Libba Bray – Circes Rückkehr (Der geheime Zirkel 2 – Hörbuch)

Auf dem Prüfstand: die Hüterin der Magie

England anno 1894: Die 16-jährige Gemma wird auf der „Spence-Akademie“ zur heiratsfähigen jungen Dame erzogen. Um dem strengen Schulalltag zu entkommen, gründet sie mit ihren Freundinnen einen geheimen Zirkel. Als die Mädchen das Tagebuch einer ehemaligen Schülerin finden und darin lesen, wird Gemma von unerklärlichen Visionen heimgesucht, die sie in das magische REICH entführen.

Das REICH ist wunderschön und von großer Anziehungskraft, so dass auch Gemmas Freundinnen Felicity, Ann und Pippa Zutritt begehren. Nur Gemma als Vermittlerin kann ihnen den Übergang ins REICH gestatten. Als die Lehrerin Miss Moore das Tagebuch einer früheren Schülerin findet, erfährt Gemma, welche Rolle sie für das REICH spielt: Sie ist die Gebieterin. Doch ihre Widersacherin ist Circe, die Zauberin.

Fortsetzung: Inzwischen ist Gemma 17 Jahre alt und schon in heiratsfähigem Alter. Nach dem Verschwinden Pippas im REICH und Gemas Zerschlagen der Runen ist das Gleichgewicht des REICHES zerstört, die Magie ist frei und für jeden Missbrauch empfänglich. Zusammen mit ihren Freundinnen und Miss Moore versucht Gemma, das Gleichgewicht wiederherzustellen, indem sie den Tempel aufsucht und die Magie erneut bindet.

Doch der geheimnisvolle Orden der Rakshana und der weibliche Orden des aufgehenden Mondes trachten danach, dass Gemma die Magie für ihre jeweils eigenen Zwecke bindet. Gemma muss sehr viel lernen, um die richtige Entscheidung treffen zu können. Unterdessen versucht Circe, sie im REICH zu täuschen und zu Fall zu bringen, bevor sie den Tempel erreicht. Doch wer ist diese Zauberin überhaupt? Gemma unterläuft ein folgenschwerer Irrtum.

Die Autorin

Libba Bray, geboren 1964 in Alabama/Texas, schreibt Theaterstücke, Romane und Kurzgeschichten. Ihr erster Roman „Der geheime Zirkel – Gemmas Visionen“ sowie dessen Fortsetzung sind in den USA laut Verlag sehr erfolgreich. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Brooklyn / New York.

Der Gemma-Zyklus:

1) Gemmas Visionen
2) Circes Rückkehr
3) Kartiks Schicksal

Die Sprecher

Julia Nachtmann, geboren 1981 in Filderstadt bei Stuttgart, absolvierte von 2001 bis 2005 ihr Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Nach Gastspielen am Volkstheater München, am Nationaltheater Weimar, am Schauspielhaus Stuttgart und einem Engagement am Thalia-Theater Hamburg gehört sie seit 2005 zum Ensemble des Schauspielhauses Hamburg. Sie tritt außerdem in TV-Produktionen auf. Julia Nachtmann erhielt den Boy-Gobert-Preis der Körber-Stiftung. Sie lebt in Hamburg.

Samuel Weiss, geboren 1967 in Männedorf bei Zürich, ist Schauspieler. Er studierte am Max-Reinhardt-Seminar in Wien, spielte am Burgtheater, am Schauspiel Frankfurt, am Landestheater Tübingen und am Staatstheater Stuttgart. Seit 2001 ist er Ensemblemitglied des Deutschen Schauspielhauses Hamburg. Zudem ist er in zahlreichen TV-Produktionen zu sehen, zum Beispiel in „Die Albertis“, „Bella Block“ oder „Die Männer vom K 3“, und arbeitet als Sprecher und Moderator beim Südwestrundfunk. (Verlagsinfos)

Die Hörfassung erstellte Barbara Meerkötter, Regie führten Franziska Paesch, Uticha Marmon und Jens Kronbügel, der auch den Ton steuerte. Aufnahme, Schnitt & Mastering übernahm das Studio |WunderWelt| in Hamburg.

