A. Conan Doyle & Herman Cyril McNeile – Geheimsache Styles Court (Sherlock Holmes Folge 55)

Ein Bauer als Maulwurf

Gibt es wirklich einen „Maulwurf“ unter den Delegierten, die sich regelmäßig für politische Konferenzen im alten Haus Styles Court zusammenfinden? Sir James Lillybrook sucht den Meisterdetektiv auf, weil vertrauliche Informationen trotz lückenloser Bewachung auf mysteriöse Weise nach außen gedrungen sind. Holmes begibt sich unverzüglich auf Spurensuche … (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab 14 Jahren.

Die Serie wurde mit dem „Blauen Karfunkel“ der Deutschen Sherlock Holmes-Gesellschaft ausgezeichnet.

Die Autoren

1) Sir Arthur Conan Doyle lebte von 1859 bis 1930 und gelangte mit seinen ca. 60 Erzählungen um den Meisterdetektiv Sherlock Holmes zu Weltruhm. Dabei begann der Mediziner, der eine eigene Praxis hatte, erst 1882 mit dem Schreiben, um sein Einkommen aufzubessern. Neben mystischen und parapsychologischen Themen griff er 1912 auch die Idee einer verschollenen Region (mit Dinosauriern und Urzeitmenschen) auf, die von der modernen Welt abgeschnitten ist: „The Lost World“ erwies sich enorm einflussreich und wurde schon 13 Jahre später von einem Trickspezialisten verfilmt. Schon 1913 ließ Doyle eine Fortsetzung unter dem Titel „The Poison Belt“ (dt. als „Im Giftstrom“, 1924) folgen.

2) Herman Cyril McNeile (28. September 1888 – 14. August 1937), meist bekannt als Cyril McNeile der unter dem Namen „H. C. McNeile“ oder dem Pseudonym „Sapper“ veröffentlichte, war ein britischer Soldat und Schriftsteller der Nachkriegszeit. Er starb wahrscheinlich an den Spätfolgen eines Gasangriffs im Ersten Weltkrieg. Die Wikipedia bringt ihn an keiner Stelle in Zusammenhang mit Sherlock Holmes, was erstaunlich ist, denn McNeile schrieb in erster Linie Detektivgeschichten.

Marc Gruppe ist der Autor, Produzent und Regisseur der erfolgreichen Hörspielreihe GRUSELKABINETT, die von Titania Medien produziert wird.

Folge 1: Im Schatten des Rippers
2: Spuk im Pfarrhaus
3: Das entwendete Fallbeil
4: Der Engel von Hampstead
5: Die Affenfrau
6: Spurlos verschwunden
7: Der Smaragd des Todes
8: Walpurgisnacht
9: Die Elfen von Cottingley
10: Der Vampir von Sussex / Das gefleckte Band / Der Fall Milverton / Der Teufelsfuß (Neuausgabe)
11: Das Zeichen der Vier (4/2014, Neuausgabe)
12: Ein Skandal in Böhmen (4/2014)
13: Der Bund der Rotschöpfe (5/14)
14: Eine Frage der Identität (9/14)
15: Das Rätsel von Boscombe Valley (10/14)
16: Der blaue Karfunkel
17: Die fünf Orangenkerne
18: Der Mann mit der entstellten Lippe
19: Der Daumen des Ingenieurs
20. Der adlige Junggeselle
21. Die Beryll-Krone
22. Das Haus bei den Blutbuchen
23. Silberblesse (6/16)
24. Das gelbe Gesicht (6/16)
25. Der Angestellte des Börsenmaklers (7/16)
26: Die „Gloria Scott“ (11/16)
27: Das Musgrave Ritual (12/16)
28: Eine Studie in Scharlachrot (2 CDs)
29: Die Junker von Reigate
30: Der bucklige Mann
31: Der Dauer-Patient
32: Der griechische Dolmetscher
33: Das graue Haus
34: Die quietschende Tür
35: Der Hund der Baskervilles (2 CDs)
36: Das unheimliche Pfarrhaus
37: Der verschwundene Kutscher
38: Das Haus mit den Zwingern
39: Eine Frage des Teers
40: Die dritte Botschaft
41: Mayerling (2 CDs)
42: Der Tote im Extra-Waggon
43: Der Zuträger
44: Der zweite Hund
45: Harry Price und der Fall Rosalie
46: Der Mann in Gelb
47: Das verlassene Haus
48: Der Gezeitenstrom
49: Das Grauen von Old Hall
50: Ludwig II. – Der Tod im Würmsee (2022)
51: Was das Feuer übrigließ
52: Der stille Tod
53: Der maskierte Tod
54: Tod eines Giftforschers
55: Geheimsache Styles Court
56: Der Mann im Speisewagen
57: Die vierte Flasche


