Dies ist sie also, die sagenumwobene Jubiläumsfolge. Nummer 100. Genauer: 100 A, B, und C. Denn die unter dem Oberbegriff „Toteninsel“ zusammengefasste Story besteht aus drei CDs – einzeln verpackt im Pappschuber geliefert. Jene Folge, die den Wendepunkt der Serie hin zur Moderne endgültig besiegelte. Dafür hat man sich eine extravagante und extralange Geschichte ausgedacht, eine Hommage an sich selbst, und bereits die Tracklist lässt Kenner schmunzeln: Die Titel tragen allesamt passende Namen von Hörspielen aus der Reihe.
_100A – Das Rätsel der Sphinx_
Weitere Sprecher dieser CD:
Erzfeind der ??? – Skinny Norris: Andreas von der Meden
Jelena Charkova: Alexandra Doerk
Ein geheimnisvoller, bedrohlich klingender Anruf schreckt Justus hoch: Die drei Fragezeichen sollen ein Rätsel lösen, das dem eines Sphinx würdig ist, der heiser klingende Anrufer spricht noch eine Drohung aus und legt auf – natürlich ohne seine Identität preiszugeben. Justus knackt die ihnen gestellte Nuss jedoch noch bevor seine Kollegen Peter und Bob in der Zentrale eintreffen. Kurz darauf klingelt das Telefon erneut und der Unbekannte verlangt die Antwort auf seine Frage, die Justus ihm auch prompt präsentiert. Der Anonymus unterbricht unvermittelt die Verbindung, stattdessen springt das Fax an.
Dieses liefert einen weiteren Hinweis, der zu einer nicht ganz astreinen archäologischen Vereinigung namens „Sphinx“ führt, die illegale Schatzsuche betreibt und verständlicherweise im Verborgenen arbeitet. Es stellt sich heraus, dass irgendetwas auf der mysteriösen, so genannten „Toteninsel“ Macatao vorgehen muss, das jemand zu verschleiern versucht. Doch was haben halbseidene Archäologen, die große Firma Hadden-Industries, der alte Erzfeind der drei Jungs – Skinny Norris – und das geheimnisvolle, verschwundene Schiff „Montana“ damit zu tun?
_100B – Das vergessene Volk_
Weitere Sprecher dieser CD:
Erzfeind der ??? – Skinny Norris: Andreas von der Meden
Chauffeur der ??? – Morton: Andreas von der Meden
Professor Phoenix: Wilfried Glatzeder
Rachel Hadden: Anna Carlson
Al: Nico König
Anne Fox: Corinna Wodrich
Hilflos mussten Justus, Bob und Jelena mit ansehen, wie das Schiff „Hadden Explorer“ mit Peter an Bord in Richtung Mikronesien ablegte. Die Polizei kann und will sie nicht informieren, denn scheinbar hat die CIA ihre Finger im Spiel, das jedenfalls hat Jelena zufällig herausgefunden. Eine undurchsichtige Frau bietet Justus und Peter tags darauf an, die Tickets und Ausrüstung für den Trip in den Pazifik zu bezahlen, um den zweiten Detektiv herauszuboxen. Die beiden sind sich zunächst unschlüssig, ob sie dieses ungewöhnliche Angebot annehmen sollen.
Peter befindet sich in einer misslichen Lage: Als er sich an Bord schlich, wurde er betäubt und in eine Koje verfrachtet, doch kann er sich frei auf dem Schiff bewegen – alle Anwesenden halten ihn für Skinny Norris, den Hadden aus unerfindlichen Gründen auf die Expedition mitschickte. Peter muss also das Spiel als reguläres Besatzungsmitglied mitspielen, und nach sieben Tagen erreichen sie tatsächlich Macatao, von der verschwundenen „Montana“ und der ersten Expedition jedoch keine Spur. Die Grabanlage des vergessenen Volkes scheint unberührt, birgt in ihren Katakomben aber ein weit größeres Geheimnis als nur mumifizierte Mikronesier.
_100C – Der Fluch der Gräber_
Weitere Sprecher dieser CD:
Professor Phoenix: Wilfried Glatzeder
Al: Nico König
Anne Fox: Corinna Wodrich
Endlich sind die drei wieder vereint, doch ein Fluchtversuch wird vom misstrauischen Juan vereitelt, der Peter die ganze Zeit schon argwöhnisch beobachtete. Notgedrungen müssen die drei Fragezeichen ihre ziemlich unglaubliche Geschichte bis hierher zum Besten geben. So recht wird ihnen kein Glaube geschenkt, denn es klingt ja wirklich alles wahrhaft abenteuerlich. Dennoch bekommen sie (natürlich!) ihre Chance, sich zu profilieren und einem ganz anderen Geheimnis auf die Spur zu kommen, dessen Ausmaße und Gefährlichkeit alle ihre bis dato gelösten Fälle in den Schatten stellen.
Die Grabanlage und Kultstätte der Mikronesier ist nicht das, was sie vorgibt zu sein. Vordergründig schon, doch ist das nicht ihre ganze Funktion. Oder was soll man von Stahltüren und geheimen Computersystemen in ihrem Inneren halten? Sollten die Toten mit Videospielchen im Jenseits bei Laune gehalten werden? Wohl kaum. Bis es zum Showdown kommt, geht es um Verrat, Wahnvorstellungen und geheime Regierungsmachenschaften. Diesmal steht nicht nur der gute Ruf des Trios auf dem Spiel, sondern das Leben aller auf der Insel befindlichen Personen. Justus, Peter und Bob müssen sich etwas einfallen lassen, damit das Eiland nicht zu ihrer ganz persönlichen Toteninsel wird.
_Eindrücke_
Eingeweihte ersehen bereits aus der Sprecherliste, dass sich hochkarätige Wiedersehen anbahnen: Jelena, Morton und Skinny Norris sind mit von der Partie. Leider hat man es nicht geschaff,t Inspector Cotta sowie einige andere Dauergäste bei den drei Satzzeichen auch noch unterzubringen. Dafür handelt es sich bei diesem Abenteuer mal wieder um einen richtigen Off-Shore-Fall, weit weg von Rocky Beach; auf den letzten beiden CDs jedenfalls. Überhaupt: Die drei Silberlinge separat zu behandeln und zu rezensieren, ist wenig erfolgversprechend. Sie gehören untrennbar zusammen und ergeben auch nur im Verbund einen Sinn. Reden wir in diesem Kontext lieber von Kapiteln oder Episoden, das trifft es im Kern wesentlich exakter.
Die drei Kapitel sind halbwegs in sich abgeschlossen. Sie losgelöst voneinander zu hören, bringt nichts. Man vermeint hinter der magischen Zahl Drei auch ein subtiles System zu erkennen: CD1 ist etwas Bob-lastiger, auf CD2 hat Peter den Hauptpart, CD3 ist Justus‘ Finale furioso – natürlich, was auch sonst? Ob das so beabsichtigt ist? Möglich wäre es. Generell haben die Autoren einen verzwickten Fall ausgeheckt, dessen Gliederung durch die Episoden aber klar strukturiert ist. Natürlich dürfen auf CD1 und CD2 Cliffhanger als Appetizer für den jeweils nächsten Teil nicht fehlen. Nicht wegzappen, dies ist nicht die „Lindenstraße“ in der Inszenierung von Hitchcock – ähm, pardon! Minninger natürlich.
Während die Geschichte eher mit dem klassischen Element des „geheimnisvollen Anrufs“ startet, der in der Serie bis zum Erbrechen praktiziert wurde (und wird), geht es dann munter mit einem weiteren oft verwendeten Stilmittel weiter: dem „Wort-Rätsel“. Als wäre das nicht genug an Tribut, folgt die übliche „Schnitzeljagd“ – und zwar die nach Informationen. Eine Geheimorganisation (Sphinx) und ein martialisch-mysteriös klingender Ort (Toteninsel) dürfen selbstverständlich nicht fehlen. Kurzum: Bis zum Ende der ersten CD hat man ziemlich genau alle in der Serie häufig verwendeten Klischees und Prozedere durchexerziert, nebst einem halbwegs unerwarteten Zusammentreffen mit alten Bekannten. Man weiß, was man der Hörerschaft schuldig ist; lediglich Nebel hat’s keinen gegeben. Okay, man kann nicht alles haben. Dafür zeigen sich erfreulich wenig Fehler trotz der üppigen Länge des Teils.
So weit die beliebten Standard-Zutaten, die man seit Jahrzehnten kennt. Zur Verfeinerung des Menüs im Hauptgang jagt man nun noch ein paar weitere erlesene Gewürze aus (fremden) Kräutergärten durch den Küchenmixer. Eine Prise Indiana Jones aus dem Archäologieregal, eine (Schweizer-Offiziers-)Messerspitze MacGyver, eine Prise von Onkel Grishams Agentensalz (wahlweise mit Follett-Aroma) und schmeckt das Ganze mit einem Tropfen CIA-Wermut der Marke Tom Clancy ab. Gerührt, nicht geschüttelt. Während man die Verschwörungspastete auf drei Platten hochkocht, wirft man noch ein paar supersaure Paratroopers aus dem Airwolf-Streuer in den Topf, das verleiht dem Ganzen ein wenig Schärfe und sorgt für die feine Pulverdampf-Note. Garniert wird alles zum Schluss mit dem wahnwitzigen Nuklear-Sahnehäubchen. Ach verdammt! Jetzt ist die Geheim(dienst)zutat doch noch verraten. Sacre bleu!
Schwer verdaulich? Nun, es geht. Immerhin ist es ein Drei-Gänge-Menü, da kann man sich zwischendrin ja mal eine Pause gönnen. Doch bei einem Jubiläumsessen soll man nicht so kleinlich sein und ordentlich zulangen. Trotzdem liegt manches davon schwer im Magen und ist ziemlich unverdaulich. Nicht nur viele Köche verderben den Brei, auch zu dick Aufgetragenes ist ungesund. Allerdings kann man sich hier damit rausreden, dass es eben eine Fun-Folge ist, in welche man Sachen eingebaut hat, die absichtlich stark übertrieben sind. Dabei fängt alles – wie immer – recht harmlos an und steigert sich dann Schritt für Schritt, bis zu dem Punkt, wo man denkt: Aua, jetzt sind sie übers Ziel hinausgeschossen – wer soll den haarsträubenden Nonsens noch glauben? Hmmm. Clancy-Leser vielleicht, die sind anspruchslos, was die Realitätswahrnehmung angeht.
Von technischer Seite her ist aber alles roger. Die Sprecher, die Musik, die Geräusche, das alles ist nicht zu beanstanden. Jeder kniet sich mächtig rein, und ausnahmsweise krankt mal kein einziger Mime an Unglaubwürdigkeit, sieht man von dem durchgeknallten Maulwurf am Ende ab – man kann’s mit der Darbietung auch übertreiben. Over-Acting nennt das der Ami. Die Atmosphäre ist weitgehend in Ordnung, auch was die leisen Mystery-Einflüsse angeht. Klar, kann man nicht über drei CDs volle Power gehen, was Spannung anbelangt, und so gibt es sicher seichte Passagen. Die halten sich aber in Grenzen und dienen dem Vorankommen der Story, bis zu eben jenem Punkt, wo es dann richtig krude und somit die Logik eh zweitrangig wird. Wie sagt der Governator bei solchen Gelegenheiten immer? „Hauptsach‘, Ääääktschn!“ Danke Arnie, genau so isses!
_Jubel, Trubel, Heiterkeit? Das Fazit._
Die Jubiläumsfolge nimmt sicherlich einen Sonderstatus ein, allein schon wegen ihrer Lauflänge von insgesamt fast drei Stunden. Die selbstironisch ausgelegte Toteninsel macht eigentlich eine gar nicht mal so schlechte Figur und stellt eine Hommage an die vorhergegangenen Fälle dar – wäre da nicht die mit Biegen und Brechen sehr weit hergeholte Geschichte, bei der sich 007-Justus dann auch noch gerissener als die CIA erweist. Nun ja. Etwas weniger auf den Putz gehauen, hätt’s auch getan. Dabei fing die Story wirklich gut und vielversprechend an: Alte Bekannte geben sich ein Stelldichein und die Erzählstruktur setzt auf bewährte Konzepte, welche die Serie groß gemacht haben. Am Ende steht eine solide, aber leider eben nur mittelprächtige Folge.
_Die Hörspieldaten auf einen Blick:_
Titel: „Die drei ??? – Die Toteninsel“ – Folge 100
Ersterscheinung: 2001
EUROPA – Sony BMG
Laufzeit: 54 (A) + 56 (B) + 60 (C) Minuten
Buch und Effekte: André Minninger
Regie und Produktion: Heikedine Körting
Musik: Conrad, Morgenstern, Zeiberts
Cover-Illustration: Silvia Cristoph
ISBN-10: 3-86536-088-2
ISBN-13: 978-3-86536-088-5
|Figuren und ihre Sprecher (alle drei Folgen)*:|
Erzähler – Alfred Hitchcock: Matthias Fuchs
Erster Detektiv – Justus Jonas: Oliver Rohrbeck
Zweiter Detektiv – Peter Shaw: Jens Wawrzceck
Recherchen & Archiv – Bob Andrews: Andreas Fröhlich
Dr. Maria Svenson: Antje Roosch
Mr. Schwarz: Erik Schäffler
Mr. Olin: Uli Krohm
Juan: Oliver Böttcher
*) Diese Figuren und Sprecher tauchen auf allen drei CDs auf, zusätzliche Charaktere und ihre Stimmen sind bei den jeweiligen Einzelteilen vermerkt.
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