_Story_
Im Tempel der Isis herrscht Hochbetrieb; der Pharao hat sich zu Besuch angekündigt und will die Jubiläumsfeierlichkeiten in der Stadt der tausend Wunder durch sein Kommen bereichern. Anlässlich der Festlichkeiten wollen auch die Schülerinnen des Tempeltanzes ihr neuestes Stück aufführen. Unter ihnen befindet sich auch die junge Ishanti, die aufgrund ihrer bäuerlichen Herkunft von ihren Mitschülerinnen meist nur geschmäht wird. Dennoch träumt sie davon, eines Tages über den Tanz die Freiheit zu erlangen und sich auch außerhalb der Tempelanlagen bewegen zu dürfen.
Dort lebt auch der herumstreunende Taugenichts Tyi, ein Jüngling, der ständig um die Gunst der hübschen Ishanti buhlt und sie schließlich auch zum ersten Mal ohne Aufsicht aus ihrem behüteten Leben im Umfeld des Palastes entführt. Gemeinsam brechen sie in eine altertümliche Grabstätte ein, die Tyi unlängst entdeckt hatte und deren Geheimnis er nun mit seiner großen Liebe teilen möchte. Allerdings bleibt ihr Kommen nicht unentdeckt. Inmitten der riesigen Grabkammer sind nämlich auch einige Götter der Unterwelt aktiv, die gerade mit ihrem neuen Geschäftspartner über das Scheitern eines Deals streiten. Und als sie die ungebetenen Gäste sehen, sind sie nicht sonderlich erfreut …
_Meine Meinung_
Es ist schlichtweg unglaublich, mit welch tollen neuen Comic-Serien der bislang noch unauffällige |Splitter|-Verlag in den letzten Monaten an die Öffentlichkeit tritt. Nach dem grandiosen Start mit Serien wie „Das verlorene Paradies“, „Canari“ und „Die Legende der Drachenritter“ bietet man nun mit „Ishtari“ auch schon das nächste Highlight und wiederum den Auftakt einer äußerst vielversprechenden, jugendlich-frischen Serie, deren Schauplatz in diesem Fall das alte Ägypten ist.
Verantwortlich für den Plot ist einmal mehr Didier Crisse, der verlagsintern schon mit seinen Beiträgen zu „Kookaburra“ und besagter „Canari“-Serie auf sich aufmerksam machen konnte und seinen Status als einer der besten aufstrebenden Comic-Autoren Frankreichs mit diesem Werk endgültig manifestiert. An seiner Seite steht mit Fred Besson ein enorm talentierter Partner, der mit seinen teils humorvollen und dabei jederzeit dynamischen Zeichnungen das Ägypten der Pharaonenzeit mit erfrischenden Mitteln zu neuem Leben erweckt – und mit ihm einige richtig sympathische Charaktere, wie sie mit solch durchdringlichen Augen eigentlich nur von einem Franzosen stammen können.
Und wie es oft so ist, wird zu Beginn auch wieder der Vergleich mit Frankreichs Vorzeige-Comic „Asterix“ herangezogen, der jedoch nur in illustratorischer Hinsicht halbwegs gerechtfertigt ist. Stilistisch unterscheiden sich Goscinny und Besson zwar vor allem im Bereich der Farbgebung – „Ishtari“ zehrt vor allem von seinen kräftigen Farben mitsamt des auffällig prägnanten Rotstichs – doch was die Konturen anbelangt, da sind einige Parallelen nicht abzustreiten. Aber das scheint bei unseren westlichen Nachbarn eigentlich eh ein markantes Charakteristikum, welches der hier angetretene Zeichner ebenso abschütteln können wird wie das Gros seiner Landsmänner.
Kommen wir zur Geschichte, in der eine geschlossene Episode um die Titelheldin erzählt wird. Crisse beweist sich einmal mehr als Meister origineller Handlungsstränge und kombiniert einige junge Charaktere mit einem humorvoll verdrehten Plot um betrügerische Unterwelt-Götter. Ishanti und ihr hartnäckiger Freund Tyi geraten in ein bis dahin verschwiegenes, intrigantes Spiel und wollen eigentlich nur ein bisschen Abenteuerluft in einer verlassenen Königsgruft schnuppern. Tyi wollte seiner Herzdame von seinen großen Entdeckungen berichten und ihr Dinge zeigen, die sie von ihrer Meinung, dass er ein nutzloser, fauler Tunichtgut ist, abbringen sollen. Doch der Schuss geht nach hinten los.
Die Götter hatten vom gierigen Razor verlangt, dass er einige wichtige Artefakte stiehlt, und der hat diesen Auftrag auch zur vollen Zufriedenheit ausgeführt und die ersuchten Krüge im großen Grabmal bereitgestellt. Doch als Tyi, Ishanti und ihr Kater Ramses dort auftauchen, kommt die Katze vom Weg ab, versteckt eher versehentlich den wichtigsten Krug mit der Lacrima (dort bewahrte die Göttin Isis ihre Tränen auf) und entfacht damit ein undurchschaubares Chaos, das der berüchtigste Tagedieb des Landes nutzt, um kurzerhand das Artefakt zu stehlen und sich gemeinsam mit den beiden Jugendlichen sowie dem Wächter der Tempeltänzerinnen aus dem Staub zu machen. Und irgendwie wissen die Protagonisten des Plots bis zum Ende kaum, wie ihnen geschieht. Lediglich den Nutzen, den die jüngsten Aktionen mit sich bringen, nehmen sie spürbar wahr, besonders Ishanti, die sich in ihrer Berufung als Tänzerin immer deutlicher gegen ihre Kolleginnen behaupten und durchsetzen kann.
Besson und Crisse haben einen wahrhaftig wunderschönen Comic geschrieben, mit vielen versteckten Witzen, die manchmal auch aus der Masse an Fußnoten hervorgehen, und genialen Seitenhieben (zum Beispiel wird an einer Stelle statt eines ägyptischen Gottes der Hausgott eines beliebten Gallierstammes, ein gewisser Teutates, angebetet), die sich mit dem toll zusammengepuzzelten Handlungskonstrukt sehr harmonisch arrangieren. „Ishanti“ ist frisch, frech, bunt und einfach nur sympathisch. Wenn man sich schon nicht in die hübsch anmutende Titelfigur verliebt, dann auf jeden Fall in den tollen Plot, der in diesem ersten Band feilgeboten wird. Mit Comics wie „Ishanti“ sollte der |Splitter|-Verlag schon in Kürze wieder eine wegweisende Stellung einnehmen!
http://www.splitter-verlag.de