Gablé, Rebecca / Skupch, Ariane / Pleuser, Axel – Das zweite Königreich (Lesung)

Buntes Zeitgemälde mit Lautenbegleitung

England im Jahr 1066, eine Zeit blutiger Auseinandersetzungen zwischen England und der Normandie. Nach der Schlacht von Hastings und der Krönung Williams des Eroberers gerät der junge Caedmon of Helmsby durch seine Sprachfähigkeiten in eine Schlüsselposition, die er niemals anstrebte. Er wird zum Mittler zwischen Eroberern und Besiegten. Bis zu dem Tag, an dem William erfährt, wer die normannische Dame ist, die Caedmon liebt …

Die Autorin

Die Autorin Rebecca Gablé studierte Literaturwissenschaft, Sprachgeschichte und Mediävistik in Düsseldorf, wo sie anschließend als Dozentin für mittelalterliche englische Literatur tätig war. Heute arbeitet sie als freie Autorin und Übersetzerin. Sie lebt mit ihrem Mann in einer ländlichen Kleinstadt am Niederrhein. Näheres zu ihrer Biografie findet sich im Booklet (siehe dort).

Rebecca Gablé auf Buchwurm.info:

[„Die Siedler von Catan“ (Hörbuch)
[„Die Siedler von Catan“ (Buch)
[„Das Lächeln der Fortuna“ (Hörbuch)
[„Die Hüter der Rose“ (Buch)
[„Das Spiel der Könige“ (Buch)

Die Inszenierung

|Die Rollen und ihre Sprecher:|

Caedmon of Helmsby: Matthias Koeberlin
Dunstan, sein Bruder: Daniel Wiemer
Guthric, sein Bruder: Simon Roden
Eadwig, sein Bruder: Oliver Dollansky
Aelfric von Helmsby, sein Vater: Karlheinz Tafel (Schauspieler und Theaterregisseur)
Marie de Falaise, seine Mutter: Stefanie Mühle
Hyld, Caedmons Schwester: Pirkko Cremer
William „der Bastard“, Herzog der Normandie, König von England: Udo Schenk (dt. Stimme von Kevin Bacon, Kevin Spacey und Ralph Fiennes)
Odo, Bischof von Bayeux, Earl of Kent, Regent von England: Engelbert von Nordhausen (Gene Hackman, Samuel L. Jackson und Bill Cosby)
Erzähler: Volker Lechtenbrink (Theater- und TV-Schauspieler, Sprecher von „Perry Rhodan“)
Harold Godwinson, Earl of Wessex und König von England, anno 1066: Thomas Balou Martin

Regie führte Axel Pleuser, die Bearbeitung des Romans für das Hörspiel erfolgte durch Ariane Skupch. Die Musik trug Gerd Nesgen bei, die Laute spielte Stefan Rath. Olaf Dettinger („Earl of Bautzen“) brachte als Tonmeister alle Soundbeiträge zusammen: Dialog, Musik, Geräusche.

Handlung

Die erzählten Ereignisse spielen sich zwischen März 1064 und Oktober 1087 ab.

Die Überschriften der Kapitel und CDs lauten:

1) Die Verbannung
2) Die Eroberung
3) Der Widerstand
4) Der Fluch
5) Zeit der Buße
6) Die Vergebung

East Anglia, 1064.

Kaum haben die beiden Jünglinge Dunstan und Caedmon of Helmsby die dänischen Piraten bemerkt, als diese auch schon auf sie schießen. Dunstan erwischt ein Pfeil, aber auch Caedmon ist verletzt, weil er sich ein Bein gebrochen hat. Während sein Vater Aelfric, der Thane of Helmsby, die Dänen verfolgt und gefangen nimmt, muss Caedmon, gepflegt von seiner normannischen Mutter, sein Bein und das Wundfieber auskurieren. Doch der Knochen wächst nicht ordentlich zusammen. Damit er nicht zu dem Krüppel wird, als den ihn sein älterer Bruder Dunstan verspottet, übt Caedmon, um das Bein besser gebrauchen zu können. Da er nie in der regulären Armee wird kämpfen können, lernt er mit seiner Mutter Marie de Falaise fleißig ihre normannische Muttersprache.

