Los Angeles 1953: Bud White, Jack Vincennes und Ed Exley: Die Männer haben viel gemeinsam, aber wenig miteinander zu tun, und erst ein Blutbad führt die drei zusammen. In einer Bar, dem „Nite Owl“, hat es ein Massaker gegeben: sechs Tote, keine Zeugen (wie üblich), falsche Spuren. Und in den billigen Absteigen der Stadt geht ein Serienkiller um, der Prostituierte quält und mordet – und womöglich mit dem Killer in der Bar identisch ist. Das Polizistentrio fahndet nach dem Täter. Nach und nach decken sie Hintergründe auf, die bis ins Jahr 1934 zurückreichen, zu Exleys Vater …
Hinweis
Auf diesem Kriminalthriller beruht der gleichnamige Film von Curt Hanson, der nach dem genialen Drehbuch von Brian Helgeland entstand. Doch die Unterschiede zwischen Romanvorlage und Drehbuch sind gravierend und weitreichend. Deshalb ist es ganz gut, mal die Vorlage zu kennen. Sie hat wesentlich mehr Biss als der OSCAR-prämierte Film.
Der Autor
James Ellroy, geboren 1948 in Los Angeles, der „Stadt der Engel“, wurde mit dem Roman „Die schwarze Dahlie“ (den Brian de Palma dieses Jahr verfilmt hat) international bekannt. Ellroy hat über ein Dutzend Kriminalromane veröffentlicht und genießt laut Verlag weltweit Kultstatus.
Diese Romane zählen unbestritten zu den härtesten auf dem Krimimarkt. Ihr ungeschönter Realismus streift oftmals die Grenze des Erträglichen, und gerade das macht sie so grandios. Sie sind ganz sicher kein Lesefutter für Freunde betulicher „Häkelkrimis“ à la Agatha Christie. Ellroys Romane sind nicht allein brillante Kriminalromane, sondern umfassende und gnadenlose Gesellschaftsporträts. Das gilt in erhöhtem Maße für „L.A. Confidential“. (Verlagsinfo) „Ellroy ist der wichtigste zeitgenössische Kriminalautor.“ (Der SPIEGEL)
Lloyd-Hopkins-Reihe
Blut auf dem Mond (OT: Blood on the Moon); 1984
In der Tiefe der Nacht (OT: Because the Night); 1984
Hügel der Selbstmörder (OT; Suicide Hill); 1986
L.A.- Quartett (Tetralogie)
Die schwarze Dahlie (OT: The Black Dahlia); 1987
Blutschatten (OT: The Big Nowhere); 1988
Stadt der Teufel (OT: L. A. Confidential); 1990
White Jazz (OT: White Jazz); 1992
Underworld USA (Trilogie)
Ein amerikanischer Thriller (OT: American Tabloid); 1995
Ein amerikanischer Albtraum (OT: The Cold Six Thousand); 2001
Blut will fließen (OT: Blood’s a Rover); 2009
Das zweite L.A.-Quartett
Perfidia (OT: Perfidia); 2014[8]
Jener Sturm (OT: This Storm); 2019
Sonstige
Browns Grabgesang (OT: Brown’s Requiem); 1981
Heimlich (OT: Clandestine), 1982
Stiller Schrecken (OT: Silent Terror); 1986
Dick Contino’s Blues and Other Stories. Erzählungen. 1994 (nicht in deutscher Sprache vorliegend)
Die Rothaarige (OT: My Dark Places); 1997
Crime Wave. Auf der Nachtseite von L. A. Erzählungen (OT: Crime Wave); 1999
Hollywood. Nachtstücke. Erzählungen (OT: Hollywood Nocturnes); 2000
Endstation Leichenschauhaus. Erzählungen (OT: Destination: Morgue!); 2004
Der Hilliker-Fluch (OT: The Hilliker Curse); 2010
Allgemeine Panik (OT: Widespread Panic); 2021
Verfilmungen
1985: Der Cop (Vorlage Blut auf dem Mond)
1997: L.A. Confidential (Vorlage Stadt der Teufel)
1998: Brown’s Requiem
2002: Dark Blue (Story)
2006: The Black Dahlia (Vorlage Die schwarze Dahlie)
2008: Street Kings (Drehbuch)
2011: Rampart – Cop außer Kontrolle (Drehbuch)
Der Sprecher
Martin Semmelrogge arbeitete bereits mit zwölf Jahren beim Radio als Hörspiel-Sprecher. Seine Karriere als Schauspieler begann 1971, in der Krimiserie „Der Kommissar“ (mit Erik Ode in der Titelrolle).
