Hartung, Manuel J. – Uni-Roman, Der

Die Universitätslandschaft hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Die Einführung der Studienbeiträge von 500 Euro pro Semester in einigen Bundesländern und die Umstellung der alten Studiengänge auf Bachelor und Master-Fächer sind nur die sichtbarsten Veränderungen. Die digitale Archivierung kompletter Buchbestände, Kosteneinsparungen durch effizientere Energienutzung und das mit Protesten verbundene Zusammenlegen oder gar Streichen ganzer Fakultäten sind weitere Themen, welche die Professoren, die Angestellten und nicht zuletzt auch die Studenten beschäftigen. Doch was macht die heutige Studienzeit neben diesen Umwälzungen wirklich aus? Welche Erinnerungen, wenn der Student von heute in zwanzig Jahren an die schönste Zeit seines Lebens zurückdenkt, schießen ihm tatsächlich durch den Kopf? Wohl eher wilde Studentenpartys, die chaotischen Mitbewohner und überfüllte Hörsäle, in denen auch auf dem Boden kein Platz mehr zum Sitzen bleibt.

„Der Uni-Roman“ nennt sich das Buch, das Antworten auf diese und viele weitere Fragen geben will. Schon nach den ersten Seiten wird klar: Hier handelt es sich nicht um eine pseudo-wissenschaftliche Untersuchung, die außer hohlen Phrasen nur aufgeblähte Luft hinterlässt. Vielmehr wird das Uni-Leben so sarkastisch und bitterböse, aber zugleich treffend und witzig abgebildet, dass sich jeder Leser, der zumindest für einige Semester in einer Universität eingeschrieben war, sofort zwischen den Zeilen wiederfindet.

_Zum Autor_

„Der Uni-Roman“ ist Manuel J. Hartungs Debütroman, doch keineswegs sein erster Ausflug in die schreibende Zunft, denn er begann nach seinem Abitur eine beeindruckende Karriere. Nach der Ausbildung an der Henri-Nannen-Journalistenschule wurde er jüngster Redakteur der |ZEIT|. Mit Jahrgang 1981 bei einer solch renommierten Zeitung zu arbeiten, zeugt von Talent. Kein Wunder, dass er während seines drauffolgenden Studiums (Geschichte, Psychologie und Jura) weiter journalistisch tätig war und Kolumnen über sein Studentenleben schrieb. „Der Uni-Roman“ entstand anhand der eigenen Erfahrungen an der Universität Bonn, während eines Auslandssemesters in Amerika.

_Inhalt_

Obwohl als Abbild des Studentenlebens konzipiert, durchzieht den Roman ein roter Faden, der die einzelnen Abschnitte zusammenhält. Markus ist Politikstudent, Erstsemestler an der Uni Bonn und, wie jeder Frischling, völlig ahnungs- und orientierungslos. Doch seine Mitbewohner können oder wollen ihn nicht durch den Uni-Dschungel begleiten. Maja, die Streberin der Wohngemeinschaft, ist auf Exkursion und leider für mehrere Tage ausgeflogen. Paul, der sportliche Typ, entrinnt den Problemen lieber und dreht seine Runden am Rhein, um sich fit zu halten. Und Rudi, Markus dritter Mitbewohner, studiert zwar wie er Politik, hat jedoch eine Party hinter sich und das Bedürfnis nach Sex und Schlaf. Durchaus in dieser Reihenfolge, denn eine Bekanntschaft des Abends hat er mit auf sein Zimmer genommen.

Markus bleibt also nichts anderes übrig, als sich alleine durchzukämpfen. Glücklicherweise nicht allzu lange, denn die Uni wimmelt nur so von Studenten, denen es nicht besser geht. Schließlich ist die Orientierungslosigkeit nicht nur ein Phänomen der Erstsemestler, auch wenn diese im höheren Semester eher als Planlosigkeit aufzufassen ist.

Sein erster Tag führt Markus in das Institut für Politik und politische Philosophie, um sich in das Seminar des Privatdozententen Dr. Wolfgang Krepp M. A. (Emmmm-Aahaah) einzuschreiben. Obwohl er gut zwei Stunden vor Anmeldungsbeginn beim Geschäftszimmer eintrifft, hat sich bereits eine wartende Studentenkolonne in den stickigen Gängen eingefunden. Als Nummer 37 muss er sich auf die bereits inoffiziell herumgehende Liste setzen, doch die Höchstteilnehmerzahl ist auf 30 begrenzt. Krepp erscheint zwei Stunden später pünktlich, setzt in seiner Güte die Teilnehmerzahl auf 35 und vertröstet die übrigen Studenten auf sein anderes Seminar oder auf nächstes Semester.