Eines Tages reitet Harold Godwinson auf den Hof von Aelfric of Helmsby. Der Earl of Wessex ist der Schwager des Königs und, da Edward lieber Kirchen baut als zu regieren, der eigentliche Regent Englands. Harold braucht einen Spion am Hof von William dem Bastard, dem Herzog der Normandie. Caedmon willigt trotz seiner Angst ein. Die Kanalüberquerung überlebt Caedmon mehr tot als lebendig, denn ein Sturm hat die Schiffe fast alle versenkt. Ein Normanne bringt ihn und Harold zu Williams Nachbar, dem Grafen Guy de Ponthieu. Dieser will sie lieber als Geiseln gegen William benutzen und sperrt sie ein. Doch Caedmon gelingt die Flucht nach Rouen, Williams Hauptstadt.

Dort bekommt er erst einmal zu essen, denn sein Vater Aelfric ist Herzog William durchaus bekannt. Und Harold, der später eintrifft, ist der Bruder von Wulfnoth Godwinson, den William seit zwölf Jahren als „Gast“, besser gesagt: als Geisel bei sich auf genommen hat. Wulfnoth ist ein hervorragender Lautenspieler und bringt Caedmon das sizilianische Instrument bei. Der Junge schließt Freundschaft mit Etienne, dem Sohn eines normannischen Ritters. Als Harold eintrifft, reitet er neben Guy de Ponthieu und dessen schöner Tochter Aliesa. Caedmon ist von diesem Mädchen hingerissen, doch er ahnt nicht, welches Geheimnis sie hütet: Seit ihrem vierten Lebensjahr ist sie Etienne versprochen.

William verhandelt mit Harold Staatsangelegenheiten, und Caedmon muss für die beiden dolmetschen. Daher bekommt er die brisante Situation aus erster Hand mit. Der englische König Edward ist kinderlos und hat deshalb William versprochen, ihn zu seinem Nachfolger zu machen. Harold tut so, als hätte er nichts dagegen einzuwenden, obwohl er es doch ist, der England in Wahrheit regiert. Er wäre aber schön blöd, wenn er protestieren würde, denn dann käme er nicht mehr lebend zurück nach England. Vielmehr legt er sogar einen Treueid auf Williams Reliquiar ab.

1065-1066

Ein Jahr vergeht, und Caedmon lernt mit Etienne die Schwertkunst bei Meister Jehan. Zugleich kommt er Aliesa de Ponthieu immer näher, und sie erwidert seine Zuneigung. Im Januar 1066 stirbt jedoch König Edward und entgegen allen Abmachungen und Eiden erklärt sich Harold zum Nachfolger. Dieses Verhalten erbost William derart, dass er erwägt, Wulfnoths Kopf nach London zu schicken. Er lässt ihn und Caedmon einkerkern. Nach ein paar Wochen heißt es jedoch: Caedmon soll Harold eine Botschaft bringen, eine Protestnote, denn er gedenke England zu erobern, um seinen Anspruch geltend zu machen. Ab März lässt er eine mächtige Flotte bauen.

Sobald im Mai der Papst seine Erlaubnis für die Invasion gegeben hat, strömen sogar Freiwillige nach Rouen, um das Heer Williams zu verstärken (und etwas von der erhofften Beute einzuheimsen). Unterdessen erlebt König Harold eine ganz andere Invasion: König Tostig von Norwegen ist mit 300 Schiffen gelandet und hat York erobert, eine alte römische Garnison, die den Norden Englands beherrscht. Im September 1066 kann er den Norwegern zwar in der Schlacht an der Stamford Bridge eine schwere Niederlage zufügen, doch als ihn die Meldung von der Landung Williams bei Pevensey erreicht, muss er in Eilmärschen das ganze Land durchqueren. Als seine Soldaten nach London gelangen, sind sie ausgepumpt und halbtot.

