Trudi Canavan – Magie

Tessia ist die Tochter eines Landarztes, und wenn es nach ihr ginge, dann würde sie selbst Heilerin werden. Doch dann stellt sich plötzlich heraus, dass Tessia ein Naturtalent ist: Sie besitzt Magie! Nun bleibt ihr nichts weiter übrig, als Magierin zu werden, doch die Heilkunst lässt sie trotzdem nicht los. Und das ist gar nicht so verkehrt.

Denn Kyralia treibt auf einen Krieg mit Sachaka zu. Das Nachbarland, das Kyralia schon einmal erobert hatte, steht vor dem Problem, dass in seiner Gesellschaft nur Landbesitzer etwas zählen. Und da es weit mehr Magier gibt als Land, werfen einige Landlose äußerst begehrliche Blicke gen Südwesten, ganz gegen den Willen des sachakanischen Kaisers.

Der drohende Krieg beschäftigt Stara zunächst nur wenig. Das junge Mädchen, das in Elyne aufgewachsen ist, hat vor allem Schwierigkeiten mit der Sklavengesellschaft Sachakas. Als sie feststellen muss, dass ihr Vater sie nur zu sich gerufen hat, um sie zu seinem eigenen Vorteil zu verheiraten, ist sie zutiefst verletzt und enttäuscht und ergreift die erste Gelegenheit, die ihr geboten wird, um sich gegen das System zu wenden …

Die Handlung teilt sich also unübersehbar in zwei Stränge: Für den kleineren Handlungsstrang ist im Grunde nur Stara wirklich wichtig. Stara ist Halbsachakanerin und eine echte Schönheit. Aber sie ist auch intelligent, einfallsreich und tüchtig, was zu ihrem Kummer in Sachaka niemanden interessiert. Außerdem hat sie in Elyne von einer Freundin heimlich die niedere Magie erlernt, in Sachaka ebenfalls kein Bonuspunkt, sondern eher ein Makel.

Der größere Handlungsstrang bietet deutlich mehr Personen. Tessia ist klug und lernwillig, vor allem aber mitfühlend und hilfsbereit. Und sie macht keine halben Sachen. Da sie nun mal von ihrem Vater so viel über Krankheiten und deren Behandlung gelernt hat, ist sie auch willens, diese Kenntnisse anzuwenden. Gleichzeitig ist sie aber auch neugierig und einfühlsam genug, um sich erfolgreich auf ein neues Gebiet vorzutasten: Tessia will die Magie mit der Heilkunst verknüpfen.

Ihre Hartnäckigkeit in dieser Hinsicht beeindruckt letztlich sogar Jayan. Der etwas überhebliche junge Meisterschüler aus einem städtischen Adelsgeschlecht ist zunächst gar nicht erbaut davon, dass er seine Lehrzeit nun mit einer Anfängerin teilen muss, die ihn nur aufhält. Der drohende Krieg mit Sachaka sorgt allerdings nur zu bald dafür, dass er seine Meinung über Tessia ändert.

Takado, der sachakanische Magier, der den Krieg letztlich ins Rollen gebracht hat, ist ein stolzer Mann. Dass Sachaka Kyralia und Elyne einst in die Unabhängigkeit entlassen hat, empfindet er als Schmach, die Weigerung seines Kaisers als Schwäche. Takado ist klug, ein guter Stratege und eine charismatische Persönlichkeit. Er ist sich sicher, dass es ihm gelingen wird, Kyralia zu erobern, also versucht er es eben auf eigene Faust.

Und dann wäre da noch Narvelan, ein junger Magier und Nachbar von Tessias und Jayans Lehrmeister Dakon. Narvelan ist vor allem deshalb erwähnenswert, weil sein Charakter sich im Laufe der Geschichte am gravierendsten wandelt, als ein Beispiel dafür, was Krieg aus einem Menschen machen kann. Wobei das nicht ganz passend ausgedrückt ist, denn das, was aus Narvelan wird, ist von Anfang an in seiner Persönlichkeit angelegt, und doch hätte er ohne den Krieg der fröhliche und unbeschwerte junge Mann bleiben können, der er ursprünglich war.

„Magie“ ist das Prequel zum Zyklus Die Gilde der schwarzen Magier, doch obwohl es schon eine ganze Weile her ist, dass ich diesen Zyklus gelesen habe, empfand ich die Charakterzeichnung in diesem neuen Roman gelungener als die im Zyklus. Das gilt vielleicht nicht unbedingt für Stara, deren Geschichte hauptsächlich dazu zu dienen scheint, die sachakanische Gesellschaft etwas genauer zu beleuchten, aber immerhin hat sie ihr Selbstbewusstsein im wesentlich offeneren und freieren Klima des Nachbarlandes Elyne entwickelt, nicht in Sachaka. Auch Tessias Persönlichkeit ist dadurch, dass sie sich als Frau gegen die Regeln einer Männergesellschaft stemmt, ein wenig in einer derzeit modernen Schiene gefangen, was aber dadurch gemildert wird, dass sie in der Stadt eine Gleichgesinnte trifft. Jayans Charakter dagegen hat sich wesentlich glaubwürdiger entwickelt als Regins im zweiten Band des Zyklus, und die Person Narvelans ist einfach nur tragisch, im positiven Sinne. Interessant fand ich vor allem die Darstellung Takados, denn jegliche Schilderung dieses Mannes geschieht aus der Sicht seines Sklaven. Auf diese Weise erklärt sich auch ein großer Teil der sachakanischen Kultur, zum Beispiel die Frage, warum nahezu alle Sklaven ihren Herren so treu ergeben sind, anstatt einfach eine Revolte anzuzetteln.

Darin, wie schwer sich die Charakterzeichnung von der Darstellung des gesellschaftlichen Hintergrunds, also vom Entwurf der Welt als solcher, trennen lässt, zeigt sich bereits, wie eng Trudi Canavan die einzelnen Teile ihrer Geschichte miteinander verwoben hat.

Den Handlungsverlauf des Hauptstrangs lässt die Autorin eher langsam angehen. Zunächst widmet sie sich der Einführung ihrer Charaktere und auch kurz dem Kontrast zwischen Stadt und Land, ehe sie zur Sache kommt. Und auch als der Konflikt bereits im Gange ist, tut sich zunächst nicht viel. Takado lässt sich Zeit. Und die Kyralier auch. Überhaupt hinken die Kyralier den Sachakanern zunächst ständig hinterher, selbst als längst klar ist, dass Sachaka tatsächlich Kyralia erobern will. Das ist natürlich auch ein wenig Taktik der Autorin, und sie geht auf.

Je näher die Sachakaner der Hauptstadt Imardin kommen, desto schlechter stehen die Karten für Kyralia, und der Ausgang der diversen Schlachten tut sein Übriges. Das sorgt gegen Ende durchaus für Spannung. Wobei „Ende“ relativ ist, denn die Entscheidungsschlacht kam erstaunlich früh. Aber schließlich handelt es sich um ein Prequel, also hat die Autorin das Buch weit genug geführt, um zu erklären, wie es zur Ausgangssituation im Zyklus kam. Und das ist ihr gelungen, ohne den Leser in ein Loch fallen zu lassen. Der Teil nach der Entscheidungsschlacht ist weder langweilig noch überflüssig, es gibt immer noch genug Probleme zu bewältigen, wenn auch ganz anderer Art, und ohne diesen Teil wären eine Menge Fäden einfach in der Luft hängen geblieben.

Der zweite Handlungsstrang setzt erst im zweiten Teil des Buches ein. Er liefert die Informationen, die nötig sind, um den Verlauf der Ereignisse nach der Entscheidungsschlacht zu verstehen, ist aber mit dem Hauptstrang kaum verbunden und hat auch kaum Auswirkungen auf dessen Verlauf. Allein Jayans Verletzung, die aus der kurzen Berührung der beiden Stränge resultiert, bewirkt eine Veränderung, die sonst nicht eingetreten wäre. Es sei denn natürlich, Trudi Canavan hätte die Absicht, das Ende des kleineren Handlungsteils mit in das Sequel einfließen zu lassen, an dem sie im Augenblick schreibt, sozusagen als Langzeitwirkung. Ich zumindest würde das begrüßen, denn sie hat da einige vielversprechende Ideen angedeutet.

„Magie“ selbst ist allerdings ein eigenständiger Roman, der unabhängig von dem Zyklus gelesen werden kann, dessen Vorgeschichte er erzählt.

Bleibt zu sagen, dass Trudi Canavan sich gesteigert hat. Die Gilde der schwarzen Magier fand ich ja schon nicht schlecht, aber „Magie“ hat mir noch besser gefallen. Das Mittelfeld dürfte die Autorin damit hinter sich gelassen haben. Ich bin jetzt schon gespannt auf ihre neue Trilogie.

Trudy Canavan stammt aus Australien, wo sie nach einem Studium am Melbourne College of Decoration als Designerin, Illustratorin und Kartenzeichnerin für verschiedene Verlage tätig war, ehe sie zu schreiben begann. 1999 gewann sie mit ihrer Kurzgeschichte „Whispers of the Mist Children“ den Aurealis Award for Best Fantasy Short Story. 2001 erschien dann ihr erster Roman, der erste Band der Trilogie Die Gilde der schwarzen Magier. Ihre Trilogie Das Zeitalter der Fünf ist inzwischen ebenfalls auf Deutsch erhältlich. The Traitor Syp Trilogy, die Fortsetzung zu Die Gilde der schwarzen Magier, ist derzeit noch in Arbeit.

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 736 Seiten
Originaltitel: The Magician’s Apprentice
Deutsch von Michaela Link
ISBN-13: 978-3-7645-3037-2

´ http://www.trudicanavan.com/
http://www.randomhouse.de/penhaligon/index.jsp

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