Gene Wolfe – Unternehmen Ares

Stark gekürztes Frühwerk eines Meistererzählers

Die Invasion vom Mars fand im 21. Jahrhundert statt. Ganz Amerika betete für ein gutes Gelingen. Die Vereinigten Staaten versanken allmählich im Chaos. Der modernen technik kehrte man den Rücken zu. Die Notstandsregierung konnte sich nur mit Gewalt haalten. Die Lebensmittel wurden knapp. Das Leben war trostlos. Unternehmen ARES – Amerikas einzige Hoffnung… (Verlagsinfo)

Der Autor

Gene Wolfe ist einer der großen Stilisten der Science Fiction. Insbesondere seine Kurzgeschichten sind meisterlich feinsinnige Gratwanderungen zwischen Realität und Phantasie, die zum Nachdenken anregen. Zu seinen wichtigsten Story-Sammlungen gehören „The Island of Dr. Death and Other Stories“ (1980) sowie „Endangered Species“ (1989). Und natürlich das „Book of Days“ (1981).

Seine wichtigsten SF-Romane gehören den drei Zyklen um die Sonne an – die neue, die lange und die kurze:

DAS BUCH DER NEUEN SONNE

1) Der Schatten des Folterers
2) Die Klaue des Schlichters
3) Das Schwert des Liktors
4) Die Zitadelle des Autarchen
5) Die Urth der Neuen Sonne

DAS BUCH DER LANGEN SONNE

1) Die Nachtseite der Langen Sonne (siehe meinen Bericht)
2) Der See der Langen Sonne
3) Der Caldé der Langen Sonne
4) Der Exodus aus der Langen Sonne

THE BOOK OF THE SHORT SUN (unübersetzt)
1) On Blue’s Waters
2) In Green’s Jungles
3) Return to the Whorl

Weitere SF-Romane:
1) Frees Vermächtnis
2) Operation Ares
3) Der fünfte Kopf des Zerberus

Wichtige Fantasyromane sind:

1) MYTHGARTHR 1: Der Ritter (dt. bei Klett-Cotta)
2) MYTHGARTHR 2: Der Zauberer (dt. bei Klett-Cotta)
3) Soldat des Nebels (dt. bei Heyne; Band 1 eines Zyklus aus bislang 3 Romanen)
4) Peace (unübersetzt)

Handlung

Nach einem schweren Krieg werden die USA von einer Notstandsregierung unter Präsident Boyde geleitet, doch die wahre Macht liegt in den Händen der Wohlfahrtsverbände und ihrer Milizen. Sobald die Miliz einmal einen Bürger festgenommen hat, steckt sie ihn in die Wohlfahrtsorganisation PREST, denn dort lässt sich durch Korruption gute Kohle machen.

John Castle, ein Lehrer aus White City, New Jersey, soll angeblich für die Untergrundorganisation ARES tätig sein, die von seinen Freunden Japhet und Anna Tree, die John liebt, geleitet werde. DIE ARES soll von den Marsianern gesteuert sein. Die Miliz verhaftet ihn und buchtet ihn ein, doch schon wenig später bringt ihn ein Trupp Milizionäre zu Fuß und unter Bewachung von White City nach New York, um dort für PREST zu arbeiten. Damit er nicht abhaut, muss er eine elektrische Handschelle tragen, die seinen Puls fühlt. Bleibt der Puls aus, wird er als tot gemeldet. Verlässt er das Kontrollgebiet, wird er gejagt.

Doch ARES trägt seinen Namen nicht ohne Grund: Auf dem Mars (griechischer Name „Ares“) haben die Kolonisten eine liberale Gesellschaft errichtet. Ihre Schiffe und Piloten wollen nun die Erde befreien, doch leider erweisen sie sich bei einer Begegnung mit John Castles Miliztrupp als reichlich naiv und uninformiert. Obwohl sich John eine Chance zur Flucht bietet, bleibt er lieber in Haft, um seine Freunde, die beiden Trees, wiederzusehen.

Seine Hoffnung erfüllt sich. Während eines Einsatzes lernt er Japhet wieder, mit dem er ein konspiratives Treffen hat. Anna arbeite jetzt undercover in der Leibwache des US-Präsidenten und informiere die Marsianer von dessen Aufenthaltsort. Ist das nicht cool? Schon, aber dadurch bessert sich Johns Leben nicht.

Bei einem nächtlichen Noteinsatz kann er seinen Schützling, den drogensüchtigen Charley nicht vor einem Sturz vom Dach seiner Mietskaserne bewahren. Vielmehr zieht Charley John am Fuß in die Tiefe. Der Tankschlauch eines Helikopters kann Johns Fall nur unwesentlich verzögern. Als er wieder zu sich kommt, trägt John keine Handschelle – er hatte sie in der Eile vergessen. Nun ist die Gelegenheit zur Flucht günstig. Doch wohin soll er sich wenden?

Eine seltsame Gruppierung, die sich die „Jäger“ nennt, hat ihn gefunden und behandelt. Tia Maria ist die Anführerin der „Jäger“ und leitet heidnische Rituale, die John Angst einjagen. Doch auf welcher Seite steht Tia Maria – auf der der verhassten Notstandsregierung und der des verfassungsgemäßen Präsidenten Huggins? Als sich die Marsianer wieder melden, wird John darüber informiert, dass die USA inzwischen Russen und Chinesen infiltriert worden sind, die hier ihren nächsten Krieg austragen wollen…

Mein Eindruck

Warum der Verlag dieses Taschenbuch in der Kategorie „SF Bestseller“ einsortiert hat, ist schwer nachzuvollziehen. Die Kategorie „Action“ würde schon eher passen. An einigen Stellen werden militärische und konterrevolutionäre Aktionen geschildert, die die Handlung nicht langweilig werden lassen. Sie tragen zu begründen bei, warum John Castle quasi unaufhaltsam im Rang aufsteigt, bis er schließlich zum Rang des Verteidigungsministers der US-Regierung – egal ob der rechtmäßig gewählten oder der des Notstands – aufsteigt.

Nun, bekanntlich kann in unruhigen Zeiten alles Mögliche passieren, und das bietet jede Menge Aufstiegschancen. Das Ironische daran sind die Parteien, die John seinen Aufstieg ermöglichen. Das sind die Amerikaner, die Marsianer, die Russen und schließlich die Chinesen. Gibt es die Organisation ARES wirklich, muss sich der Leser fragen? Es ist im Grunde einerlei, denn die Marsianer machen sich kurz vorm Finale einfach aus dem Staub – nach all den Hoffnungen, die sie dem Widerstand im Untergrund gemacht haben, ist das ganz schön unfair. Das heißt, Russen, Chinesen und Amis kloppen sich schließlich alleine ums Überleben.

Ich habe mich gefragt, was uns der Autor eigentlich mitteilen will. Seine Story erinnert an die kryptofaschistische Militär-Action eines Heinlein und anderer US-Autoren in den fünfziger Jahren. In den sechziger Jahren wurde in der SF anderes erzählt, ganz besonders in Großbritannien, wo die New Wave führend war.

Nun, ein Konflikt ist jedenfalls konstituierend: der zwischen der Wissenschaft der Marsianer und den Militärs und Politikern auf der Erde. Das heißt also, zwischen Wissen, das allen gehören kann, und egoistischer Macht, die nur wenige haben können. Zwischen diesen beiden Mühlsteinen befinden sich hilflose Kreaturen wie Charlie, denen eigentlich geholfen werden könnte, wenn nur die korrupte PREST es zuließe.

Die Widerstandsbewegung ARES will die Umklammerung aus Politik und Militär öffnen und abschütteln, doch ob ihr dies gelingt, wird nicht so recht ersichtlich. Immerhin: John Castle ist am Schluss in einer Position, die es ihm erlaubt, Bedingungen an die Notstandsregierung unter Boyde zu stellen. Das ist ja schon mal ein Anfang.

Die Übersetzung

In der Übersetzung fehlen stellenweise Sätze und wichtige Szenen wie die zwischen den Liebenden John Castle und Anna Tree wirken unfertig. Angesichts des Umfangs von lediglich 159 Seiten kommt bei mir der Verdacht, dass dieser Text auf diesen Maximalumfang gekürzt wurde, um den Umfang eines Druckbogens = 160 Seiten) nicht zu überschreiten.

Die in den siebziger Jahren gedruckten HEYNE-Taschenbücher durften ebenfalls diesen Umfang nicht überschreiten und sind alle gekürzt. In den achtziger Jahren begann HEYNE, Taschenbücher von rund 200-220 Seiten zu veröffentlichen. Die Vermutung liegt nahe, dass dies der WAHRE Umfang der Vorlagen war.

S. 120: „und der Notstandsregierung bei der Unterdrücken der Demokratie behilflich sind…“ Statt „Unterdrücken“ muss es korrekt „Unterdrückung“ heißen.

S. 128: „Sie hielten auf ein pala[s]tähnliches Gebäude zu…“ Das S fehlt. Solche Druckfehler finden sich an vielen Stellen, auf deren Auflistung ich verzichte.

Unterm Strich

Die Lektüre ist aufgrund der erwähnten Kürzungen (siehe unten) nicht sonderlich erfreulich für einen intelligenten, gebildeten Leser. Vielmehr bewegt sich die Story auf dem Niveau von Pulp Fiction, also Lesefutter für den vorübereilenden Bahnhofsbesucher oder für den heranwachsenden Jüngling von zwölf Jahren, dessen einziger Anspruch an solche Lektüre der der spannenden Unterhaltung ist.

Auf einmal ergibt sich ein neuer Blickwinkel: John Castle hat mehr mit einem James Bond der späten fünfziger oder frühen sechziger Jahre („Dr. No“) gemeinsam als mit den übrigen Romanen Gene Wolfes. Jeder Fan von Gene Wolfe, einem der besten und einfallsreichsten Stilisten des phantastischen Genres, wird jedenfalls wie ich von „Unternehmen Ares“ schwer enttäuscht werden.

Taschenbuch: 159 Seien
Info: Operation Ares, 1970
Aus dem US-Englischen von Sven Illgen
ISBN-13: 9783404013692
www.luebbe.de

Der Autor vergibt: (2.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)