Widrige Winde haben bislang das Auslaufen von Williams Flotte verhindert, doch nun hat der Wind gedreht. In Pevensey befestigt William eine Festungsruine und setzt eine List in die Tat um. Indem er Harolds Grafschaft Sussex mit seiner Armee angreift, lockt er ihn aus London heraus. In der Nähe von [Hastings]http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht__bei__Hastings treffen die beiden Heere schließlich am 14. Oktober 1066 zusammen. Caedmon hält sich als Nichtkombattant im Hintergrund und verfolgt die Schlacht von Williams Hügelstellung aus. 8000 Engländern stehen 7000 Normannen gegenüber …

Am nächsten Tag findet er auf dem Schlachtfeld seinen sterbenden Vater. Weil er seinen Erstgeborenen Dunstan für tot hält, überträgt Aelfric seinem Sohn Caedmon die Herrschaft über Helmsby. Doch Herzog William beansprucht Caedmons Dienste für sich. Als Caedmon dies ablehnt, bittet William ihn um seine Fürsprache für das besiegte Volk Englands. Mit der Rolle des unparteiischen Vermittlers ist Caedmon einverstanden, und in zwei Monaten soll er seinen Dienst antreten.

Als Caedmon nach zwei Jahren im Ausland in sein Heimatdorf zurückkehrt, ist dort allerdings nichts mehr wie zuvor. Ein weiterer Kampf ums Überleben beginnt …

Mein Eindruck

Rebecca Gablé geht nach immer dem gleichen Muster vor, wenn sie den Farbenteppich einer Epoche vor uns ausrollt. In „Das Lächeln der Fortuna“, „Die Hüter der Rose“, ja, sogar in „Die Siedler von Catan“ setzt die Erzählung mit der Jugend des Helden bzw. der Heldin ein. Seine bzw. ihre Abenteuer dauern dann rund eine Generation, bis irgendwelche Hauptkonflikte gelöst sind, meist durch den Tod eines üblen Tyrannen oder einer anderen Landplage. Als König William der Eroberer stirbt, ist es mal wieder soweit, und Caedmon of Helmsby kann endlich die Liebe seines Herzens, Aliesa, aus dem Kloster holen und in sein Heim führen.

Die Grundzüge dieses immer gleichen Musters halten die auseinanderstrebenden Kräfte im Zaum, die sonst von den verschiedenen Kräften in der politischen Landschaft ausgeübt werden, seien dies nun Gegenkönige, konkurrierende Fürsten, intrigante Kirchenmänner oder auch nur ein rivalisierender Stamm wie in „Die Siedler von Catan“. Die eine oder andere Invasion verschärft natürlich die Lage Dinge und die des Helden, vor allem wenn seine Loyalität nicht nur (s)einem Herrscher gehört.

In „Das zweite Königreich“ bewirkt Williams Invasion und gewaltsame Eroberung Englands den Widerstand der Britannier, der sich unter der Führung eines Verwandten König Edwards, Edgar, organisiert. Auch Hereward der Wächter ist eine Symbolfigur der Rebellen. Caedmon bekommt es als Gefolgsmann Williams und Vermittler mit beiden Herrschaften zu tun. Schlimm sind die Szenen, die er im abtrünnigen York erlebt, wo er die Burg gegen die anrennenden Bürger und Rebellensoldaten verteidigt.

Schlimm sind aber auch die Szenen in der Abtei Ely, die mitten in den Sümpfen von East Anglia liegt, wo er sich bestens auskennt, da es seine Heimat ist. Hier greift Williams Armee Edgar, Hereward und Caedmons Bruder Dunstan an, der unerwarteterweise gar nicht tot ist. Wie so oft, muss auch dieser Erzählstrang in einer dramatischen Szene seinen Höhepunkt finden, damit dieser Nebenschauplatz gerechtfertigt ist. Und es gibt als Bonus noch eine gute Actionszene mit Schwertkampf obendrauf. Immer wieder werden die politisch-militärischen Entwicklungen lange vorbereitet, bis es zu einer Entscheidungsschlacht wie in Ely kommt. Das gilt auch für Williams Kampf gegen den rebellischen Sohn Roger und dessen Gefolgsleute.

Ob diese Ereignisse wirklich so stattgefunden haben oder in Wahrheit ganz anders, darüber sollen sich die Historiker streiten, mit denen die Autorin allerdings nicht im Clinch liegt, wenn man ihrer Aussage im Booklet glauben darf. Die Hauptsache ist doch, dass die Ereignisse eine logische Abfolge ergeben. Dass die Rebellion der Britannier eine Folge der normannischen Invasion ist, erscheint völlig plausibel. Die Engländer mussten plötzlich eine fremde Kultur und Sprache übernehmen. Aus dem Wandel entstand das titelgebende „zweite Königreich“.

