José Pierre – Die Strandnymphe. Erotischer Roman

Lehrstunden der Liebe im Dreieck

Dominique ist Malerin – und Mutter einer bildschönen Tochter namens Catherine. Dominique malt am liebsten erotische Bilder – nach fotografischen Vorlagen, und Cathy steht ihr oft Modell. Beim gemeinsamen Urlaub in Biarritz bittet Dominique ihren Liebhaber, am Strand zusammen mit Cathy vor der Kamera zu posieren – ein gefährliches Spiel, das dramatischen Höhepunkten zustrebt, als Dominique ihren Liebhaber und Cathy allein lässt… (Verlagsinfo)

Der Autor

José Pierre (* 1927 in Bénesse-Maremne, Landes; † 7. April 1999 in Paris) war ein französischer Kunsthistoriker und Erzähler, der nach dem Zweiten Weltkrieg zu den Mitgliedern der Gruppe der Surrealisten um André Breton zählte. Die Wikipedia (D und FR) zählt den vorliegenden Roman nicht auf. Ein weiteres erotisches Werk ist „Therèse oder Die Kastanienblüte“ (Rowohlt).

Handlung

Der Erzähler ist ein etwa 50 Jahre alter Pariser Kunstkritiker und stößt mit zunehmendem Interesse auf die erotischen Gemälde von Dominique L., von der er zunächst nicht weiß, ob sie Mann oder Frau ist – denn „Dominique“ kann in la belle France sowohl ein männlicher als auch ein weiblicher Vorname sein. Ihre im Ausstellungskatalog abgedruckten Gemälde zeigen bisexuelle Motive, also Brüste und Penisse, aber auf eine frontale Weise dargestellt, die den Betrachter herausfordert.

Das gefällt unserem Kunstkritiker und er erkundigt sich nach dem Künstler. SIE ist geschieden und derzeit mit einem alten, reichen Immobilienmakler liiert, außerdem sei sie mit einer hübschen Tochter gesegnet, heißt es. Als er Dominique persönlich begegnet, äußert er sein Bedauern, ihre Ausstellung verpasst zu haben, und sie lädt ihn in ihr Atelier ein, das sich in ihrer Pariser Wohnung befindet.

Dominique ist auf eine unvollkommene Weise schön, und ihre Tochter Catherine ist ebenso unvollkommen – als Frau, denn sie ist vermutlich erst vierzehn, noch eine Kindfrau. Der Erzähler macht drei Fehler, für die er büßen muss: Dominique fordert ihn heraus, indem sie im Negligé vor ihn hintritt, um ihm eine Reaktion zu entlocken. Als ihr diese gefällt, schlafen sie miteinander, heimlich beobachtet von Catherine. So entspinnt sich eine trilaterale Beziehung, die vorerst zwei Jahre dauert. In dieser Zeit reift Cathy zu einer jungen Frau heran, die Erfahrungen sucht.

Biarritz

Er hat Dominique von seiner Absicht erzählt, seine Frau nach Mexiko reisen zu lassen, während er selbst nach Biarritz in die Sommerfrische fährt, denn dort lebe seine Mutter. Dominique möchte ihn begleiten, und es ist selbstverständlich, dass sie Catherine nicht zurücklassen kann. Er besorgt drei Zimmer im Apart-Hotel mit Blick aufs Meer, die, als sie schließlich ebenfalls eintreffen, gnädig akzeptiert werden.

Doch Dominique hat einen Vorsatz, als sie hierherkam: Sie will einen Sammler und einen Galeristen für sich gewinnen. Es versteht sich von selbst, dass sich der Lover derweil um die Kleine kümmert, oder nicht? Aber klar doch. Wie unser Chronist schnell herausfindet, liebt Cathy den Strand, aber nicht die Jungs. Sie raucht wie ein Schlot, schleckt aber auch gern Eiskrem. Und ein Aquarium hat sie noch nie von innen gesehen. Ungeniert küsst sie ihren Gönner aus Dankbarkeit.

Die Kamera

Dominique verfolgt weiterhin ihr Verfahren, Fotos auf die Leinwand zu bringen, und dazu hat sie in der Stadt eine Polaroid-Kamera gekauft. Die Kamera, die über sämtliche Schikanen wie etwa Zoom verfügt, hält den Moment fest und spuckt das Ergebnis in kürzester Zeit aus. Unser Chronist kommt nicht umhin zu entdecken, dass das wichtigste Objekt von Dominiques Interesse ihre eigene Tochter ist: Cathy oben ohne, Cathy ohne alles, Dominique hat keine Hemmungen. Schließlich ist es Kunst, oder nicht? Nur dass sich ihr Lover schon längst bis zur Nasenspitze in seinen jungen Schützling verliebt hat.

Foto-Session

Dominique dirigiert die Fotositzungen, bei denen ihre Tochter intime Handlungen am Geschlecht von Dominiques Liebhaber vornimmt. Es sind quasi Lehrstunden für einen Blowjob, während er Cunnilingus übt. Und ständig fotografiert sie. Wie frustrierend, wenn sein Liebesinstrument den Dienst versagt: verschwendete Zeit! Was sie gelernt hat, wendet Cathy später auf einem entfernten Felsen im Meer an ihm an. Sie verbessert ihre Blowjob-Technik. Ruth S., Dominiques Freundin, hat ihn ja ebenfalls schon verwöhnt, in aller Öffentlichkeit, wenn auch nachts.

Zusammen allein

Dominique hat alles arrangiert, damit Cathy mit ihrem älteren Lehrmeister vier Tage allein im Apart-Hotel zurückbleiben kann. Während sie den Galeristen und den Sammler besucht. Na, bei soviel Gelegenheit braucht man nicht lange nachzudenken, wozu das gut ist. Cathy und er machen es sich bequem und kommen zur Sache. Doch am anderen Morgen ist sie immer noch Jungfrau. Was ist nur schiefgelaufen, wundert sie sich…

Mein Eindruck

Vier Tage lieben sich Cathy und unser Chronist ungestört, denn die Oberaufseherin ist fort. Was kann es in Biarritz Schöneres geben als l’amour? Natürlich wird sie für seine Tochter gehalten, und als sie mal in Tränen ausbricht, wird er tadelnd angesehen. Was für ein Rabenvater! Als er sich mit einer jungen Schönheit namens Maité einlässt, wird Cathy eifersüchtig. Das sind die Lektionen der Liebe: Freiheit, Besitz, Angst, Vertrauen, Verlust, Zukunftsträume und Erinnerung.

Ausgerechnet dann, als es Cathy in der Disziplin Blowjob bereits zur Meisterschaft gebracht hat und dies gerade am Objekt ihrer Begierde demonstriert, platzt ihre Mutter ins Zimmer. Das bedeutet das Ende der Liebschaft mit Cathy, denn zu ihrer eigenen Verwunderung kann es Dominique nicht leiden, dass ihre eigene Tochter ihr den Mann weggenommen hat. Dabei hatte sie doch alles selbst eingefädelt.

Während unser Chronist Cathy verliert, Dominique aber ebenfalls nicht zurückgewinnt, erfährt er erst ganz am Schluss, Jahre danach, wie Dominique sich ihr eigenes Verhalten erklärt. Endlich erhält der Leser die fehlende dritte Perspektive, die das Gesamtbild ergänzt. Nun zeigt sich, dass sich Gefühl und Kalkül schlecht vertragen. In jedem Fall gibt es Opfer zu beklagen. Denn Dominique tat bei ihrer Rückkehr etwas, für das sie sowohl ihre Tochter als ihre Lover hassen: Sie macht sie – vorgeblich im Namen der Fotokunst – zu reinen Objekten.

Sweet little Sixteen

Der Grund dafür, dass auch dieses Buch von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien auf den Index gesetzt wurde, ist natürlich die titelgebende Tatsache, dass hier verbotene Liebe zwischen einem Erwachsenen und einer Minderjährigen gezeigt und keineswegs verurteilt wird. Doch wie soll eine 18-Jährige in die Partnerschaft oder Ehe gehen, wenn sie von Tuten und Blasen keine Ahnung hat (so wie es den „Nichten der Frau Oberst“ bei Guy de Maupassant ergeht)?

Dabei gibt es doch in der Zeit, in der die Hormone erwachen und sich der weibliche Körper verwandelt, bis er kaum noch als Mensch zu erkennen ist, so viel zu lernen! Die Pubertät beginnt immer früher, bei den letzten Studien lag der Durchschnitt im elften Lebensjahr – bis zum Jahr der Volljährigkeit sind also sieben frustrierende Jahre durchzustehen, bis der Sex mit einem Erwachsenen, der sich damit auskennt, legal ist. Der Autor fragt: Ist das vielleicht fair? Teenies haben doch auch ein Anrecht auf Liebe, und das meint auch körperliche Vereinigung.