Die Sprecher/Die Inszenierung


Die Sprecher und ihre Rollen:

Joachim Tennstedt: Sherlock Holmes
Detlef Bierstedt: Dr. John Watson
Lutz Reichert: Inspektor Lestrade
Marc Gruppe: Officer Miller, Tom Cresswell
Matthias Lühn: Sir James Lillybrook
Horst Naumann: Schatzkanzler Mr. Bignor
Peter Weis: Bauer Buzzle

Die Macher

Regie führten die Produzenten Marc Gruppe und Stephan Bosenius. Die Aufnahmen fanden bei Titania Medien Studio, Advertunes und den Planet Earth Studios statt. Alle Illustrationen – im Booklet, auf der CD – trugen Ertugrul Edirne und Firuz Askin bei.

Handlung

Mrs. Hudson hat gerade ein Telegramm von Thomas Creswell gebracht, einem alten Bekannten von Holmes und Watson. Es wurde aus Styles Court in Sussex geschickt, einem Anwesen, das der reiche Börsenmakler aufgekauft und gründlich renoviert hat, so dass ein Anbau nun als Konferenzraum dienen kann. Es ist ein Ballsaal mit moderner Zentralheizung.

Thomas Creswell trifft mit Sir James Lillybrook ein, einem Mitarbeiter aus dem Finanzministerium, denn der Schatzkanzler selbst sei krank, teilen sie mit. Holmes und Watson sichern äußerste Diskretion zu und bitten um Informationen. Da das Finanzministerium derzeit knapp bei Kasse ist, hat es Verhandlungen mit befreundeten Nationen aufgenommen, darunter die USA, Russland und Frankreich. Lillybrook ist sichtlich angespannt, denn diese Verhandlungen, die nach Styles Court verlegt wurden, sind an die Presse durchgesickert. Da jeder Delegierte mit einem Sekretär angereist ist, handelt es sich um acht Verdächtige, Lillybrook eingeschlossen.

Vermutungen

Am zweiten Verhandlungstag gab es trotz der eingesetzten Polizisten erneut ein Leck. Misstrauen erfüllt die Delegierten. Lillybrook schlägt vor, auf Styles Court nun auch zu übernachten, denn das spare Wege und sei sicherer. Dennoch gibt es ein erneutes Leck. Kommen die Dienerschaft oder gar die Polizistenposten infrage? Lillybrook verneint.

Holmes weist darauf, dass für eine sehr kurze Botschaft von Ja/Nein schon eine Signallampe in einem Fenster reichen würde. Unwahrscheinlich, weil viel zu offensichtlich. Wie auch immer: Die nächste Konferenz, die am kommenden Wochenende stattfinde, entscheide über Krieg oder Frieden in Europa. Ob Holmes nicht als beratender Detektiv dabei sein wolle? Holmes will und bittet darum, seinen Freund Watson mitbringen zu können. Geht in Ordnung. Watson soll seine Fotokamera mitbringen, bittet Holmes.

Ländliche Idylle

Schatzkanzler Bignor begrüßt Holmes und Watson persönlich auf Styles Court, aber seine Stimme ist brüchig und er wirkt schwach. Dann treffen sie auf den unvermeidlichen Inspektor Lestrade, der in Watson zwar stets Aversionen auslöst, von Holmes aber mit höflicher Freundlichkeit begrüßt wird. Lestrade hat wie immer alles im Griff. Außer vielleicht jenen Polizisten, der seelenruhig eine Zigarette raucht. Aber da jetzt Lestrade da sei und alles durchsucht habe, könne es unmöglich ein Leck geben, versichert Holmes scheinheilig. Sir James Lillybrook kommt ebenfalls, neben sich seinen Sekretär namens Charles Merriman, den er als „absolut vertrauenswürdig“ beschreibt.

Bauer Buzzle

Aber Holmes und Watson gehen lieber ins Dorf, wo sie im Gasthaus „Zum Engel“ logieren. Auf dem Weg kommen sie an einem Bauern vorbei, der sich über die vielen Wanderer ärgert. Warum nur? Na, diese Wanderer würden jede Nacht seine Erntestangen umlegen und zwar kreuz und quer. Watson soll ein Foto von den Erntestangen machen. Offenbar kennt Bauer Buzzle Sir James Lillybrook gar nicht, nur vom Sehen. Der habe sich ihm als „rechte Hand von Thomas Creswell“ vorgestellt, was vielleicht nicht ganz unwahr ist. Holmes beschließt, diesem Verhältnis auf den Grund zu gehen.

Ein Bauernopfer

Watson glaubt bereits, vor Langeweile auf dem Land verfaulen zu müssen, aber das Wochenende der Konferenz naht. Doch am nächsten Morgen um vier Uhr in der Frühe reißt ihn ein Ruf von Holmes aus dem verdienten Schlaf. „Los, los!“, drängt Holmes zu höchster Eile. „Und die Kamera mitnehmen!“ Watson beeilt sich in der Tat, und als sie endlich an Bauer Buzzles Feld angelangt sind, entdecken sie zwei vom nächtlichen Dienst erschöpfte Geheimdienstler sowie diverse Erntestangen.

Die Sonne geht auf, der Nebel des Morgens hebt sich. „Noch ein Foto, Watson!“ verlangt Holmes. Warum nur so ein blödes, leeres Feld, fragt sich Watson. Gleich im Anschluss fordert Holmes Inspektor Lestrade auf, jemanden zu verhaften. Lestrade ist erstaunt, denn inzwischen ist rein gar nichts passiert. „Bauer Buzzle?“, fragt er verwundert.

Watson muss noch ein Foto vom Feld machen. Allen ist Holmes‘ Verhalten ein Rätsel, nicht zuletzt Sir James Lillybrook, der von Lestrade benachrichtigt worden ist. Unterdessen entwickelt ein Chemiker die vielen Fotos, die Watson geschossen hat. Stunden später geben sie ihr verhängnisvolles Geheimnis preis…

Mein Eindruck

Ein harmloser Bauer als Meisterspion?, fragt sich nicht nur der Hörer verwundert. Doch wie sich herausstellt, ist Buzzle ein gewiefter Bursche, der weiß, bei wem man die Hand aufhalten muss. Das kann in Zeiten, in denen es um Krieg und Frieden geht, einen Unterschied machen – jeder einzelne Bürger zählt.

Und die Fotos, die Watson andauernd schießen muss, scheinen eine klare Sprache zu sprechen: ein unverdächtig aussehendes Feld, das ein fatales Geheimnis birgt. Das Feld liegt außerhalb jeder Überwachung, die sich auf das Konferenzgebäude und besonders auf den Ballsaal konzentriert. Dort hat Lestrade wie immer „alles im Griff“. Nur eben nicht das besagte Feld, denn das kümmert ihn nicht die Bohne. Dass Holmes das Feld als wahre Fundgrube von Indizien in Betracht zieht, belegt mal wieder, dass „out of the box“ denkt, auf Pfaden, auf die Normalsterbliche nicht im Traum kämen.

Sehr schön ist der Kontrast zwischen ländlicher Idylle, bäuerlichen Kommentaren und der brisanten Konferenz der Finanzminister herausgearbeitet. Sogar ein oder zwei Verschnaufer auf einer Gartenbank sind drin, und so fällt das Feld von Bauer Buzzle zwar ins Auge, wirkt aber völlig unverdächtig. Dass die ganze Angelegenheit jedoch todernst zu nehmen ist, belegt ein fataler „Jagdunfall“, dem ein prominenter Konferenzteilnehmer zum Opfer fällt.

Die Inszenierung

Die Sprecher

Dr. Watson nimmt die Stelle des zweifelnden gesunden Menschenverstandes gegenüber Holmes ein, welcher ein getriebener Junkie der Vernunftarbeit zu sein scheint. Watson ist der Gemütsmensch, ein Jedermann mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Holmes jedoch ist nicht nur Kopfarbeiter, sondern auch Schauspieler und Manipulator von Menschen. Deshalb kann er zuweilen recht unsympathisch auftreten.

Sherlock Holmes

Am besten gefällt mir Joachim Tennstedt als Sherlock, denn was er in diese Figur hineinlegt, ist sehr sympathisch und humorvoll – so als würde ein strahlender John Malkovich völlig entspannt aufspielen. Holmes‘ einziger Fehler ist seine Ablehnung des weiblichen Geschlechts oder vielmehr des Umgangs mit dessen Vertretern. Das soll aber weniger an latenter Homosexualität liegen, als vielmehr an seiner Abneigung gegen jede Art von emotionaler Sentimentalität. Dass er in der zweiten Hälfte des Stücks gestresst wirkt und autoritär auftritt, liegt vielleicht daran, dass endlich „fette Beute“ wittert – vielleicht aber auch an dem unerwähnten Beraterhonorar, das ihm seitens des Schatzkanzlers winkt.

