Fitzek, Sebastian – Kind, Das

Nachdem Sebastian Fitzek seine ersten beiden Thriller „Die Therapie“ und [„Amokspiel“ 3503 gut unters Volk gebracht hat (in beiden Fällen sind die Filmrechte bereits verkauft), legt er nun mit „Das Kind“ sein drittes Werk vor.

Es geht wieder einmal um einen nervenaufreibenden Fall, in dessen Mittelpunkt diesmal der Berliner Strafverteidiger Robert Stern steht. Stern lebt sehr zurückgezogen, seitdem er vor zehn Jahren seinen Sohn durch den plötzlichen Kindstod verloren hat und seine Ehe daraufhin in die Brüche ging. Nur die Krankenschwester Carina konnte ihn zumindest kurzzeitig einmal aus seinem Schneckenhaus locken, als die beiden eine kurze Beziehung hatten. Und so folgt Stern Carinas seltsamer Bitte, sich mit dem zehnjährigen Tumorpatienten Simon auf einem verlassenen Industriegelände zu treffen.

Doch noch seltsamer ist, was der zerbrechliche Junge Stern bei diesem Treffen offenbart. Er behauptet, an diesem Ort einen Menschen ermordet zu haben – vor fünfzehn Jahren. Simon ist fest davon überzeugt, in seinem früheren Leben ein Mörder gewesen zu sein. Noch größer wird Sterns Verblüffung allerdings, als Simon ihn auf dem verlassenen Industriegelände zu den Überresten der Leiche von damals führt. Stern meldet den Fund der Polizei, und als Simon ihn wenig später auf weitere frühere Morde ansetzt und weitere Leichen auftauchen, gerät Stern schon bald ins Fadenkreuz der Ermittler.

Doch damit nicht genug. Ein Unbekannter spielt Stern eine Videoaufnahme zu, die zeigt, wie sein Sohn auf der Säuglingsstation des Krankenhauses stirbt, schürt aber gleichzeitig Zweifel daran, dass Sterns Sohn wirklich tot ist. Der Unbekannte gibt Stern fünf Tage Zeit, für ihn den Mörder von damals zu finden, dann verspricht er ihm Einzelheiten zu dem Rätsel um Sterns Sohn.

Für Stern und den kleinen Simon beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit und sie geraten schon bald in einen Strudel an Ereignissen, aus dem es kein Entrinnen gibt. Immer undurchsichtiger wird die ganze Geschichte, und am Ende ist nicht nur Sterns Leben in Gefahr …

Auch in seinem dritten Thriller setzt Sebastian Fitzek auf eine bewährte Rezeptur: Eine gebrochene Hauptfigur, ein psychologisch ausgeklügelter Plot, in dem nichts ist, wie es scheint, und ein stetiges Drehen an der Spannungsschraube, mit dem er den Leser auf die Folter spannt.

Robert Stern ist ein Protagonist, wie er für Fitzek absolut typisch ist. Ein gebrochener Mensch, der nach außen hin eine Fassade aufrechterhält, die nach innen schon längst in sich zusammengefallen ist. Stern verbirgt seine gebrochene Persönlichkeit hinter einem selbstsicheren Auftreten als Anwalt und teuren Designeranzügen. Privat offenbart sich jedoch, wie armselig sein Leben seit dem Tod seines Sohnes Felix aussieht. Er pflegt kaum Sozialkontakte und lässt niemanden an sich heran. Simon ist seit einer halben Ewigkeit der erste Mensch, der durch seinen Panzer bricht. Auch in seinen früheren Romanen hat Fitzek auf den Typus des gebrochenen Protagonisten gesetzt und lässt zumindest darin das Verfolgen eines Schemas erkennen.

Der Plot an sich kommt schnell in Fahrt. Fitzek verschwendet keine Worte, schubst den Leser mitten in die Handlung und entwickelt die Figurenskizzierung parallel dazu. Hinzu kommt eine unverkennbare Mystery-Komponente. „Das Kind“ beschäftigt sich mit dem Thema Wiedergeburt. Simon hält sich für die Reinkarnation eines Serienmörders, und Stern versucht zusammen mit Carina die Geschichte, die dahintersteckt, aufzuklären und Simon so auf seinem letzten Lebensabschnitt vor dem unvermeidlichen Tod zu beruhigen.

Auch Stern sieht sich selbst immer wieder mit der Frage um ein Leben nach dem Tod konfrontiert. Felix‘ Ableben vor zehn Jahren scheint plötzlich infrage gestellt, und das nimmt Stern nervlich sehr stark mit. Er bemüht sich um Rationalität, findet aber keine Erklärung für das, was er durch Simon erfährt, für die Videoaufnahmen, die der Unbekannte ihm zugespielt hat, und macht sich daher geradezu besessen daran, der Sache auf den Grund zu gehen. Auch der Leser lechzt nach einer Erklärung, die ihm hilft, die mysteriösen Ereignisse zu verstehen, und vor allem in diesem Punkt macht Fitzek seine Sache wirklich gut. Man fragt sich, wie er das Ganze überhaupt schlüssig erklären will, ohne Übersinnliches als fadenscheinige Erklärung zu bemühen, aber Fitzek findet einen Weg und löst den Plot so auf, dass es logisch und stimmig erscheint.

Einzig seine Auflösung der Rolle des großen Unbekannten, der im Laufe des Buches stets allmächtig erscheint und über jeden Schritt von Stern und Simon im Bilde zu sein scheint, wird nicht ganz so befriedigend aufgelöst. Es bleiben letzte Unstimmigkeiten und so hundertprozentig zufrieden ist man am Ende nicht unbedingt mit dem Täter, aber das ist im Grunde auch schon (abgesehen von dem Ende, in dem Fitzek ja offenbar unbedingt noch einmal unsinnigerweise zum Mystery-Faktor greifen musste) der einzige Makel.

Die Spannung hält Fitzek über die gesamt Handlung hinweg auf einem hohen Niveau. „Das Kind“ liest sich von Anfang bis Ende ausgesprochen spannend und man würde das Buch am liebsten in einem Rutsch durchlesen.

Bleibt unterm Strich also ein insgesamt durchaus positiver Eindruck zurück. Abgesehen von zwei wirklich nennenswerten Kritikpunkten, ist „Das Kind“ ein Thriller, der sich durchweg spannend liest, der größtenteils stimmig durchkomponiert und raffiniert aufgebaut ist. Fitzek versteht sich darauf, den Leser in die Irre zu führen, zu verwirren und damit die Spannung bis an den Rand des Erträglichen zu steigern. Wer Spannung liebt, der kommt hier voll auf seine Kosten, und nachdem mir persönlich „Amokspiel“ nicht ganz so gut gefiel wie zuvor noch „Die Therapie“, konnte Fitzek mich mit „Das Kind“ wieder mehr überzeugen.

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