Timothy Leary – Info-Psychologie

Achtung, Science-Faction!

Sie haben richtig gelesen, es handelt sich bei „Info-Psychologie“ um ein Werk der Science-Faction – nicht der Science-Fiction. Worin der Unterschied besteht? Nun, streng genommen gibt es keinen, zumindest meint das Timothy Leary. Beide – Fakt und Fiktion – seien ganz im wittgensteinschen Sinne Konstrukte, die außerhalb ihres eigenen Theoriekorsetts nicht mehr als subjektive Spekulationen sind. Von daher macht es folglich auch keinen Unterschied aus, ob ein Autor von Flügen ins Weltall oder von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der Gentechnik berichtet.

Die in „Info-Psychologie“ vorgestellte Theorie will, so ihr Autor, die angemessene Psychologie für das Informationszeitalter sein. Neurosen seien nämlich nur das Ergebnis von Informationsüberlastungen; die herkömmliche Psychologie werde diesen Neurosen nicht mehr Herr, so dass eine an die mediale Flut von Information angepasste Theorie begründet werden müsse, so der Autor. Leary geht grenzwissenschaftlich vor: Er überführt naturwissenschaftliche Thesen in die Psychologie und Philosophie. Der Grad einer – bestenfalls – sensiblen Überführung von naturwissenschaftlichen Ansätzen in die geisteswissenschaftliche Disziplin geht bei einigen Behauptungen leider gegen null, so dass die Forderung, es sei an der Zeit, eine Philosophie, Psychologie und Sprache zu entwickeln, die von außerterrestrischen Wesen verstanden werde, den Leser etwas verwundern könnte.

Trotz des nervösen, aber stets selbstironischen Gestus zieht Leary aus den Theorien der Neurologie, Verhaltensbiologie, Neurochemie und Psychopharmakologie seine Art der naturwissenschaftlichen Offenbarung, die dann irgendwie – allem Wissen um die Konstruktion von Fiktion und Fakt zum Trotze – doch stark an Science-Fiction erinnert.

„Info-Psychologie“ vereint die Gedanken und Ideen eines Mannes, der für grenzwissenschaftliches und transdisziplinäres Arbeiten bekannt geworden ist; die Grenzen verschwinden zwischen dem, was ein (von sich überzeugtes) Subjekt sagt, und dem, was intersubjektiver Konsens ist. Damit lassen sich gewiss gute Erfahrungen machen.

Trotz der gelegentlich etwas eigenartig anmutenden Begriffsverwendung Learys, gerade wenn er von Ästhetik, Ethik, Ontologie oder Lernen spricht, scheint seine naturwissenschaftliche Profession deutlich zu werden – mit der (europäischen) Geistestradition hat er es in der Tat nicht. Leary ist nicht bestrebt, Menschen aus gesellschaftlichen Zwängen zu befreien, er gibt lediglich das Rüstzeug an die Hand, damit dies jeder selbst tun kann. Und so wird derjenige mündige Bürger, den Leary Cyber-Individuum nennt, auch über die Theorien der Info-Psychologie urteilen müssen. Bei allem Anliegen, Hilfestellung bei der Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen zu geben, kann die Lösung meines Erachtens aber nicht die Implementierung eines (neuen) Endziels sein. Learys Versuch, Kreationismus und Evolutionismus zu versöhnen, begegnet uns als teleologischer Ansatz, der selbst vor solch delikaten Bereichen wie etwa einer genetischen Teleologie nicht Halt zu machen scheint. Die Bezüge zur Eugenik, auch wenn der Autor diese als Tabu bezeichnet, sind mir hierbei zu offensichtlich.

Taschenbuch: 240 Seiten
www.phaenomen-verlag.de