Aber Holmes ist auch ein ausgezeichneter Schauspieler und engagierter Boxer. Ab und zu treibt er sich als aktiver Detektiv in Londons Sauwetter herum und kehrt völlig ausgehungert ins Hauptquartier zurück. Dann darf Mrs. Hudson, die stets als moralisches Zentrum auftritt, ihm Essen kredenzen.

Dr. Watson

Dr. John H(amish) Watson, 36, ist das genaue Gegenteil seines Freundes: jovial, höflich, frauenfreundlich und durchweg emotional, außerdem glücklich verheiratet. Leider sind seine logischen Schlüsse von dementsprechend unzulänglicher Qualität. Das war zu erwarten und dürfte keinen überraschen. Sobald eine schöne Frau auftritt, ist er von ihr hingerissen.

Nebenfiguren

Lutz Reichert spielt wieder mal als Inspektor Lestrade fast die Hauptfigur an die Wand (wie er es schon einmal getan hat). Im Pakt mit Holmes und Watson bildet er ein teuflisches Trio, in dem sich Ermittlungsgeschick, Sym- und Antipathie die Waage halten. Dass ihm Whisky lieber ist als Tee, versteht man auf Anhieb. Lestrade ist sehr von sich und seinen Fähigkeiten überzeugt, und das geht Watson sehr gegen den Strich. Er kann Egomanen nicht leiden.

Sir James Lillybrook führt den Detektiv und somit auch den Hörer durch die ganze Problematik des Spionagefalls. Weil er der einzige ist, der die Sachlage kenntnisreich schildert, ist es einerseits leicht, ihm zu glauben, andererseits auch, sich von ihm belügen zu lassen. Wo liegen Wahrheit und Lüge? Das herauszufinden, ist Holmes‘ Aufgabe.

Peter Weis spricht Bauer Buzzle als beinahe senilen, aber dennoch verärgerten Agrarwirtschafter, der trotz seines Wohnsitzes auf dem Lande – in Sussex – keineswegs ein Landei und auf den Kopf gefallen ist. Vielmehr ist er ein genauer Beobachter: Wanderer, Erntestange, Geheimdienstler – er hat alles im Blick. Dieser Blick bildet eine alternative perspektive auf die Geschehnisse auf Styles Court. Und als Holmes auch diese Perspektive hinterfragt, kommt er endlich auf die Lösung des Rätsels. Daher die Verhaftung: Es ist lediglich eine Art Schutzhaft, um Buzzle als Kronzeugen vor den wahren Tätern in Schutz zu nehmen.

Geräusche

Eine große Vielfalt von Geräuschen verwöhnt das Ohr des Zuhörers. Der Eindruck einer real erlebten Szene entsteht in der Regel immer. Papierrascheln, klappernde Teetassen, gluckernder Tee, schlagende Kirchenglocken, sowie zahlreiche Naturgeräusche wie etwa Vogelgezwitscher, Hundegebell und Kutschentrappeln – all diese Samples setzt die Tonregie zur Genüge ein, um einer Szene eine Fülle von realistisch klingenden Geräuschen zu vermitteln.

Auf diese Weise wird der Kontrast zwischen Baker Street 221B, dem Konferenzzentrum und dem Dorf ziemlich deutlich vermitteln, ohne mit einem Zaunpfahl darauf zeigen zu müssen. Der Hall in den Styles-Court-Szenen signalisiert Interieurs, das Feld und Dorf bildet Exterieurs, die durch idyllische Geräusche und Musik charakterisiert werden.

Die Musik

Das Intro, eine Art flott-dezente Teemusik, bildet den heiter-beschwingten Auftakt des Hörspiels und deutet die häusliche Idylle von Baker Street 221B an. Von einem Score im klassischen Sinn kann keine Rede mehr sein. Hintergrundmusik dient vor allem dazu, eine düstere oder angespannte Stimmung zu erzeugen, und zwar nur dort, wo sie gebraucht wird, aber idyllische und traurige Musik gibt es ebenfalls. Wer wie ich eine Soundbar mit Subwoofer verwendet, hört die tiefen Bässe sofort, die Gefahr und Bedrohung signalisieren.

Das Booklet

Das Titelmotiv zeigt die Szene, in der Holmes – vermutlich der Mann in der Mitte, der Papiere in der Hand hält – zwischen Dr. Watson und Sir James Lillybrook, dem Auftraggeber. Dass die Hände von Sir James grau erscheinen, liegt wohl an seinen Handschuhen.

