Frank Herbert – Die Leute von Santaroga

Jenseits der Barriere: realistisches Sozialexperiment?

Keiner der Agenten, die auf das Geheimnis der Ortschaft Santaroga angesetzt worden waren, hat seinen Auftrag erfüllen können. Sobald sie sich für die unheimliche Macht zu interessieren begannen, die das abgelegene Tal im Südwesten der USA und dessen Bewohner in seinem Bann hält, starben sie.

Jetzt ist Dr. Gilbert Dasein an der Reihe, nach Santaroga vorzustoßen. Der junge Psychologe und Marktforscher rechnet sich eine gute Chance aus, die „Santaroga-Barriere“ zu durchdringen und das Geheimnis des Tales zu lüften.

Doch schon bei seiner Ankunft schlägt die unbekannte Macht zu. Dr. Dasein hat seinen ersten „Unfall“, und je mehr er sich mit dem geheimnisvollen Stoff Jaspers befasst, einer Substanz, die alle Einwohner von Santaroga regelmäßig zu sich nehmen, desto erbitterter muss er um sein Leben kämpfen. (Verlagsinfo)

Der Autor

Frank Herbert (1920-1986) wuchs im Nordwesten der USA auf, arbeitete als Reporter und Wahlkampfhelfer, bevor und während er ab 1952 seine ersten SF-Stories veröffentlichte, denen 1956 der erste Roman „Dragon in the Sea“ (dt. Titel „Atom-U-Boot S-1881“) folgte.

1963 -1965 wurden seine Stories um den Wüstenplaneten Arrakis in „Astounding“ publiziert, doch um seinen daraus aufgebauten Roman „Der Wüstenplanet“ unterzubringen, musste Herbert erst 20 Ablehnungen kassieren, bevor es ihm 1965 gelang, den Verlag Chilton Book Co. zu gewinnen, der mehr für seine Autoreparaturratgeber bekannt war.

Die DUNE-Saga umfasste schließlich sechs Romane aus Frank Herberts Schreibfabrik, von denen die ersten drei verfilmt worden sind. Herbert schrieb neben 20 anderen SF-Romanen auch einen interessanten Non-SF-Roman namens „Soul Catcher“, der noch nicht übersetzt worden ist.

Die DUNE-Saga:

1) Der Wüstenplanet (1965)
2) Der Herr des Wüstenplaneten (1969)
3) Die Kinder des Wüstenplaneten (1976)
4) Der Gottkaiser des Wüstenplaneten (1981)
5) Die Ketzer des Wüstenplaneten (1984)
6) Die Ordensburg des Wüstenplaneten (1985)
Band 7 von Brian Herbert & Kevin Anderson: Hunters of Dune (08/2006)
Band 8 von Brian Herbert & Kevin Anderson: Sandworms of Dune (2007)

Handlung

Das Städtchen Santaroga liegt in den Bergen von Nordkalifornien, meilenweit entfernt vom nächsten Ort. Ausgerechnet hierher fährt Dr. Gilbert Dasein von der Psychologischen Fakultät der Uni Berkeley. Der junge Psychologe hat für seine Reise mehrere Gründe, die dafür, aber auch einige, die dagegen sprechen. Die zwei Ermittler, die vor ihm Santaroga besuchten, sind bei Unfällen ums Leben gekommen. Der Staatsanwalt hat die Unfälle als „normal“ bezeichnet.

Dafür spricht zunächst einmal, dass seine Beinahe-Verlobte Jenny Sorge, die er vor einem Jahr auf der Uni kennen und lieben gelernt hat, von hier stammt. Nach seiner Weigerung, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, hierherzuziehen, verließ sie ihn nach den Examensprüfungen und kehrte in ihre Heimat zurück, um bei Dr. Piaget zu leben, ihrem Ziehvater. Jenny ist Vollwaise. Dasein fragt sich, ob sie nach dem Jahr, in dem sie seine Briefe nicht beantwortet hat, noch zu haben ist.

Die Barriere

Der angeblich wichtigere Grund besteht in der Eigenart von Santaroga. Eine unsichtbare Barriere, die alles Fremde abstößt, trennt den Ort von der Umgebung, doch worin diese Barriere besteht, ist weder zu sehen noch zu messen – man muss sie innerlich erleben. Schon der Rezeptionist des Gasthauses will von ihm wissen, was er hier will. Später stellt sich heraus, dass sein nicht abgeschlossener Koffer durchsucht worden ist. Denn Dasein handelt indirekt – über seinen Chef Dr. Selador – im Auftrag einer Kaufhauskette, und deren Besitzer will herausfinden, warum man ihn hier keine Filiale eröffnen lässt – wobei er beileibe nicht der einzige Unternehmer ist, der so abgewiesen wird.