Semmelrogge wirkte in zahlreichen legendären und heute als klassisch betrachteten Film- und Fernsehproduktionen mit. So etwa in „Tadellöser & Wolff“ (1975) von W. Kempowski, in Max von der Grüns „Die Vorstadt-Krokodile“, in Wolfgang Petersens Klassiker „Das Boot“ (1981) und in Steven Spielbergs Kinofilm „Schindlers Liste“.
Semmelrogge gehört als Charakterdarsteller zu den wichtigsten deutschen Schauspielern, und er hat mit seiner unverwechselbaren Stimme bei zahlreichen Hörspiel- und Hörbuchaufnahmen mitgewirkt. (Verlagsinfo)
Die Website
Diesmal hat Random House Audio die Produktion eines Hörbuchs ausgelagert. Die LAMU GmbH hat etwas Ungewöhnliches getan und eigens für dieses Hörbuch eine Internetseite eingerichtet: http://la-confidential.lamu-gmbh.de. Hier findet der Interessierte die Auflösung des unerhört komplizierten und vielschichtigen Falles. Als ich mir die Seite ansah, war sie aber ziemlich knapp gehalten.
Weil aber das Personal des Romans so enorm zahlreich ist, kann ich die Auflistung dieser Figuren nur willkommen heißen. Sie ist noch einmal im Booklet des Hörbuchs abgedruckt und nimmt dort nicht weniger als dreieinhalb Seiten ein! Ich musste feststellen, dass, wenn man auch nur den Hauch einer Chance haben will, einen Überblick über die Handlung zu bewahren, sich diese Liste als unentbehrlich erweist. Sie wurde von Timm Sander erstellt, bei dem wir uns herzlich bedanken können.
Höchst nützlich sind auch ein paar Begriffserklärungen, so zum Beispiel „Ad Vice“. Das bedeutet nicht „Ratschlag“ wie in „advice“, sondern „Sittendezernat“ – ein Beispiel für den verdrehten Humor der Cops.
Handlung
Die mehrsträngige Handlung des Film spielt nur in einer Zeitebene, doch das Buch hat deren drei vorzuweisen: Die Story beginnt 1953, macht eine fünfjährige Pause und setzt 1958 wieder ein. Was sich im Zuge von Exleys Ermittlungen schon 1953 andeutete, führt erst 1958 zu Ergebnissen – und diese betreffen auch die Vorgänge aus dem Jahr 1934, an denen sein Vater beteiligt war. Der Grund, warum Ellroy überhaupt so weit zurückgeht, liegt bei zwei Ermittlern: White und Exley suchen aus verschiedenen Richtungen nach dem Ursprung der Serienmorde, denen mehrere Prostituierte zum Opfer gefallen sind. Einer der Killer stammt aus jener Zeit. Das braucht den Zuschauer nicht zu kümmern – der Nuttenmörder kommt im Film gar nicht vor.
Die drei Hauptfiguren beim LAPD:
Edmund Exley: im Film gespielt von Guy Pearce
Bud White: im Film Russell Crowe
Jack Vincennes: im Film Kevin Spacey
Edmund Exley ist 1953 erst Sergeant beim Los Angeles Police Department (LAPD), aber er hat sich bereits eine Menge Feinde gemacht. Vor allem bei einem unrühmlichen Vorfall aus dem Jahr 1951, der als „Blutige Weihnacht“ in die Annalen des LAPD eingehen sollte. Mehrere Beamte – unter anderem Dick Stensland – kommen vor Gericht und werden zu Haft verurteilt wegen Polizeibrutalität. Kronzeuge der Anklage ist Ed Exley. Die ebenfalls beteiligten Polizisten Bud White und Jack Vincennes kommen ungeschoren davon, weil sie von ihren Vorgesetzten geschützt werden bzw. ebenfalls – allerdings nebensächliche – Aussagen gegen Kollegen machen. (Zitat aus dem Booklet)
Diese Feinde haben es auf Exley abgesehen und verpassen ihm mitten auf dem Parkplatz eine Lektion: Bud White und Dick Stensland (der auf Bewährung raus ist) schlagen Exley brutal zusammen. Das soll ihn lehren, Kollegen zu verpfeifen.
Jack Vincennes
Auch Jack Vincennes, genannt „Big V“, ist nicht gut auf Exley zu sprechen. War er zuvor in der lukrativen Drogenfahndung, wo er a) ein Schnäppchen machen und b) seinen eigenen Anteil am Stoff kriegen konnte, so hockt er nun als Strafversetzter brav bei den Klippschülern von der Sitte („Ad Vice“, s.o.). Aktuelles Unterrichtsthema: Pornografie. Jack kann sich nichts Langweiligeres vorstellen. Aber die Fotos, die man ihm nun als Anschauungsmaterial gibt, lassen ihn aufhorchen. Das ist kein 08/15-Pipifax mehr, das sieht echt brutal aus, komplett mit hineinretuschierten Blutspritzern. Diese Qualität kann in L.A. eigentlich keine Druckerei herstellen. Wo wurde das gemacht und in wessen Auftrag?
Dass er einen der Darsteller aus der Fernsehserie „Badge of Honor“ (wörtlich: Ehrenabzeichen), bei der er als Berater fungiert, kennt, verschweigt er geflissentlich. Man weiß ja nie, wo noch was zu holen ist. Doch der Darsteller und Stricher Billy, den Jack aus „Badge of Honor“ als Kameramann kennt, entwischt ihm wieder.
Jack wendet sich an Sid Hudgens, den Skandalreporter vom Boulevardmagazin „Hush-Hush“, der ein riesiges Archiv an brisanten Dossiers über praktisch alle Gesellschaftsgrößen führt. Sid hat Jack in der Hand, denn in Jacks Dossier wird er als der wahre Schuldige in dem so genannten „Malibu-Mord“-Fall bloßgestellt, der ihn wider Erwarten zum Held der Medien gemacht hatte.
Jack ist jetzt – noch weiß er es nicht – ein Mann namens Pierce Patchett (im Film: David Strathairn) auf der Spur: Heroinhersteller und -händler, Erpresser, Zuhälter und Pornografiehersteller. Ein King Kong in der Unterwelt L.A.s. Und dieser wird selbst erpresst …
Exley
Ed kann sich für den Überfall Whites und Stenslands nicht rächen. Sein Vorgesetzter Dudley Smith stellt sich vor die beiden. Dafür weht ihm das Glück einen dicken Fall in den Schoß: Das Nite-Owl-Massaker, das in die Geschichte eingehen wird, beschäftigt es das LAPD doch volle fünf Jahre lang.
Die Toten aus der Cafébar „Nite Owl“ sind: Neben den drei Angestellten, die dort arbeiteten, Malcolm Robert Lunceford, genannt „Mal“, ein Ex-Polizist und jetziger Sicherheitsangestellter; Delbert Melvin Cathcart, genannt „Duke“, ein stadtbekannter Zuhälter; und schließlich eine Frau: Susann Nancy Leffert, die Freundin (oder Prostituierte?) von Cathcart aus San Bernardino. So viel Blut an einem Ort hat Exley noch nie gesehen. Die herbeigeeilten Zeitungsfritzen fotografieren sein geschocktes Gesicht.
Vollversammlung des LAPD: Thad Green, der Stellvertretende Direktor des LAPD, und Dudley Smith, der Chef der Mordkommission, wollen schnelle Erfolge sehen. Sie präsentieren eine heiße Spur: Man hat im Griffith Park drei Farbige herumballern und unweit des Tatortes ein violettes Mercury Coupé Baujahr 48-50 gesehen, das wahrscheinlich von Farbigen gefahren wird. (Wer sonst würde sich ein lila Auto anlachen?) Heißer Tipp: Sugar Ray Coates, Leroy Fortune und Tyrone Jones, alle aus dem Armenviertel South Central. Jack V. und Cal Denton nehmen das Trio hoch, Exley verhört sie mit einer raffinierten Methode. Jones knickt ein, und Bud White besorgt mit russischem Roulette den Rest.
Angriff auf das Haus Ecke Avalon Street: Bud White dringt alleine ein, bemerkt eine nackte, gefesselte Frau, geht weiter nach nebenan und knallt den Mulatten, der sich ergeben will, kaltblütig ab. Dann fingiert er die Waffen so, dass sein Akt wie Notwehr aussieht. Die Gefesselte ist Ines Soto, eine College-Studentin, die aus Mexiko eingewandert ist. Gegenüber Exley und dem Staatsanwalt identifiziert sie das Neger-Trio als ihre Vergewaltiger. Wunderbar: Den Fall kann man zu den Akten geben. Oder?
Wendell „Bud“ White
Inzwischen ist White auf eigene Faust und ohne dass er seinem Boss Dudley Smith Bescheid gegeben hätte, aber auf Anraten seines Freundes Dick Stensland, auf einer Spur im Fall Cathcart. Der Zuhälter hatte sicherlich mehrere „Pferdchen“ im Stall, und Susann Leffert, deren Mutter er befragt, war nur eines davon. So stolpert Bud über Kathy Janeway, eine Prostituierte, die erst 14 ist. Er schickt ihr Geld, um sie zu unterstützen, doch das war ein Fehler, denn als Smith das herausfindet, macht er Bud zur Schnecke. Und Kathy Janeway ist mausetot.
Dennoch bleibt Bud an der Sache dran, ganz im Verborgenen, und stößt so (ebenso wie Jack V.) auf Patchetts Callgirlring Fleur de lis , dessen „Arbeiterinnen“ alle als Filmstars gemacht sind, mittels kosmetischer Operationen usw. Er hat fünf Jahre lang ein Verhältnis mit Lynn Bracken (im Film: Kim Basinger), der „Veronica Lake“ dieses Stalls, und erntet die Früchte seiner Bemühungen erst 1958. In einem spektakulären Großeinsatz bringt er einen Serienkiller zur Strecke, bezahlt den Nahkampf aber beinah mit dem Leben.
Exley
Ed ermittelt 1958 in seiner Funktion als Chef der Abteilung „Internal Affairs“ (Dienstaufsicht) gegen Jack Vincennes. Jacks Berichte waren in einer Hinsicht seltsam geschönt und ungewohnt wortkarg: Alles, was mit Pierce Patchett zu tun hatte. Wie erklärt Jack das?
Nun kommt der Stein ins Rollen, der Exley auf die Spur des wahren Drahtziehers der Morde vom „Nite Owl“, der Pornos, des Heroinhandels und viele anderer Delikte führt. Und diese Spur führt ins LAPD selbst. Aber das ist erst der Anfang, denn die härteste Prüfung seiner Unbestechlichkeit steht ihm noch bevor …
Mein Eindruck
So kompliziert die Handlung auch ist, so wird doch eines überdeutlich: Jeder, absolut jeder hat Dreck am Stecken. „Stadt der Teufel“, diese Bezeichnung ist die gnadenlose Kritik an der Illusion von einer „Stadt der Engel“, wie sie der Vergnügungspark „Dream-a-Dreamland“ verbreitet. Dieser Park hat enorme Ähnlichkeit mit jenem Disneyland, das ein gewisser Walt Disney im Vorort Anaheim bauen ließ und das fortan alle Amerikaner in einen kollektiven Traum von einer heilen Welt hineinsog – und das immer noch tut, und zwar weltweit.
Die blutige Basis des American Dream
In seinem Furor der permanenten Rundum-Kritik ist es für den Autor Ellroy nur konsequent, genau diesen Vergnügungspark auf einer blutigen Tat (im Jahr 1934) aufbauen zu lassen. Der Erbauer heißt hier Raymond Dieterland, und wie es die konsequente Ironie will, ist er nicht nur Park-Tycoon, sondern auch Comiczeichner und Erfinder der Fernsehserie „Badge of Honor“. Diese an das reale Vorbild „Dragnet“ (Erkennungsakkord: „paaam-pa-dampammm!“) angelehnte Serie stellt Polizisten als unberührbare, unbestechliche und gewissenhafte Helden dar. In „L.A. Confidential“ sind sie alles andere als das.
Jack Vincennes
Doch jede der drei Hauptfiguren schlägt sich auf ihre Weise durchs Leben, das da Dienst beim LAPD heißt. Jack Vincennes, der Drogensüchtige, laviert sich auf der Schattenlinie zwischen Gesetz und Verbrechen hindurch, nimmt mal hier, mal dort. Es gelingt ihm sogar, einen Waffenstillstand mit dem Verbrechen zu erzielen – leider hält dieser nur fünf Jahre, bis zu jenem Tag, an dem Ed Exley etwas an Jacks Akte merkwürdig vorkommt.
Bud White
Wendell „Bud“ White ist eine Monomane. Was im Film besser begründet wird, ist der Grund für seine Monomanie, bedrängten, ausgebeuteten und gefährdeten Frauen zu helfen: Seine Mutter war selbst eine, und er musste zusehen, wie sie vor seinen Augen unter den Schlägen des Vaters starb. Im Hörbuch, das einen gekürzten Text bietet, verlautet kein Wort davon, und das finde ich sehr schade. Denn diese Vendetta gegen den Frauenmörder führt Bud White zu einem ehrenhaften Ziel, das beinahe zu seinem eigenen Ableben führt.
Ed Exley
Exley hingegen ist einem Kindermörder auf der Spur, der im so genannten Fall „Dr. Frankenstein“ 1934 bereits durch seinen Vater Preston erledigt worden sein sollte. Leider muss Ed Exley feststellen, dass dem keineswegs so ist: Papi hat einen Unschuldigen zum Tode befördert, bevor er geholfen hat, den Vergnügungspark für seinen besten Freund Ray Dieterling zu bauen und damit reich zu werden. Damit nicht genug, läuft natürlich der wahre Täter immer noch frei herum und begeht weitere Morde, 24 Jahre später.
Das Massaker
Wer sich nun etwas verwirrt fragt, was alle diese Sekundär-Plots denn bitteschön mit dem zentralen „Nite Owl“-Massaker zu tun haben, so ist diese Frage völlig berechtigt. Der Film löst das Problem auf seine simplifizierende Weise, doch der Roman kann dem Problem nicht aus dem Weg gehen: Da muss der Leser durch. Bis dieses Massaker aufgeklärt ist, öffnet sich ein Dschungel an Verflechtungen zwischen diesen Plots und den Opfern im Nite Owl selbst. Das Motiv dabei war, das Imperium des Unterweltbosses von L.A., Mickey Cohen, und seines Finanzchefs Dave Goldman zu übernehmen – inklusive der Zuhälterei des getöteten „Duke“ Cathcart. Es sieht so aus, als wäre dieser Coup den unbekannten Drahtziehern auch gelungen. Heroin, Erpressung, Pornografie, Edel-Prostitution – allesamt lukrative Erwerbszweige.
Schock der Erkenntis
Der Augenblick der Erkenntnis, als Bud White (nicht Exley wie im Film) per Fangschaltung erkennt, wie einer der Todesschützen den Auftraggeber des Massakers anruft, ist ein Schock für Bud. Denn dieser Mann ist sein eigener Mentor und jahrelanger Boss … Doch danach kommt es nicht zum Showdown, wie der Film aus dramaturgischen Gründen fordert, sondern es folgt noch eine lange Reihe von Verwicklungen. Erst Bud enthüllt Exley und Jack das wahre Ausmaß der Korruption im LAPD. Zusammen bildet das Trio eine durch die Abteilung der Dienstaufsicht vollständig gedeckte und gerechtfertigte Undercover-Ermittlungsgruppe.
Endloser Schrecken
Eigentlich sollte es an dieser Stelle erst richtig spannend werdend, doch die gleichförmige Dramaturgie des Autors lässt dies nicht zu. Der schier endlose Horror, den die Ermittlungsergebnisse bei Polizisten wie Lesern bzw. Hörern erzeugen, will einfach nicht aufhören. Dieser Wendepunkt findet ungefähr am Ende des zweiten Drittels statt. Die Einleitung der verschiedenen Finali muss also erst noch folgen. Und das erfordert selbstverständlich eine Menge Theorien, eine Aufstellung der Chronologie der Ereignisse und weitere Detailarbeit.
Das Ende ist offen, ganz anders als der Film, in dem der Oberschurke dran glauben muss: Dieser Schrecken hat kein Ende – das Buch bevorzugt das Ende mit Schrecken. Doch ironischerweise hat sich Ed Exley verändert: Er schreckt nicht davor zurück, seinen eigenen Vater anzuklagen und jagt den Oberschurken weiterhin – wenn’s sein muss, bis ans Ende aller Tage. Wie Exley erstaunt feststellt: Er klingt genauso wie sein langjäriger Widersacher und Rivale (bei Lynn Bracken) – wie Bud White.
Will der Autor damit andeuten, dass der gute Cop ein Monomane sein muss, um ein wirklich effizienter Gesetzeshüter sein zu können? Wie die Vergangenheit zeigt, kann diese Einstellung auch nach hinten losgehen und Übles anrichten. Aber es ist schon auffällig, wie die vollen Einsatz gebenden Cops als einsame Streiter auftreten: Exley verliert seine Freundin Ines Soto (die Frau aus der Avalon Street), Jack seine Frau Karen, und Bud White hat zwar fünf Jahre mit dem Callgirl Lynn Bracken zusammengelebt, aber er zahlt einen hohen Preis (anders als im Film).
Der Sprecher
Martin Semmelrogge kann eine richtig fies klingende Stimme haben. Dutzenden von Ganoven, die in „L.A. Confidential“ ihren mehr oder (meist) weniger umfangreichen Auftritt haben, passt diese Stimme wie angegossen: so richtig schmierig. Den Vogel schießt dabei die Mutter der im Nite Owl ermordeten Susann Leffert ab, Hilda. Ihre krächzende Stimme trieft vor Wehleidigkeit und Geldgier – eine unausstehliche Mischung. Man würde sie am liebsten gleich schütteln und würgen. Im Film wird sie optimal dargestellt. (Zur Erinnerung: Unter ihrem Haus liegt eine stinkende Leiche.)
Die Stimmen der Cops sind hingegen meist nichts Besonderes und wirken ganz normal. Dies gilt nicht, wenn der Filter für ein Telefongespräch eingeschaltet wird. Dann klingt die Stimme entsprechend verzerrt.
Die Musik
Juppidu, es gibt endlich ein Random-House-Hörbuch, das sogar Musik aufweist! Muss wohl an der Produktionsfirma LAMU liegen. Jedenfalls ist die Musik nicht nur willkommen, sondern auch passsend. Jazz, Modern und Blues, das kann sich hören lassen. Erklingt die Musik im Hintergrund, so ist sie nie aufdringlich, sondern betont die Action einer Szene. Am Anfang und im Abspann erklingt die Musik durchaus Minuten lang und als Pausenfüller zwischen den Kapiteln. Das Hörbuch wirkt dadurch mehr wie ein Film, es ist klar strukturiert und zugleich mehr auf Unterhaltung ausgerichtet.
Der nächste Schritt – man wagt es kaum, sich das vorzustellen – wäre natürlich eine anständige Soundkulisse. Aber das wäre vielleicht sogar zu viel verlangt. Nur merkwürdig, dass andere Verlage damit überhaupt kein Problem haben.
Unterm Strich
Es gibt das Vorurteil, dass nur hochgeistige Literatur auch entsprechend anspruchsvoll sein könne. „L.A. Confidential“ widerlegt diese Annahme, indem es den Leser und Hörer mit einer Vielzahl von Figuren konfrontiert, die sich in mehreren Hauptsträngen auf drei verschiedenen Zeitebenen präsentieren. Es ist nicht ganz allein dem Leser oder Hörer überlassen, alle die Zusammenhänge selbst herzustellen, denn das besorgen unsere drei Hauptdarsteller Ed Exley, Bud White und Jack Vincennes schon zur Genüge. Doch die Ergebnisse ihrer Erkenntnisse zu bewerten, geht einen Schritt darüber hinaus. Und die Absicht des Autors darin zu erkennen, erfordert den abschließenden Schritt.
Alles in allem kann man sich also durchaus den Kopf darüber zerbrechen, was in diesem Buch los ist und was es aussagen soll. Ich habe das oben knapp angedeutet. Den Überblick gewähren sowohl das Booklet des Hörbuchs als auch die spezielle Internetseite der LAMU GmbH. Sie erweisen sich als sehr hilfreich. Durch das Hörbuch muss man allerdings alleine durch, aber die Mühe lohnt sich.
Der Sprecher Martin Semmelrogge erscheint im Rückblick als durchaus passend, um all die Gestalten aus der Unter- und Schattenwelt von L.A. zu charakterisieren. Die aufrechten Cops sind leider viel zu wenige, hat man den Eindruck. Und es bestehen ernsthafte Zweifel, ob sich die Lage in der „Stadt der Teufel“ in den letzten Jahrzehnten wesentlich verändert hat.
Umfang: 357 Minuten auf 5 CDs
ISBN-13: 978-3898309318
www.penguinrandomhouse.de/Verlag/Random-House-Audio/21000.rhd