Larry Niven – Wenn der Zauber vergeht… Fantasyroman

Sword & Sorcery-Roman als Comicbook-Ersatz

Einst war die Magie allgegenwärtig. Zauberei beherrschte die junge Erde, eine Welt der Illusionen, Phantasmen und Wunder. Aber die Magier der Vorzeit gingen zu verschwenderisch mit dem MANA um, der Zauberkraft, und der Zauber verschwand. Barbaren konnten die nunmehr schutzlosen Mauern der Städte und Burgen stürmen, und die Griechen eroberten das prächtige Atlantis.

Nun macht DER MAGIER mit seinem Gefährten, dem indianischen Amerikaner Klumpfuß auf, um die Magie wieder zurückzubringen. Dazu bedient er sich des Wissens des ältesten und bösesten aller Zauberer, der in einem Totenschädel eingeschlossen ist, und der Kraft eines jungen Griechen, der sich aus dem Untergang Atlantis’ retten konnte.

„Über 50 Illustrationen von Esteban Maroto machen das Buch zu einem kleinen Schatz für jeden Fantasy-Freund.“ (Verlagsinfo)

Der Autor

Der Mathematiker Larry Niven (*1938) ist einer der wichtigsten Vertreter der naturwissenschaftlich orientierten Science Fiction bzw. „Hard SF“. Zu seinen wichtigsten Werken gehört der „Ringwelt“ Zyklus (ab 1971). Seine bekannteste Kooperationsarbeit mit Pournelle ist der Katastrophenroman „Luzifers Hammer“, aber auch „Der Splitter in Gottes Auge“ ist sehr beliebt. Niven ist ein Spezialist im Austüfteln und Schildern fremder Welten. Seine These: Technischer Erfindergeist erweist sich letztlich als vorteilhaft. In seinem zusammen mit David Gerrold verfassten Roman „Die fliegenden Zauberer“ treten Magier ebenfalls als Erfinder einer gewissen Art auf.

Handlung

Die Fischer an der Küste staunen nicht schlecht, als nach einer großen Flutwelle ein Floß an den Strand gespült wird und sie darauf einen wehrhaften Krieger und eine tote Zentaurenmaid finden. Doch das Schwert des Kriegers ist zerbrochen, somit ist er harmlos. Sie päppeln ihn wieder auf, wofür er sich mit harter Arbeit revanchiert. Er arbeitet für zwei, und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Als er nach einem Zauberer fragt, müssen sie passen: Alle Magier sind verschwunden, und nur im fernen Prissthil gibt es noch eine Hexe. Sie heißt Mirandee. Der Krieger namens Orolandes bedankt und verabschiedet sich, bevor er aufbricht – nicht ohne dem Häuptling einen goldenen Armreif zu hinterlassen.

Der letzte Magier

Der letzte Magier und sein Begleiter Klumpfuß beeilen sich, zu einer magischen Versammlung mit Mirandee und ihrem Kollegen Piranther zu gelangen, die in Prissthil stattfinden soll. Die Wachen am Stadttor sind nicht beeindruckt. Die beiden Gestalten haben mit ihrem mageren Esel die Wüste durchquert und sehen erschöpft und abgerissen aus. Immerhin versteht es der Magier, die Statue des Wächterhundes, die das Tor überragt, zum Leben zu erwecken. Mit etwas mehr Ehrfurcht lassen sie den kahlköpfigen alten Mann und seinen klumpfüßigen Begleiter mit der Adlerfeder im Haar passieren.

Im „Gasthaus zum balzenden Phönix“ erweckt ihr Erscheinen bei den Gästen zunächst Beklemmung, doch sobald der Magier seine Farbenspiele und Tricks wirken lässt, lockert sich die Stimmung erheblich. Ein gewisser Krieger beobachtet sie unauffällig. Doch das Duo hat auf seinem Zimmer ein unheimliches Mitbringsel im Gepäck: den Schädel mächtigsten Zauberers aller Zeiten. Sein Spitzname lautet Zitterberg, doch nun ruft der Magier – nach gewissen Vorbereitungen – seinen wahren, streng geschützten Namen: „Kranthkorpool!“ Der Schädel erwacht zum Leben – um eine Minute lang einen entsetzlichen Schmerzensschrei auszustoßen. Und sobald ihm der Magier zwei Weintrauben in die Augenhöhlen gesteckt hat, kann er sogar sehen.

Angeheuert

Das Anliegen des letzten Magiers ist vertrackt: Er will den Zauber, das MANA, wiedererwecken, und dafür sind gewisse Bedingungen zu erfüllen. Gelingt das Vorhaben nicht, werden die Barbaren das Land überfallen und dem Erdboden gleichmachen. Bis es soweit ist, bleibt nicht mehr viel Zeit. Zitterberg behauptet, er kenne ein Mittel, doch da tritt Orolandes die Tür ein. Er gibt sich als einer der griechischen Eroberer von Atlantis zu erkennen, und offenbar trägt er schwer an seiner Schuld, so etwa am Tod des Zentaurenmädchens auf seinem Rettungsfloß. Aber der Untergang von Atlantis, wo es viel Mana gab, trug noch mehr zum Verschwinden des Zaubers bei. Zitterberg bittet den Schwertkämpfer um seine Hilfe, und der sagt zu.

Konzil

Außerhalb der Stadt treffen sich die vier mit den beiden anderen magischen Personen, nämlich der weißhaarigen, aber jung aussehenden Mirandee und dem schwarzhäutigen Pilanther. Klumpfuß, die Rothaut, eröffnet das Konzil der Magier und sagt, dass das Mana aus der Welt verschwindet – und damit auch die davon abhängigen Zauberwesen wie Elfen, Einhörner, Nixen und so weiter. Pilanther kennt noch ein paar Orte in Australien, wo es bis vor kurzem Mana gab – doch sein Volk, das sich vor den weißen Eroberern ins Landesinnere zurückziehen musste, hat fast alles Mana aufgebraucht. Es gebe noch welches an den Polen und am Meeresgrund. Wo es ihnen verdammt wenig nützt.

Der Mond

Der Magier macht den Vorschlag, der die anderen erstaunt: Die Kraft, die Mond an seinem Ort über der Erde hält, müsse doch Mana sein. Wie wäre es, den Mond auf die Erde zu holen? Nicht etwa in den Ozean, sondern in die Wüste Gobi, wo eh keiner lebt. Alle verschwören sich diesem Vorhaben, alle außer Pilanther. Sie packen ihre Sachen, holen zwei Träger und machen sich auf den Weg zu demjenigen Ort, der dem Mond am nächsten liegt: Walhalla.

Walhalla

Dieser Ort liegt auf dem Gipfelplateau des hohen Berges, der direkt über der Stadt aufragt. Schnell stellt sich heraus, dass die Zauberer alles andere als fit sind, denkt Orolandes. Aber sie kennen wenigstens den Weg, an Ruinen und Statuen vorbei, an leeren Thronen, wo nur noch Nebel hängt, jenseits der Wolkenschicht , an einem Abgrund vorbei. Schließlich gelangen sie auf das Plateau. Vor ihnen erstreckt sich im Mondlicht das Wolkenmeer. Der Magier langt in seine Umhängetasche und mit seiner vollen Hand streut er etwas über die Wolken hin, als wolle eine Saat aussäen. Dann tritt er auf die Wolken hinaus. Statt hindurchzufallen, wandert er darauf los, und die restlichen Zauberer folgen ihm.

Mirandee

Obwohl Orolandes seine Zweifel hat, ob die Wolken ihn tragen würden, gelingt es auch ihm, seinen Weg über die Wolken zu finden. Und so beginnt seine Reise ins Ungewisse, begleitet von der schönen Hexe Mirandee, die seine Gedanken lesen kann. Statt ihn für seine Missetaten – er hat hunderte von Menschenleben auf dem Gewissen – zu verachten, vergibt sie ihm und tröstet ihn mit intimer Zweisamkeit. Zusammen mit den Zauberern sucht das Liebespaar ausgerechnet den Gott der Liebe und des Wahnsinns…

Mein Eindruck

Wenn man die Geschichte ebenso flott liest, wie sie erzählt ist, wird der leser gut unterhalten und amüsiert sich obendrein. Die Story ist mit allen Attributen eines Sword & Sorcery-Abenteuers ausgestattet, wie es Robert E. Howard, Lin Carter und Fritz Leiber entwickelt haben. Jede solche Geschichte ist in sich geschlossen, muss aber hinsichtlich ihrer Regeln konsistent sein, darf also keine inneren Widersprüche aufweisen. So tauchen beispielsweise keinerlei Maschinen auf. Und dass der Autor den Ton humorvoller Fantasy treffen kann, hat er mit „Die fliegenden Zauberer“ (deutsch bei Heyne) bewiesen.

Anstelle von Wissenschaft wirkt Magie. Das wird nirgendwo deutlicher sichtbar als während der langen Wanderung über das Wolkenmeer. Folglich hat derjenige die größten Schwierigkeiten, der an der Wirkung von Magie zweifelt, so etwa Orolandes selbst. Mirandee belehrt ihn eines Besseren und führt ihn zurück auf die Gefilde der Liebe. Die Zauberer sind hingegen dauernd im Streit miteinander, wie es heutige Wissenschaftler auch wären.

Sobald der Magier und sein Begleiter Klumpfuß, die noch am ehesten an Wissenschaftler erinnern, von den „Nordiks“ verschleppt werden, beginnt ein amüsantes ironisches Zwischenspiel. Als wären sie in Finnland oder Schweden muss das Duo die Qualen der Sauna erdulden, die sich offenbar besonders in der Nacktheit der Nordikfrauen manifestieren. Auch in die Dienste der herrschenden Eisriesen soll der Magier gezwungen werden. Man kommt sich vor wie in der CONAN-Version von „Gullivers Reisen“.

Derlei Ungemach endet jedoch früher oder später am Ziel, nämlich in der Grotte des Gottes von Liebe und Wahnsinn. Hier lauern zahlreiche Gefahren, und auch der abtrünnige Zauberer Pilanther ist, wie der gewiefte leser bereits erwartet hat, wieder mit von der Partie – die er natürlich gemäß seinen eigenen Absichten gestalten will. Glücklicherweise ist die Idee, den Mond auf die Erde zu holen, vom Tisch: Von der Erde würde nämlich ziemlich wenig übrigbleiben. (Diese Idee hat der Autor in seiner ausgezeichneten Erzählung „Inconstant Moon“ durchgespielt. Sie ist in einer der zahlreichen Heyne-SF-Anthologien zu finden.)

Stattdessen macht sich der unheilvolle Einfluss des Gottes unangenehm bemerkbar, natürlich hinsichtlich der Phänomene Liebe und Wahnsinn. Der Gott wächst ins Unermessliche! Wird Zitterberg endlich seinen geheimen Zauberspruch einsetzen? Mehr darf hier nicht verraten werden. Man sieht also, dass die Geschichte, ähnlich wie bei Fritz Leiber, recht pfiffig durchgeführt ist, ohne den jugendlichen Leser, für den sie geschrieben wurde, zu verunsichern oder zu überfordern.

Die Illustrationen

Der Text ist in großer Schrifttype gesetzt, nähme also in einer der üblichen Schriftgrößen höchstens zwei Drittel seiner Länge von geschätzt 150 Seiten ein. Die restlichen Seiten entfallen auf die zahlreichen Illustrationen, von denen es deutlich mehr als 50 zu bewundern gibt. Viele davon sind doppelseitig. Esteban Maroto ist ein Meister der großformatigen Darstellung mit viel Sinn für Fokus und Details, die er übersichtlich anordnet. Die Details können überhandnehmen, wenn er einen Gottesthron oder eine Schatzkammer zeigt, aber über den Wolken ist die Lage wesentlich übersichtlicher.

Die Illustration des Covers stammt von Boris Vallejo. Sein Stil ist ebenfalls unverkennbar. Die drei Figuren sind von vorne (Schwert) bis hinten (Schädel) in der Tiefe aufgebaut und verleihen der Darstellung einen Eindruck von Dreidimensionalität. Dass Vallejo der Maler ist, zeigt sich nicht zuletzt an der wohlgebauten Lady an der Seite bzw. hinter dem Schwertkämpfer. Dass sie unbewaffnet ist, aber zugleich den königlichen Purpur als Umhang trägt, macht sie zu einer Art Prinzessin. Das reale Vorbild könnte Vallejos Lebensgefährtin und Geschäftspartnerin Julie Bell gewesen sein.

Die Übersetzung

Von Eva Eppers war ich bislang höhere Qualität gewohnt. Dies ist offenbar eine ihrer frühen Arbeiten, denn es wimmelt vor Druckfehlern, stilistischen Unsicherheiten und semantischen Fragwürdigkeiten. Daher wäre es sinnlos, die vielen Stellen aufzulisten: Es sind zu viele. Immerhin trifft sie den Ton der heroischen Geschichte einigermaßen, hätte aber den ironischen Humor hervorheben können. Der Leser sollte die Geschichte nämlich nicht allzu ernstnehmen.

Unterm Strich

Vom Umfang her reicht der Text gerade mal für eine Novelle, aber die Handlung hat zwei, drei Wendungen, die sie komplexer als eine geradlinige Kurzgeschichte machen. Zum einen spaltet sich die Gruppe in die zwei Zauberer Magier und Klumpfuß auf, die andere besteht aus Orolandes, Mirandee und dem Schädel von Zitterberg. Doch die Wiederkehr von Pilanther aus dem vermeintlichen Exil sorgt für eine drastische Wendung der Ereignisse. Es bleibt also stets spannend.

Erotik und Humor

Einen Ausgleich bilden Erotik und Humor. Die Übersetzung bringt den trockenen Humor des Magiers zwar nicht besonders gut zur Geltung, aber man findet die Ironie zwischen den Zeilen. Erotik gibt es durchaus genügend, trocken kommentiert und gebilligt vom Magier. Doch die Illustrationen von Maroto machen die anmutige Attraktivität der empathischen Hexe unübersehbar. Mirandee ist eben eine Augenweide.

Die ewige Suche

Auf den ersten Blick ist es nicht leicht zu erkennen, aber die Suche nach dem verlorenen MANA ist auch eine Suche nach Glaube und Götterverehrung. Etwas hat sich stark verändert, doch worin dies besteht, erschließt sich dem leser erst Kapitel für Kapitel. Schon die Kapitelüberschrift „Walhalla“ ist ein klarer Hinweis auf den Sitz von Göttern: Er ist verlassen. Was da über die Wolken ragt, ist nur leerer Fels, über dem die fernen Sterne strahlen. Es ist dieses Vakuum an Bedeutung, das Menschen wie die Nordiks fürchten. Es ist die Leere der Wissenschaft, die die Magie abgeschafft hat, indem sie alles in Zweifel zieht. (Den geistesgeschichtlichen Hintergrund dürfte wohl jeder kennen.)

Aber können auch Eisriesen beanspruchen, als Götter verehrt zu werden? Der Magier hat da so seine Zweifel, und als Diese Riesen tatsächlich auftauchen, geht die Sache nicht besonders gut aus. Ein ganz anderes Kaliber ist hingegen der Gott der Liebe und des Wahnsinn. Während er selbst wahnsinnig ist und stetig wächst, entzieht er seiner Umgebung jegliche Liebe. Die Wirkung ist prompt und sehr ernüchternd. Fazit: Die einzige Magie, die es wert ist, bewahrt und behütet zu werden, ist die Liebe. Denn ohne sie wäre das menschliche Dasein so verzweifelt und leer wie das verlassene Walhalla unter den Sternen.

Hinweis

Es gab eine kurze zeit Anfang der achtziger Jahre, als solche Texte für das Taschenbuchformat erschlossen und durch Illustrationen zu einem Comicbook-Ersatz aufgepimpt wurden. Die Mode war kurzlebig, denn der Aufwand stand wohl in keinem Verhältnis zum Ertrag, und wahre Comicbook-Fans ließen sich eh nicht damit gewinnen. Daher sind solche Bücher heute gesuchte Sammelobjekte. Die meisten gibt es preiswert im Online-Antiquariat zu erstehen, so auch dieses.

Taschenbuch: 222 Seiten mit über 50 Illustrationen von Esteban Maroto.
Originaltitel: The magic goes away, 1978
Aus dem Englischen von Eva Eppers;
ISBN-13: 9783404200351

www.luebbe.de

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