Markus beschließt, es für das andere Proseminar zu Internationalen Beziehungen noch einmal zu probieren, dann aber fünf Stunden vorher, auch wenn er dafür gegen vier Uhr in der Nacht aufstehen und in der Kälte vor dem zu dieser Zeit noch geschlossenen Institut ausharren muss. Zum Glück nicht allein, denn Anna, eine Kommilitonin aus dem dritten Semester, die er bei Krepps erster Anmeldestunde kennengelernt hat, will es ihm gleichtun. Und er lernt in den ersten Tagen nicht nur Anna, sondern eine Vielzahl weiterer Studenten kennen, die die gesamte Bandbreite der universitären Klischees bedienen. Da sind Scheitel, der mit seinem gelackten Äußeren wie der Oberguru einer Burschenschaft daherkommt, Chekka aus dem 21. Semester, der lässig und locker, aber gleichwohl völlig verplant und desillusioniert anmutet, und Hannes, der als 17-Jähriger sein Abi mit eins Komma null gemacht hat und sich nun für den Verein Latein sprechender Menschen stark macht. Aufgestylte Juristinnen, die sich auf Freundesfang nach einem frisch gekürten Doktoranten begeben, um nicht doch noch zu Ende studieren zu müssen, und kuttentragende Metaller, die ihre Liebe zu |Manowar| auch auf dem Campus kundtun, runden das illustre Bild ab.

Doch das Uni-Leben bringt nicht nur Spaß, sondern auch Probleme. Denn als sich Markus immer mehr zu seiner Kommilitonin Anna hingezogen fühlt, mit der er einen Großteil seiner Freizeit verbringt, und erfahren muss, dass sie bereits eine Fernbeziehung zu einem Freiburger führt, sucht er seinen Trost bei der fakultätsbekannten Jasmin, die mit jedem Jungen schon was hatte. Dumm nur, dass Anna ihn beim Knutschen mit Jasmin auf einer Party erwischt und Markus danach aus dem Weg geht.

_Bewertung_

Manuel J. Hartung gelingt es, spitzzüngig und treffend die deutsche Universitätslandschaft zu beschreiben. Aus Sicht des Durchschnittsstudenten Markus erlebt der Leser das Chaos eines Erstsemestlers und sein Aufeinandertreffen mit universitären Sitten und Bräuchen mit, die, ironisch dargestellt und stellenweise ins Absurde gezogen, immer wieder zu einem Schmunzeln anregen. Nicht vorrangig durch die Gags, an denen es im Roman wahrlich nicht mangelt, sondern durch die zynische Art, wie Hartung das Uni-Leben in Worte fasst. Jeder Student wird sich in den Situationen wiederfinden und an langweilige Vorlesungen, schlecht vorbereitete Professoren und heruntergeleierte Referate erinnern. Aber nicht nur die Institution Uni und ihre Professoren bekommen ihr Fett weg. Hartung lässt es sich nicht nehmen, selbstkritisch seine Studentenzeit zu reflektieren und die Eigenarten dieses wissbegierigen Grüppchens zu analysieren. Er thematisiert die fehlende Entscheidungsfähigkeit der Studenten, die ihr Studium nur als Chance sehen, die Wahl für ihre berufliche Zukunft um fünf Jahre nach hinten zu schieben, und stellt sich die Frage, wieso sie den Stoff ihrer Professoren unkritisch in sich aufsaugen, keine Widerworte geben und stillschweigend hinnehmen, dass sie für die Anmeldungen in Seminare bis zu fünfstündige Wartezeiten in Kauf nehmen.

Doch Hartung hütet sich, den moralischen Zeigefinger zu heben, sondern präsentiert seinen Roman als unterhaltsame Lektüre, aus der jeder so viel ziehen kann, wie er möchte. Unpassend erscheint nur die Liebesgeschichte, die ab der zweiten Hälfte des Romans die Handlung bestimmt und das universitäre Leben, auch wenn sie sich vor deren Kulisse präsentiert, in den Hintergrund drängt. Dennoch, „Der Uni-Roman“ ist ein großartiges Abbild der deutschen Uni-Landschaft geworden, das seinem polemischen Titel keineswegs gerecht wird und jedem empfohlen werden kann, der sein Studium einmal aus einer anderen Sicht betrachten oder noch einmal an die Institution Uni zurückkehren möchte.

http://www.piper-verlag.de/

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