Stephen King – Friedhof der Kuscheltiere (Hörspiel)

Achtung: Manchmal kommen sie wieder!

Wer erinnert sich nicht mit Schaudern an den Film „Friedhof der Kuscheltiere“? Vielleicht sogar an dessen Fortsetzung von 1992? Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) produzierte 1999 ein stimmungsvolles Hörspiel, das dem Film durchaus das Wasser reichen kann. Tatsächlich dringt der Horror des Endes noch stärker zum Zuhörer durch, denn keine Bilder unterstützen seine Vorstellungskraft – diese wird vielmehr selbst aktiv, wodurch der Horror umso unmittelbarer wirkt.

Tierliebhaber seien gewarnt: Wiederauferstandene Katzen gehören nicht ins Haus oder in die Nähe von Kindern!

_Der Autor_

Stephen King, geboren 1947 in Portland, Maine, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Schon als Student veröffentlichte er Kurzgeschichten, sein erster Romanerfolg, „Carrie“ (verfilmt), erlaubte ihm, sich nur noch dem Schreiben zu widmen. Seitdem hat er weltweit 400 Mio. Büchern in mehr als 40 Sprachen verkauft. Im November 2003 erhielt er den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk. (Verlagsinfo) Er lebt in Bangor, Maine, und Florida. Seine Erstleserin ist immer noch seine Frau Tabitha King.

Sein Hauptwerk, das zeigt sich immer deutlicher, ist der Zyklus um den dunklen Turm. Er besteht aus folgenden Bänden:

Schwarz (ab 1978); Drei; Tot; Glas; Wolfsmond; Susannah; Der Turm (2005).

Dazu gibt es zwei empfehlenswerte Erläuterungsbände von Kings Assistentin Robin Furth. Sie hat auch bei [„Puls“ 2819 recherchiert, z. B. über Handys. King selbst besitzt kein Handy(!).

_Die Sprecher_

Zu den Sprechern gehören Lászlo Kish (Louis Creed), Christin Marquitan (Rachel Creed), Manfred Steffen (Jud Crandall) und andere. Lászlo Kish spielte als Kommissar in diversen Tatort-Krimis mit. Manfred Steffen vermittelt den alten, väterlichen Nachbarn Jud hervorragend.

Das Hörspiel wurde 1999 vom WDR produziert und ausgestrahlt. Daher sind die Musik, die Geräusche und vor allem die erstklassigen Mono- und Dialoge von erster Güte. Die ausgefuchste Szenengestaltung stammt von Gregory Evans, Regie führte Thomas Werner.

_Handlung_

Spätsommer 1999. Als neuer Universitätsarzt zieht der junge Louis Creed (ein sprechender Name, denn „creed“ bedeutet ‚Glaube‘) mit seiner Frau Rachel, seiner Tochter Ellie und seinem kleinen Sohn Gage nach Ludlow, Maine. Ein wunderbares Haus in einer herrlichen Landschaft erwartet die Familie. Einziger Haken: Das Haus liegt direkt an einer vielbefahrenen Landstraße, auf der Tanklaster und so weiter vorüberdonnern. Rachel macht sich große Sorgen. Als sie noch klein war, starb ihre Schwester Zelda, und seitdem macht sie sich deswegen Vorwürfe. Sie weigert sich sogar strikt, über die Tatsache des Todes auch nur zu reden.

|Erste Warnungen|

Die Nachbarn sind sehr nett und hilfsbereit, und schon bald schließen die Creeds Freundschaft mit den Crandalls. Der 83-jährige Jud erzählt, wie viele Kuscheltiere schon auf der Straße überfahren wurden und zeigt Louis und Ellie den Tierfriedhof, wo die Kinder der Stadt ihre Lieblinge begruben. Ein Schild sagt, dies sei der „Pet Sematary“ (Schoßtierfriedhof). Dies sei altes Indianerland, wo die Micmacs einst lebten, und Ellie solle den Pfad niemals verlassen, ermahnt er das Mädchen. Sie lesen die Grabsprüche und Louis wundert sich, dass die Gräber in konzentrischen Kreisen angeordnet sind. Und ihm fällt ein Windbruch auf, der wie das Tor zu einem Tunnel unter den gebrochenen Stämmen aussieht. Ellie wünscht sich, dass Church, ihr Kater, nie sterben soll.

|Erste Opfer|

Semesterbeginn, die Stadt füllt sich mit Studenten. Als erstes neues Opfer der Straße landet der junge Victor Pascow in Louis’ Praxis auf der Unfallstation der Uni. Er hat ein schweres Hirntrauma, scheint aber seltsamerweise schon vor seinem Unfall tot gewesen zu sein. Und er warnt Louis eindringlich vor dem hinteren Teil des Friedhofs der Kuscheltiere. Aber woher kennt er Louis’ Namen?

Rachel ruft Louis nach Hause, um ihm ihre neuen Dessous zu zeigen. Das lässt ihn den Vorfall vergessen, doch Victor Pascow erscheint ihm in einem Traum. Oder ist es doch kein Traum, als er Pascow in den Wald zum Tierfriedhof folgt und über die Bäume des Windbruchs klettert? Dies sei eine Grenze, die er niemals übertreten solle, warnt Pascow, oder alle seine Lieben müssten sterben. Am nächsten Morgen erwacht Lou mit einem Kratzer und Dreck an den Schuhen. In Lous Kopf streiten sich zwei Stimmen. Um sein Oberstübchen steht es bereits schlecht, doch es wird noch schlimmer.

|Die erste Wiederkehr|

Es wird Herbst und Halloween. Nach einer schönen, aber anstrengenden Feier erleidet Norma, Juds Frau, einen Herzanfall, aber Lou kann sie durch sein Eingreifen retten. Nach ein paar Wochen im Krankenhaus ist sie wieder die Alte. Vorerst. Aus Dankbarkeit erweist Jud seinem Freund einen besonderen Gefallen, wie er meint. Doch damit beginnt das Verhängnis.

Wenige Stunden später meldet er, dass die geliebte Katze der Creeds, Winston Churchill, überfahren worden sei und vor seinem Haus liege. Lou verschweigt den Tod des Tiers und belügt sowohl seine Frau als auch seine Tochter, die bei den Schwiegereltern in Chicago Thanksgiving feiern. Die Schwiegereltern haben Lou seit jeher als Mann ihrer einzigen verblieben Tochter abgelehnt. Lou schreibt lieber an seinem medizinischen Fachbuch.

Zwecks Beerdigung des Tierchens führt Jud Lou aber nicht nur zum Tierfriedhof, sondern in den durch den Windbruch abgesperrten Teil des uralten, geheimnisvollen Indianerfriedhofs. Den nannten die Micmacs „Kleiner Gott Sumpf“ und nach einigen Felsstufen gelangen die zwei Männer auf ein Felsplateau über dem Penobscot River, wo Lou ein paar aufgebrochene Gräber auffallen. Die Geräusche und Laute hier sind unheimlich. Hier herrsche nach dem Glauben der Indianer der böse Geist Wendigo, der aber diesen Ort verdorben habe. 1930 will Jud hier seinen Hund Spot begraben haben – ein zweites Mal …

Die magische Bestattung bleibt nicht ohne Folgen. „Church“ (= Kirche) kehrt lebendig zurück, ein bisschen aggressiv und nicht nur ein bisschen böse. Er hat Blut am Maul und zerfetzt mit Vorliebe Vögel. Und da das Tier ganz und gar nicht gut riecht, bittet die zurückgekehrte Ellie, das Viech rauszuschmeißen. Das hindert es aber nicht daran, immer wieder zu Lou zurückzukehren.

|Das zweite Opfer|

Es gibt eine ernste Warnung vor dummen Gedanken, auf die Lou kommen könnte. Der alte Jud erzählt Lou nach ein paar freundschaftlichen Bieren, dass es nicht immer nur Tiere waren, die auf dem Micmac-Felsplateau beerdigt wurden. Als der Zweite Weltkrieg Leichen zurück nach Ludlow brachte, konnte der alte Betterman den Tod seines Sohnes Tim nicht verwinden. Jud und seine Freunde, ein Anwalt und der Postmeister, wurden eines Tages gerufen, um einen Zwist im Hause Betterman zu schlichten: Da war der alte Betterman, aber auch sein Sohn Tim, und der roch weder gut noch sah er sehr appetlich aus. Und erzählte sehr schmutzige Dinge über die drei Männer, die er gar nicht wissen konnte. Zwei Tage später sei das Betterman-Haus niedergebrannt, nachdem der alte Betterman erst seinen Sohn erschossen, dann das Haus angezündet und schließlich sich selbst eine Kugel in den Kopf gejagt habe.

Weihnachten und Silvester kommen und gehen, ohne dass etwas Schlimmes passiert. Aber am 31. Januar stirbt Norma an einer Gehirnembolie, und Rachel kriegt sich überhaupt nicht mehr ein. Sie muss Lou unbedingt erzählen, wie ihre Schwester Zelda starb. Sie hat schreckliche Angst, dass Zelda zurückkommen könnte, um sich an ihr, Rachel, zu rächen. Lou ist einer der Sargträger, doch Rachel hat sich geweigert, zur Beerdigung zu kommen.

Am 24. März, so erinnert sich Lou, ist der letzte schöne Tag in seinem Leben. Während Rachel und Ellie fort sind, lässt er mit seinem Sohn Gage einen Drachen steigen. Sein Lachen ist wie ein Jungbrunnen.

Doch dann wird auch Gage ein Opfer des Straßenverkehrs, und der Horror beginnt nun mit voller Macht. Denn weder Lou noch Rachel sind in der Lage, sich mit seinem Tod abzufinden. Die Bestattung findet in Bangor, Maine, statt. Die zwei Stimmen in Lous Kopf streiten heftig, und andere Stimmen warnen vor dem, was sich zu einem Vorsatz in Lou verfestigt. Pascows und Juds Warnungen können ihn aber nicht von seinem Vorhaben abbringen. Sobald er Rachel mit Ellie zu ihren Eltern nach Chicago geschickt hat, macht Lou sich daran, die Wiederaufstehung Gages in die Hand zu nehmen.

Allerdings hat er in seinen Plänen nicht berücksichtigt, dass Ellie immer wieder prophetische Träume hat. Sie kann ihre Mutter dazu bewegen, schnellstmöglich nach Ludlow zurückzukehren. Was sie aber in Juds Haus erwartet, übersteigt ihre schlimmsten Befürchtungen. Denn wie in ihren Albträumen erlebt, kehren die Toten zurück, um sich zu rächen …

_Mein Eindruck_

„Friedhof der Kuscheltiere“ ist sozusagen Stephen Kings schaurige Variation der alten Lazarus-Geschichte. Während der Schauplatz, gewissermaßen die Bühne des Geschehens, äußerst realistisch geschildert ist, verbreiten die eigentlichen Ereignisse das Gefühl, es mit etwas Unheiligem zu tun zu bekommen.

Wie sein Name schon sagt, ist Creed der Vertreter des rechten Glaubens, der durch die Liebe zu seinem Sohn vom Glauben abfällt, so dass er einen unheiligen Akt begeht, der fürchterliche Folgen zeitigt. Sein Kater Winston Churchill trägt nicht umsonst den Kosenamen Church. Die Kirche bzw. ihr orthodoxer Glaube sowie ihre Anweisungen für ein gottgefälliges Leben gehen nämlich mit dem Begraben Churchs und seiner Wiederauferstehung als Erstes über Bord. Aber warum sind die Zombies allesamt böse?

Nun wird es knifflig. Victor Pascow und Jud Crandall warnen Lou Creed eindringlich. Dennoch schlägt er ihre Warnungen in den Wind. Warum? Weil er die spirituelle Instanz nicht anerkennt, die im hinteren Teil des Friedhofs waltet: der boshafte Indianergeist des Wendigo. Hier bestatteten die Micmac-Indianer ihre Toten. Aber es ist gut möglich, so Crandall und Creed, dass diese Stätte schon vor 2000 Jahren oder noch früher benutzt worden war. Und damals herrschten vielleicht noch schlimmere Geister als der Wendigo.

