George Allan England – Das Ding (Gruselkabinett Folge 152)

Wer geht da? Ein Monster der Gedankenkontrolle

Anno 1930. In der Wildnis jenseits des Hudson Rivers sammelt eine Gruppe Wissenschaftler Aufzeichnungen und Gesteinsproben für eine Untersuchung, als ihre Führer auf bestialische Weise getötet werden. Aufgeschreckt stellen die Forscher fest, dass nun sie die nächste Beute für ein Wesen werden könnten, das nicht von dieser Welt zu sein scheint … (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab 14 Jahren.

Der Autor

George Allan England (1877-1936) war ein amerikanischer Schriftsteller, vor allem bekannt durch seine Science-Fiction-Geschichten, die in der Verbreitung zeitweise mit den Erzählungen von Edgar Rice Burroughs vergleichbar waren. Einflüsse von H. G. Wells, Jack London und Algernon Blackwood sind festgestellt worden.

Bereits 1903 hatte er einen Gedichtband (Underneath the Bough) veröffentlicht, ab 1905 erschienen erste Erzählungen, darunter „The Time-Reflector“ über eine Art Zeit-Teleskop, mit dem man einen Blick in die Vergangenheit werfen kann. Weitere Erzählungen erschienen, nun vor allem in The All-Story Magazine und anderen Pulp-Magazinen, Storys, deren Zahl auf insgesamt 250 bis 300 geschätzt wird.

Anders als im Fall von Burroughs, dessen Bücher immer wieder aufgelegt und verfilmt wurden, seit es Filme gab, ist Englands Werk weitgehend vergessen, obwohl er zu seiner Zeit ein sehr populärer Autor war, der auch außerhalb der Pulp-Magazine durchaus rezipiert wurde.

Sein bekanntestes Buch ist „Darkness and Dawn“, 1912 in Fortsetzungen in Munseys The Cavalier erschienen. Das Leserinteresse war so stark, dass der Verleger ihn drängte, Fortsetzungen zu schreiben. So erschien 1913 „Beyond the Great Oblivion“ und „The Afterglow“ und 1914 eine Buchausgabe der so entstandenen Trilogie, insgesamt ca. 225.000 Worte Text. Thema ist das Überleben in einer postapokalyptischen Welt, aber auch die Errichtung eines rein weißen Utopia, das über die „Affenmenschen“ gesiegt hat.

England war überzeugter Sozialist, was sich wie bei Jack London auch in einigen seiner Erzählungen deutlich abbildete, etwa in „The Golden Blight“ (1912) und „The Air Trust“ (1915), in denen es um die Vernichtung von Gold bzw. ein Luftmonopol geht. Für die Sozialistische Partei Amerikas kandidierte er 1908 für den Kongress und 1912 für das Amt des Gouverneurs von Maine. (Quelle: Wikipedia.de))

Für ein vollständiges Werkverzeichnis konsultiere man den Artikel in der englischsprachigen Wikipedia.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Rollen und ihre Sprecher:

Erzähler: Peter Weis
Prof. Thorburn: Gerhard Fehn
Joan Thorburn: Cécile Kott
Vivian: Julia DeLuise
Wallace Jandron: Helmut Zierl
Marr: Valentin Stroh

Die Macher

Regie führten die Produzenten Marc Gruppe und Stephan Bosenius. Die Aufnahmen fanden bei Titania Medien Studio, bei Advertunes und in den Planet Earth Studios statt. Die Illustration trug Ertugrul Edirne bei.

Handlung

Anno 1930 zieht die Expedition des Physikprofessor Thorburn durch die ausgedehnten Wälder zwischen Hudson River und Maine. Ihn begleiten seine Frau Joan, eine Biologin, und deren Schwester Vivian. Mit von der Partie sind der zynische Journalist Marr und der Geologe Dr. Wallace Jandron, der schwer in Vivian verliebt ist. Jandron ist auch als einziger schon mal in den „Ländern des Nordens“ gewesen. Er streitet sich ständig mit dem Journalisten, was den anderen schwer auf den Zeiger geht. Diese Animosität soll sich schon bald als verhängnisvoll erweisen.

Schüsse im Wald

Die beiden Wildnisführer sind schon vorausgegangen. In etwa anderthalb Kilometer Entfernung hören die zurückgebliebenen Expeditionsteilnehmer auf einmal zahlreiche Schüsse fallen und vernehmen verzweifelte Schreie. Dann senkt sich eine unheilvolle Stille auf das schweigende Land, in dem keinerlei Fauna festzustellen ist, wie der Professor bemerkt.

Am nächsten Morgen gehen die drei Männer in den Wald, um die Stelle des Kampfes in Augenschein zu nehmen. Alles, was sie vorfinden, ist eine merkwürdig aussehende Fährte von einem unbekannten Wesen. Der runde Abdruck, der in der Mitte kegelförmig ist, ist eiskalt. Als Jandron Wasser daraufgießt, verwandelt es sich sofort in Eis – doch es schmilzt nicht. Er schlussfolgert, dass das Wesen, das sich auf einem Bein fortbewegt und solche Spuren aus Super-Eis hinterlässt, mit Kälte tötet. Es komme aus dem Weltraum, sei schnell und vor allem – unsichtbar.

Versuchskaninchen

Joan Thorburn, die ihnen heimlich gefolgt ist, weist dieses defätistische Geschwätz als Unsinn zurück und fordert sie auf, zurück zum Lager zu zurückzukehren. Aber auch sie kann nicht umhin festzustellen, dass es zunehmend kälter wird. Dennoch, sagt sie am Lagerfeuer, das Ding sei nicht übernatürlichen Ursprungs, wie Jandron behauptet, sondern natürlich. Kein Grund zur Panik also, pflichtet ihr der Prof bei, selbst wenn in den Wäldern von Maine schon der ein oder andere Mann verschollen ist oder, sofern man ihn wiederfand, den Verstand verloren hatte. Jandron unkt weiter, dass das Ding gefährlich werden könne. Noch untersuche es sie wie Versuchskaninchen, um ihre Reaktionen zu studieren. Seine Andeutung, es wolle sie eventuell sezieren oder gar züchten, stößt auf vehementen Widerspruch, besonders seitens der Damen.

Das erste Opfer

Jandron hält die erste Wache, doch wegen der zunehmenden Kälte nickt er ein. Am nächsten Morgen ist Joan Thorburn in eine bewusstlose Starre verfallen, auf ihrer Stirn prangt ein runder Abdruck. Das Feuer ist ausgegangen und rings um das Lager sind fremdartige Abdrücke zu sehen, die mit Super-Eis gefüllt sind. Es war hier. Prof. Thorburn trauert um seine Frau, doch die anderen geraten in Aufregung: Bloß weg von hier! Sie packen die Kanus voll, nehmen die beiden Thorburns an Bord und paddeln los, flussaufwärts, Richtung Zivilisation. Das Schlimmste steht ihnen indes noch bevor.

Invasion

Im nächsten Lager am Fluss lässt sich schon kein Feuer mehr entzünden, da es dafür zu kalt ist. Weil der Prof trauert und sich die jüngeren Männer ständig streiten, übernimmt Vivian das Kommando. Ihre Schwester segnet das Zeitliche. Nach Joans Begräbnis befiehlt Vivian, allen unnötigen Ballast zurückzulassen, um schneller vorankommen zu können. Doch mit jedem Kilometer flussaufwärts nehmen auch Schneefall und Kälte zu. Die Gegend ist leer, so dass es nichts zu jagen gibt. Das Fleisch reicht nur noch für einen Tag. Sie müssen dringend eine Unterkunft finden, oder sie verhungern und erfrieren. Vivian klagt über zunehmende Kopfschmerzen, gegen die ihr Jandron Aspirin verabreicht, während er ihr seine Liebe erklärt.

