Gerber, Michael – Barry Trotter und die schamlose Parodie

Die höchste Form des Lobes ist bekanntlich das Plagiat, auf die Parodie kann das bedenkenlos ausgeweitet werden. Wenn man der groß angelegten Verballhornung durch schreibende Scherzkekse anheimfällt, hat man es in den Bekanntheits-Olymp geschafft. Was J. K. Rowling mit ihren Harry-Potter-Publikationen trefflich gelungen ist, versucht Michael Gerber, seit Veröffentlichung des ersten Bandes seiner Potter-Parodie im Jahre 2002, immer noch zu erreichen. Wobei er den damaligen Hype geschickt ausnutzte, um mit seiner Publikation in JKRs Kielwasser mitzusegeln. Jüngst sollte übrigens auch C. S. Lewis‘ „Chroniken von Narnia“ nicht vor ihm sicher sein.

Aus „Barry Trotter and the unauthorized parody“ (US-Originaltitel), wurde in England ein verkaufsförderndes „shameless“. Hieran lehnten sich die beiden Übersetzer an und übernahmen das „schamlos“ für den Titel der deutschen Ausgabe, die erstmals 2003 bei |Goldmann| als Hardcover erschien. Die günstigere Taschenbuchausgabe ließ dann auch nicht lange auf sich warten. Die Story mit ihren schrägen Figuren fand offenbar so viel Anklang, dass Michael Gerber „… und die überflüssige Fortsetzung“ nachschob (dt. VÖ 11/2005), und ein Prequel („… und der unmögliche Anfang“ – voraussichtliche VÖ 07/2006) wird auf der Website von |Random House| bereits angekündigt.

_Der Autor_

Michael Wer? Sein parodistisches Coming-out „What we talk abbout when we talk about Doughnuts“ dürfte hierzulande jedenfalls weitgehend unbekannt sein. Gerber – Baujahr 1970 – schrieb bisher für seinen täglichen Broterwerb ansonsten für den „New Yorker“ und das „Wall Street Journal“; was er da so genau vor sich hintippselte – ob nun absolut bierernst oder als Ulknudel vom Dienst -, verrät uns die Autoren-Verlagsinfo leider nicht. Er selbst sieht sich humoristisch eher in der Ecke Monthy Pythons; wie jeder weiß, Kult-Institution an trockenem und skurrilem Humor. Very british eben. Ziemlich große Schuhe, um (ausgerechnet auch noch als Amerikaner) hineinzuschlüpfen.

_Zur Story_

Das Leben auf der Zauberschule Hogwash könnte für den 22-jährigen Oberfaulpelz Barry Trotter so schön sein. Könnte. Direktor Alpo Bumblemore gewährte ihm lebenslanges Wohnrecht im Schloss, denn der ist immer ebenso klamm wie das olle Gemäuer selbst. Barry hatte der Autorin J. G. Rollins seine Abenteuer aus der Zauberwelt erzählt, insbesondere seinen Dauerzwist mit dem Doofen Lord Valumart, was diese zu einer sagenhaften Buchreihe ausschlachtete. Die dabei abfallende Kohle und der Ruhm brachten zunächst alle in Hogwash weiter. Fanpost, massenhaft willig zu poppende Muddel-Groupies und ein Leben vollkommen ohne Job – sprich: Existenzangst.

Leider ist Barry – wiewohl ein talentierter Zauberer – nicht ganz der Saubermann aus den Romanen, und mit Geld umgehen kann er schon gar nicht. Außerdem gibt sich sein vollkommen bekloppter Patenonkel Serious Blech die allergrößte Mühe, bei äußerst fragwürdigen Geschäftsbeteiligungen möglichst viel Kohle zu verbrennen. Barrys Geld versteht sich – und der lässt sich auch fast jedes Mal belabern und anpumpen. In der Konsequenz verscherbelt Barry allerhand Zeugs aus der Zauberwelt an Muddel. Sein letzter Coup allerdings war ein Schuss nach hinten: Er hatte der Boulevardpresse (natürlich gegen Zaster) den Weg nach Hogwash gesteckt.

