Eine der großartigsten literarischen Schöpfungen unserer Zeit ist Frank Herbert mit seinem Epos um den Planeten Arrakis gelungen, zu dem er selbst nur sechs Romane beisteuerte. Das Konzept, von Herbert als Hintergrund und Basis seiner Geschichte entwickelt, diente in den letzten Jahren einem Autorengespann aus seinem Sohn Brian Herbert und dem „Star Wars“-Schreiber Kevin J. Anderson als Aufhänger für eine beinahe ausufernde Ausschlachtung des Mythos‘ um Dune, wobei sie erst zuletzt die eigentliche unvollendete Saga des Schöpfers zu einem Ende führten.
Lübbe Audio produziert inzwischen die Hörbücher um den ursprünglichen „Dune“-Zyklus, und zwar in einer monumentalen Anstrengung. Allein der erste Roman musste in zwei Teile gehackt werden und umfasst insgesamt ca. 1603 Minuten Spieldauer.
In diesem eigentlich zweiten Teil der Saga ist Paul Muad’dib Imperator und religiöser wie weltlicher Herrscher in einer Person. Seine Schwester Alia führt die Kirche persönlich in allen Belangen ihrer Entwicklung und Verschmelzung mit dem Staatswesen, und es wird deutlich, dass Paul teils nicht richtig über ihre Machenschaften informiert ist, beziehungsweise sich kein echtes Bild von den Folgen ihrer Vergöttlichung gemacht hat. Paul kümmert sich mehr um die weltlichen Belange des Imperiums, sein Regierungsinstrument sind aber fanatische religiöse Fremen.
Noch immer tobt der Djihad der Fremen durch die Galaxis, obwohl Paul weder seine Entstehung noch sein weiteres Fortdauern gutheißt. Er ist durch seine Visionen gequält und folgt einem visionären Weg, der der Menschheit das Überleben sichern soll.
Inzwischen formiert sich ein Widerstand unter geistigem Schutz eines Navigators der Gilde, der durch seine eigenen seherischen Fähigkeiten einen schützenden Bereich um die ihn betreffenden Gedanken und Personen legt, so dass Pauls Visionen darauf keinen Zugriff haben. Beteiligt sind Gruppierungen der Bene Gesserit, die ihr Genprojekt wieder unter Gewalt bekommen wollen, die Gilde, der Pauls Gewürzmonopol gegen den Strich geht sowie die Wesen von Tleilax, deren Interessen verborgen bleiben.
Plan ist, ein Kind Pauls und Irulans auf den Thron zu bringen, sowie Paul und seine Schwester zu töten. Doch gegen die Intrigen Irulans und ihrer Hinterleute wird Pauls Frau Chani endlich schwanger und gebärt die neuen Thronfolger, während Paul selbst mit einem ernst zu nehmenden Hinterhalt konfrontiert wird …
Die Geschichte des Wüstenplaneten, ihre Idee und der Inhalt schon sind faszinierende Details, doch was sie einzigartig macht, ist das Genie, mit dem Frank Herbert seine Sage erzählt. Mit Blick auf heutige Romane würde man Herberts Bücher fast als langatmig und ruhig dahin plätschernd bezeichnen, doch nur, weil heutige Romane meist von Action, coolen Agenten, Explosionen und schönen Frauen dominiert werden. Herbert belebt seine Figuren und seine Geschichte auf andere Art: Er lässt sie reden und tiefgründige Gedanken wälzen. Die Diskussionen seiner Protagonisten sind niemals trivial oder dienen allein der Unterhaltung, sie zielen immer auf Erkenntnisse und haben einen heute schwer anzutreffenden Tiefgang. Die wenigen Kämpfe, die Herbert in diesem Roman ausfechten lässt, handeln nicht von langen Schlagabtauschen mit verrückten Finten oder großkalibrigen Waffen, sondern sie finden vor allem im Geist der Betroffenen statt. Die ausgeführten Bewegungen erscheinen dagegen wirklich einfach, doch kommt auch hier kein unbefriedigender Eindruck zustande, denn diese Bewegungen sind erst das Ergebnis des geistigen Schlagabtauschs und Ausdruck des Überlegenen. Auch wenn Herbert nicht immer den geistig Überlegenen auch körperlich überleben lässt …
In diesem kürzesten Roman der Reihe wird man erschlagen von den Intrigen, die um die Thronfolge, die wirtschaftliche und religiöse Macht, das Leben und Sterben der Atreides gesponnen werden. Das macht zwar die Spannung und den Charakter des Romans aus, gestaltet ihn aber auch recht zähflüssig, bis die Steine endlich ins Rollen kommen und Pauls Visionen so stark werden, dass er ihnen nicht mehr entkommen kann. Er sieht sein Schicksal voraus, erkennt aber auch, was Änderungen daran mit der menschlichen Zukunft anrichten würden und richtet seine Handlungen bewusst direkt und wortgetreu nach den Visionen, um sie zu manifestieren. Sein eigenes Schicksal erscheint ihm dabei zweitrangig, ja, eigentlich kann man in ihm eine Todessehnsucht feststellen, die allerdings wieder hinter die größeren Nöte und Zusammenhänge gestellt wird.
Eine der faszinierendsten Szenen ist der Moment, in dem Pauls Sohn die Augen aufschlägt und eine einmalige Verbindung seinen blinden Vater durch die neugeborenen Augen seines Sohnes sehen lässt. Herbert produziert hier ein eindringliches Ereignis von solcher Bildhaftigkeit und Ausdrucksstärke, dass einem sprachlos die Kinnlade herabfällt und man nur noch genießen kann.
Die Umsetzung als Hörbuch zeugt von großer Professionalität und ist angenehm und eindringlich zu hören. Simon Jäger als Leser des eigentlichen Romans verfügt über eine enorme Modulationsfähigkeit der Stimme, so dass er der Stimmung und der Unterschiedlichkeit seiner Protagonisten mehr als gerecht wird. Mit ihm als Leser gewinnen die aufwühlenden Gedanken Herberts große Klarheit und es ist ein wohliges Gefühl von Großartigkeit, ihm zuzuhören.
Etwas anders Marianne Rosenberg. Sie trägt die einleitenden Auszüge vor, die Herbert seinen Kapiteln als Auszüge aus Artikeln, Chroniken oder Tagebüchern oder Briefen voranstellt. Im gedruckten Roman heben sich diese Auszüge durch Schrägstellung der Schrift ab, so dass die Wahl eines separaten Lesers hierfür durchaus gerechtfertigt ist. Rosenberg trägt die Artikel jedoch in unglücklicher Betonung vor, so dass man recht angestrengt zuhören muss, um die oft komplexen Sätze richtig zu verstehen.
Insgesamt ist auch dieser zweite Teil ein Hörgenuss, und wenn man erst die schwergängigen Phasen der Intrigenbildung überwunden hat, erlebt man die Geschichte hautnah und eindringlich, was noch verstärkt wird durch die Darstellung Pauls als blinden Seher, durch den der ebenfalls blinde Leser/Zuhörer in gleicher Weise in der Geschichte lebt.
573 Minuten auf 8 CDs
ISBN-13: 978-3-7857-3724-8
Der Autor vergibt: