Alistair MacLean – Geheimkommando Zenica

Auf dem Balkan sind im Weltkriegsjahr 1943 7000 jugoslawische Partisanen in einer nazideutschen Todesfalle gefangen. Sechs britische Spezialagenten werden auf ein ebenso geheimes Kommandounternehmen geschickt, um das entscheidende Scherflein zu einem gewagten Rettungsplan beizutragen … – Um seine realgrausamen Aspekte bereinigt, wird der Krieg zum Abenteuer, das tatkräftigen Männern die Gelegenheit gibt, heldenhaft ins Weltgeschehen einzugreifen. In diesem Kontext bietet Autor MacLean anspruchsarme, aber gelungene Unterhaltung.

Das geschieht:

Noch steht über der griechischen Mittelmeerinsel Navarone jener Rauchpilz, der das Ende der berüchtigten, von den Nazi-Deutschen dort positionierten Riesen-Kanonen anzeigt. Ein kleines Team alliierter Spezialisten konnte sie in diesem Herbst des Jahres 1943 in die Luft jagen. Nun freuen sich die Überlebenden – Captain Keith Mallory, der Sprengstoffexperte Dusty Miller und der griechische Untergrundkämpfer Andrea Kostas – auf eine wohlverdiente Pause; Kostas will sogar heiraten.

Doch der Krieg fordert ihre sofortige Anwesenheit an einer anderen Stelle. In Jugoslawien wehren sich Partisanen erbittert gegen die Deutschen, die ihr Land besetzt halten. Vor allem im Tal des Flusses Neretva bereiten sie den Nazis große Probleme. Im von Bergen und Wasser gut geschützten „Zenica-Käfig“ haben sich 7000 Untergrundkämpfer verschanzt. Allerdings gehen ihnen Nahrung, Medikamente und vor allem Munition aus, während General Zimmermann eine große Offensive vorbereitet, um die Partisanen zu vernichten.

Mallory, Miller und Andrea sollen dies verhindern, indem sie vor Ort in Erfahrung bringen, wieso es den Deutschen immer wieder gelingt, die Alliierten daran zu hindern, den eingeschlossenen Partisanen aus der Luft Nachschub zu liefern. Offensichtlich treiben Verräter ihr Unwesen, deren Treiben ein Ende bereitet werden soll. Doch die drei Männer – die von drei neuen Gefährten begleitet werden – haben Pech. Zwar können sie über Bosnien mit dem Fallschirm abspringen, aber sie fallen den Četniks – Partisanen in nazideutschen Diensten – in die Hände, und Anführer Droshny liefert sie Hauptmann Neufeld aus. Glücklicherweise können die Agenten ihn mit einer gut vorbereiteten Lügenstory täuschen, doch dies ist nur der Auftakt eines riskanten Täuschungsmanövers, während das Zenica-Kommando seine eigentliche Mission unter steigendem Zeitdruck erfüllen muss …

Was einmal funktioniert hat …

Eigentlich wundert man sich, dass es so lange gedauert hat, bis die Helden von Navarone in einen neuen Einsatz geschickt wurden. In den 1960er Jahren war der Hang (oder Zwang) zur Fortsetzung und die Gründung einträglicher Franchises noch nicht so selbstverständlich wie im 21. Jahrhundert. So kam es, dass Alistair MacLean überhaupt nur einmal auf Figuren eines früheren Romans zurückgriff; er hatte genug Ideen für neue Geschichten. Doch „Die Kanonen von Navarone“ waren spätestens durch die immens erfolgreiche Verfilmung zu einem Pfund geworden, mit dem sich wuchern ließ. (Die komplizierte Vorgeschichte der Fortsetzung wird weiter unten erläutert.) 1968 war es jedenfalls so weit: Mallory, Miller und Andrea zogen wieder in den Krieg.

Schon damals dürfte bei nüchterner Betrachtung deutlich gewesen sein, dass MacLean die Navarone-Story noch einmal in neuer Umgebung erzählte. Die Variationen beschränkten sich auf die Schilderungen der Kämpfe, und eine neue, selbstverständlich unbezwingbare Nazi-Festung wurde neben weiteren Hindernissen bezwungen und zerstört. Darüber hinaus legte MacLean – schon 1968 war dies fortsetzungstypisch – alles eine Nummer größer an: Die Ereignisse spielten nun in einem dramatisch wilden und unzugänglichen Tal, auf einer spektakulären und strategisch unerhört wichtigen Brücke und an einem monumentalen Staudamm, wobei sämtliche Schauplätze final durch eine grandiose Katastrophe miteinander verknüpft wurden.

Die Handlung ist lange schwer durchschaubar, zumal sich Autor MacLean ein wenig zu sehr ins Zeug legt. Noch hat die Mission gar nicht begonnen, da wird uns bereits ein bunter Strauß verwirrender Tarn-Identitäten und alternativer ‚Wahrheiten‘ präsentiert. Vor allem Anführer Mallory balanciert mit mehreren Realitäten, weshalb nicht nur die Leser, sondern auch die mit in den Balkan geschickten Gefährten misstrauisch und renitent reagieren: Sie wollen wissen, was tatsächlich los ist, und uns geht es genauso!

Taktische Feinmechanik auf einem Pulverfass

Täuschen, flüchten, Nazis (und Četniks) killen: So ließe sich die Handlung beschreiben, sobald man in Bosnien gelandet ist. Was realhistorisch dort geschieht, reißt MacLean pflichtschuldig aber kurz und unter Ausschluss sämtlicher hässlicher Aspekte an. Briten und Partisanen gegen Nazis und Četniks = Gute gegen Böse – auf diese Formel lässt sich das Konzept herunterbrechen. Ein solches Garn ist zeitlos; es könnte auch im Wilden Westen oder im Kalten Krieg oder im modernen Nahost-Tohuwabohu spielen, denn die Historie ist hier ein Spielfeld, auf dem nicht die Wahrheit, sondern der Autor das Sagen hat.

Glücklicherweise ist MacLean ein überaus professioneller Unterhaltungsschriftsteller. Obwohl „Geheimkommando Zenica“ quasi einen Drehbuchentwurf zweitverwertet, arbeitete der Autor mit jener Sorgfalt, die ihm erst in der Spätphase seiner Karriere verlorenging. Die winterliche Landschaft der bosnischen Berge fließt geschickt in das turbulente Geschehen ein; Topografie und Wetter werden vor allem im großen Finale zu elementaren Aspekten.

Weniger Sorgfalt lässt MacLean seinen Figuren angedeihen. „Die Kanonen von Navarone“ erzählte auch die Geschichte eines Mannes, der kein Held war, sondern seinen Auftrag erfüllen wollte. Selbstzweifel und Ängste beschrieb der Autor überaus glaubwürdig. Solche Feinheiten entfallen dieses Mal. Miller mag immer wieder Höhenangst und Kampfverdruss zur Sprache bringen, doch das sind (humorvoll gemeinte) Phrasen. Zwar stehen die drei ‚Neuen‘ einmal kurz vor der Meuterei, weil die ‚Alten‘ sie im Dunkeln lassen, aber auch das endet schnell und folgenlos. Die Partisanen, um die es bei dieser Mission geht, bleiben reine Statisten, die Deutschen sind Buh!-Nazis, die Četniks waldwilde Unholde. MacLean nimmt in Bosnien sogar eine (Quoten-) Frau ins Geheimkommando auf; Marie muss viele Racheschwüre zischen und sich retten lassen, weshalb von Gleichberechtigung nicht einmal ansatzweise gesprochen werden kann. (Ins Deutsche übersetzt wurde dieser Männer- und Action-Roman übrigens von einer Frau – und das gut.)

Dies dürfte ganz im Sinn des Zielpublikums (gewesen) sein, das einfach miterleben will, wie sich harte Jungs einfallsreich aus faktisch aussichtslosen Situationen winden und dabei so viele Schurken wie möglich vertilgen, so oft sie dabei auch verprügelt und angeschossen werden. Auf diese Weise hätte es weitergehen können, aber da sich der Erfolg von „Geheimkommando Zenica“ als Buch und Film in Grenzen hielt, kam es nie dazu.

Von „Geheimkommando Zenica“ zu „Der wilde Haufen von Navarone“

„Die Kanonen von Navarone“ war 1961 ein Kino-Blockbuster. Schon kurz nach dem Kassensturz bedrängten Hollywood-Produzenten Alistair MacLean, der die Romanvorlage geschrieben hatte, und forderten eine Fortsetzung. MacLean wollte sich zu diesem Zeitpunkt nicht darauf einlassen, bot aber ein Drehbuch an, das 1967 verfilmt werden sollte.

Aus dem Film von 1961 hatten jene Figuren überlebt, die von Gregory Peck, David Niven und Anthony Quinn verkörpert wurden. Sie wurden nun als zu alt für ihre Rollen betrachtet. Die Fortsetzung zerschlug sich, das Script landete in Hollywoods berüchtigter „Development Hell“, wo es erst 1978 wieder zum Vorschein kam. Alistair MacLean arbeitete in der Zwischenzeit seinen Entwurf in einen Roman um, der 1968 erschien.

Obwohl der Blockbuster-Effekt der „Kanonen“ nach 17 Jahren verpufft war, kam „Force 10 from Navarone“ – der in Deutschland den Titel „Der wüste Haufen von Navarone“ trug – doch zustande. Die Rolle von Anthony Quinn wurde ersatzlos gestrichen, für Gregory Peck sprang Robert Shaw, für David Niven Edward Fox in die Bresche; sie wurden durch jüngere Darsteller wie Harrison Ford, Carl Weathers oder Franco Nero verstärkt. Anders als 1961 gab es nun auch eine Frauenrolle, in der Barbara Bach primär weiblich anwesend war, da das Drehbuch für sie keine echte Funktion vorsah. Die Regie übernahm Guy Hamilton, der drei James-Bond-Filme inszeniert hatte; „Force 10 from Navarone“ war keine Billig-Produktion.

Dennoch konnte sich der Film nicht an der Kinokasse bewähren. Allzu offensichtlich waren einerseits die Unterschiede zur Romanvorlage, die ihrerseits eine Kopie der „Navarone“-Story darstellte. In der Filmgeschichte stellt „Der wilde Haufen von Navarone“ deshalb höchstens eine Fußnote dar, weil er den wenig später dank „Star Wars“ und „Indiana Jones“ zum Weltstar aufgestiegenen Harrison Ford sowie Robert Shaw in seiner zweitletzten Rolle präsentierte.

Autor

Alistair Stuart MacLean wurde am 21. April 1922 im schottischen Glasgow geboren. Er wuchs in den Highlands nahe Inverness auf und besuchte die Hillhead High School in Glasgow. Der II. Weltkrieg prägte das Leben des jungen Alistair. 1941 meldete er sich zur Royal Navy. Zweieinhalb Jahre diente er auf einem Kreuzer und geriet u. a. in japanische Kriegsgefangenschaft. Nach dem Krieg studierte er an der Glasgow University Englisch. Ab 1953 arbeitete er als Schullehrer für Englisch und Geschichte an der Gallowflat Secondary School in Glasgow.

In dieser Zeit begann MacLean zu schreiben. Seine Kurzgeschichte „The Dileas“ gewann 1954 einen Preis, was ihm die Aufmerksamkeit des Verlegers William Collins sicherte. Dieser riet MacLean ein Buch zu schreiben. „HMS Ulysses“ (dt. „Die Männer der Ulysses“) erschien 1955. Es basiert auf MacLeans Kriegserlebnissen auf See und wurde umgehend ein Bestseller.

In den nächsten drei Jahrzehnten reihte der Verfasser Erfolg an Erfolg. Der typische MacLean Roman schildert die gefährlichen Abenteuer eines stoischen Einzelgängers oder einer isolierten Gruppe, die gegen eine feindliche Übermacht und mindestens einen Verräter in den eigenen Reihen kämpfen muss. Platziert wurde dieser Plot im II. Weltkrieg, im Geheimdienst Milieu, später auch im internationalen Terrorismus. Ihre recht simple, aber höchst effiziente Konstruktion ließ diese Geschichten für den Film interessant werden. Zahlreiche MacLean Werke wurden erfolgreich und vor allem in den 1960er Jahren mit großem Staraufgebot verfilmt; der Autor schrieb nicht selten selbst die Drehbücher.

Bestseller Ruhm, Reichtum, Anerkennung: In den 1980er Jahren gehörte MacLean mit 30 Millionen weltweit verkaufter Bücher zu den erfolgreichsten Schriftstellern der Welt. 1983 ehrte ihn die Glasgow University mit einem Ehrendoktorhut. Aber MacLean war zu diesem Zeitpunkt bereits ein durch Alkoholismus zerstörter Mann. Am 2. Februar 1987 starb er nach einer Serie von Schlaganfällen in München; begraben wurde er in Celigny in der Schweiz, wo er als Steuerflüchtling residierte und seit den späten 1950er Jahren auch als Hotelier tätig war. Er hinterließ eine Anzahl von Exposés, die zum Teil in Filmdrehbücher verwandelt wurden. Da Geschäft außerdem Geschäft ist, arbeiteten Lohnautoren (John Denis, Simon Gandolfi, Alastair MacNeill, Hugh Miller) diese Fragmente in „Romane nach Alistair MacLean“ um, dessen Name selbstverständlich in besonderer Größe auf den Titelbildern prangte.

Von seinen Werken hatte MacLean selbst (scheinbar) nicht viel gehalten. Er schreibe nicht gern und daher möglichst schnell und bleibe deshalb am liebsten bei der ersten Fassung, gab er zu Protokoll. Die späteren Werke leiden stark unter dieser Praxis (sowie an überzogenen Plots). Sich selbst betrachtete MacLean nicht als Schriftsteller, sondern als Geschichtenerzähler. Der Action gab er stets den Vorrang vor der Psychologie, Kamerad und Männerfreundschaften ersetzen Romanzen. In diesem Rahmen lieferte MacLean in seinen besten Tagen zeitlose Klassiker der puren Unterhaltung.

Taschenbuch: 301 Seiten
Originaltitel: Force 10 from Navarone (London : Harper/HarperCollinsPublisher 1968)
Übersetzung: Georgette Beecher-Kindler
http://www.harpercollins.de

E-Book: 1697 KB
ISBN-13: 978-3-95967-763-9
http://www.harpercollins.de

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