Im Booklet sind die Titel des GRUSELKABINETTS verzeichnet sowie Werbung für den verstorbenen Illustrator Firuz Askin zu finden. Die letzte Seite zählt sämtliche Mitwirkenden auf. Die CD und der Einleger sind mit den Sherlock-Holmes-Motiven versehen, die die Reihe von Anfang an begleitet haben.

Unterm Strich

Der Titel könnte auch „Das Rätsel der Erntestangen“ laut. Was mit diesen Utensilien gemeint ist, wird nie erklärt, sondern als Allgemeinwissen vorausgesetzt. Für Städter und Wüstenbewohner, die noch nie ein Heufeld gesehen haben, ist das eine harte Nuss, die es hier zu knacken gilt. Meine Vermutung lautet daher, dass die Erntestangen wie das Dreibein eines Kamerastativs aufgerichtet werden, damit darauf frisch geerntetes Heu zum Trocknen aufgeschichtet werden kann. Bohnenstangen usw. würde man nämlich anders bezeichnen. Vom einem Privatacker ist ebenfalls nicht die Rede.

Dass in Sussex kurz nach vier Uhr morgens die Sonne aufgeht, werte ich als Hinweis – quasi mit der Erntestange – dass die entsprechende Jahreszeit der Sommer sein muss. Aber im Juni, den man nicht ohne Grund auch „Heumond“ nennt, wird regelmäßig Heu gemäht und eingefahren, denn das Gras sprießt wie irre. Mit ein wenig Detektivarbeit kommt der Hörer dem Hintergrund dieses verzwickten Falls ein wenig auf die Schliche.

Die Konferenz

Es geht um eine brisante Finanzkonferenz, deren Beschlüsse für die damaligen Finanzmärkte von höchster Bedeutung ist. Ein Meisterspion mit ein paar Aktien und Anteilsscheinen auf der hohen Kante könnte hier den schnellen Reibach mach, von seinen Partnern ganz zu schweigen. Styles Court erinnert an europäische oder G7- und G20-Konferenzen, auf denen bedeutende Beschlüsse gefasst werden.

Der Zeitpunkt ist indes unbestimmt. Erneut müssen die grauen Zellen rackern: Es müsste sich aufgrund der Indizien um einen Zeitpunkt handeln, der nahe am Ausbruch des ersten Weltkriegs liegt: die Briten, Russkis und Franzmänner sind noch Freunde, aber die Amis spielen bereits dominant mit – sie haben viel Kohle (und das machte spätestens 1917 den Unterschied). Deutsche, Italiener und Österreicher glänzen durch Abwesenheit, denn sie sind offenbar der Feind (was später auf Italien nicht mehr zutraf).

Vielfach hat bereits der Holmes-Schöpfer Doyle solche Staatsaffären zum Thema seiner Detektivfälle gemacht („Das Flottenabkommen“ usw.), aber der Reiz des vorliegenden Falls liegt darin, dass rein gar nichts auf den Spion hinweist, der die Infos quasi per Wiki-Leaks nach außen dringen lässt. Erst als Holmes sein Social Engineering einsetzt, um das des Täters zu konterkarieren, wird das Rätsel gelöst.

Das menschliche Dilemma

Der Täter steht fest, doch wie soll nun Gerechtigkeit erwirkt werden? Es ist eine sehr traurige Aufgabe, die Holmes niederdrückt. Aber sowohl der Gerechtigkeit als auch der Wahrheit dienen zu wollen, hat ihn in einen schweren persönlichen Konflikt geführt. Mehr darf nicht verraten werden. Und dass Watson als Chronist alle Namen außer dem von Holmes geändert hat, verrät er uns bereits in seinem Prolog.

Das Hörspiel

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und bekannte Stimmen von Synchronsprechern und Theaterschauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Der Kontrast zwischen Baker Street 221B, der kühlen Atmosphäre auf Styles Court und der entspannten Stimmung im ländlichen Idyll ist sehr schön herausgearbeitet, ohne dabei mit dem Zaunpfahl zu winken.

Die Sprecherriege für diese neue Reihe ist höchst kompetent und renommiert zu nennen, handelt es sich doch um die deutschen Stimmen von Hollywoodstars wie John Malkovich (Tennstedt) und George Clooney (Bierstedt). Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für spannende Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert, und die Stimmen der Hollywoodstars Clooney und Malkovich vermitteln das richtige Kino-Feeling.

CD: über 63 Minuten.
ISBN-13: 9783785785300

www.titania-medien.de

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