Jetzt tummeln sich Fan-Scharen von stinkenden Nichtmagiern vor (und in) dem Schloss herum, urinieren (sowie Schlimmeres) auf dem ehemals sauber gepflegten Rasen und beschmieren die altehrwürdigen Hallen mit obszönen Graffities. Lediglich das Seeungeheuer und die Päderasten-Pappel scheinen wenigstens noch ein wenig Spaß aus der Situation ziehen zu können. Bei allen anderen liegen die Nerven nahezu blank. Erst recht, als die Ankündigung kommt, dass die Wagner Brothers einen Kinofilm über Barry planen. Noch mehr Muddels, die das Schloss auf der Jagd nach Andenken Stein für Stein demontieren. Die hielte selbst der stärkste VerpissDich-Zauber nicht ab.

Das Ende von Hogwash!? Bumblemore setzt Barry die Pistole – ähem, den Zauberstab auf die Brust: Film verhindern oder aus der Schule fliegen! Für den hochverschuldeten Barry wäre die einzige Alternative, sich einen richtigen Job zu suchen. Schluss mit laissez-faire. Alles sträubt sich in ihm dagegen und das Fragrufzeichen auf seiner Stirn pocht auch dieser Tage immer heftiger. Hat Der-der-stinkt etwa die teutonische Hand im Spiel? Zunächst gilt es jedoch für das alte Triumvirat sich zusammenzurotten, sein treudoofer Freund Lon Measley (nach einem Unfall nur noch mit einem Hundehirn ausgestattet) und die nymphomane Hermeline Cringer begleiten Barry. Sie wollen J.G. Rollins entführen und damit den Stopp des Films erzwingen.

_Meinung_

Zu Beginn liest sich das Ganze ganz gut an und die Gags sind nette kleine und vor allem wohldosierte Rippenstöße in Richtung des Originals. Undogmatische Potter-Fans, die Verballhornungen aller Art an ihrem Helden nicht als Häresie sehen, werden anfänglich ob des spitzbübischen Humors doch den einen oder andern Schenkelklopfer antreffen. Leider geht’s dem Buch, wie so vielen anderen: Nicht etwa Ideenmangel ist das Problem, sondern eher das Gegenteil. Zu viele schräge Einfälle, die nach Sicht des Autors unbedingt mit hineinmüssen, tun der Story selten Gutes. Die Gefahr, in einer simplen Aneinanderreihung von platten Albernheiten zu landen, ist groß.

Zur Mitte hin nimmt dann schon die Dichte der vermeintlich witzigen Passagen zu, die ihr Komik-Potenzial verstärkt aus üblen Körpergerüchen und Ähnlichem schöpfen. Wobei hier zu sagen ist, dass alles fein sauber bleibt und Michael Gerber keine verbalen Entgleisungen in Richtung Fäkalsprache oder irgendwelcher Obszönitäten unterlaufen. Das überlässt er weitgehend der – mehr oder minder schmutzigen – Phantasie seiner Leser. Man spürt durch die dauernde Verzettelei ein wenig den Zwang zum Ende hin, die erzähltechnische Kurve zu kriegen und dabei unbedingt noch ein paar Lacher mit dem Holzhammer einzupassen, wobei es besser gewesen wäre, die ohnehin skurrile und teils unübersichtliche Story einfach mal laufen zu lassen.

_Fazit_

Alles in allem eine dennoch witzig geratene Parodie. Die an sich krude Story ist hierbei eigentlich eher nebensächlich und mit der heißen Nadel genäht, sie dient nur als Transportmittel für das angepeilte Gagfeuerwerk. Obschon sie recht gut und mit subtilen Seitenhieben auf den Potter-Hype anfängt, wobei Gerber kaum ein Klischee auslässt, flacht das Ganze bereits zur Mitte hin hab und kann sich am Ende noch gerade so eben über die Runden retten. Mit dem Witz ist das so eine Sache – es kann auch einfach zu viel des Guten sein. Wenn Gerber in die Liga von Monthy Python oder Douglas Adams aufsteigen will, hat er noch so einiges zu lernen, gute Ansätze zeigt er durchaus schon.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_
Originaltitel: „Barry Trotter and the unauthorized parody“
Simon & Schuster, New York / 2002
Übersetzung: Heinrich Anders und Tina Hohl
Europa/Goldmann, Hamburg 2003
Taschenbuch ca. 258 Seiten
ISBN: 3-4424-5815-3
http://www.randomhouse.de/goldmann/

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