Nina Blazon, Wolfgang-Hohlbein-Preisträgerin, ist vielen vielleicht nur wegen ihrer erfolgreichen Fantasybücher ein Begriff. Tatsächlich schreibt die Autorin aber auch historische Romane wie zum Beispiel „Der Maskenmörder von London“.
Die Geschichte spielt im 18. Jahrhundert. Die Stadt London steht Kopf, denn der italienische Staropernsänger Giacomo Maria Amorelli singt in Prinz Fredericks Theaterhaus. Auch Isobel Burlington, eine betuchte Witwe, ist großer Fan des Sängers, während ihr Neffe Lucius bei der bloßen Erwähnung des Namens die Augen verdreht.
Der junge Mann, der aus ärmeren Verhältnissen aus Dover stammt und in London seine Ausbildung zum Kaufmann machen soll, interessiert sich nicht sonderlich für Opern und das adlige Getue seiner Tante. Doch als bei der Premiere von Amorellis neustem Stück dessen Rivale Ferrante ums Leben kommt, ist Lucius‘ Neugierde geweckt.
Mithilfe der Schleifenmacherin Sisí und dem Volk auf der Straße versucht er den rätselhaften Fall zu lösen. Denn anders als die Polizei unter dem raubeinigen Constable Avory glaubt Lucius nicht daran, dass Amorelli der Mörder ist …
Erneut gelingt es Nina Blazon, in den Mittelpunkt ihrer Geschichte einen jungen, gewitzten Helden zu stellen, der eine knifflige Aufgabe lösen muss. Lucius ist frech und mutig und nicht gerade der Kaufmannslehrling, der er eigentlich sein sollte. Sein Charakter ist gut ausgearbeitet und weist Ecken und Kanten auf. Außerdem ist er sehr sympathisch und interessant, weil er gerne ein wenig über die Stränge schlägt.
Ihm zur Seite stehen weitere Figuren, die ebenfalls sehr schön und zeitgerecht gezeichnet sind. Um Spannung in die Besetzung zu bringen, lässt Blazon die eine oder andere Person etwas undurchsichtig erscheinen, webt persönliche Tragödien ein und stellt Lucius eine tapfere junge Dame an die Seite. Sisí, eine einfache Bürgerin, zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie sich gerne über ihre Standesgrenzen hinwegsetzt und Dinge tut, die einem jungen Mädchen eigentlich nicht gebühren.
Die ganze Handlung wird davon geprägt, dass Lucius und Sisí Dinge tun, die sie eigentlich nicht tun sollten. Munter brechen sie die Traditionen des 18. Jahrhunderts, um den wahren Mörder von Ferrante zu finden. Trotz dieser leicht verruchten Komponente und des schönen Erzählstils bleibt die Handlung aber recht blass. Den Ereignissen fehlt oft der zündende Funke. Dadurch kommt kaum Spannung auf beziehungsweise erst am Ende. Hier schlägt Blazon ein paar Haken und sorgt für die Überraschungen, die sie lieber vorher schon hätte einfließen lassen sollen.
Insgesamt lässt die Geschichte auch ein wenig an der Dichte missen, die man sonst von der Stuttgarter Autorin gewohnt ist. Ihre überbordende Fantasie, die ihre Fantasybücher zu kleinen Sensationen werden lässt, scheint in Angesicht einer realen Welt geschrumpft zu sein. Dadurch wirkt der Hintergrund, vor dem sich die Geschichte abspielt, etwas farblos und starr. Blazon bemüht sich zwar, witzige Besonderheiten des 18. Jahrhunderts in die Geschichte einzuweben, aber es gelingt ihr nicht, diese entsprechend zu präsentieren. Die Besonderheiten wirken lose und es fehlt der Geschichte an Dichte.
Immerhin der Schreibstil ist genauso gut wie in Nina Blazons Fantasybüchern. Leichtfüßig und beschwingt mit einer guten Prise Humor schreibt sie aus Lucius‘ Perspektive. Das Buch ist angenehm zu lesen, wenn auch ein wenig ernster als zum Beispiel Blazons „Die Taverne am Rande der Welten“-Reihe. Dieser neue Ernst tut dem Erzählstil aber keinen Abbruch. Nina Blazon beweist erneut, dass sie anspruchsvoll, aber doch jugendfreundlich schreiben kann.
„Der Maskenmörder von London“ gehört nicht zu Blazons besten Büchern. Die Handlung erzeugt dafür zu wenig Spannung und auch der geschichtliche Hintergrund ist vergleichsweise blass. Trotzdem kann sie mit ihrem leichtfüßigen Schreibstil und den sympathischen Charakteren punkten.
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