Dennis Lehane – Der Abgrund in Dir

Die Handlung:

Rachel Childs hat alles, was man sich erträumt: ein Leben ohne finanzielle Sorgen, einen gutaussehenden, liebevollen Ehemann. Doch im Bruchteil einer Sekunde macht ausgerechnet dieser Mann ihr Leben zu einer Farce aus Betrug, Verrat und Gefahr. Nichts ist mehr, wie es scheint, und Rachel muss sich entscheiden: Wird sie kämpfen für das, was sie liebt, oder im Strudel einer unglaublichen Verschwörung untergehen? (Verlagsinfo)

Inhalt und Eindrücke:

„Der Abgrund in Dir“ beginnt mit einem Prolog, der erstaunlicherweise bereits ein ganz entscheidendes Teil der Handlung vorwegnimmt. Ohne spoilern zu wollen: nach dem Lesen des Prologes vermutet man sich direkt mitten drin in dem spannenden Thriller, den der Klappentext verspricht.

Der Roman ist danach wie folgt gegliedert: Teil I „Rachel im Spiegel 1977-2010“ umfasst insgesamt 8 durchschnittlich lange Kapitel, die jeweils eine Überschrift haben. Teil II heißt „Brian 2011-2014“ und umfasst wiederum die Kapitel 9-22. Beide Teile sind jedoch eher epischer Roman denn Thriller. Erst Teil III „Rachel in der Welt 2014“, bestehend aus den Kapiteln 23 bis 35, enthält eigentliche Elemente eines Thrillers bis zum Schluss des Romans.

Rachel Childs wächst alleine bei ihrer Mutter, der berühmten Autorin Elisabeth Childs auf. Das Verhältnis von Mutter und Tochter ist gespalten, nicht zuletzt, weil Elisabeth ihrer Tochter vorenthält, wer ihr Vater ist. Davon abgesehen ist sie ein schwieriger Charakter und mit sich selbst nicht im Reinen – Rachels Kindheit und Jugend sind geprägt von ihrer unglücklichen und verbitterten Mutter. Nach deren plötzlichem Tod begibt sich Rachel dennoch auf die Suche nach ihrem Vater, von dem sie nicht mehr als den Vornamen kennt. Als sie alleine erfolglos dabei ist, versucht sie sogar, einen Privatdetektiv zu engagieren und lernt einen gewissen Brian Delacroix kennen. Leider kann auch er ihr nicht wirklich bei der Suche nach dem biologischen Vater helfen – zu vage sind einfach die Details, die sie über ihn zu wissen glaubt und so gibt sie zunächst auf.

Unterdessen ist Rachel eine Journalistin und Reporterin mit Feuereifer, die erfolgreich bei einem Sender arbeitet. Ihr Freund Sebastian arbeitet ebenfalls beim Fernsehen und ist für sie ein wichtiger Berater. Der Herzenswunsch, endlich ihrem Vater in die Augen zu sehen, lässt Rachel nebenbei immer wieder recherchieren. Über Umwege gelingt es Rachel, Jeremy ausfindig zu machen. Auch wenn dieser Mann, der eine Beziehung mit ihrer Mutter führte, sich letztlich nicht als ihr Vater herausstellt, entwickelt Rachel zu ihm fast schon eine Vater-Tochter-ähnliche Beziehung.

Als es ein Erdbeben auf Haiti gibt, schickt der Sender die talentierte Journalistin Rachel, die inzwischen ihren Freund geheiratet hat, für die Krisenberichterstattung dorthin:
Eine wahrhaft einschneidende Reise mit Erlebnissen, die Rachels Childs für immer verändern werden! Ihre seelische Gesundheit, ihre Ehe und nicht zuletzt auch ihr Job – in dieser Phase ist nichts vor dem Umbruch in ihrem Leben sicher.

Erst als sie scheinbar zufällig Brian Delacroix wiedertrifft, den Mann, der ihr als Privatdetektiv einst bei der Suche nach dem Vater helfen sollte, kehrt im zweiten Teil des Buches wieder Hoffnung und Mut in Rachels Leben ein. Dieser Mann, zu dem sie in vielen Jahren immer mal einen sporadischen Kontakt pflegte, entpuppt sich als verständnisvoller und liebenswerter Mann, der sie in dieser schwierigen Lebensphase auffängt und ihr hilft, ihre Panikattacken in den Griff zu bekommen. Als Rachel zum zweiten Mal in ihrem Leben heiratet, scheint sie mit Brian als Ehemann einen Glücksgriff gemacht zu haben, alles wirkt fast zu schön, um wahr zu sein. Bis eines Tages ein fürchterlicher Verdacht in ihr aufkommt… Ist Brian wirklich aufrichtig zu ihr? Wohin genau führen ihn seine regelmäßigen Geschäftsreisen? Von Zweifeln geplagt beginnt Rachel, ihrem Mann hinterher zu spionieren und entdeckt dabei ein unglaubliches Konstrukt aus Lügen und gefährlichem Verrat.

Während die erste Hälfte des Romans zwar anschaulich erzählt wird, aber vielmehr „dahinplätschert“, beginnt erst am Ende des zweiten Teils die Handlung, die mit Thriller betitelt werden kann: ab hier gibt es Nervenkitzel, Verfolgungsjagden und eine Menge Action.

Autor Dennis Lehane hat mitunter tief in die Trickkiste gegriffen und einen Plot kreiert, der reichlich abenteuerlich und zu konstruiert ist.

Mein Fazit:

Mit gewissen Erwartungen an ein Buch gehe ich schon nach der Lektüre des Klappentextes und so war ich doch verwundert, als sich „Der Abgrund in Dir“ innerhalb des ersten und zweiten Teils ganz anders entpuppte als erwartet: vielschichtige Charaktere und eine interessante (Lebens)Geschichte, die zwar gut und unterhaltsam waren. Die Elemente des Thrillers begegnen dem Leser erst viel später, doch empfand ich diesen Übergang als starken „Bruch“. Fast wirkte es, als hätte ab hier ein anderer Autor den Roman fortgesetzt oder als ob dem Autor erst eingefallen wäre, dass er einen Thriller erschaffen wollte.

Einige Handlungselemente aus dem ersten Teil der Geschichte erschließen sich im Nachhinein nicht mehr – warum wurde beispielsweise die Vatersuche der Protagonistin zu einem derart großen Thema, welches später nahezu keine Rolle mehr spielt?

Der letzte Teil ist zwar wirklich spannend, jedoch sind einzelne Handlungen übertrieben und reichlich realitätsfern. Insgesamt ist der Plot unübersichtlich, wirkt ebenfalls zum Teil überzogen. Schade, dass auch das Ende mich leider letztlich nicht überzeugen konnte.

Gebundene Ausgabe: 528 Seiten
ISBN-13: 978-3257070392

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