Gehm, Franziska – Tränenengel

In der Reihe „dtv pocket crime“ veröffentlicht der |Deutsche Taschenbuchverlag| spannende Krimis und Thriller für jugendliche Leser von zumeist deutschen Autoren. Einer der neusten Bände ist „Tränenengel“ von Franziska Gehm.

Die sechzehnjährige Flora wird eines nachts verletzt auf der kleinen Insel im Badesee des Örtchens Telpen gefunden. Zahlreiche Schnittwunden übersäen ihren Körper. Doch wer hat ihr das angetan? Flora selbst hat keine Antwort darauf. Sie hat die Erinnerung an diese Nacht verloren.

Für die Anwohner ist der Fall schnell klar. Ein aus der nahen Justizanstalt entflohener Sexualverbrecher muss der Täter sein. Doch Polizeihauptmeister Leif Sälzer ist sich da nicht so sicher. Er kann sich nicht vorstellen, dass der Entflohene in der Gegend geblieben ist und auch sonst entdeckt er einige Ungereimtheiten. Doch dank Zeugenaussagen kommt er bald auf weitere Spuren. Ein verschmähter Verehrer Floras wurde am Abend der Tat in der Nähe des Sees gesehen …

„Tränenengel“ wird hauptsächlich aus drei Perspektiven erzählt. Flora, Leif Sälzer und Floras beste Freundin Trixie berichten nicht nur von den Ermittlungen, sondern auch davon, wie Flora mit dem Erlebnis zurecht kommt und wie ihr Umfeld sich damit arrangiert. Die einzelnen Perspektiven unterscheiden sich durch verschiedene Schriftarten und sind unterschiedlich geschrieben. Floras Worte wirken stets sehr introvertiert und stellen ihre Gedanken und Gefühle in den Vordergrund. Trixie und Leif Sälzer hingegen liefern einen breiten Blick auf das Geschehen. Ihr Innenleben wird zwar ebenfalls beleuchtet, doch sie beschreiben auch Situationen und Ereignisse. Zusätzlich werden immer wieder Zeugenbefragungen oder Zeitungsartikel eingestreut.

Der junge Leser muss also diverse Eindrücke verarbeiten. Gehm nimmt in dem Buch eine eher neutrale Position ein, indem sie sich nicht auf eine Perspektive oder eine bestimmte Spur zum Täter festlegt. Dadurch kann man als Leser mit raten – auch wenn die Geschichte am Ende anders ausgeht als erwartet. Der Ausgangspunkt der Handlung ist eher einfach gewählt. Die Autorin spinnt trotzdem eine Geschichte zusammen, die ihre Spannung weniger aus Action bezieht als vielmehr aus den unterschiedlichen Ermittlungsansätzen. Nach und nach deckt Sälzer immer mehr mögliche Verdächtige auf. Die meisten haben ein gutes Motiv – und zumeist auch etwas, das sie entlastet. Gehm schafft es, die Spannung bis zum Ende aufrecht zu halten und dort mit einer überraschenden Lösung auf zu warten.

Die Figuren in der Geschichte sind leicht zugänglich und wirken real. Obwohl „Tränenengel“ ein Jugendbuch ist, gibt es einen Protagonisten im Erwachsenenalter: Leif Sälzer. Er wird jedoch verständlich dargestellt und kommt ohne die komplizierten Gedankengänge von Erwachsenen aus. Trixie hingegen ist ein etwas rebellisches Mädchen, das um seine Freundin sehr besorgt ist. Sie ist gut ausgearbeitet und vielschichtig. Es macht Spaß, ihr zu folgen, da sie ein bisschen anders ist als gewöhnliche Jugendbuchcharaktere und auch als ihre Freundin Flora. Von Flora bekommt man eigentlich nicht besonders viel mit, da sich bei ihr alles um ihr Innenleben dreht und weniger um das, was um sie herum passiert. Das meiste, was man über sie erfährt, erfährt man von den anderen Figuren im Buch. Normalerweise ist es nicht unbedingt lobenswert, wenn die Person, um die sich die Geschichte eigentlich dreht, die am wenigsten durchleuchtete ist, doch in diesem Fall ist es ein wirklich geschickter Schachzug.

„Tränenengel“ macht der Reihe, in der es erscheint, alle Ehre. Franziska Gehm hat einen ansprechenden, unterhaltsamen Krimi geschrieben, der durch seine Originalität in Aufbau und Handlung besticht.

|Taschenbuch: 286 Seiten
ISBN-13: 978-3423782432|
http://www.dtv-pocket-crime.de

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