Glenda Larke: Flüsternder Sand (Der Bund der Illusionisten 1)

Der Bund der Illusionisten:

Band 1: „Flüsternder Sand“
Band 2: „Trügerisches Licht“
Band 3: „Brennender Wind“ (Juli 2013)

Ligea stammt aus Kardiastan, kam aber in so jungen Jahren nach Tyrans, daß sie sich an ihr Geburtsland so gut wie nicht erinnern kann. Obwohl sie bemüht ist, sich den Gepflogenheiten ihrer Umwelt anzupassen um dazuzugehören, gelingt ihr das bestenfalls oberflächlich. Trotzdem liebt sie Tyrans, das sie als ihre Heimat betrachtet. Bis ihr Vorgesetzter sie völlig unerwartet auf eine Mission in eines der eroberten Gebiete schickt … Kardiastan!

In ihrem neuen Zyklus hat Glenda Larke sich recht ausgiebig in der Antike bedient. Kleidung, Architektur, Justiz, Militär, kulturelle Aspekte wie Religion und Kunst, Gesellschaftliches wie Sklaverei und die Stellung der Frau, all das ist Rom pur. Sogar lateinische Begriffe werden verwendet. Eigene Wortschöpfungen – wie zum Beispiel Exaltarch als Bezeichnung für den Herrscher des Reiches – wirken da direkt etwas gewöhnungsbedürftig. Ähnliches gilt für die sogenannte Bruderschaft. Nicht, dass allzu viel über ihre Praktiken und Ziele verraten würde, doch das wenige vermittelt das Bild einer Art Gestapo, und eine Organisation wie diese gab es im römischen Reich nicht. Nicht, dass es störend wäre, hier handelt es sich ja nicht um einen Historienroman, und spätestens mit den ersten, spärlichen Informationen über Kardiastan verliert sich der irritierende Eindruck ohnehin. Denn aus dem, was Ligea vor ihrer Abreise aus Tyrans über die Wüstenprovinz in Erfahrung bringen kann, spricht so offenkundig das Vorhandensein von Magie, dass der Leser sogleich sicher wieder im Schoße der Fantasy angekommen ist.

Der Entwurf der Magie erscheint einfacher als bei den Inseln des Ruhms, vielleicht deshalb, weil er bisher nur rudimentär ausgearbeitet ist. Diejenigen, die mit Magie begabt sind, teilen sich in drei Stufen von unterschiedlicher Machtfülle, wobei die Magori die stärksten Magier sind und damit die herrschende Schicht bilden. Um ihre Magie in vollem Umfang zu nutzen, sind die begabten Karden jedoch auf Edelsteine angewiesen, die ihnen als Säuglinge in die Handfläche gesetzt werden. Dabei ist es nicht so, dass die Karden einfachen Zugriff auf die Steine hätten, sie irgendwo abbauen oder aufsammeln könnten. Offenbar sind sie Geschenke einer fremdartigen, körperlosen Spezies, den Illusionierern, mit denen die Magori ein Abkommen geschlossen haben. Gleiches gilt für die besonderen Schwerter der Magori. Details darüber, was mit den Edelsteinen und den Schwerter alles möglich ist, oder über das Wesen der Illusionierer und ihre seltsame Krankheit, die Verherrung, sind bisher noch eher dünn gesät. Immerhin muss das Potenzial ja für zwei Folgebände ausreichen. Bisher sind die Anlagen recht vielversprechend.

Ligea glaubt allerdings nicht an Magie! In Tyrans hält man Magie für etwas, das ins Reich der Mythen und Legenden gehört, und Ligea ist überzeugte Tyranerin. Die Karden, die alles, was Ligea an Tyrans so bewundert, strikt ablehnen, sind für sie deshalb nicht mehr als sture Barbaren. Doch mit ihrer Ankunft in Kardiastan wird sie bald eines anderen belehrt. Nicht nur, weil vermehrt Erinnerungen aus ihrer frühesten Kindheit wachgerufen werden, sondern auch, weil der Kontakt zu den Einheimischen ihre Sichtweise verändert.

Da die Autorin auch diese Geschichte in der Ich-Form erzählt, bleiben die übrigen Figuren wie Temellin, Ligeas Jugendfreund Brand und andere eher Nebenfiguren, sie sind aber trotzdem sehr eindringlich dargestellt. Dasselbe gilt für Ligeas Sinneswandel, der zu keiner Zeit überstürzt oder unglaubwürdig wirkt. Sehr gelungen.

Das ist auch gut so, denn da die Handlung aufgrund der Erzählform lediglich einen einzigen Handlungsstrang bietet, und dem Leser vieles an der tyranischen Kultur schon so bekannt vorkommt, muß die Hauptfigur die Handlung über die ersten 160 Seiten nahezu allein tragen. Erst ab dem Zeitpunkt, wo sie sich unter die Karden mischt, erweitert sich die Riege der Charaktere, und ab da tritt auch das Kardische in den Vordergrund.
Das hat Glenda Larke ebenfalls sehr lebendig und bildhaft beschrieben, vor allem die Landschaft, die einige außergewöhnliche Gegenden bietet, aber auch Archtektur und Kleidung. Tatsächlich gelingt ihr das alles mit nur wenigen Worten und ohne weitschweifig ins Detail zu gehen.

Das Interessanteste an der Geschichte ist jedoch das Rätsel, das mit Ligeas Kindheit verbunden ist. Wie kam es, daß ein tyranischer General ein kardisches Kind in seinem Haus aufnahm? Daß Ligea nicht irgendeine Kardin sein kann, ist von Anfang an klar, schließlich hat sie einige bemerkenswerte Gaben. Wer sie aber tatsächlich ist, dröselt die Autorin nur langsam auf, und auch die Gründe, aus denen sie in Tyrans aufgewachsen ist, erschließen sich nur allmählich, was vor allem daran liegt, dass Ligea so stur ist. Und obwohl ich bereits beim Aufenthalt auf den Streben ahnte, was es mit Ligea und ihrem Auftrag auf sich hat, gab es noch genug Details zu klären, die dafür sorgten, dass es nicht langweilig wurde.

Lediglich ein paar Kleinigkeiten kamen mir unwahrscheinlich vor, so zum Beispiel die Tatsache, dass es den Tyranern nicht möglich sein sollte, die Zitterödnis zu durchqueren. Die Lösung, die die Durchreise ermöglicht, ist im Grunde so einfach, dass man annehmen sollte, auch tyranische Legionsoffiziere sollten das durch Beobachtung herausfinden können. 24 Stunden hätten da vollauf genügt.

Seltsam auch, dass zu einem Zeitpunkt, zu dem Tyrans bereits den Krieg nach Kardiastan getragen hatte, tatsächlich eine Magoria mit ihrem Kind von einer Stadt zur anderen reitet ohne eine entsprechende Eskorte. Zwar ist nicht ausdrücklich erwähnt, daß sie allein reiste, andererseits wurde bisher auch keine Erklärung geboten, wie die Legionäre, die bis dahin noch jede bewaffnete Auseinandersetzung mit den Karden verloren hatten, ausgerechnet dieses Scharmützel gewinnen konnten.

Was den Legionär Favonius angeht, so ist für mich eigentlich unvorstellbar, dass der Angehörige einer Elitetruppe seinem Vorgesetzten aus persönlichem Stolz eine kriegsentscheidende Information vorenthält. Er hätte sie stattdessen einfach nur entsprechend verpacken müssen.

Insgesamt kann ich aber sagen, dass mir der Einstieg in diesen neuen Zyklus – obwohl zu keiner Zeit übermäßig spannend – durchaus gut gefallen hat. Die Hauptfigur ist lebendig, glaubwürdig und sympathisch, ihre Entwicklung gut gemacht. Das Setting überzeugt durch Farbe und Einfallsreichtum, ohne dabei in überbordende Beschreibungen zu verfallen. Der Entwurf der Magie klingt ausbaufähig und vielversprechend. Und obwohl das Rätsel um Ligea nun gelöst ist, lässt der Ausblick auf den Folgeband einige heikle, politische Verwicklungen und damit steigende Spannung erwarten.

Glenda Larke stammt aus Australien und wollte schon als Kind Schriftstellerin werden. Zunächst kamen jedoch eine Heirat und ein Lehrerberuf dazwischen. Bei einem längeren Aufenthalt in Wien kehrte die Lust am Schreiben zurück, seither hat die Autorin den Einzelroman „Havenstar“ sowie die Trilogien Die Inseln des Ruhms und Watergivers geschrieben, wobei Letzterer auf Deutsch bisher nicht erhältlich ist. „Flüsternder Sand“ ist der erste Band der Trilogie Der Bund der Illusionisten. Die nächste Trilogie mit dem Arbeitstitel Sorcery and Spice ist bereits in Arbeit.

Taschenbuch: 608 Seiten
Originaltitel: „The Mirage Makers 1: Heart of the Mirage“
ISBN-13: 978-3-442-26796-5

www.glendalarke.com
www.randomhouse.de/blanvalet

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