Handlung

An der Spence-Akademie vor den Toren Londons werden junge Damen ausgebildet, um für die britische Gesellschaft „heiratsfähig“ zu werden. Eine der jungen Damen ist Gemma Doyle, eine Halbwaise, deren Mutter in Bombay ums Leben kam, und deren Vater seitdem bei seiner Mutter in London lebt, zusammen mit Gemmas Bruder Tom. Gemma, mittlerweile 17 Jahre alt, hat nach den Ereignissen des letzten halben Jahres eine Schlüsselrolle in ihrer kleinen Clique inne, denn sie ist die Hüterin des Tores zum magischen REICH. Felicity Worthington und Ann Bradshaw sind auf sie angewiesen, wenn sie die Schönheit des REICHES schauen und sich dort Wünsche erfüllen wollen. Was aber noch wichtiger ist: Dort können sie ihre ehemalige Freundin Pippa Cross besuchen. Warum Pippas Seele noch nicht in die Gefilde jenseits des REICHES gegangen ist, gibt Gemma Anlass zum Grübeln. Was, wenn sich Pippas Seele zum Bösen hin verändert?

Die neue Mission

Während sich die Schülerinnen der Akademie auf das in zwei Wochen bevorstehende Weihnachtsfest und das Wiedersehen mit den Eltern vorbereiten, besucht Katik, der geheimnisvolle Helfer von Gemmas Mutter, Gemma in einem unbeobachteten Augenblick. Was der Rakshana ihr sagt, ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Nachdem Gemma im REICH die Runensteine zerstört hat, sei die darin gebundene Magie nun frei und wild. Sie könne unter anderem von ihrer Widersacherin Circe missbraucht werden. Gemma müsse den Tempel des Lichts aufsuchen und dort die Magie durch das Aufsagen eines bestimmten Bannspruches wieder binden. Die Bindung solle an den „östlichen Stern“ erfolgen. Katik verschweigt, dass dadurch die Magie in den Besitz des Geheimordens der Rakshana gelangt. Und er verschwiegt, dass er Gemma nach vollbrachter Tat töten soll, denn sie steht zwischen dem Orden und der Magie. Doch wo befindet sich der Tempel, fragt Gemma. Auch Katik kann es ihr nicht sagen.

Der neue Feind

In ihren Träumen ruft Pippa ihr zu, sie solle sich vor Verfolgern in Acht nehmen. Als mitten in der Nacht die neue Lehrerin Miss Catherine McChenmine eintrifft und aufgenommen wird, ist Gemma deshalb auf der Hut. Die Neue scheint die Schwester der Direktorin Mrs. Nightwing zu sein. Aber warum interessiert sie sich so stark für Gemmas Amulett, das diese von ihrer Mutter geerbt hat? Das Amulett zeigt einen aufgehenden Mond und bezeichnet Gemma als Angehörige des – inzwischen aufgelösten – Ordens des aufgehenden Mondes, der an der Spence-Akademie sein Hauptquartier hatte und die absolute Herrschaft über die Magie des REICHES ausübte. Vor 25 Jahren kam es zu schrecklichen Ereignissen im Orden, in deren Verlauf Gemmas Mutter Virginia Spence vertrieben wurde.

Als Miss McChenmine nun so neugierig wird, dreht Gemma den Spieß um und erkundigt sich nach den früheren Wirkungsstätten dieser rätselhaften Lehrerin. Erschütternd: An jeder der Schulen, die McChenmine besuchte und die auf der Liste stehen, die Gemma gefunden hat, ereigneten sich mysteriöse Todesfälle unter den Schülerinnen. Könnte sie mit diesen Todesfällen in Verbindung stehen, fragt sich Gemma und beschließt, auf der Hut zu sein.

Weihnachten in der imperialen Hauptstadt

Endlich in London, die Weihnachtszeit ist da. Ihrem Vater scheint es gut zu gehen, und ihr Bruder Tom hat eine Stelle als Arzt im Royal Bedlam Hospital erhalten. Das bedeutet jedoch lediglich, dass er eine Art Irrenarzt ist. Als er von einer jungen Patientin erzählt, die erstaunliche Fantastereien von einem magischen Reich von sich gibt, wird Gemma hellhörig. Sie bittet darum, diese Frau besuchen zu dürfen. Nelly Hawkins ist noch sehr jung, vielleicht 19 Jahre, und sehr verschreckt. Erst als Gemma und sie allein sind, offenbart sich ihr Gemma als eine Reisende ins REICH. Nell hat schreckliche Erinnerungen an ihren eigenen Aufenthalt im REICH, den sie in Wales erlebte. Sie nennt Gemma „Lady Hope“ (Dame der Hoffnung) und warnt sie eindringlich vor Täuschung und Verrat, vor allem aber vor den Klatschmohnkriegern.

Entdeckungen

In London findet Gemma Mittel und Wege, zusammen mit Katik, der als Kutscher für die Doyles arbeitet, ihre Freundinnen aufzusuchen. Mit ihnen lernt sie einen reichen Erben kennen und entkommt seinem Annäherungsversuch um Haaresbreite. Sie entdeckt Felicitys schreckliches Geheimnis und wird Komplizin in der großen Lüge, mit deren Hilfe sie und Felicity die einfache Ann Bradshaw zu einer adeligen Erbin und Sängerin hochstilisieren. Natürlich fliegt die Lüge eines Tages auf, doch Gemmas Magie kann das Schlimmste verhindern.

Circe

Eines Tages folgen sie Miss McChenmines Spur durch halb London und stoßen auf ihr Interesse an okkulten Geheimbünden. Über den Orden des aufgehenden Mondes steht in dem Buch, das McChenmine gekauft hat, dass er Anagramme liebe. Sie veranstalten selbst solche Wortverdrehungen und stoßen auf die Bedeutung: „Man nennt mich Circe“. Sie eilen erschrocken zu Miss Hester Asa Moore, ihre geschasste Ex-Lehrerin, die sie ebenfalls in London wiedersehen. Miss Moore rät ihnen, sehr vorsichtig zu sein. Spätestens in diesem Moment hätte Gemma Verdacht schöpfen sollen, doch sie ist völlig auf Miss McChenmine fixiert, zumal diese ebenfalls die arme Nell besucht.

Der Kompass

Doch es gibt einen Lichtblick: Sie findet heraus, dass ihr magisches Amulett, das Mondauge, ihr im REICH als Kompass dienen kann. Bestimmt wird alles gut, sobald sie damit den Tempel den gefunden hat. Oder?

Mein Eindruck

Nachdem sie im ersten Band ihre Fähigkeiten entdeckt hat, muss sich Gemma nun ihrer Verantwortung als Hüterin der Magie des REICHES stellen. Wenn man bedenkt, dass sie mit der Magie jeden Wunsch erfüllen kann, erscheint diese Verantwortung jedoch immens. Kein Wunder also, wenn sie sich schon bald zwischen den Interessen zweier Machtgruppen findet, von den Gruppenführern innerhalb des REICHES ganz zu schweigen.

Vor den Rakshana des angeblich so treuen Katik, einem Freund ihrer Mutter, nimmt sie sich ebenso in Acht wie dem narbengesichtigen Mann und der zwielichtigen Miss McChenmine. Stattdessen findet sie Rückhalt und Rat in ihren Freundinnen Felicity und Anne, in Miss Moore und, so unwahrscheinlich dies klingt, in der armen, verwirrten Nelly Hawkins.

Diesen Rat braucht sie dringend, weil sie immer öfter Visionen von drei weißgekleideten Mädchen bekommt, die sie mit ihren hohen Stimmen aufs Meer hinauslocken wollen, wo ein unbekanntes Ungeheuer unter der Oberfläche lauert. Auch die Wesen, die sie im eigentlichen REICH vorfindet, sind nicht unbedingt vertrauenerweckend. Es gibt ein Boot, das von einem Gorgonenhaupt gesteuert wird, doch diese Medusa sagt immer die Wahrheit und schützt Gemma vor sich selbst. Denn schließlich ist diese ja die Hüterin der Magie.

Gemmas Problem besteht zunehmend darin, dass sie nicht zu unterscheiden gelernt hat, welchem Wesen sie trauen kann, sei es nun Mensch, Nymphe oder Medusa. Sogar der Hüterin der „Höhlen der Seufzer“, Asha, bringt sie kein vollständiges Vertrauen entgegen, und auch bei Pippa Cross, ihrer Exfreundin, ist sie vorsichtig. Doch setzt sie volles Vertrauen in Miss Moore und erzählt ihr alles, was ihr widerfährt. Nun ist natürlich die große Frage, als welche von all diesen Wesen sich Circe verkleidet hat, um an Gemma heranzukommen. Das Warten auf die Beantwortung dieser Frage macht das Buch so spannend. Denn dadurch gerät Gemma von einer Klemme in die nächste, bis es zu einem brisanten Showdown mit Nells Klatschmohnkriegern und den Quellnymphen kommt. Eine Fülle von Vorausverweisen baut die Spannung zusätzlich auf.

Girls wanna have fun

Aber Gemma soll ja in London eigentlich Spaß haben. Tatsächlich reiht sich eine Einladung an die nächste, die Partys folgen wie Perlen an einer Kette, und sie dringt allmählich in die obere Etage der Gesellschaft vor. Natürlich nicht bis zu den Royals, aber immerhin bis zu einem Admiral. Das ist Felicitys Vater, Lord Worthington. Kein Wunder also, dass sie reich und so verzogen ist, denkt Gemma zunächst, wenn auch mutig im REICH und eine gute Bogenschützin.

Doch eines Abends lauscht sie, wie Felicity ihrer kleine Kusine Polly bittet, beim Schlafen im Hause des Admirals stets die Tür zu verschließen. Das tut man doch normalerweise nicht im Haus des eigenen Vaters, wundert sich Gemma. Aber dann fällt ihr die Szene ein, bei der der Admiral seine kleine Polly so lieb um einen Gutenachtkuss gebeten hat. Könnte es sein …? Gemma kommt der ungeheuerliche Verdacht, dass der Admiral das sein könnte, was man heute einen Pädophilen nennt. Und dass Felicity die Warnung aus gutem Grund ausspricht, nämlich weil sie selbst bereits sein Opfer geworden ist. Felicity blockt erst alle Fragen ab, dann gibt sie sich selbst die Schuld: Sie habe ihren Vater ja quasi mit ihrer Weiblichkeit verführt. Kennt man ja. Felicity tut Gemma leid.

Doch weitere Abgründe tun sich auf, als ihr Vater mehrere Nächte ausbleibt. Nur Katik weiß, wo er abgeblieben ist. Er fährt sie nach heftigem Drängen Gemmas in eine der übelsten Gegenden des East Ends, in eine Opiumhöhle. Dort vegetiert ihr Vater in einem schmutzigen Bett, eine besinnungslose Frau neben sich, und hat bereits seinen Ehering und die silberne Uhr für einen Batzen Rauschgift versetzt. Ihn da rauszuholen, ist wahrscheinlich das Tapferste, was Gemma je im ganzen Buch tut. Es wappnet sie für die kommenden Konflikte im REICH. Und davon gibt es nicht wenige.

Damen mit Unterleib

Immer wieder stößt die Autorin den Leser auf Andeutungen von verdrängter Sexualität, auf Verlogenheit in der angeblich so „guten Gesellschaft“. Dass Lady Worthington fremdgegangen ist, tuschelt man nur hinter vorgehaltener Hand. Dass Lady Worthington die Mutter von Felicity ist, scheint Simon Middleton, ihrem Verehrer, aber wenig auszumachen. Er sucht dringend eine Frau, mit der er die von seiner eigenen Mutter verlangten Erben zeugen kann. Gemma als Zuchtstute? No way! Mit ein klein wenig Bedauern gibt sie ihm sein Verlobungsgeschenk, ein Erbstück, zurück.

Immerhin behandelt die Autorin ihre weiblichen Protagonistinnen nicht als Damen ohne Unterleib. Für einen viktorianischen Roman wäre dies absolut skandalös gewesen (wie man ja noch 1922 beim Verbot von „Lady Chatterley’s Lover“ gesehen hat). Ein Mädchen (Gemma), das unter den Augen seiner Freundinnen eine Blutung bekommt?! Um Himmels willen, wenn Königin Viktoria das wüsste!

Die Sprecher

Julia Nachtmann verfügt über eine junge, aber nicht mädchenhafte Stimme, die sie energisch erheben, aber auch zu einem Flüstern senken kann. Besonders die Direktorin des Internats, eine Dame mit dem bezeichnenden Namen Nightwing (= Nachtflügel), klingt äußerst befehlshaberisch und duldet keinen Widerspruch. Auch Miss McChenmine hat einen herrischen Ton an sich, der zugleich etwas roboterhaft und einstudiert klingt.

Nur Felicity, das mutigste Mädchen des geheimen Zirkels um Gemma Doyle, kann ihr das Wasser reichen. Alle anderen Mädchen sind weitaus zurückhaltender und drücken sich zaghafter aus. Dies geht bis hin zu einem Stottern der armen Ann Bradshaw. Das zischende Flüstern Circes „Komm zu uns!“ ist sicherlich nicht als Zeichen von Zaghaftigkeit zu missdeuten.

Die männlichen Figuren sind recht unterschiedlich gezeichnet. Tom Doyle hat eine tiefe Stimmlage und er redet mit autoritärer Überzeugung. Ganz anders hingegen Katik, der Hindu aus Bombay. Er spricht zögerlich, vor allem, weil er in einer Fremdsprache (Englisch) reden muss. Am schwächsten klingt naturgemäß Gemmas drogensüchtiger Vater, der durch geistige Abwesenheit nicht gerade glänzt. Katiks zwielichtige Auftraggeber, etwa der Narbengesichtige, sind da von ganz anderem Kaliber und wirken bedrohlich wie Schurkengestalten in einem Dickens-Roman.

Samuel Weiss spricht lediglich den Prolog, in dem Katiks neue Mission vorgestellt wird. Weiss drückt die Anspannung Katiks ebenso angemessen aus wie die Bedrohlichkeit seiner Auftraggeber. Er ist kompetenter Sprecher.

Geräusche

Es gibt zwar keine Musik, aber ein einziges Geräusch. Es ist ein tiefes Rumpeln oder Grollen, und es wird stets dann eingesetzt, wenn die Magie Gemmas eine Rolle spielt und sie eine Vision hat. Aber auch im Reich der Magie selbst erklingt dieses Geräusch. Vermutlich soll es so etwas wie eine Gefahr oder Bedrohung signalisieren. Das leuchtet ein, denn an einer Stelle begleitet es das Auftauchen von Circes Ungeheuern.

Unterm Strich

Die Geschichte pendelt, wie der Leser es erwartet, ständig zwischen Gemmas eigener Welt und dem REICH hin und her. Dabei muss die Autorin ein wackeliges Gleichgewicht aufrechterhalten, um weder dem REICH ein Übergewicht an Action und Fantasy zu geben, noch den Szenen in London ein Übermaß an historischem Realismus zuzugestehen.

Am interessantesten sind natürlich diejenigen Szenen, in denen Gemma ihre wachsenden magischen Fähigkeiten in der realen Welt anwenden kann. Dazu gehört beispielsweise ein Zeitstopp – ein gewaltiger Effekt, den nur wenige Autoren einzusetzen wagen. Während alle anderen erstarrt sind, kann Gemma ein wenig Mind Control wirken und Meinungen ändern. Denn wieder mal muss sie ihrer Freundin aus der Patsche helfen. Seltsamerweise hat der Magieeinsatz jedoch keinen Preis im REICH zufolge, und das widerspricht dem Prinzip des Ausgleichs, welches noch im ersten Band überzeugend angewendet wurde. Hier erlaubt sich die Autorin etwas zu viel Freiheit.

Ich fand auch diesen Band wieder spannend, abwechslungsreich und amüsant. Aber er hat auch bewegende Szenen zu bieten, besonders mit Gemmas Vater und der armen Nelly Hawkins. Die Showdowns sind packend, sowohl im REICH als auch in London. Eine überraschende Wendung ereignet sich, als Gemma endlich ihren großen Irrtum erkennt – ich werde nicht verraten, welchen. Und als sie endlich den Tempel findet, der die ganze Zeit vor ihrer Nase lag, überrascht Gemma auch hier wieder. Näher betrachtet, handelt es sich aber um die folgerichtige Konsequenz aus ihrem Lern- und Wachstumsprozess.

Das Hörbuch

Julia Nachtmann gestaltet die Handlung mit energischer und flexibel eingesetzter Stimme. Besonders beeindruckt hat mich ihre perfekte Beherrschung des Französischen, die sie mehrfach unter Beweis stellt. Es wäre schön, wenn sie ihr Talent noch mehr in Richtung Charakterisierung von Einzelpersonen ausbauen würde, denn noch sind ihre Figuren recht typisiert. Aber diese Typen passen zumindest genau in die viktorianische Ära.

Das Geräusch, das mehrmals zu hören ist, um Gefahr und Magie zu signalisieren, wird nur hinsichtlich der Lautstärke variiert, was ich wenig gelungen finde. Sicherlich stand der Aufnahmeleitung noch eine breitere Palette von Toneffekten zur Verfügung, oder?

Insgesamt haben mir Story und Buch sehr gut gefallen. Dies ist nicht das übliche Fantasygeschwurbel, sondern eine auf das wachsende Selbstbewusstsein der Hauptfiguren setzende Auseinandersetzung mit Schuld, Vergangenheit und Sterblichkeit. Hier wird nicht weggesehen und die Heldin durch ein literarisches Videogame gejagt, sondern Gemma muss sich innerlich rasch weiterentwickeln, um überleben zu können.

Hinweise

Das gleichnamige Buch ist im |Deutschen Taschenbuch Verlag| erschienen. Das Ende dieses zweiten Bandes verlangt eigentlich nach einem abschließenden Dritten, der auch im November 2008 kommen soll. Denn Gemmas Feinde haben Vergeltung angekündigt, und sie selbst herrscht immer noch nicht – weder über das REICH noch über ihr eigenes Leben. Zurück zur Spence-Schule also.

Aus dem US-Englischen übersetzt von Ingrid Weixelbaumer
7:24 Stunden auf 6 CDs
ISBN-13: 9783833719066

http://www.libba-bray.de
http://www.jumboverlag.de

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