Hoffnung

Nur der schwarzhäutige Kellner Winston Burdeaux, der aus den Südstaaten stammt, ist nicht so abweisend. Er erzählt Gilbert zu dessen Überraschung, dass er ihn als Jennys Freund kenne – und dass Jenny immer noch ledig sei. Diese freudige Nachricht muss Gilbert erst einmal verdauen. Könnte es sein, dass Jenny nach all der Zeit immer noch auf ihn wartet? Irgendwie scheint hier im Tal die Zeit langsamer zu vergehen, wie schon die ausgestellte Museums-Postkutsche von 1875 signalisiert, die in der Vorhalle des Gasthauses ausgestellt ist.

Honoratioren

Bei der köstlichen Suppe und dem noch besseren Bier beobachtet der Psychologe die Honoratioren am Nachbartisch, die Karten spielen, Poker oder was ähnliches. Da sitzt Dr. Piaget, daneben der Chef der Straßenpatrouille Al Marden. Hinzu kommen George Nis, der Manager der Jaspers Käse Genossenschaft, und Sam Scheler, der Besitzer der unabhängigen Tankstelle. „Eine UNABHÄNGIGE Tankstelle?“ fragt Gilbert den Kellner. Er selbst kennt nur die Ketten der Ölkonzerne. Der Kellner bestätigt, und deshalb sei der Preis pro Gallone 4 Cent niedriger als anderswo.

Gas!

Auf seinem Zimmer verlangt Dasein die Vermittlung eines Ferngesprächs mit seinem Vorgesetzten Dr. Selador von der Uni Berkeley. Er setzt ihn gerade auf diese Tankstellengeschichte an, da wird die Leitung unterbrochen. Das Zimmer beginnt sich zu drehen, Gilbert wird schwindlig. Sein Blick fällt auf die offene Düse einer Gaslaterne… Gas! Er wirft das nutzlose Telefon durch die Fensterscheibe und verschafft sich so Zugang zu frischer Luft.

Gleich darauf kommt Dr. Piaget und lässt ihn in ein anderes Zimmer verlegen. Er wettert, dass hier immer noch offene Gasdüsen vorhanden seien und erwähnt die Tatsache, dass Dasein Jennys Freund sei. Der Hotelbesitzer, Johnson, verhaspelt sich und nennt einen anderen Grund, bevor er klein beigibt. Bevor Dasein einschläft, ist er sicher, dass er soeben um Haaresbreite einem Mordanschlag entgangen ist. Oder war auch das nur ein „Unfall“?

Tag 2: Entdeckungen

Gilbert steht gerade vor dem Spiegel, um sich die Krawatte zu binden, als Jenny die Tür seines Zimmers öffnet, um den Tablettwagen mit dem Frühstück hereinzuschieben. Gilbert ist umso überraschter, als sie mit strahlendem Lächeln zu ihm läuft, um ihn zu umarmen und zu küssen. Als er fragt, warum sie seine Briefe nicht beantwortet habe, wundert sie sich: „Welche Briefe?!“ Als Dr. Piaget eintritt, weiß auch er von keinen Briefen; sofort beschwert sie sich über die „alten Hexen“ auf dem Postamt, die Jenny von der Außenwelt abschnitten.

Kaum ist das sehr leckere Omelett mit der speziellen Jaspers-Zutat verputzt, lädt Jenny ihn ein, die Käsefabrik Jaspers zu besuchen, denn dort arbeitet sie als Inspekteurin. Allerdings kann auch sie ihm nicht sagen, wo die Mappe geblieben ist, in der er alle seine Informationen und Pläne abgelegt hatte. Ein Hinweis des Hotelmanagers Johnson führt zur Erkenntnis, dass Gilbert Sheriff Al Marden zur Mittagszeit treffen soll – der habe seine Mappe an sich genommen.