Prof. Tolkien als Sprach- und Literaturspezialist fasste dieses epochale Ereignis als Katastrophe für die einheimische Kultur auf und reagierte mit der Schaffung eines eigenen [Schöpfungsmythos 4483 für seine Nation, sozusagen eine Alternativgeschichte. Ironisch, dass er dabei auf altnordische, finnische und walisische Quellen zurückgriff.

Es verlangt natürlich einige Aufmerksamkeit vom Hörer, dem umfangreichen Personal über so viele Szenen hinweg zu folgen. Daher empfiehlt es sich, das Hörspiel mehrmals zu hören. Die schön gestaltete Soundkulisse – siehe unten – trägt einen hohen Anteil zu dem Vergnügen bei, das man dabei hat.

Die Inszenierung

Wer einmal „Pulp Fiction“ gesehen hat (und wer hat das nicht?), erinnert sich wohl noch die tiefe Stimme von Samuel L. Jackson, der als Auftragskiller neben John Travolta Bibelverse zitiert. Diese tiefe Stimme erklingt in der deutschen Synchronfassung, gesprochen von Engelbert von Nordhausen. Dieser ungewöhnliche Name, der an alte Ritterburgen denken lässt, soll nicht dazu verleiten, den Sprecher zu unterschätzen. Man wird schnell eines Besseren belehrt, wenn man Zeuge der Flexibilität wird, mit der Engelbert von Nordhausen sein Sprechinstrumentarium handhabt.

Mit seinen vielseitigen Mitteln gelingt es dem Sprecher, nicht nur die Figuren zum Leben zu erwecken, sondern sie auch jeweils einer Situation anzupassen. Man merkt aber auch, dass im unter(st)en Tonbereich die Stärke von Nordhausen liegt. Er spricht die Rolle des Odo, Bischof von Bayeux, der Caedmon eingekerkert hat, nachdem er bei König William in Ungnade gefallen ist. Und Odo gibt den [Teppich von Bayeux]http://de.wikipedia.org/wiki/Teppich__von__Bayeux in Auftrag, ausgerechnet bei Hyld, Caedmons Schwester.

Volker Lechtenbrink ergänzt als Erzähler den Chronisten. Was ist der Unterschied, mag man sich fragen. Dass es bei weitem nicht das Gleiche ist, erkennt man daran, das sich der Chronist um die historischen Abläufe kümmert, die sich meist weit entfernt von Caedmon ereignen, und der Erzähler sich fast ausschließlich mit den Vorgängen rund um Caedmon befasst. Von dieser Regel gibt es nur wenige Ausnahmen, so etwa, wenn das Schicksal Hylds geschildert wird, die von Erik dem Dänen ein Kind erwartet.

Die Hauptfigur ist fast durchgehend stets Caedmon, und das ist für das Hörspiel unabdingbar, um den Zuhörer bei der Stange zu halten und nicht durch Nebenhandlungen zu verwirren. Auch Peter Jackson hat stets Frodo in den Mittelpunkt gestellt und so für die Orientierung des Zuschauers wie auch für eine Straffung der Geschichte gesorgt. Dass Caedmon an vielen Brennpunkten dabei sein muss, um die Zeit zu repräsentieren, bedingt aber auch, dass er viel umherreist. Aber immerhin hat er dafür 23 Jahre Zeit.

Matthias Koeberlin gestaltet ihn in seiner Entwicklung vom furchtsamen Jüngling bis zum gestandenen Familienoberhaupt und Lokalfürsten stets einigermaßen glaubwürdig. Ich hätte mir allerdings vorstellen können, dass Caedmons Stimme als älterer Mann – also jenseits von 30 – wesentlich tiefer geklungen hätte, als Koeberlin es darstellt. Stattdessen klingt sein Caedmon mit 38 fast genauso wie mit 15.

Die Damen kommen fast ausnahmslos recht lieblich daher, sei es nun Hyld oder Aliesa. Natürlich durchlaufen auch sie eine Entwicklung und daher hören wir schließlich in Hylds Stimme auch einen harten, bitteren Unterton, den sie – ausgerechnet! – gegenüber dem mächtigen Bischof Odo anschlägt, der faktisch England regiert.

Die Ausnahme von dieser Regel der Lieblichkeit ist die alte Frau, die den neuen König William den Eroberer verflucht, weil er seine Untertanen so leichtfertig umbringt, ihre Landsleute. Und tatsächlich dauert es nur wenige Jahre, bis sein erster Sohn mausetot ist und sein zweiter Sohn sich gegen ihn erhebt. Auch Williams eigener Tod am 9.9.1087 ist besonders qualvoll. Die Alte spricht erwartungsgemäß etwas heiser und krächzend, so als wäre sie die Hexe aus „Hänsel und Gretel“.

Geräusche

Die Geräusche sind der damaligen Wirklichkeit entnommen und daher eine Mischung aus Naturgeräuschen wie etwa Wind, Wellenrauschen, Hufgetrappel und Möwengeschrei sowie aus Kulturgeräuschen wie etwa Kirchenglocken, Kettengerassel und Schwerterklirren. Regelmäßig schreit die Eule, sobald es Nacht ist, oder die Krähe, wenn sie sich auf einem Schlachtfeld einfindet. Es gibt aber auch abstoßende Geräusche, so etwa ein kotzender Landsoldat, der zum ersten Mal in einen Sturm auf dem Meer gerät, oder Peitschenhiebe. Wie auch immer: Das Stück endet mit einem gemeinschaftlichen Lachen in Helmsby, wo alles begann.

Ich fand die Geräusche stets passend, wenn auch manchmal vorhersehbar. Wichtiger noch ist, dass sie niemals den Dialog überdecken oder beeinträchtigen. Wie kräftige Pinselstriche malen sie kurz und knapp das Ambiente einer Szene. Kurios ist die Info aus dem Booklet, dass einmal Tonaufnahmen in einem Zelt von sechs Quadratmetern Grundfläche stattfanden. Dabei sollte offenbar eine Audienz nachgebildet werden. Hier hat offenbar die besondere Akustik eines Zeltes die Regie bewegt, die Schauspieler einzeln ans Mikro zu stellen, denn den Zelt-Sound kann man im Studio schlecht nachmachen.

Musik

Die Musik zu komponieren, war sicherlich ein wenig knifflig. Sie sollte nicht wie frivole Tanzmusik klingen, schließlich ist das hier ein dramatisches Zeit- und Sittengemälde. Erotische Szenen kommen praktisch gar nicht vor, außer bei Hyld und Aliesa. Aber zu feierlich darf die Musik auch nicht sein, sonst hätte man ja gleich einen Film aus den 1950er Jahre drehen können. Sogar bei Staatsaudienzen ertönt keine Fanfare.

Vielmehr hält sich die Musik dezent im Mittelbereich zwischen Frivolität und Feierlichkeit. Auffällig ist das äußerst häufige Erklingen der Laute, die Stefan Rath so hervorragend zu spielen weiß. Ein kurzes Motiv darauf, und schon sind wir in einer anderen Szene. Selten, dass die Laute einmal den Hintergrund untermalt. All dies gilt natürlich nicht für das Intro und das Outro, wenn die Musik die An- und die Absage des Stückes einleitet bzw. untermalt.

Das Booklet klärt darüber auf, welcher Mitarbeiter für welche Sektion der Soundkulisse zuständig war und wer dies dann alles kombinierte. Die Tonqualität ist übrigens ausgezeichnet. Da gibt es keine mangelnde Trennschärfe, sondern jeder Ton, da digital erfasst, ist sauber aufgenommen und distinktiv zu erkennen. Hier wurde offensichtlich moderne Tontechnik eingesetzt.

Das Booklet

Das Booklet enthält umfassende Informationen über die Mitwirkenden. Einen kleinen Teil davon habe ich oben genannt. Außerdem ist ein Ausschnitt aus dem weltberühmten Teppich von Bayeux abgebildet. In dieser Szene prallen berittene Normannen auf englische Fußsoldaten. Auf der Seite gegenüber ist eine Karte mit den „Dominions of William the Conqueror about 1087“ abgebildet. Ihr Maßstab ist ziemlich kein, aber immerhin ist Hastings eingezeichnet.

Der Mittelteil des Booklets stellt die Autorin Rebecca Gablé (http://www.gable.de) vor, zunächst mit ihrer Bio- und Bibliografie, sodann mit einem mehrseitigen Interview. Dieses ist recht interessant, denn die Autorin gewährt einen Einblick in ihre Arbeitsweise. Da dies ihr erster historischer Roman war, fuhr sie z. B. selbst nach Bayeux, um den weltberühmten Wandteppich zu bestaunen und sich genau einzuprägen. Das letzte Drittel des Booklets stellt in Text und Bild die Mitwirkenden vor, so etwa Ariane Skupch, Volker Lechtenbrink, Axel Pleuser, Udo Schenk u. a.

Auch hier ist wieder ein Interview abgedruckt. Diesmal müssen Bearbeiterin Ariane Skupch und Regisseur Axel Pleuser Rede und Antwort stehen: „Wie macht man aus einem fast 900-seitigen Roman ein Hörspielmanuskript?“ Indem man u. a. einige Handlungsfäden und Figuren weglässt. „Nach welchen Kriterien wurden die Schauspieler ausgewählt? Wie kamen diese mit der Herausforderung zurecht?“ Es müssen zwischen 35 und 39 Sprechrollen gewesen sein, versucht sich Pleuser zu erinnern. Besonders hebt er Udo Schenk hervor, der den Herzog William spricht.

„Wie und wann entsteht die Hörspielmusik zu den einzelnen Szenen?“ Denn schließlich gibt es praktisch keine Notenbeispiele aus jener Zeit. Aber die Lautenmusik Stefan Raths kommt dem Original der Zeit vielleicht recht nahe. „Wie werden alle Soundbeiträge zu einem großen Ganzen?“ Hier verteilt der Regisseur Lorbeeren und lobt einige Leute, erklärt aber auch seine Arbeitsweise.

Unterm Strich

Eine Handlung lebt von Konflikten, sonst könnte sie sich nicht entwickeln. Die Konflikte in „Das zweite Königreich“ bestehen notwendigerweise stets zwischen dem Helden Caedmon und seinen Gegnern, als da sind: William der Eroberer, Dunstan of Helmsby, sein Bruder, sein Exfreund Etienne und schließlich – sehr abgeschwächt – Bischof Odo von Bayeux. Ein richtiger Gegner, der ihm alles wegnimmt, das ist allenfalls William, nicht jedoch Dunstan.

Es ist daher kein Wunder, dass dieser William 23 Jahre von Caedmons Leben bestimmt und sich die Handlung genau über diesen Zeitraum erstreckt. Dennoch hätte ich mir den Konflikt ein wenig schärfer gewünscht. Denn schließlich ist es Caedmon verboten, mit dem Herzog der Normandie und dem König von England die Klingen zu kreuzen. Da ist Robin Waringham in [„Das Lächeln der Fortuna“ 1522 besser dran. Er darf sich regelmäßig mit seinem Kontrahenten Mortimer schlagen.

Wie auch immer, die Hörspielproduktion weiß mit ihrem abwechslungsreichen Handlungsaufbau und gelegentlichen Action- und Liebesszenen gut unterhalten. Die Soundregie will den Zuhörer nicht mit Bombast überwältigen, wie dies noch bei „Die Säulen der Erde“ der Fall war, sondern ihm lediglich mit ein paar Pinselstrichen eine Szene malen. Das ist unaufdringlich und dient der Dominanz gut hörbarer Dialoge. Dennoch bleiben Humor und sinnliche Eindrücke nicht außen vor.

Das Hörspiel ist möglicherweise viel actionreicher und sinnlicher als die Buchvorlage. Kein Wunder, denn der Zuhörer soll ja nicht einschlafen, sondern unterhalten werden. An menschlichem Drama mangelt es jedenfalls nicht, und auch der Überblick über die Gesamtentwicklung geht nicht verloren. Allerdings ist es für den Hörer, der keine Notizen macht, ziemlich schwierig, den Überblick über die Vielzahl der Figuren zu behalten. Das Booklet erweist sich daher als unentbehrlich, listet es doch die wichtigsten Figuren detailliert auf, bis hinunter zum Schwertmeister.

CD: 340 Minuten auf 6 CDs.
ISBN-13: 9783867170932

https://www.penguin.de/Verlag/der-Hoerverlag/70000.rhd