Kern, Claudia – Verrat (Der verwaiste Thron 2)

Band 1: [„Sturm“ 5299

_Nach dem_, was Ana am Ende des ersten Bandes über Jonan erfahren hat, ist sie entsetzt und enttäuscht davongelaufen. Aber obwohl sie furchtbar wütend auf ihren Leibwächter ist, fühlt sie sich ohne ihn auch unsicher und verlassen. Und tatsächlich dauert es nicht lange, und sie gerät in Schwierigkeiten …

Gerit hat ein Gespräch zwischen Schwarzauge und seinem General Korvellan belauscht, das ihm zu denken gibt. Als das Heer der Nachtschatten aufbricht, um weiter nach Süden zu marschieren, setzt Gerit sich von der Truppe ab. Allerdings muss er nur allzu bald feststellen, dass er nach der Schlacht zwischen Baldericks Heer und den Nachtschatten bei den Menschen nicht mehr gern gesehen ist. Schließlich fasst er einen Entschluss und macht sich zurück auf den Weg nach Norden …

Craymorus hat sich von Fürstin Syrahs Zofe Mellie völlig um den Finger wickeln und in eine Erpressung verwickeln lassen. Die feinen Anzeichen dafür, dass Mellie mehr zu sein scheint als eine einfach Zofe, übersieht er lieber.
König Cascyr dagegen fühlt sich von Craymorus auf den Schlips getreten und verlässt Westfall. Was nicht heißen soll, daß er seine ehrgeizigen Pläne aufgegeben hätte …

_Was die Charakterzeichnung betrifft_, hat sich nicht viel getan. Die Neuzugänge sind nicht mehr als Randpersonen.

Einzige Ausnahme ist Erys, die ehemalige Sklavin und Geliebte des Roten Königs. Jetzt ist sie die Anführerin von einem Haufen Amazonen, stolz, zielstrebig, aber geheimniskrämerisch und auch ein wenig kaltschnäuzig. Echte Tiefe fehlt aber auch dieser Figur bisher noch, mit Mitteilungen über ihre Vergangenheit ist sie mindestens so sparsam wie mit denen über ihre Absichten und Pläne. Und ich bin mir nicht sicher, ob sie ganz ehrlich ist.

Bei den bisherigen Personen bleibt alles beim Alten, abgesehen davon vielleicht, dass Gerit und Ana versuchen, mehr auf eigenen Füßen zu stehen.

Dasselbe lässt sich auch über die vielen Rätsel sagen, die die Autorin dem Leser bereits im ersten Band aufgegeben hat. Es gab keinerlei neue Informationen über die Ereignisse der Vergangenheit, weder über den Krieg gegen den Roten König, noch über die Vorangegangenen. Zwar ist ein kleiner Teil von Jonans Geheimnissen gelüftet worden, dafür fragte ich mich umso mehr, was eigentlich der rätselhafte Priester Daneel bezweckt. Er hat die Nachtschatten als Gaukler verkleidet in die Festung Sommerstorm gebracht. Er hat versucht, Ana zu beeinflussen und diesmal hat er sich an Schwarzklaue herangemacht. Aber bisher hat es nicht einmal Andeutungen darüber gegeben, welches Ziel Daneel verfolgt. Auch Korvellans Verhalten mutet seltsam an. Er wirkt nicht wie ein Feind der Menschen, weder Gerit noch Craymorus noch Jonan gegenüber. Aber warum hat er dann die Nachtschatten zum Krieg aufgestachelt? Je weiter der Leser kommt, desto mehr hat er das Gefühl, dass der eigentliche Knoten des Plots bisher noch unter der Oberfläche verborgen liegt!

_Der Handlungsverlauf_ dagegen ist diesmal schwer zu beschreiben. Auf den ersten Blick hat sich nicht viel getan: Die Nachtschatten wollen noch immer den Süden erobern, Ana will noch immer Westfall erreichen, und Cascyr noch immer die Herrschaft über alle Provinzen an sich reißen. Aber die Personenkonstellation hat sich stark verändert.

Gerit hat das Heer der Nachtschatten verlassen, und Korvellan folgt ihm, um ihn zurückzuholen. Infolgedessen verlieren die Nachtschatten jegliche Disziplin, und Schwarzklaue gerät unter den Einfluss von Daneel.

Jonan hat Ana aus den Augen verloren und versucht, nach Westfall zu gelangen, weil er weiß, dass sie dorthin will. Ana hat tatsächlich versucht, mit Erys Hilfe Westfall zu erreichen, ist aber letztlich ganz woanders gelandet.

Es ist, als hätte die Autorin Zettel mit den Namen ihrer Figuren beschriftet, sie alle in einen Hut geworfen, feste geschüttelt, und sie dann paarweise wieder herausgezogen.

Tatsächlich ist sie wahrscheinlich etwas planvoller vorgegangen. Dennoch beschlich mich am Ende ein wenig das Gefühl, dass eigentlich gar nichts passiert ist. Die Leute haben sich ein wenig über den Kontinent bewegt und dabei die Gesellschaft gewechselt, aber alles Übrige – die vielen Rätsel und Geheimnisse, die Geschichte des Kontinents – ist keinen Schritt vorangekommen. Bestenfalls haben sich noch ein paar neue dazugesellt.

Dabei kann ich eigentlich nicht sagen, dass ich mich gelangweilt hätte. Die Autorin schreibt angenehm und flüssig, und es ist ja immer etwas los, von dem Überfall auf Ana über Craymorus‘ unwillige Intrige gegen Syrah bis hin zu den diversen Scharmützeln und Angriffen der Nachtschatten nach Korvellans Weggang. Wirklich spannend wollte es aber nicht werden, und der Rest entwickelte sich einfach zu langsam, um die fehlende Spannung völlig auszugleichen. So war das Buch zwar nette Lektüre, aber letztlich ein klein wenig unbefriedigend. Hoffentlich tut sich da im nächsten Band wieder ein wenig mehr.

_Claudia Kern_ lebt in Bonn und ist in vielen Bereichen tätig. Unter anderem ist sie Mitbegründerin von |Space View|, war Serienredakteurin beim Fernsehen, schreibt für Computerspiele und arbeitet als Übersetzerin. Auch für Conventions ist sie tätig, zum Beispiel für |FedCon|. Der nächste Band ihres Zyklus |Der verwaiste Thron| erscheint im August dieses Jahres unter dem Titel „Rache“.

|408 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-442-24421-8|
http://www.claudiakern.com
http://www.blanvalet-verlag.de

_Außerdem von Claudia Kern auf |Buchwurm.info|:_
[„Anno 1701: Kampf um Roderrenge“ 4436
[„S.T.A.L.K.E.R. – Shadow of Chernobyl, Bd. 1: Todeszone“ 3555

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