst die Ursache für den Feuerregen, der über Middleburg niedergeht, ist ihm offenbar gleichgültig, wenn man seine schlappe, pflichtschuldige Auflösung als Maßstab nimmt. Curran möchte stattdessen schildern, was sich ereignet: die Nacht der rauchenden Toten!

Leider fällt ihm dazu wenig ein, und zu allem Überdruss wiederholt er es immer wieder: Bürger von Middleburg ist in bewusster Nacht unterwegs – entdeckt verdächtige Spuren – folgt ihnen – gerät dorthin, wo bereits ein Glüh-Zombie wartet – will flüchten, stolpert über die eigenen Füße, wird gepackt und verraucht jämmerlich. Im nächsten Kapitel ergeht es einem neuen Pechvogel nur marginal anders. Auf diese Weise werden schier unzählige Lückenbüßer buchstäblich verheizt, während die Handlung auf der Stelle tritt. Dabei stellt sich heraus, dass auch der übernatürliche Feuertod langweilig wird, wenn er in Serie eintritt.

Das Dorf der Widerlinge

Das Fremdeln mit der Story wird durch Currans Figurenzeichnungen außerordentlich geschürt. Middleburg ist anscheinend US-Amerikas Sammelbecken für Proleten, Querulanten, Voyeure u. a. überflüssige Zeitgenossen. Curran nimmt sich viel zu viel Zeit, sie uns mit ihren Reißbrett-Problemen ausführlich vorzustellen. Wenn er damit plant, ein Gefühl der Solidarität zwischen Leser und Figuren aufzubauen, greift er tief ins sprichwörtliche Klo. Selbst die wenigen Protagonisten, die man nicht umgehend in Flammen aufgehen sehen möchte, sind langweilige Pappkameraden beiderlei Geschlechts. So irrt ein weiblicher Babysitter mit einem (selbstverständlich stets zur Unzeit quäkenden) Baby und einem Kleinkind durch Middleburg: Das kann funktionieren, wird von Curran jedoch nach TV-Vorbild nur abgespult.

Man hat „Feuertod“ fast schon aufgegeben, als im letzten Drittel ein Ruck durch die Handlung geht und diese endlich Tempo aufnimmt. Tröpfe und Tölpel sind abgefackelt, Middleburg im Griff der Flammen-Zombies. Plötzlich lässt Curran als allwissender Erzähler die Stadt hinter sich: Außerhalb hat man endlich begriffen, dass in Middleburg Merkwürdiges vorgeht. Noch besser: Den Faxen der Zombies liegt ein Motiv zugrunde. Sogar eine Erklärung für ihre Herkunft ringt der Autor sich ab. (Dass er dabei bis auf den Grund der Mottenkiste taucht, steht auf einem anderen Blatt.)

Vor allem hört das sinnlose Flüchten & Fackeln auf. Die Zombies sind nur Brutstätten des eigentlichen Terrors; das zu verraten ist kein Spoiler, sondern dient der Ehrenrettung eines Verfassers, der sich spät genug daran erinnert hat, dass er uns etwas erzählen will. Nun wird es rasant und wirklich feurig: Curran verfügt über einen beachtlichen Wortschatz, wenn es darum geht zu beschreiben, was Hitze anrichten kann! Dass er sich für das (gar nicht) große Finale bei H. G. Wells „Krieg der Welten“ bedient, können wir eine Hommage nennen. Keine Entschuldigung gibt es für Currans Hast: Nachdem er die Flammen über 250 Seiten geschürt hat, bläst er sie binnen drei Seiten aus! Hatte er die Lust an einem Roman verloren, den er nur noch zu Ende bringen wollte?

So hat sich Curran gerade so über die Zielgerade geschleppt. Die versprochene „Mutprobe“, die der Festa-Verlag seinen Lesern verspricht, ist dieses Mal eher eine Geduldsprobe. Die solide Übersetzung und das schöne Titelbild sorgen dafür, dass dieser Roman immerhin seinen Platz im Bücherschrank – mancher Zeitgenosse besitzt und nutzt ein solches Möbelstück noch – repräsentativ füllt.

Autor

Tim Curran (geb. 1963) hält sich zumindest in Sachen Privatleben bedeckt. Er lebt mit Ehefrau und drei Kindern im US-Staat Michigan und ist kein Vollzeit-Autor, sondern arbeitet hauptberuflich in einer Fabrik.

Auf seiner Website weicht er einer ‚ordentlichen‘ Biografie aus und schreibt stattdessen über seine Kinder- und Jugendjahre und wie er die Liebe zur Phantastik entdeckte. Curran schätzt die Altmeister wie Lovecraft ebenso wie den zynisch-groben Horror der EC-Comics aus den 1950er Jahren.

Taschenbuch: 255 Seiten
Originaltitel: Afterburn (North Hobart/Tasmania : Severed Press 2015)
Übersetzung: Maximilian Thedus
Cover: Dean Samed
www.festa-verlag.de
www.corpseking.com

eBook: 677 KB
ISBN-13: 978-3-86552-425-6
www.festa-verlag.de

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