In der Tat übergibt ihm Marden die Mappe samt Inhalt, ohne dabei rot zu werden. Er macht ihm vielmehr das verlockende Angebot, als Psychologe an Dr. Piagets Klinik zu arbeiten – unter dem gleichen Dach wie Jenny. Er behauptet, Dasein werde von seinen Auftraggebern ausgenützt. Gilbert verrät ihm nicht, dass er ein Industriespion ist, der das Modell Santaroga beenden helfen soll.

Nachdem er die Santaroga-Zeitung – „Die gibt’s nur im Abo, Mister!“ – mit Verblüffung studiert und die gigantische Tankstelle inspiziert hat, begibt er sich in sein Hotelzimmer – und hört auf einmal Stimmen aus dem Fernsehen. Weit und breit hat Gilbert keine einzige Antenne gesehen – übrigens auch keine Kinder. Neugierig klettert er über das Dach der Veranda zu dem Raum, aus dem die Jingles und Stimmen dringen. Nichts davon ergibt einen Sinn. Als er nach dem Eingang sucht, stolpert er über einen Teppichrand und bricht um ein Haar mitsamt Treppengeländer in die Tiefe – nur Winston Burdeauxs Hand hält ihn zurück – wieder nur ein dummer „Unfall“?

Nacht 2

Nach dem Abendessen mit Jenny bei Dr. Piaget und dessen Kusine, einer eisenharten Yankee-Pionierin, fährt Gilbert noch ein wenig in der Gegend herum und verirrt sich nach Porterville. Dort wird er für einen aus Santaroga gehalten, aber warum? Ein Telefongespräch mit Dr. Selador bringt auch nicht viel, aber die Rückfahrt ist umso ereignisreicher: Während Al Marden nächtliche Eindringlinge jagt, sieht Gilbert eine Gelegenheit, in das Labyrinth der Höhlengänge hinabzusteigen, wo die Jaspers-Käsefabrik ihre Waren lagert – und vielleicht sogar mehr. Vorsichtig steigt Gilbert, behindert durch eine Schulterzerrung aufgrund des Sturzes, in den Schacht eines großen Ventilators hinab. Es riecht durchdringend nach Jaspers…

Mein Eindruck

Dasein dringt immer tiefer in die Geheimnisse des Tales ein, bringt sich dadurch aber immer stärker in Gefahr. Das letzte Drittel ist angefüllt mit „Unfällen“, die alle mehr oder weniger auf das Unterbewusstsein der jeweiligen Verursacher gehen, seien es Jungs, Jugendliche, Männer oder Frauen – sogar seine treue Jenny ist darunter. Etwas scheint ihr Unterbewusstsein derart zu steuern, dass Dasein in Gefahr gerät. Es ist schwer, Dr. Piaget von der Zielgerichtetheit dieser „Unfälle“ zu überzeugen. Doch schließlich taucht auch noch der Außenseiter Dr. Selador, Daseins Chef, auf. Wie wird Dasein auf diesen Test seiner Treue reagieren?

Sekten und Kooperativen

Wie ich der Biografie „Dreamer of Dune – The Biography of Frank Herbert“ entnehmen konnte, beruhen faszinierenderweise zahlreiche Motive und Handlungselemente auf realen Grundlagen. So gab es an der kalifornischen Nordküste tatsächliche eine „Marin [County] French Cheese Company“, die wie so viele andere Genossenschaften in den USA nicht nur ideologische oder religiöse Prinzipien umsetzen wollte, sondern auch wirtschaftliche Alternativen testete – so wie später in Deutschland die Ökobauern: zu Anfang belächelt, heute weitreichende Ladenketten. Über die Qualität des dort produzierten Käses ist leider nichts bekannt.

Kurzflug

Ein weiteres reales Motiv ist die irre Fahrt Daseins, der über die Lücke in einer Brücke fliegt. Diese Fahrt wird auf den Seiten 154ff geschildert. Warum taucht auf einmal eine Lücke in der Brücke auf, fragt Dasein die Arbeiter: Sie hatten auf einmal das Gefühl, sie sollten die Brücke „irgendwie“ verbessern. Das dachten sich vielleicht auch jene Straßenarbeiter, die 1948 eine Lücke in jener Brücke offenließen, über die Frank Herbert brausen wollte. Wie sein Held Dasein musste er in Sekundenbruchteilen entscheiden, wie er auf die gefährliche Lücke reagieren sollte. Er wog die Alternativen ab und entschied sich dafür, das Gaspedal durchzutreten…

Details wie diese machen diesen Roman zu einem der lesbarsten, verständlichsten und realistischsten Roman des Autors. Unterhaltsam wird er nicht nur die Ermittlung dieses Industriespions, sondern auch durch seine Liebesgeschichte mit Jenny – und den daraus resultierenden Interessenskonflikt für Dasein UND Jenny. Beide müssen damit rechnen, durch den Verrat am eigenen System – entweder Santaroga oder das Draußen – mit dem Leben bezahlen zu müssen. Einer von beiden muss „überlaufen“.

