Willingham, Bill / Buckingham, Mark – Fables 1 – Legenden im Exil

Kritiker und Presse überschlagen sich förmlich vor Lob für Bill Willinghams Graphic-Novel-Reihe „Fables“. Gekrönt wird all das Lob von fünf |Eisner Awards|. Grund genug, die Reihe, die jüngst unter dem Label von |Vertigo| bei |Panini Comics| erschienen ist, einmal näher unter die Lupe zu nehmen.

Dabei verheißt eigentlich schon der Name des Autors Gutes. Bill Willingham hat vor allem seit den späten 90ern intensiv für |Vertigo| gearbeitet und dabei unter anderem auch einige Teile der „Sandman Presents“-Reihe veröffentlicht. 2003 entstand dann „Fables“. Dank des Erfolgs der „Fables“-Reihe hat Willingham dann sogar noch einen Spin-off dazu entwickelt, der seit 2006 in den USA unter dem Titel „Jack of Fables“ erscheint. Als Zeichner hat Lan Medina an „Fables“ mitgearbeitet. Aus seiner Feder stammt allerdings nur der erste Teil der Reihe „Legenden im Exil“. Einen Namen hat Medina sich bereits mit diversen Arbeiten für |Marvel| und |DC| gemacht. So viel zu den Machern.

Willinghams Arbeiten für die „Sandman Presents“-Reihe zeigen schon in etwa, was man bei ihm erwarten darf: Urban Fantasy. „Fables“ erzählt die Geschichte diverser Märchenfiguren, die unerkannt in New York im Exil leben. Böse Mächte haben sie aus der Märchenwelt vertrieben. In New York kennt niemand ihre wahre Identität und sie bleiben unter sich, um ihr Geheimnis zu wahren. Ihre neue Heimat in New York nennen sie Fabletown. Dort leben sie ein eher beschauliches Leben und schlagen sich mit den Tücken des Alltags herum, wie die Menschen auch – bis eines Tages Rose Red unter merkwürdigen Umständen verschwindet.

Zusammen mit dem Detektiv Bigby Wolf findet Rose Reds Schwester Snow White Spuren in Roses Appartement, die auf ein Blutbad hindeuten. Überall finden sie Spuren von Roses Blut und das nicht unbedingt in geringer Menge. Hat jemand Rose ermordet? Wo ist dann die Leiche? Und wer ist der Täter? Eine Botschaft an der Wand deutet darauf hin, dass der Täter aus der Fabletowngemeinde stammen muss. Bigby Wolf macht sich auf die Suche nach dem Täter …

Willingham bedient sich unterschiedlichster Märchenfiguren, um mit ihnen den „Fables“-Plot zu gestalten. Die meisten kennt man, aber manch eine Figur, wie King Cole, der aus einem englischen Kinderreim stammt und ein legendärer Keltenkönig ist, dürfte hierzulande ähnlich unbekannt sein, wie der ebenfalls einem englischen Kinderreim entsprungene Blue Boy, Jack aus der englischen Geschichte mit den Bohnenranken und den Riesen oder Grimble, der Troll, der in einem norwegischen Märchen von drei Ziegen hereingelegt wird.

Die bekannteren Gestalten von Fabletown sind: Lord Beast und Miss Beauty (Die Schöne und das Biest), Bluebeard (Blaubart), die böse Hexe (aus diversen Märchen), Flycatcher (der Froschkönig), Bigby Wolf (der böse Wolf aus diversen Märchen, wobei Bigby für Big B(ad) steht), das kultivierte Schwein (das eines der drei berühmten Schweinchen ist), Pinocchio, Prinz Charming (der jeden x-beliebigen Prinzen aus jedem x-beliebigen Märchen darstellt) und die Schwestern Rose Red (Rosenrot) und Snow White (Schneeweißchen).

Willingham kreiert aus jeder dieser bekannten Märchenfiguren eine eigenständige neue Figur, angepasst an ein unauffälliges Leben in New York. Der Wolf arbeitet als schmuddeliger, zerzauster Detektiv, Bluebeard mimt den kühlen, reichen Adeligen, und Prince Charming macht genau das, was ein Prince Charming nun mal in erster Linie so macht: Süßholz raspeln und Frauen verführen. Alle Figuren haben eine menschliche Gestalt angenommen (mit Ausnahme des kultivierten Schweins, das ganz einfach ein Schwein geblieben ist, wenngleich natürlich ein absolut kultiviertes).

