„Das Spiel Azad“ (Originaltitel: The Player of Games, 1988) ist der zweite veröffentlichte Science-Fiction-Roman aus dem Kultur-Zyklus von Iain M. Banks. Der Leser sollte bereits mit dem Culture-Universum des Autor ein wenig vertraut sein, bevor er sich auf diesen gelungenen Thriller stürzt. Um die „Kultur“ kennezulernen, kann man den Roman „Bedenke Phlebas“ oder einige Stories in „Ein Geschenk der Kultur“ lesen, die beide bei Heyne erschienen sind.
Der Autor
Iain Banks ist der wahrscheinlich bedeutendste schottische Schriftsteller der Gegenwart. Seine Mainstream- und Science-Fiction-Romane befassen sich mit aktuellen Themen, sein SF-Zyklus über das Culture-Universum gehört zu den wichtigsten Werken des Genres. Er starb 2013.
Folgende Bücher gehören zum Kultur-Zyklus (deutsch alle im Heyne Verlag erschienen) (Quelle: Wikipedia.de):
Consider Phlebas (1987)
Deutsch: Bedenke Phlebas. Übersetzt von Rosemarie Hundertmarck. Heyne SF&F #4609, 1989, ISBN 3-453-03479-1.
The Player of Games (1988)
Deutsch: Das Spiel Azad. Übersetzt von Rosemarie Hundertmarck. Heyne SF&F #4693, 1990, ISBN 3-453-04275-1.
Use of Weapons (1990)
Deutsch: Einsatz der Waffen. Heyne SF&F #4903, 1992, ISBN 3-453-05826-7.
The State of the Art (Erzählungen, 1991)
Deutsch: Ein Geschenk der Kultur. Übersetzt von Irene Bonhorst. Heyne SF&F #4904, 1992, ISBN 3-453-05827-5.
Excession (1996)
Deutsch: Die Spur der toten Sonne. Übersetzt von Irene Bonhorst. Heyne, 1997, ISBN 3-453-12909-1. Auch als: Exzession. Heyne SF&F #6392, 2002, ISBN 3-453-19679-1.
Inversions (1998)
Deutsch: Inversionen. Übersetzt von Irene Bonhorst. Heyne SF&F #6346, 2000, ISBN 3-453-16198-X.
Look to Windward (2000)
Deutsch: Blicke windwärts. Übersetzt von Irene Bonhorst. Heyne SF&F #6443, 2003, ISBN 3-453-87066-2.
Matter (2008)
Deutsch: Sphären. Übersetzt von Andreas Brandhorst. Heyne SF & F #52500, 2008, ISBN 978-3-453-52500-9.
Surface Detail (2010)
Deutsch: Krieg der Seelen. Übersetzt von Andreas Brandhorst. Heyne, 2012, ISBN 978-3-453-52871-0.
The Hydrogen Sonata (2012)
Deutsch: Die Wasserstoffsonate. Heyne, 2014, ISBN 978-3-453-31546-4.
Handlung
Seit über 70 Jahren hält Kontakt, die diplomatische Sektion der Kultur, die Existenz des Imperiums von Azad geheim – eine beachtliche Leistung angesichts der auf radikale Öffentlichkeit ausgerichteten Philosophie der Kultur. Als der in der Kultur hoch angesehene Berufsspieler Jernau Morat Gurgeh sein Interesse an einer Zusammenarbeit mit Kontakt signalisiert, kommt plötzlich Bewegung in diese gebremste Angelegenheit.
Die Dynamik des Gesellschafts- und Regierungssystems des Imperiums Azad basiert vollständig auf einem sehr komplexen Strategiespiel, das nicht ohne Grund ebenfalls den Namen Azad trägt. Um erfolgreich im Imperium intervenieren zu können, bedarf es demnach eines außergewöhnlichen Spielers wie Gurgeh. Er lebt, inzwischen gelangweilt von seinen dauernden Erfolgen, auf dem Orbital Chiark. Als er allerdings erfährt, was Kontakt bzw. dessen Geheimdienst Besondere Umstände von ihm verlangen, nämlich eine mehrjährige Reise und ein Spiel, dessen Komplexität er unglaubhaft findet, erscheint ihm das inakzeptabel. Er zögert und tappt in eine Falle, welche ihm die Drohne Mawhrin-Skel stellt.