Die Droge

Dieses Ingroup-Outgroup-System wird von Dietrich Wachler im „Heyne SF Magazin 12“ (1985) genau beschrieben. Es findet sich typischerweise in Sekten, aber auch ganz aktuell beim Islamischen Staat und seinen Online Rekrutierungsmethoden in sozialen Medien. Doch der Held im Roman entwickelt sich konstant weiter, denn er wird vom ersten Tag an von einer bestimmten Substanz, „Jaspers“ genannt, abhängig gemacht.

Er nennt diese Substanz, die er an Selador zur Analyse schickt, einen „Bewusstseinstreibstoff“, der die Gedanken klarer macht und das Denken beschleunigt. Wer jetzt an die Spice-Melange in „Dune“ denkt, liegt goldrichtig. Es ist sogar die Rede von LSD-Experimenten an der Uni Berkeley (eine der ambitioniertesten Unis in Kalifornien), doch dass Jenny – wohl immunisiert durch Jaspers – nicht auf das LSD angesprochen habe.

Wie schon Paul Atreides in „Dune“ nimmt auch der LSD-erprobte Dasein eine Überdosis kristallisiertes Jaspers und hat eine Art Epiphanie. Darin erkennt er die Gesamtlage und seine eigene Position darin. Die anderen „Jaspers-Junkies“ kommunizieren auf einer unbewussten Ebene miteinander und bilden eine In-group. Will er dazu gehören, um zu überleben, muss er sich eindeutig zu dieser In-group bekennen, und was wäre dazu dienlicher, als selbst einen Outsider zu beseitigen?

Heidegger & Co.

Den Namen seines Helden „Gilbert Dasein“ hat der Autor einem philosophischen Buch von Martin Heidegger entliehen (DREAMER, S. 216). 1927 veröffentlichte Heidegger das Buch „Sein und Zeit“, eine Theorie über die menschliche Existenz in der Welt. Diese Existenz nannte Heidegger „Dasein“. Weitere Philosophen wie Karl Jaspers und Psychoanalytiker wie C.G. Jung und Sigmund Freud trugen ihre Ideen dazu bei, um die auf Heideggers Fundament entstehende Struktur auszufüllen.

Jenny Sorge heißt auch nicht zufällig so, sondern bezeichnet eine Person, die sich um den Mann Dasein kümmert. Sie trägt als eine Art Katalysator dazu bei, dass er sich seiner Position zwischen zwei Welten bewusst wird und sich für eine der beiden entscheiden muss. In dieser Bewusstwerdung, so Heidegger, muss der Mensch die kleinen Alltagssorgen und -verpflichtungen abstreifen und erkennen, worin sein eigentliches „Dasein“ besteht, sein wahrer Zweck in der Welt. Das scheint ihm auch zu gelingen.

Schwächen?

Zweimal wurde Herberts Manuskript abgelehnt. John W. Campbell jr. von ANALOG protestierte, hierbei handle es sich gar nicht um Science Fiction, und ein weiterer Magazin-Herausgeber beklagte, dass die Handlung „zu viele lose Enden“ aufweise. Das ist völlig korrekt, aber auch völlig beabsichtigt, so Brian Herbert, der Biograf des Autors: Der Autor wolle dem Leser etwas mitgeben, worüber dieser auch nach Beenden der Lektüre nachdenken müssen.

Dazu gehören beispielsweise die Kinder. Dasein entdeckt sie doch noch, aber irgendwie werden sie einer speziellen Behandlung unterzogen – bei Dr. Piaget, mit der Jaspers-Substanz? Das ist anzunehmen, denn so erklärt sich, dass alle Santaroganer Außenweltler ablehnen – und bekämpfen. (Das Gleiche passiert übrigens auch in dem noch besseren Roman „Hellströms Brut“, den Herbert im Jahr 1973 veröffentlichen konnte.) Schließlich nahm AMAZING das Manuskript an und druckte es als Serie ab. Es wurde, wie schon „DUNE“, zur Diskussionsgrundlage an Unis und Colleges, zunächst vor allem in den USA, dann auch in Frankreich.

