Bücher, Norman – Extrem: Die Macht des Willens

Die Jagd nach Extremen ist genau jene Motivation, die Norman Bücher seit Jahren zu physischen Höchstleistungen antreibt. Marathons sind schon längst keine Hürde mehr für den deutschen Grenzgänger, der inzwischen an den waghalsigsten Laufveranstaltungen der ganzen Welt teilgenommen hat. Was ihn dabei antreibt, warum er überhaupt erst zu jener Vorliebe gekommen ist, vor allem aber was ihm die Kraft verleiht, die körperlich völlig unmöglich anmutenden Leistungen abzurufen, erzählt er in seinem Buch „Die Macht des Willens“.

_Doch die Frage stellt sich_: Inwiefern kann es dem mittlerweile geschätzten Referenten gelingen, das Publikum für sich zu gewinnen und vor allem von seinen Thesen zu überzeugen? Was macht die Extreme, die Bücher in all den Jahren ausgelotet hat, auch für seine Leserschaft erstrebenswert? Wo entdeckt man die Parallelen zwischen eben jenem Extremsportler und dem Normalsportler?

Nun, auf derartige Fragestellungen gibt „Extrem: Die Macht des Willens“ keine konkreten Antworten. Stattdessen praktiziert der Autor vielmehr eine Art biografische Selbstdarstellung, die insofern sicher lesenswert ist, dass man aus den eigensinnigen Motivationsvorschlägen für sich selbst eine Menge Positives herausziehen kann. Denn Bücher stiftet nicht mit plumpen Durchhalteparolen und ‚jeder kann das schaffen‘-Theorien zu ähnlichen Erfahrungen an. In erster Linie liegt ihm viel daran, die vielen kleinen Faktoren aufzuzählen, die beispielsweise einen vierfachen Marathonlauf durch die europäische Gebirgslandschaft zum unglaublichen Erlebnis machen. Zwischenmenschliche Begegnungen, unglaubliche Naturereignisse und selbst die pure Freude, den Morgen bewusst bei einem Waldlauf zu erleben, stehen hier den theoretischen Überlegungen gegenüber, wie man seinen Körper erforscht und in der Tat mit der individuellen Willenskraft Dinge erreichen kann, die weit über das hinausgehen, was man sich und seiner Physis zutraut. Allerdings, und das ist der springende Punkt: Die Vermischung beider Inhalte erfolgt nicht immer zur vollsten Befriedigung, weil Bücher pausenlos schwenkt und es ihm nicht immer konsequent gelingt, die vielleicht sogar wissenschaftlichen Thesen mit seinen Erlebnisberichten in einer Art und Weise zu koppeln, dass sie auch in der Nachlese spannend und packend sind.

Der gesunde Mittelweg stellt sich hier nämlich als die größte Hürde dar, die zu überwinden aber auch ein echter Balanceakt ist. Erwartet man nämlich bei den Schilderungen der globalen Erfahrungen etwas mehr Tiefgang und vielleicht auch eine gewisse Detailverliebtheit, wenn es um die Erforschung von Natur und Umgebung geht, bekommt man hier lediglich grobe Risszeichnungen, die zwar klar vermitteln, unter welchen Umständen Norman Bücher wieder mit sich und seinem Geist gerungen hat, aber eben nicht dieses prächtige Rundumpaket bündeln, wie es beispielsweise in den klarer deklarierten Abenteuerbüchern anderer Extremsportler geschieht. Andererseits ist für eine rein theoretische Abhandlung der Faktoren, die den Willen antreiben und seine Kraft so weit stärken, dass man immer wieder neue persönliche Limits erkundigt, nicht genügend Spielraum, weil Bücher – und das ist ja auch gut so – schon einen groben Einblick über die Ereignisse geben möchte, die seine Reisen geprägt und ihn als Menschen geformt haben.

Jener Zwiespalt führt zu einem kleinen Interessenkonflikt, der immer dann zu spüren ist, wenn der Autor die teils sehr persönlichen und emotionalen Punkte seiner Biografie vorschnell abbricht, um dann doch wieder zu schildern, mit welchen Mitteln er schließlich ans Ziel gekommen ist. Dies ist sicher auch alles lesenswert und ergibt auch alles Sinn, doch irgendwie vermisst man ein wenig die Detailschärfe, quasi die Ausschmückung, die dann wieder von rationalen Inhalten abgelöst wird.

_Nichtsdestoweniger erfährt man_ in „Extrem: Die Macht des Willens“ vieles über die kleinen Spielchen, die man während solcher Limit-Events mit seiner eigenen Psyche betreibt, wie man sie besiegen kann und wie man schlussendlich für sich den geeigneten Weg findet, auch außergewöhnliche Ziele wider jede Vernunft zu erreichen. Aber es sind eben auch Aspekte in diesem Buch, die schlichtweg etwas mehr Aufmerksamkeit fordern, um die Person Bücher noch besser zu verstehen, seine Biografie einzuatmen und tatsächlich noch motivierter an bestimmte Dinge heranzugehen. Gelegentlich steckt vielleicht zu viel Mainstream in der Sache, was verhindert, dass das Eigenbrödlerische verloren geht. Und nur wenn man über diesen Umstand hinwegsehen kann und sich mit der vermehrt oberflächlichen Betrachtung zufriedengibt, wird man seine Schlüsse aus dieser Studie ziehen. Bevor man sich falsch versteht: Es hat sicher auch Spaß gemacht, in die Welt des Norman Bücher hineinzuschnuppern. Doch die wirklich hohen Erwartungen und der letztendliche persönliche Eindruck sind eben nicht immer kongruent.

|Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
ISBN-13: 978-3902729187|
http://www.goldegg-verlag.at

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