Wie normale Menschen leben die Einwohner von Fabletown ihr Leben, gehen ihrer Arbeit nach, wohnen in ihren Appartements und tun ihr Möglichstes, um nicht aufzufallen. Kontakte zu Normalsterblichen gibt es nur selten, schließlich wollen die Fabelwesen ihre Identität möglichst geheim halten. Sie leben als mehr oder weniger geschlossene Gemeinschaft in einem New Yorker Appartementhaus und haben als solche ihre eigenen Gesetze und Regeln.

Grundlage ihres Zusammenlebens ist die Generalamnestie. Sie ermöglicht es, dass Bigby Wolf als mehr oder minder offizieller Ermittler von Fabletown anerkannt wird und selbst eine blutrünstige Gestalt wie der frauenmordende Bluebeard gesellschaftliches Ansehen erlangen kann. Die Märchenfiguren haben sich halt dazu entschlossen, in der Welt der Menschen noch einmal komplett bei Null anzufangen und jedem die gleichen Chancen einzuräumen.

Der Plot, den Willingham im ersten Band der Reihe entrollt, ist letztlich eine Kriminalgeschichte – die um das mysteriöse Verschwinden von Rose Red, die vermutlich ermordet wurde. Im Laufe der wölfischen Ermittlungen lernt der Leser die Gemeinde von Fabletown kennen und wird obendrein in eine zunehmend spannender werdende Geschichte gezogen. Es gibt viele Verdächtige, da in der Märchenwelt einige der jetzt so braven Bewohner von Fabletown kein so rühmliches Leben führten. Und so hegt man so manche Vermutung, wer der Täter sein könnte, ehe Bigby Wolf in klassischer Krimimanier den Täter entlarvt.

Gewürzt wird die Geschichte immer wieder mit einer humoristischen Note. Willingham hat sie mit einem ironischen Unterton und einem immer wieder durchschimmernden Augenzwinkern niedergeschrieben. So wohnt zum Beispiel das kultivierte Schwein ironischerweise beim ehemals bösen Wolf zur Untermiete. Willingham geht mit den Märchenelementen seiner Geschichte bzw. seiner Figuren ungezwungen und fantasievoll um und unterstreicht das Ganze immer wieder mit einer feinen Ironie. Das macht die Geschichte zu unterhaltsamer Lektüre. Der Brückenschlag zwischen dem ernst zu nehmenden, sehr klassisch ausgeformten Krimiplot und dem feinsinnigen Humor gelingt Willingham dabei ausgesprochen gut.

Insgesamt liest sich die Geschichte locker und flott runter. Die Lektüre macht ausgesprochen Spaß und vor allem Appetit darauf, zu erfahren wie es mit den Bewohnern von Fabletown weitergeht. Am Ende von Band 1 hängt Willingham obendrein noch eine selbst illustrierte Kurzgeschichte an, die erzählt, wie die Bewohner von Fabletown aus der Märchenwelt ins New Yorker Exil gelangten. Auch die liest sich sehr angenehm.

Medinas zeichnerische Umsetzung der Geschichte ist ebenfalls als gelungen zu bezeichnen. Die Eigenarten der unterschiedlichen Charaktere werden durch die Zeichnungen wunderbar unterstrichen. Die Handlung wirkt lebhaft und die Verrücktheit der gesamten Situation wird sehr schön betont.

Bleibt unterm Strich ein sehr positiver Eindruck zurück. Willinghams Geschichte um die in New York lebenden Märchenfiguren ist gleichermaßen unterhaltsam wie spannend. Die zu Grunde liegende Idee ist absolut wunderbar und Willingham setzt sie sowohl spannend als auch humorvoll um. Wer andere Werke der Urban Fantasy, beispielsweise von Autoren wie Neil Gaiman, mag, für den dürfte auch „Fables – Legenden im Exil“ ein vielversprechender Tipp sein. Und wer obendrein auch noch ein bisschen was für Comics übrig hat, für den könnte „Fables“ sich als absoluter Volltreffer erweisen.

http://www.paninicomics.de

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