Die Übersetzung

Birgit Reß-Bohusch ist eine ausgezeichnete Übersetzerin, doch anno 1969 gab es noch keine Textcomputer, sondern alle Manuskripte mussten getippt werden. Daher konnte es immer wieder zu Vertippern kommen, die als Druckfehler im Buch auftauchen.

S. 23 und 43: „Speiesaal“ statt „Speisesaal“..

S. 40: „Mape-up“ statt „Make-up“.

S. 47: „…fühlte sich Dasein im Hintertreffen“. Der militärische Ausdruck (Treffen = Gefecht) wirkt heute unverständlich; gemeint ist einfach „im Nachteil sein“.

S. 121: „Schachetl“ statt „Schachtel“.

S. 124: „Was [hat] sie Ihnen erzählt?“ Hier fehlt ein ganzes Wort!

S. 129: „Das erbar[m]ungslose Licht…“ Das M fehlt.

S. 218: „Distrikt-Attorney“: ein für in der US-Justiz unbewanderte Leser unverständlicher Begriff. Gemeint ist der Bezirksstaatsanwalt.

Unterm Strich

Aufregende Details wie die irre Autofahrt Daseins durch Berge, die unheimliche Käsefabrik und die genaue Beschreibung von Örtlichkeiten in Santaroga und anderswo machen diesen Roman zu einem der lesbarsten, verständlichsten und realistischsten Romane des Autors überhaupt. Aber handelt es sich überhaupt um Science Fiction? Nicht, wenn es nach John W. Campbell jr. geht, dem Vater der modernen amerikanischen SF (ab 1939). Und lose Enden gibt es auch noch!

Der Übermensch?

Unterhaltsam wird der Roman allerdings nicht nur die Ermittlung des Industriespions Dasein, sondern auch durch seine Liebesgeschichte mit Jenny – und den daraus resultierenden Interessenskonflikt für Dasein UND Jenny. Außerdem sieht sich Dasein einer wachsenden Drogenabhängigkeit gegenüber der Substanz Jaspers ausgesetzt – bis er sich schließlich eine Überdosis verpasst. Wird er dadurch zum Übermenschen, dem Kwisatz Haderach von Santaroga? Das darf hier nicht verraten werden.

Letztes Sozialexperiment vor der Paranoia

Grundsätzlich behandelt der Autor den Konflikt zwischen einer Außenseitergruppe oder Sekte, wie es sie in den USA, dem Gelobten Land, zu Tausenden gibt – und der kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die durch ein solches Sozial-Experiment infrage gestellt wird. In den sechziger Jahren durften die Medien (das „New Hollywood“) und ihre Autoren noch fröhlich experimentieren und spekulieren.

Doch schon mit der Watergate-Affäre 1973 kippte die Stimmung in Paranoia um: Außenseiter, ja, selbst simple Abweichler wurden verfolgt und eliminiert. Das passierte nicht nur in Filmen wie „Die drei Tage des Condor“ (mit Robert Redford) und „Der Marathon Mann“ (mit Dustin Hoffman), sondern auch in der realen Welt, in der die CIA demokratische Regierungen wie in Chile stürzte und Fidel Castro immer wieder zu ermorden versuchte.

Aktualität

Herberts Erkenntnisse und Warnungen sind alle schon in „Dune“, „Santaroga“ und „Hellströms Brut“ enthalten – Modellgesellschaften, die in Konkurrenz zur Außenwelt (Imperium, Kalifornien usw.) treten und dennoch obsiegen, so oder so. Der jeweilige Held durchläuft archetypische, Jungianische Phasen der Entwicklung, ja, muss sogar „sterben“, getreu Joseph Campbells Analyse der „Reise des Helden“. Gegenentwürfe zur westlich-kapitalistischen Gesellschaft und Wirtschaft wird es immer geben, zuletzt den Islamischen Staat und Al-Kaida. Es wird immer Überläufer und Rückkehrer geben, deshalb ist die Frage, wie die Gesellschaft, die den Standard vertritt, mit ihnen umgeht. Frank Herbert hält ein paar Tipps bereit.

Taschenbuch: 224 Seiten
Info: The Santaroga Barrier, 1968;
Aus dem US-Englischen von Birgit Reß-Bohusch
www.heyne.de

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