Aufgrund der Aussicht auf ein in der Kultur bisher unerreichtes perfektes Spielergebnis lässt er sich dazu verleiten, bei einem Spiel zu betrügen, und befindet sich unversehens in der erpresserischen Hand der Drohne. Mawhrin-Skel, eine eindeutig persönlichkeitsgestörte ehemalige Kampfdrohne, wurde von den Besonderen Umständen ausgemustert und entwaffnet. Ihr einziges Bestreben ist es, wieder in Dienst gestellt zu werden. Dazu soll jetzt Gurgeh seinen neuen Einfluss bei Kontakt nutzen, ansonsten droht Mawhrin-Skel, die Aufzeichnung des Betrugs zu veröffentlichen und Gurgehs Ruf als bester Spieler der Kultur zu vernichten. Unter diesen Umständen, besonderen eben, bleibt Gurgeh nichts anderes übrig, als den Wünschen von Kontakt Folge zu leisten. Der wiederum verspricht, das Anliegen der irren Drohne wohlwollend zu prüfen.
Auf dem Weg ins Imperium lernt Gurgeh das Spiel Azad und ist nicht selten der Verzweiflung nah. Zu komplex, fremd und undurchsichtig scheint das Spielkonzept, als dass er es in dem einen Jahr, das ihm zur Verfügung steht, lernen könnte. Aber er macht Fortschritte und wird schließlich von der Faszination des Spiels gepackt. Er fiebert danach, es unter realen Bedingungen spielen zu können.
Das Imperium ist eine unter den Bedingungen des klassischen Raubtierkapitalismus (re)agierende Gesellschaft. Es ist nach absolutistischen Prinzipien organisiert. An seiner Spitze steht ein Kaiser und sämtliche gesellschaftlichen Verhältnisse sind den Eigentumsverhältnissen untergeordnet. Besitz ist alles und alles ist Besitz. Nach den Theorien der BU-Gehirne hätte Azad mit dieser Gesellschaftsordnung seinen gegebenen technischen Entwicklungsstand gar nicht erreichen dürfen. Was den gewaltigen, dem System inhärenten Zentrifugalkräften entgegenwirkt, ist das Spiel Azad. Es entscheidet sowohl über den sozialen Status wie auch über den politischen Rang der Teilnehmer, und teilnehmen darf jedermann, zumindest auf dem Papier. Der Sieger des alle sechs Jahre stattfindenden Spielzyklus wird zum Kaiser erklärt. Der letzte Kaiser ist verstorben und sein Amt ging auf den Regenten Nicosar über, der seine Kaiserwürde in diesem Azad-Zyklus bestätigen will.
Kontakt hat für Gurgeh eine Ausnahmegenehmigung erwirkt, beim nächsten Spielzyklus teilnehmen zu dürfen. Wider alle Erwartungen und allen Widerständen zum Trotz übersteht er die erste Runde und setzt seinen Siegeszug bis zum Erreichen der Finalrunde fort. An einem Scheidepunkt, im Spiel gegen einen sehr integer wirkenden, älteren Richter, der auf Druck der Obrigkeit eine Wette auf die Verletzung der persönlichen Integrität – in diesem Fall Kastration – mit Gurgeh abschließen musste, greift die bis dato anscheinend völlig nutzlose diplomatische Begleitdrohne Flere Imsaho ins Geschehen ein. Sie nimmt Gurgeh, der an sich, dem Spiel und dem Sinn des Ganzen zweifelt, mit auf einen Ausflug in die Slums der Hauptstadt. Hier wird Gurgeh, der bis dahin völlig isoliert in seinem Hotel gelebt hatte, mit der brutalen Gewalt, der Hoffnungslosigkeit und der sozialen Kälte des imperialen Systems konfrontiert. Er ist schockiert, doch zurück in seinem Hotel entschlüsselt die Drohne für ihn die geheimen medialen Kommunikationskanäle der Militärs und der herrschenden Bürokratie. Hier wird vom militärischen Massaker über Kinderpornografie bis hin zur Echtzeit-Folterung alles live übertragen. Anderntags hat Gurgeh keine Skrupel mehr, den charmanten Richter zu besiegen.
Die Finalrunde wird auf dem Feuerplaneten Echronedal ausgetragen. Ein permanenter Feuersturm, der den Planeten in sechs Jahren (der Dauer des Spielzyklus) umrundet, dominiert dessen Biosphäre. In Erwartung dieses Infernos spielt sich Gurgeh bis ins Finale, in dem ihm Nicosar gegenübersteht. Sein Spiel gegen diesen macht deutlich, dass Azad, auf dem höchsten Niveau gespielt, so subtil und komplex ist, dass nur ein Spieler, der perfekt seine politischen und philosophischen Überzeugungen repräsentiert, eine Chance auf den Sieg hat. Nicosar spielt also das Imperium, während Gurgeh die Kultur verkörpert. Wie in Trance spielend, liefern sich die beiden ein brillantes, das Verständnis aller Zuschauer, einschließlich der Kultur-Gehirne, übersteigendes Duell. Lange vor dem letzten Zug sieht Gurgeh, dass das Spiel zu Ende ist. Das Imperium hat verloren. Er erwartet Nicosars Gratulation, aber der amtierende Kaiser erweist sich als schlechter Verlierer. Angesichts seiner Niederlage läuft er Amok und lässt seine Garde alle Zuschauer des Spiels niedermetzeln. Den verhassten Kulturspieler aber will er eigenhändig massakrieren. In letzter Sekunde greift wieder einmal Flere Imsaho ein. Am Ende ist Nicosar tot und Gurgeh wird zurück auf das Orbital Chiark verbracht. Erst sehr viel später wird ihm klar, dass seine Teilnahme an dem Spiel nur Teil eines Plans der Kultur war, um das korrupte und brutale Imperium zum Einsturz zu bringen. Er, der Spieler, war nur eine Figur in einem viel größeren Spiel.
(Quelle: Wikipedia.de)
Meine Version
Banks lässt seinen Helden, Jernau Morat Gurgeh, in das Imperium reisen, ein Sternenreich, das gerade von der Culture entdeckt worden ist. Die politische Macht im Kaiserreich hat derjenige inne, der in dem uralten Spiel Azad letztlich die Oberhand behält. In der Tat wird das ganze Leben im Reich durch Azad bestimmt: Erfolg im Spiel entspricht Erfolg im Leben – und umgekehrt!
Nicht ganz freiwillig tritt Gurgeh, der ohne Zweifel beste Spieler in der Kultur, seine Reise an, um an Azad teilzunehmen. Der Fremde erreicht erstaunlicherweise sogar das Endspiel um den Titel des Kaisers. Viele wollen seinen Erfolg verhindern, logo. Doch das letzte Spiel zwischen dem amtierenden Kaiser und Gurgeh wird zur Konfrontation der Systeme, der soziopolitischen Ideen der Kultur und denen des Kaiserreichs. Gurgeh erkennt schließlich, dass er selbst nur eine Art Schachfigur ist.
Unterm Strich
„Das Spiel Azad“ ist ein gut konstruierter Roman, der die liberale KULTUR dem machtbesessenen Imperium gegenüberstellt – es besteht kein Zweifel, auf welcher Seite Banks‘ Sympathien liegen. Die wichtigsten Qualitäten des Buches liegen, neben der liebevollen und einfallsreichen Charakterisierung der Figuren, in den philosophischen Aspekten.
Banks beginnt die Grenzen der Space Opera in Richtung politischer Utopie zu überschreiten: Die KULTUR ist ein säkulares Paradies, in dem Mangel unbekannt ist, und wo kein Mangel herrscht, können sich auch keine Kontrollhierarchien herausbilden, die zu Macht und Unterdrückung führen. Das ist eine radikale Widerlegung der gängigen Space Opera.
Hinweis
Was sich hier noch an sozialen und politischen Spekulationen entfaltet, gelangt in Story-Band „Ein Geschenk der Kultur“ zu voller Blüte, dem dritten KULTUR-Werk.
Taschenbuch: 446 Seiten
Originaltitel: Player of Games, 1988
Aus dem Englischen von Irene Bonhorst.
ISBN-13: 978-3453042759
www.heyne.de
Der Autor vergibt: