Robert Holdstock – Odins Wolf (Berserker-Saga 1)

Die Berserker-Saga:

Band 1: „Odins Wolf“
Band 2: „Die Jägerinnen von Connacht
3) „The Horned Warrior“ (1979, nicht übersetzt)

Dem Ewigen Helden ebenbürtig, aber lausig übersetzt

Harald Schmetteraxt, ein junger Norweger, von Odin verflucht, wird zu einem wahnsinnigen Krieger, der Tausenden den Tod bringt. Wenn ihn der Kampfrausch überkommt, treibt er ganze Heere in die Flucht, und nicht einmal seine eigene Familie ist vor ihm sicher. Verzweifelt flieht er vor dem eigenen Schicksal, aber wohin er auch kommt, bringt er Tod und Verderben – er ist ein Berserker. (Verlagsinfo)

Der Autor

Robert Paul Holdstock, geboren 1948, begann mit dem Schreiben schon 1968, machte sich aber erst 1976 als Schriftsteller selbständig und schrieb daraufhin eine ganze Menge Genre-Fantasy. Dabei entstanden wenig interessante Trilogien und Kollaborationen an „Sword and Sorcery“-Romanen, u. a. mit Angus Wells.

Erst 1983 und 1984 taucht das für die Ryhope-Sequenz wichtige Motiv des Vater-Sohn-Konflikts auf. Beide Seiten werden getrennt und müssen wieder vereinigt werden. Das Besondere an dieser emotional aufgeladenen Konstellation ist jedoch, dass die Bewegung, die dafür nötig ist, in einer Geisterwelt stattfindet: dem Ryhope-Forst.

In Holdstocks keltischer Fantasy befindet sich in diesem Urwald, der kollektiven Unbewussten C. G. Jungs entspricht, erstens ein Schacht, der mit weiterem Vordringen ins Innere immer weiter zurück in der Zeit führt. Eines der wichtigsten und furchtbarsten Ungeheuer, Urscumug, stammt beispielsweise aus der Steinzeit. Und zweitens finden bei diesen seelischen Nachtreisen durch die Epochen permanent Verwandlungen, Metamorphosen statt. So verwandelt sich die Hauptfigur Tallis in „Lavondyss“ schließlich in eine Dryade, einen Baumgeist. Das ist äußerst faszinierend geschildert.

Am Ende der Nachtreisen warten harte Kämpfe, die auch in psychologischer Hinsicht alles abverlangen, was die Kontrahenten aufbieten können. Und es ist niemals gewährleistet, dass die Hauptfiguren sicher und heil nach Hause zurückkehren können. Denn im keltischen Zwielicht, das noch nicht durch das christliche Heilsversprechen erleuchtet ist, scheint am Ende des Weges keine spirituelle Sonne, sondern dort wartet nur ewige Nacht. Es ist also die Aufgabe des Autors darzulegen, wie dieses schreckliche Ende vermieden werden kann.

Handlung

Gott Odin schickt einen seiner persönlichen Wölfe los, auf dass er einen bestimmten Mann suche …

Gotthelm

Harald Schmetteraxt ist gerade mal 18 Jahre alt, als er einem Gott begegnet. Der Junge hat als Norweger in Irland gekämpft, geplündert, aber nie vergewaltigt. Und er hat sogar Wehrlose verschont. Man nennt ihn spöttisch den Unschuldigen. Auf dem Rückweg von der Schlacht zum befestigten Dorf seines Vaters an der Küste begegnet er dem Krieger Gotthelm, der aus dem irischen Süden stammt.

Gotthelm trägt einen Zauberhelm: Auf dessen Oberfläche sind Kampfszenen dargestellt, die zu Anfang sieben tödliche Begegnungen zeigten, doch nun sind es nur noch zwei. „Dies“, sagt Gotthelm, „sind die möglichen Tode, die ich sterben werde. Ich weiß also schon im Voraus Bescheid, wenn es gefährlich wird. Ein Zauberer hat mich mit diesem Helm entlohnt.“ Die nächste Szene zeigt einen Bären und einen Wolf …

Das Dorf

Zusammen ziehen sie nach Hause, wo Haralds Verlobte Elena bereits auf ihn wartet. Er kann es kaum erwarten, ihren weichen Körper an sich zu drücken. Vor der väterlichen Festung liegt das Dorf, in dem Harald geradezu aufgewachsen ist, bei Freunden des Vaters. Dieses Dorf findet er nun verwüstet vor, sämtliche Bewohner auf grausamste Weise erschlagen. Da wird er beschossen.

Der Schütze stellt sich als ein sterbender Berserker heraus. Berserker sind ungeheuer stark und haben sich dem Totem des Bären geweiht. Viele von ihnen tragen deshalb Bärenschädel anstelle eines Helms. Als Infanterie sind sie von größter Wirkung auf den gegner, denn nichts scheint ihnen etwas anhaben zu können. Noch im Sterben verwundet der Berserker Gotthelm schwer am Oberschenkel.

Die Berserker

In der Festung des Vaters herrscht eine seltsam angespannte Atmosphäre. Nicht einmal das Wiedersehen mit Vater und Elena, die sich um Gotthelm kümmern soll, kann Harald davon ablenken. Bald findet er die Ursache heraus: Die so harmlos und stillwirkenden Fremden am Lagerfeuer vor der großen Halle sind Berserker! Wie konnte sie sein Vater nur hereinlassen? In einer Geste der Herausforderung wirft er ihnen den Kopf ihres Kampfgefährten aus dem Dorf vor die Füße. Sie geraten sofort in Aufruhr, doch halten sie an sich. Aber wie lange noch?

Der Gott

Harald und sein Vater feiern gerade mit viel Ale seine Rückkehr, als die Berserker bewaffnet die Halle betreten. Mit Schwertern und Äxten gehen sie ohne Vorwarnung auf die Trinkgesellschaft los. Harald kann hinausfliehen, doch dort wartet ein neuer Schrecken auf ihn: die turmhohe Gestalt eines Bären, der ihn anbrüllt, sobald er ihn erblickt. Es handelt sich um Odin, den Gott, der schon den Wolf ausgesandt hat. Ein Schlag der Pranke streckt Harald nieder …

Der Fluch

In Walhalla treten die Berserker vor den Dämonengott Odin und fordern von ihm Haralds Bestrafung: Er soll einer von ihnen werden. Odin gewährt den Wunsch nur unter der Bedingung, dass ein entsprechendes Opfer akzeptabel sein müsse, sonst seien sie selbst fällig. Und so geschieht es, dass Harald in der Festung seines Vaters erwacht und ein fremder geist ihn erfüllt: Es ist der Geist des Bären, der den Berserkern ihren Blutdurst, ihre Stärke und Unverwundbarkeit verleiht.

Doch wer soll dafür geopfert werden? Ist es etwa Sigurd Gotthelm oder gar Elena?

Mein Eindruck

Anno 1977 schrieb der 1984 mit dem World Fantasy Award ausgezeichnete Autor Holdstock die Berserker-Trilogie noch unter dem Pseudonym „Chris Carlsen“. Der Verlag war der gleiche, der auch die Serie über CONAN, den Barbaren veröffentlichte, und zwar von illustren Autoren wie Robert E. Howard (Conans Schöpfer), Lyon Sprague deCamp und Robert Jordan. CONAN gehört dem „Sword & Sorcery“-Genre an, sodass der Leser nicht nur brutale Action, sondern auch jede Menge Hexerei und Dämonen erwarten darf.

Das ist auch in der Berserker-Saga der Fall. Allerdings gibt es einen bedeutenden Unterschied zu CONAN: Der Schauplatz ist historisch und die nordische Mythologie ist es ebenfalls. Der Schauplatz reicht von den Fjorden in Haralds Heimat Norwegen bis zu den Kriegsschauplätzen im östlichen Irland, sogar bis Britannien und Kaledonien (Schottland).

Offensichtlich hatte sich der Autor entsprechend kundig gemacht. Denn nicht nur gehören stimmige Hintergrunddetails zu diesen Gegenden und ihren Bewohnern zum Inventar der Handlung. Das beste Kapitel des Romans überhaupt spielt an einem ganz besonders bekannten Ort Irlands: im Tal des Flusses Boyne, wo die alten Königsgräber von Tara und Newgrange liegen.

Der Eingang zum 1977 bekannten Königsgrab (es gab ja später weitere Ausgrabungen, die der Autor dann für „Erdwind“ berücksichtigte) ist tatsächlich, wie der Autor ihn beschreibt, mit Spiralen, Triskeln und Zirkeln verziert, wie ein Foto von 1912 beweist, das ich in Chris Squires Buch „Mythology of the Celtic people“ (1912) gefunden habe. Die Spiralen sind keltische Ornamente, die an heiligen Orten zu finden sind. In „Erdwind“ sind sie der Erdmagie geweiht und entfalten einen eigenen Zauber, und auch in der Novelle „Earth and Stone“ (1980) spielen sie eine zentrale Rolle.

Deirdre von den Flammen

Daher eignen sie sich bestens, um jenen Ort zu bezeichnen, der nach der Schlacht von Wikingern und Berserkern gegen die irischen Kelten zu einem Wendepunkt für Haralds Schicksal wird. Die Kelten haben nur gewonnen, weil ihnen eine Hexe beistand. Dieser Hexe folgt Harald nun in ihr Versteck – eben in jene Höhle, die heute Königsgräber birgt. Dort wartet Deidre von den Flammen bereits auf ihn.