Doch die Liebe der Turteltäubchen muss warten, denn nun erblicken sie eine Blockhütte am Ufer, die sie sofort zu okkupieren gedenken. Kaum haben sie Feuer gemacht, beginnt draußen ein Schneesturm zu heulen. Die Kopfschmerzen, die bisher nur Vivian geplagt haben, überfallen nun alle mit Wucht. „Es versucht, in unser Gehirn einzudringen!“, ruft der Professor, „so wie seinerzeit bei dem Vorfall in Valladolid.“ Damals war in der spanischen Stadt eine Menschenmenge ohne ersichtlichen Grund völlig ausgerastet. Jandron pflichtet ihm bei: Die Außerirdischen hätten die Menschheit schon lange beobachtet und ihr geholfen, große Denkmäler wie etwa Pyramiden zu errichten. Nun, Hilfe haben sie momentan keine zu erwarten.

Feindliche Übernahme

Die Kopfschmerzen werden unerträglich: „Es dringt in uns ein!“ Sie schreien vor Schmerz. Jandron verliert das Bewusstsein. Er erwacht wieder, als der Professor mit leerem, starrem Blick aus dem oberen Stockwerk herabsteigt. Auf seiner Stirn ist ein runder Abdruck zu sehen. Eis ist überall, auch auf der Innenseite der Fenster. Doch wo sind Vivian und Marr? Jandron öffnet die Tür und erblickt eine Winterlandschaft. Zwei Fußspuren führen zum nahen Fluss. Vivian und Marr kehren mit einem der Kanus zurück. Als sie ihn erblicken, sind sie überrascht: „Wir haben dich für tot gehalten!“

Plötzlich richtet sich Marr mit starrem Blick auf und richtet ein Gewehr auf Jandron, den ewigen Rivalen. Vivian schreit auf und will Marr zurückhalten, doch der reagiert gar nicht auf sie. Ein Schuss fällt…

Mein Eindruck

In der Folge beginnen sich die selbstzerstörerischen Impulse unter den Männern heftiger auszuwirken. Nur Jandron und Vivian überleben, aber Jandron ist sich nie sicher, ob die Frau, die er ins Militärkrankenhaus von Montreal gerettet hat, nicht doch irgendwie noch besessen sein könnte…

Diese romantischen Elemente der Handlung gehen in der Version, die John W. Campbell jr. 1938 veröffentlichte, leider völlig verloren. Die Handlung von „Who goes there?“ ((https://en.wikipedia.org/wiki/Who_Goes_There%3F)), die viermal als „Das Ding“ bzw. „Horror-Express“ verfilmt wurde, stellte sich 2018 als die gekürzte Version eines umfassenden Romans heraus, den der der berühmte Herausgeber von „Amazing/Astounding Stories“ unter dem Pseudonym Don A. Stuart verfasst hatte. Bei Campbell ist der Außerirdische ein Gestaltwechsler statt eines Gedankenkontrolleurs. Das macht das Alien nicht weniger gefährlich, ganz im Gegenteil: Es kann auch die Gestalt eines harmlos aussehenden Schlittenhundes annehmen.

Identität

Schon bei Englands Originalversion des Themas geht es um das Fremde und das Eigene. Was ist Identität und wie können wir sie feststellen bzw. bewahren? Die Identität, um welche es geht, ist bei England noch recht begrenzt auf das Individuum und seine unmittelbare Umgebung. Es ist eine kleine, etwas zusammengewürfelte Gruppe, die aber auf einer sexuellen Ebene emotionalen Sprengstoff enthält. Zwei Frauen, zwei jüngere Männer und ein älterer Herr, der Prof. Entscheidend ist, in welcher Reihe die Mitglieder dieser Gruppe zum Opfer des unsichtbaren Eroberers werden, markiert durch den Kreis auf der Stirn. Das erste Opfer (nach den Führern) ist die Frau des Professors: Sie ist der „schwächste“ Mensch unter den vier Begutachtern der Fußspuren des Aliens. Ihr Verlust setzt den Prof außer Gefecht – er ist das nächste Opfer.

Bleiben also zwei jüngere Männer, die um eine jüngere Frau buhlen, nämlich Vivian. Sie mag jetzt zwar das Kommando haben, doch das Alien „erkennt“ ganz klar, dass die beiden Männer um sie kämpfen wollen, um sie für sich zu gewinnen – und um sie zu züchten, wie einer der Männer (Marr?) so zynisch erkannt hat. In dem entscheidenden Streit schießt der besessene Marr seinen Rivalen nieder und verschanzt sich in der Blockhütte. Jandron ist bereit, Vivian den Gnadenschuss zu geben, nur damit sie nicht dem Alienmonster in die Hände fällt. Aber bietet er ihr den Gnadenschuss an, um sie zu schützen oder um den ultimativen Besitzanspruch auf sie zu erheben?

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Sprecher*innen

Zwei älteren Stimmen sind drei jüngere beigesellt, und wie oben schon erörtert, führt dies zu einer Menge emotionalem Zündstoff. Sobald der Prof und seine Frau „ausgeschaltet“ sind, hebt ein Rivalenkampf um Vivian an, der einem dramatischen Höhepunkt zustrebt. Der Einfluss des Aliens durch „Mind Control“ ist dabei ununterscheidbar von den entfesselten Emotionen der beiden Rivalen.

An einer Stelle heißt es, dass sogar Vivian Jandron angegriffen haben soll. Das hätte sie wohl nicht getan, wenn es keinen Kontrolleur ihrer Gedanken gegeben hätte. Julia DeLuise, die Sprecherin der Vivian, legt eine große Emotionalität an den Tag, aber auch eine Entschlossenheit, die Expedition noch zu retten, nachdem der Prof und seine Frau ausgefallen sind.

Ihr zur Seite steht Helmut Zierl als der ruhige Geologe Wallace Jandron. Der Hörer möchte sich zu gerne mit identifizieren, aber es gibt Zweifel an Jandrons Figur. Woher will er das Wissen über feindselige Alienforscher auf Erden nehmen? Er nennt keinerlei Quellen, die ihm Recht gäben. Zweitens ist seine Gemütsruhe schon rekordverdächtig. Er scheint als einziges Mitglied der Expedition genügend Selbstkontrolle zu besitzen, um der Panik auszuweichen und dann auch noch an Liebe zu denken. Und als einziger will er nichts von einer Kontrolle durch fremde Gedanken mitbekommen haben. Dabei ist er aber auch ein Opfer geworden: Er hat so lange wie tot in der Blockhütte, dass ihn Vivian und Marr für tot gehalten haben. Für mich ist Jandron jedenfalls ein unsicherer Chronist.

Geräusche

Eine schier unglaubliche Vielfalt von Geräuschen verwöhnt das Ohr des Zuhörers. Der Eindruck einer real erlebten Szene entsteht in der Regel immer. Diesmal entführt die Tonkulisse den Hörer in eine nördliche Winterlandschaft, die sich genausogut am Polarkreis befinden könnte. Der Norden hat im Gruselkabinett schon mehrere Male als Schauplatz fungiert, so etwa in „Der Kapitän der Polestar“ (Folge 108) und in „Der Wiedergänger“ (Folge 130). Um mangels Tieren usw. keine Leere aufkommen zu lassen, kommt es dabei darauf, eine dichte Atmosphäre von menschengemachten Geräuschen wie etwa ein knisterndes Lagerfeuer und natürlichen Geräuschen wie etwa heulendem Wind aufzubauen. Das gelingt ausgezeichnet.

Um den Hörer quasi aufzuwecken, fallen bereits am Anfang jede Menge Schüsse, gellen Schreie, die allmählich einer unheilvollen Stille weichen. Da ahnt der Hörer schon, dass das bestimmt nicht alles gewesen sein kann. Von diesem Punkt steigert sich die angespannte Dramatik des Geschehens, bis es zu einem Kampf auf Leben und Tod kommt. Auch hier gellen wieder jede Menge Schreie, und dem unvorbereiteten Hörer würden sie als übertrieben und hysterisch erscheinen, wenn er oder sie nicht schon darauf eingestimmt wäre. Die Regie wandelt diesbezüglich auf einem schmalen Grat. All diese Samples setzt die Tonregie zur Genüge ein, um einer Szene eine Fülle von realistisch klingenden Geräuschen zu vermitteln.

Die Musik

Von einem Score im klassischen Sinn kann keine Rede mehr sein. Hintergrundmusik dient nur dazu, eine düstere oder angespannte Stimmung zu erzeugen, und zwar nur dort, wo sie gebraucht wird. Hier steigert sich die Spannung recht dezent von Szene zu Szene, indem viel elektronisch erzeugte Bässe und Drums verwendet werden, um eine drohende Klangkulisse aufzubauen. Vor dem dramatischen Finale baut sich diese Klangkulisse zu einem Crescendo auf. Ihr folgt angespannte Stille, bevor sich das auditive Geschehen erneut zum nächsten Finale aufbaut.

Erst im Epilog erklingen harmonische, beruhigende Harmonien. Die Ironie dabei: Jandron, der Ich-Erzähler, tischt seiner Liebsten einen Berg von Lügen auf. Es ist schon bemerkenswert, dass er als einziges Mitglied der Expedition vom Alien unbehelligt geblieben sein soll. Die Gedankenkontrolle beherrscht er jedenfalls.

Das Booklet

Das Titelmotiv zeigt die Szene, in der die Titelfigur zu sehen ist. Es ist immer schwierig, etwas Unsichtbares darzustellen, aber es geht: Man muss das zeigen, was die Umrisse des Wesens konturiert und sichtbar erscheinen lässt, beispielsweise Schneeflocken. Dass es sich um eine Art Eisriesen handelt, ist allerdings die Erfindung des Illustrators. Die Eckzähne des Ungeheuers hätten durchaus etwas eindrucksvoller ausfallen können.

Im Booklet sind die zahlreichen Titel des GRUSELKABINETTS bis Herbst 2019 verzeichnet. Die letzte Seite zählt sämtliche Mitwirkenden auf.

Ab Frühjahr 2019

144: Arthur Machen: Der gewaltige Gott Pan
145: M.R. James: Das unheimliche Puppenhaus
146: H.G. Wells: Der rote Raum
147: Per McGraup: Die Höllenfahrt des Schörgen-Toni (Original-Hörspiel!)
148: Louisa May Alcott: Im Labyrinth der Großen Pyramide
149: E. & H. Heron: Flaxman Low – Der Fall Teufelsmoor

Ab Herbst 2019:

150: Lovecraft: Herbert West, der Wieder-Erwecker
151: Die Topharbraut
152: Das Ding
153: Bulemanns Haus
154: Tropischer Schrecken
155: E. & H. Heron: Flaxman Low – Der Geist von Baelbrow

Unterm Strich

Die zwischen 1920 und 1926 zweimal publizierte Erzählung Englands diente, wie unschwer zu erkennen, auch John W. Campbell jr. zur Inspiration, als er 1938 seine Novelle „Who goes there“ (neben einem nicht veröffentlichten Roman) veröffentlichte. Bei Campbell sind die Gestalten des Alien unschwer als „die Anderen“, die „Nichtamerikaner“ zu erkennen. Und nur dem amerikanischsten Expeditionsteilnehmer, dem Ich-Erzähler, ist es vergönnt, die Geschichte als einziger Überlebender zu erzählen. Die Frage ist also, wen das Alien in Englands Version darstellen soll.

An keiner Stelle erwähnen die englischen und deutschen Wikipedia-Artikel, dass der Autor eine Verbindung zu Lovecrafts Zirkel hatte, etwa zu Robert Block, Clark Ashton Smith oder Robert E. Howard. Seine Einflüsse sind eine Generation älter, nämlich E.R. Burroughs, H. G. Wells, Jack London und Algernon Blackwood. Während Burroughs und London in erster Linie Reiseabenteuer ablieferten und Blackwood u.a. okkultistische Psychothriller produzierte, konzentrierte sich Wells v.a. auf Wissenschaft und ihre gesellschaftlichen Folgen. Das dürfte genau auf einer Linie mit Englands sozialistischer Überzeugung gelegen haben, denn auch Wells stand den Sozialisten der Fabian Society nahe.

Diffuse Angst

Der Horror des Ersten Weltkriegs dürfte Ängste geschürt haben, dass die Ordnung des 19. Jahrhunderts endgültig den Bach hinuntergegangen war. Aber was würde danach kommen, lautete in gesellschaftlichen und philosophischen Zirkeln die Frage. Kaum einer ahnte, dass der Faschismus bald sein hässliches Haupt erheben würde – in Italien, Spanien und Deutschland.

Die diffusen Ängste ließen bei Lovecraft ebenso wie England die Bedrohung des Menschen diffus erscheinen, zumindest in „Das Ding“. Der Gegner ist nun das absolut Fremde, Unamerikanische, das die Gedanken und Gefühle der Menschen übernehmen und steuern will, um die Reaktionen zu studieren, wie es ein Wissenschaftler an Ratten untersuchen würde. Sein Hauptmerkmal ist die völlige emotionale Kälte. Sie ist eine Haupteigenschaft von Englands Alien.

Damit rückt die künftige Rolle der Wissenschaft ins Zwielicht. Der Höhepunkt dieses geistigen Motivs dürfte „Metropolis“ (1928) von Fritz Lang sein: Die Wissenschaft, die ein Utopia der Technik errichtet hat, knechtet die Arbeiter und erzeugt Roboter. Sie führt zu Entmenschlichung und Unfreiheit. Dem entspricht die Methode der Gedankenkontrolle. In Englands Story obsiegt das Gegenteil von Kontrolle, nämlich die Liebe. Bei Campbell kommt die Liebe überhaupt nicht vor.

Hinweis

Auch in dieser Übersetzung hat sich ein Fehler eingeschlichen. Wer mal darüber nachgegrübelt hat, wieso Menschen ausgerechnet wie Schweine aus Guinea werden sollen, dürfte im englischen Original die Erklärung finden. Doch „Guinea pigs“ sind nicht etwa Schweine aus Guinea, sondern schlicht und ergreifend Meerschweinchen. Der entsprechende deutsche Ausdruck wäre demnach „Versuchskaninchen“.

Das Hörspiel

Die Klangkulisse bestimmt in erster Linie, wie bedrohlich und unheimlich die Situation für die Mitglieder der Expedition erscheint. Da man von Musik kaum sprechen kann, sorgen Geräusche und v.a. Synthi-Sounds für die entsprechende Stimmung. Gegen diese sich langsam aufbauende Bedrohung versuchen sich die Figuren mehr oder weniger erfolgreich zu behaupten, und die Sprecher*innen bewältigen diese Aufgabe mit Bravour. Ob sie dabei die Grenze zur Hysterie überschreiten, bleibt dem Urteilsvermögen des jeweiligen Hörers überlassen.

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und bekannte Stimmen von Synchronsprechern und Theaterschauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für spannende Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich und wirkungsvoll inszeniert.

CD: über 53 Minuten Laufzeit
Originaltitel: The Thing from—’Outside‘, 1926
Aus dem Englischen von unbekannt.
ISBN-13: 9783785757246

www.titania-medien.de

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