Auf Seite 106 liefert der Autor auch eine Art Begründung:

„Trotzdem hatte sie [Cathy] einen sehr positiven Einfluss auf mich, denn sie nahm meinem Verhalten jedes Element der Schuld, indem sie es ganz natürlich erscheinen ließ, so dass ich mir nicht als pathologischer Fall vorkam.

Auch ihre Mutter hatte dazu beigetragen, als sie erklärte, ein junges Mädchen zu lieben sei so wenig ein Verbrechen, wie mit einer Frau von Mitte oder Ende Dreißig zu schlafen, ob es nun die Mutter des Mädchens sei oder nicht.

Liegt es nicht auf der Hand, dass unsere Neigungen erst dann monströs oder pervers sind, wenn sie auf Unverständnis und Feindseligkeit stoßen?

Intelligenz und Toleranz verweisen das scheinbar Anomale dagegen in die Ordnung der natürlichen Dinge und nehmen ihm, wenn sie es schon nicht vergessen lassen, wenigstens seinen Seltenheitswert.“

Die Übersetzung

Der O-Titel des Buches lautet „La haine des plages“, also „der Hass der Strände“. Abgesehen davon, dass der Inhalt dem Titel genau entspricht, so führt die deutsche Übersetzung des Titels den Leser ein wenig in die Irre. Die titelgebende Strandnymphe ist zwar Cathy, aber da in Biarritz zu jener Zeit Nachtbaden und Oben-ohne gang und gäbe waren (wie der Autor mehrmals erwähnt), gab es dort jede Menge Nymphen zu bewundern. Der Titel dient also lediglich dem Marketing.

S. 26: „wir dachte[n] nicht daran…“: Das N fehlt.

Ansonsten ist der Text sowohl orthografisch und grammatikalisch als auch stilistisch einwandfrei.

Unterm Strich

Ich habe mehrere Wochen für diesen doch recht schmalen Band gebraucht. Hier wird nämlich nicht voyeuristischen Instinkten gedient, sondern auf einer intellektuellen Ebene argumentiert. Und das erfordert einen entsprechend gebildeten Leser – sie das kleine Zitat oben – und einen, der zum Nachdenken und vor allem Einfühlen bereit ist. Jeder Absatz ist so mit Gedanken und Empfindungen aufgeladen und verdichtet, dass man das erst einmal gedanklich und empathisch verdauen muss. Unser Chronist ist als Kunstkritiker nicht nur ein Intellektueller, sondern auch ein verständnisvoller und toleranter „amateur“ im ursprünglichen Sinne: ein Liebhaber, sei es von Kunst, von Frauen, von Liebe.

Hier werden auch keinerlei Exzesse wie etwa in Mussets „Gamiani“ angestrebt oder praktiziert, so dass der Leser, der so solche Grenzüberschreitungen sucht, herb enttäuscht sein wird. Anstößig wird der Text nicht durch etwaigen Analverkehr (gegen den sich Cathy vehement wehrt), sondern durch die externe Verurteilung der Tatsache, dass ein Erwachsener Liebe mit einer Minderjährigen macht. Selbst wenn dies offensichtlich von der Mutter der jungen Frau so gewollt, geplant und eingefädelt worden ist. In den Augen des Gesetzes macht dies keinen Unterschied: Es bleibt verboten und pervers. Was der Autor darauf entgegnet, kann man auf S. 106 nachlesen – siehe das obige Zitat.

Lesetipps

Wer also Action sucht, sollte woanders suche, etwa in den Emmanuelle-Romanen, oder wer ausgefallene Abenteuer sucht, der wird eher bei Regine Deforges fündig. Wer eine noch jüngere Nymphe ersehnt, sollte sich mal „Nea“ von Emmanuelle Arsan anschauen. Diese Nymphe ist erst dreizehn.

Taschenbuch: 139 Seiten
Originaltitel: La haine des plages, o.J.
Aus dem Französischen von Sara Pitti.
ISBN-13: 9783499149870

www.rowohlt.de

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