Deidre ist eine junge Frau, die den Eindringling mit der Schönheit ihres kaum verhüllten Körpers in eine tödliche Falle locken will. Doch Harald unterwirft sich ihrer Gnade, weil er um Erlösung von dem Fluch bittet, unter dem er leidet. Er ist ja bekanntlich vom Geist eines wilden Bären besessen, der nach Blut dürstet und dessen Blutrausch bereits Elena, Haralds Geliebte, zum Opfer gefallen ist: Harald vergewaltigte sie. Seitdem verabscheut er den zweiten Geist in seiner Seele und will ihn loswerden.

Wie sich zu seiner Überraschung herausstellt, ist auch Deidre eine Verfluchte. Weil sie sich mit einem anderen als mit ihrem Verlobten einließ und davonging, verfluchte dieser sie, ewig einsam ihr Dasein zu fristen, bis jemand käme, „der weniger als sterblich ist“. Und das ist nun genau mit Harald der Fall, denn Haralds Seele (Körper sind lediglich Hüllen) ist bekanntlich nur die HÄLFTE seines Wesens, die andere gehört dem Bären.

Zum Dank für die Erlösung gewährt Deidre (ein Name, der in irischen Sagen immer Unglück bringt) Harald nicht nur eine unvergessliche Liebesnacht, sondern auch zwei wertvolle Hilfsmittel: die Wegbeschreibung zum Zauberer, der den Fluch aufheben könnte, und einen Zauberdolch, der mit einem magischen Bild als eine Art Kompass zu eben jenen Bergen dienen kann.

Action

Ansonsten bietet der Roman eine Menge blutige Action, die eines CONAN durchaus würdig ist. Insbesondere die Schlacht der Wikinger und Berserker gegen die Kelten unter Deidre ist sehr detailliert geschildert. Weniger gefiel mir hingegen die Vergewaltigung Elenas und zahlreicher anderer unschuldiger Opfer, die dem Bären in Harald zum Opfer fallen – oder seinen Widersachern, den anderen Berserkern.

Der Höhepunkt dieser Konfrontation ist der Kampf in Urlsgarde, seinem Heimatdorf, wo Harald Elena wahnsinnig vorfindet und Sigurd und seinen Vater im Sterben liegend. Hier enden alle Dinge, wie es scheint, doch dem ist nicht so. Für Überraschungen ist gesorgt …

Die Übersetzung

Ich habe schon viele miese Übersetzungen gelesen (vgl. „Schmiede Gottes„), aber die von Doris Heeger schießt den Vogel ab. Angefangen von fehlenden Buchstaben und fehlende bzw. überflüssige Kommata über falsche Endungen und stilistisch zweifelhaften Ausdrücken bis hin zu falsch gesetzten Wörtern („Schwert“ statt „Schild“ im Finale) wird dem Leser hier die ganze Palette von möglichen Fehlern zugemutet. Eine Liste würde von hier bis zum Mond reichen, sodass ich lieber darauf verzichte.

Unterm Strich

Dieser Fantasyroman taugt nur etwas für absolute Hardcore-Fans von Conan, dem Barbaren. Nicht einmal historisch Interessierte dürften den ungenauen Ortsbeschreibungen etwas abgewinnen können. Doch für Anhänger von „Sword & Sorcery“ ist die Geschichte ein gefundenes Fressen.

Sie wartet mit einer Menge Action, viel Hexerei und Dämonie (Odin) sowie einem guten Schuss Sinnlichkeit auf. Weniger witzig ist die knappe Schilderung von Elenas Vergewaltigung, die Harald unter dem Zwang der Bärenseele begeht, von der er durch Odins Fluch besessen ist.

Ab der Mitte wird die Tragödie von Haralds Schicksal sehr deutlich gemacht, doch er findet in Deidre eine Schicksalsgenossin, die ihm auf dem Weg zur Erlösung hilft. Weil aber Haralds Seele weiterwandern muss, wird er zu einem Kollegen des Ewigen Helden, den bekanntlich Michael Moorcock erfand: Elric, Hawkmoon, Corum und wie sie alle heißen – ihnen sei Harald an die Seite gestellt. Und genau wie die Romane über diese Gestalten – jeder maximal 200 Seiten lang – sollte man auch die „Berserker“-Saga keineswegs auf die Goldwaage legen, ganz im Gegenteil.

Taschenbuch: 203 Seiten
Originaltitel: The Shadow of the Wolf (1977)
Aus dem Englischen von Doris Heeger
ISBN-13: 978-3404200320

www.luebbe.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Robert Holdstock bei |Buchwurm.info|:

[„Gate of Ivory“
[„The Bone Forest (Mythago Wood 3)“
[„Mythenwald“
[„The Hollowing“
[„Tallis im Mythenwald“
[„The Fetch“
[„Erdwind“