Lou spielt also ganz bewusst mit dem Feuer. Obwohl er als weißer Christ keine Ahnung von den indianischen oder „heidnischen“ Totengeistern hat, will er sich ihr Wirken nutzbar machen, indem er ihnen seinen Sohn bewusst opfert, als wäre er Abraham und sein Sohn Isaak. Doch er kennt nicht den Preis, den er für dessen Wiederauferstehung entrichten muss.

Man könnte also die Geschichte als religiöses Gleichnis deuten. Das soll den Zuhörer aber nicht daran hindern, die Geschichte intensiv zu erleben und den Grusel immer wieder von neuem zu genießen.

|Die Sprecher, die Inszenierung|

Alle Sprecher, selbst die ganz jungen, klingen wie professionelle Schauspieler. Lászlo Kish, Christin Marquitan und Manfred Steffen sprechen die Hauptrollen. Manfred Steffen vermittelt den alten, väterlichen Nachbarn Jud hervorragend. Bei Marquitan und Steffen hatte ich das Gefühl, eine Filmszene anzuhören, so realistisch spielen sie ihre Rollen.

Kish ist ein Sonderfall: Er ist gleichzeitig auch der Ich-Erzähler, und wir verfolgen neunzig Prozent des Geschehens durch seine Wahrnehmung. Nur gegen Ende wechselt der Blickpunkt zu Rachel und zu Jud. Die ausgefuchste Szenengestaltung stammt von Gregory Evans, Regie führte Johann M. Kamps.

|Die Musik …|

… von Renaud Garcia-Fons erklingt in Stereo und setzt vor allem auf den dezent und dräuend aufspielenden Kontrabass. Am 24. März erklingt sogar ein tanzartig flotter Rhythmus – es ist das einzige fröhliche Stück.

|Die Geräuschekulisse|

Die ausgetüftelten Soundeffekte bestechen durch ihre Vielfalt und die Sicherheit, mit der sie eingesetzt werden. Besonders in den vielen Friedhofszenen erzeugen sie einen gruseligen Rundumeindruck. Dies schafft perfekt jene unheilvolle Atmosphäre, aus der dann die grausigen Szenen des Endes hervorbrechen.

Es gibt darunter einen schrecklichen Sound, der mir durch Mark und Bein ging und der nur entsteht, wenn sich ein Stück Metall im Wind dreht und dabei an einem anderen Metall reibt. Es ist ein klagender Laut wie von etwas Lebendigem. Kombiniert mit dem ewig wehenden Wind und diversen Schreien und Lauten im Hintergrund jagt einem die Soundkulisse einen Schauder nach dem anderen über den Rücken.

Beim Wiederhören fiel mir der raffinierte Einsatz von wiederholten realen Geräuschen auf. Immer wenn eine Szene beginnt, klingt das Telefon. Meist wird dabei jemand aufgeweckt, gewöhnlich der Haupterzähler Lou. Und wenn eine Szene abrupt enden soll, donnert einer der LKW vorüber und seine Hupe dröhnt einem in die Ohren.

Zusammen mit der Stimme des zunehmend durchgeknallten Louis Creed und des warnend raunenden Jud Crandall geht das Hörspiel ganz schön an die Nerven. Und selbst die letzte Dialogzeile hält noch einen Schock bereit. Klasse!

_Unterm Strich_

Auf nur drei CDs – insgesamt 180 Minuten – entwickelt das Hörspiel eine derartig unheilvolle Stimmung, dass es für so manchen Zuhörer zu viel sein könnte. Dabei treten die echten Horrorszenen erst im letzten Drittel auf. Die Spannung, was nun mit den einzelnen Zombies und mit Lou Creed geschieht, bleibt bis zur letzten Zeile aufrechterhalten.

|Endlich: Preissenkung!|

Das Einzige, was einen früher vom sofortigen Kauf des Hörbuchs abhalten konnte, war der erstaunlich hohe Preis von 25 Euro für drei CDs. Inzwischen gibt es die CD-Box für rund zehn Euro, und jetzt sollte man zugreifen.

180 Minuten auf 3 CDs
Originaltitel: Pet Sematary, 1983
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