Frank Herbert – Der letzte Caleban. SF-Roman

Stark zensierter SF-Thriller

In ferner Zukunft sind Raumschiffe überflüssig geworden, denn sogenannte „Sprungtüren“ gewährleisten Nullzeitreise- Verbindungen zu jedem Punkt unserer Milchstraße. Schöpfer und Besitzer der Sprungtüren sind die Calebaner, geheimnisvolle Aliens, die nach und nach aus der Galaxis verschwinden, bis nur noch ein einziger übrigbleibt.

Gleichzeitig mit dem Verschwinden der Calebaner machen Agenten des Galaktischen Kontrollbüros eine bestürzende Entdeckung: Wenn der letzte Caleban stirbt, wird jeder zusammen mit ihm ausgelöscht, der jemals eine Sprungtür benutzt hat.

Und da es kaum einen Bürger der Galaxis – egal ob Mensch, Humanoide oder Nicht-Humanoide – , der nicht wenigstens einmal „gesprungen“ ist, bedeutet dies das Ende der galaktischen Zivilisation. (Verlagsinfo)

Der Autor

Frank Herbert (1920-1986) wuchs im Nordwesten der USA auf, arbeitete als Reporter und Wahlkampfhelfer, bevor und während er ab 1952 seine ersten SF-Stories veröffentlichte, denen 1956 der erste Roman „Dragon in the Sea“ folgte. 1963 -1965 wurden seine Stories um den Wüstenplaneten Arrakis in „Astounding“ publiziert, doch um seinen daraus aufgebauten Roman „Der Wüstenplanet“ unterzubringen, musste Herbert erst 20 Ablehnungen kassieren, bevor es ihm 1965 gelang, den Verlag Chilton Book Co. zu gewinnen, der mehr für seine Autoreparaturratgeber bekannt war.

Die DUNE-Saga umfasste schließlich sechs Romane aus Frank Herberts Schreibfabrik, von denen die ersten drei verfilmt worden sind. Herbert schrieb neben 20 anderen SF-Romanen auch einen interessanten Non-SF-Roman namens „Soul Catcher“, der noch nicht übersetzt worden ist.

Die Fortsetzung von „Der letzte Caleban“ trägt den Titel „Das Dosadi-Experiment“ (siehe meinen Bericht). Beiden Romanen ging 1964 die Story „The tactful saboteur“ voraus, die in dem Sammelband „Frank Herbert: Der Tod einer Stadt“ abgedruckt ist.

Handlung

Die 83 Calebans haben der Gemeinschaft menschlicher Welten die Sprungtüren hinterlassen, die kreuz und quer durch die Galaxis führen. Inzwischen sind auch „denkende“ Aliens wie die froschartigen Gowachin und die Pan-Spechi in die Geistesgemeinschaft (ConSentiency) der besiedelten Welten aufgenommen worden und dürfen die Sprungtüren benutzen. Inzwischen sind jedoch aus unerfindlichen Gründen fast alle 83 Calebans verschwunden. Nur einer ist noch übrig, und der Saboteur Jorj McKie sucht ihn mit allen Mitteln, beispielsweise indem er gezielt Frauen heiratet und verhört, die die Besitzerin des letzten Caleban, eine gewisse Mliss Abnethe, gekannt haben.

Der Rotkopf Jorj McKie ist ein ziemlich ungeduldiger Agent des Büros für Sabotage, die sich um alle pangalaktischen Angelegenheiten kümmert, die nicht von der Regierung abgedeckt werden. Als „bevollmächtigter Saboteur“ kommt er sich ziemlich großmächtig vor, aber er zügelt seine Ungeduld, als ihn der planetarische Sabotage-Agent Alichino Furuneo ihn per Hypophysen-Funk – die telepathische Verbindung wird von einem Taprisiot-Alien hergestellt – kontaktiert und um seine Hilfe bittet. Da er gerade wg. Scheidung von seiner 34. Frau vor Gericht steht, bittet Jorj Furuneo, sich kurz zu fassen. Doch die Sache sei zu heikel, da es sich um Calebans handelt. Jorj müsse sich persönlich nach Herzlichkeit begeben. Das ist etwa 80.000 Lichtjahre von Tutalsee, wo sich Jorj gerade befindet, entfernt.

Indem er eine Sprungtür benützt, ist McKie wenige Minuten später in Furuneos Büro auf Herzlichkeit. Der Agent erklärt ihm, dass es um einen Caleban-Fund an der Küste gehe. Der Caleban sei vermutlich in einer Art „Strandball“ eingeschlossen. Vor Ort scheint diese Kugel, die etwa drei Meter Durchmesser hat, zwischen den Lavafelsen festzusitzen. Eine Öffnung ist nicht zu sehen, Knöpfe gibt es auch keine. McKie erinnert sich daran, dass er ja ein Saboteur ist und über ein Paket Sprengstoff verfügt. Ein Knall – und schon erscheint eine Öffnung, durch McKie und dann Furuneo ins Innere schlüpfen können. Schon bald wird ihnen kuschelig warm, dann immer wärmer, bis sie ins Schwitzen geraten. Der Caleban ist unsichtbar und hat die Gestalt einer Schöpfkelle angenommen, die aus der Wand ragt.

Sie machen einander bekannt. Der Caleban möchte gerne als „Fannie Mae“ (eine Immobiliengesellschaft auf der alten Erde) genannt und als weiblich erachtet werden. Null problemo! McKie und Furuneo stellen sich als Agenten für Sabotage vor. Fanny Mae scheint vertraglich und durch Ehre an die Konzernchefin Mliss Abnethe gebunden zu sein. Alle Versuche, sie gegen Abnethes Interessen zu stellen, werden abgewehrt. Fannie Mae verrät den beiden Agenten, dass ihr Ableben den Tod von allen mit sich ziehen würden, die je eine Sprungtür der Calebans benutzt hätten. Etwas bestürzt überschlagen die Agenten die Zahl der Betroffenen: Es müssen Millionen, wenn nicht Milliarden sein.

Da öffnet sich eine Sprungtür und Mliss Abnethe persönlich ist zu sehen. Ihre Begleitung ist für McKie ebenso interessant wie der Hintergrund ihres Büros. Abnethe ist nicht erfreut, einen Agenten neben ihrem Angestellten vorzufinden und von diesem Drohungen zu erhalten, selbst wenn sie leer sind: Sie ist eine Privatperson, und was sie mit dem Caleban tut, geht keinen was an. Sie schickt einen asselförmigen Palenki durch die Sprungtür, und dieser lässt eine spezielle Peitsche auf den Caleban niederfahren.

Diese Gewaltanwendung lässt bei McKie fast die Sicherungen durchbrennen, aber was kann er schon tun. Er gibt dem Caleban einen Tipp. Da schließt der Caleban die Verbindung, und eine abgetrennte Hand samt Peitsche bleibt zurück. McKie schickt beides per Sprungbefehl an seinen Sicherheitschef Siker. Der Caleban hat zur bereits Furuneo auf dessen Heimatwelt transferiert, nicht gerade das gewünschte Ziel.

Da McKie immer noch nichts erreicht hat, bittet er den Caleban, ihn an den Ort zu versetzen, wo sich Mliss Abnethe befindet. Nicht gestattet, lautet die Antwort. Oder wenigstens in die Nähe? Geht klar. Gleich darauf findet McKie sein Gesicht in engem Kontakt mit einem Felsblock wieder. Er sortiert seine Zähne und schaut sich um: später Vormittag oder früher Nachmittag unter einer gelben Sonne, auf einer Welt mit annähernder Erdschwerkraft. In der Umgebung liegt eine Stadt. Dort muss Abnethe zu finden sein. McKie macht sich auf den Weg…

Mein Eindruck

Wenn man die Tatsache mal außer Acht lässt, dass der Text massiv gekürzt worden sein muss, dann entwickelt sich in der Tat so etwas wie ein Thriller, der einen nicht allzu anspruchsvollen Leser durchaus bei der Stange zu halten vermag. Aspekte wie etwa ausgefeilte Schauplätze und ausgestaltete Gesellschaften kann man sich abschminken. Vielmehr kann man froh sein, dass es beim Sabotage-Büro – dessen Existenz in wenigen Absätzen begründet wird – auch eine kriminaltechnische Abteilung gibt. Diese von einem Pan Spechi geleitete Abteilung hat einiges an Erkenntnissen beizutragen.

So langsam entwickelt sich ein Bild des geplanten Verbrechens, das erst noch stattfinden muss: das Ende des Universums, wie die denkenden Wesen es gekannt haben. Das Mittel zum Zweck ist der titelgebende Caleban. Aber wird die Rechnung des Täters aufgehen? McKie hat vor, ihm gehörig in die Suppe zu spucken.

Von Anfang ist die Tatsache unübersehbar, dass McKie es mit Aliens zu tun hat. Sie gehören zum Gemeinschaft denkender Wesen, sind also – wiederum aus ungenannten Gründen – mehr eine Allianz eingegangen als einen Staatenbund. McKies Aufmerksamkeit gilt dabei nicht nur den rätselhaften Calebans, von denen alle bis auf einen verschwunden sind, sondern auch die Pan Spechi. Diese durchlaufen mehrere Phasen ihrer Entwicklung. Welche aber sämtlich geheim gehalten werden. Diese Phasen werden jedoch auf einmal wichtig, als McKie entdeckt, dass Mliss Abnethe nur die Partnerin eines Pan Spechi ist, der sich Cheo nennt und offenbar der Drahtzieher ist.

Cheo hat den Caleban in seine Dienste genommen, und der Caleban fühlt sich beis einer Ehre zu diesem Vertrag verpflichtet. McKie muss ihm schonend beibringen, dass er hintergangen und missbraucht wird. Der Akt des Missbrauchs besteht ihm Auspeitschen mit einer Art Energiepeitsche, die durch ein Dimensionstor ins Innere der Caleban-Kugel gelangt und dort von einem Palenki, einen weiteren Alien, geschwungen wird. Was ist der Zweck dieser ebenso absurden wie empörenden Gewaltausübung? Als er den – unsichtbaren – Caleban eingehender befragt, gesteht dieser, durch jede Auspeitschung geschwächt zu werden. Am Ende stünde seine „Diskontinuität“, also das Ende seiner Existenz. Genau darin liegt die Gefahr, geht McKie: Ohne den Caleban verschwinden alle, deren Substanz der Alien berührt hat, sowie sämtliche Calebans.

Folglich muss sich McKie einen Plan ausdenken, um das Universum (und den ganzen Rest) zu retten. Am besten stellt er eine Falle auf – mit sich selbst als Köder…

Die Übersetzung

Im Text finden sich keine Unterteilungen, nicht mal eine Kapitelnummer. Auf diese Weise gehen Szenen wahllos in einander über, die nicht zusammengehören, so etwa auf S. 108 in der letzten Zeile. Dass auch der Rest des Textes zusammengestrichen wurde, ist nicht auszuschließen.

S. 24: „Or[d]nung“: Das D fehlt.

S. 33: „Diese Metze“ – gemeint ist Abnethe – ist ein veralteter Ausdruck für Prostituierte oder liederliches Frauenzimmer. Der Ausdruck ist hochgradig sexistisch.

S. 65: „dach[te] Furuneo grämlich.“ Die Endung „-te“ fehlt.

S. 107: „das Einverständnis ihrer Schuld“. Gemeint ist wohl das „EinGEständnis“.

Unterm Strich

Schon die zeitgenössischen Rezensenten, wie etwa Algis Budrys, zerbrachen sich anno 1970 den Kopf über Sinn und Aussage dieses kurzen Romans. Die meisten reagierten mit Ablehnung. Dabei ist die grundlegende Konstruktion gar nicht so dumm. Der Caleban, das Opfer, ist an einen bestimmten Ort quasi gefesselt, bezieht seine Energie aber von einem Stern. Sein Folterer, das verbrecherische Duo aus Abnethe und Cheo, hat einen vorerst unbekannten Plan. Der Ermittler muss nicht nur herausbekommen, worin der verbrecherische Plan besteht, sondern auch das Verbrechen an sich verhindern.

Soweit ist alles wie gehabt und was in jeden anständigen Thriller gehört. Ungewohnt sind lediglich die Motive, Methoden und Eigenschaften der Beteiligten, die der Ermittler herausfinden muss. Letzterer ist zum Glück für den Leser ein Mensch und noch dazu ein ziemlicher zorniger, viriler Mann. Dass er sich selbst dabei in die Schusslinie bringt, ist das übliche Risiko, das ein Ermittler eingehen muss.

Was die Rezensenten verwirrte, ist erstens der diffuse galaktische Hintergrund und zweitens die Aussage der Handlung. Welcher Sinn sollte darin liegen, ein unsichtbares Wesen auszupeitschen? Das ist ja geradezu, als würde ein weißer Plantagenbesitzer seinen schwarzen Sklaven auspeitschen, um ihn an den Rand der Nichtexistenz zu treiben. Nicht sonderlich sinnvoll, wenn man die Arbeitskraft eines Sklaven erhalten will.

Genau das will jedoch Cheo nicht: Er will den Tod des Caleban und damit den Tod von Milliarden Menschen, die Caleban-Sprünge gemacht haben – also auch den Tod von McKie, dieser lästigen Laus im Pelz. Sobald so viele unerwünschte Konkurrenten schlagartig vom Fenster weg sind, ist die Bahn frei für gewisse Aktivitäten, die dem Machtgewinn gelten: Cheo wird Sternenkaiser und die zartbesaitete Abnethe seine Königin. Das ist wohl der Plan, wenn ich das Buch – bzw. dessen deutschen Torso – richtig verstanden habe.

Diesen Plan kann man für ausgeklügelt und die Handlung für rasant und spannend halten. Was die deutsche „Übersetzung“ davon übriggelassen hat, ist schon das Minimum, das zum Verständnis nötig ist.

Die englische Wikipedia weiß mehr und liefert so einen Einblick in die komplizierte Beziehung zwischen Caleban und Abnethe:

„Fannie Mae agreed to the contract with Abnethe in return for education. Calebans have great difficulty understanding and communicating with the more limited species of the ConSentiency (and vice versa), but Fannie Mae is curious. Abnethe’s wealth provides the best tutors in exchange for Fannie Mae’s agreement to take the whippings. Abnethe has an insane sadistic streak, but a court-mandated Clockwork-Orange-style conditioning session leaves her unable to tolerate the suffering of others. Abnethe needs a Caleban to take the whippings because she still craves a way to satisfy her sadistic urges and Calebans do not broadcast their pain in a way that is easily recognized by other species.“

Dass an dieser Stelle auf Anthony Burgess‘ Roman “ A Clockwork Orange“ verwiesen wird, finde ich sehr hilfreich. Der Verweis hebt die Idee hinter dem Roman auf eine allgemeingültigere Ebene.

Taschenbuch: 142 Seiten
Originaltitel: The whipping star, 1969;
Aus dem Englischen von Walter Brumm.
ISBN-13: 978-3453301948

www.heyne.de

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