Roger Zelazny – Der Clan der Magier

Happy Halloween mit Sherlock

Der richtige Fantasy-Roman für Halloween (oder die Walpurgisnacht). Eine Mischung aus Tierfabel, Douglas Adams‘ Satire und Neil Gaimans Dark Fantasy à la „Sandman“, mit Zutaten aus H. P. Lovecrafts Gruselwerk.

Die unheimlichen Illustrationen von Gahan Wilson sorgen für den zusätzlichen makabren Kick!

Handlung

Snuff ist ein Wachhund. Kein hundsgewöhnlicher Wachhund natürlich. Er betrachtet es zwar als seine wichtigste Aufgabe, die Behausung seines Herrchens vor zudringlichen und neugierigen Besuchern freizuhalten. Das ist keine einfache Aufgabe, bedenkt man, dass zu diesen Besuchern Fledermäuse und Schlangen, Ratten und Katzen gehören, die ihren jeweiligen Herrchen bzw. Frauchen berichten sollen, was sie bei Snuffs Herrchen fanden. Snuffs Herrchen ist Jack the Ripper. Wir befinden uns also im viktorianischen England, nahe London.

Doch noch etwas wichtiger ist für ihn herauszufinden, wer von den sonderbaren Gestalten in der Umgebung den Weltuntergang herbeiführen will – und vor allem, an welcher Stelle. Zu den Methoden, dies herauszufinden, gehört eine Art kabbalistische Mathematik: Snuff ist ständig am Kalkulieren.

Snuffs Heim ist wenig heimelig. Es ist seine Aufgabe, das DING IM KREIS, das DING IM KLEIDERSCHRANK und die GLITSCHIGEN DINGER in Jacks magischem Spiegel in Schach zu halten. (Ups, ich habe das DING IM ÜBERSEEKOFFER vergessen! Und das DING IM SPEICHER!) Zum Glück kann Snuff mit Jack, den WESEN und anderen Tieren sprechen und hat immer die entsprechenden schlagenden Argumente parat, sollte mal eines der WESEN ausbüchsen wollen.

In der Umgebung von Jacks Haus in London haben sich, wie gesagt, unheimliche Gestalten eingefunden. Denn es ist mal wieder so weit: Halloween, das alte keltische Samhain, steht vor der Tür, die Nacht, in der sich die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und der der Geister und Götter als unerwartet löchrig erweisen kann. Snuff findet heraus, dass sich die Kollegen seines Herrchens in einem Kreis angesiedelt haben, in dem ein mysteriöses Ritual abgehalten werden soll, bei dem sie die Alten Götter herbeirufen wollen. Jawohl: Lovecrafts Alte Götter! Cthulhu, Nyarlathotep und dergleichen Gelichter mehr!

Zu den illustren Gestalten gehören der GROSSE DETEKTIV (Sherlock Holmes nebst Watson), der DUNKLE GRAF (Dracula nebst Fledermaus Needles), die VERRÜCKTE JILL (eine Hexe nebst Katze Graymalk), der GROSSE DOKTOR (Frankenstein nebst Igor und Monster), außerdem ein verrückter Mönch (= Rasputin) und ein geheimnisvolles Paar namens Morris und & McCab (nebst Schlange mit dem aparten Namen Quicklime, also ‚Löschkalk‘).

Als Jack und seine Kollegen als Zutaten fürs Ritual auch Leichenteile und frische Leichen benötigen, wird die Sache kriminell. Nicht genug, dass bereits ein verrückter Vikar die Atmosphäre aufheizt, nach dem Tod eines Bobbys patrouillieren auch noch Polizisten das Areal. Wenig später muss Snuff einen toten Bobby von seiner Türschwelle entfernen, und auch der GRAF gibt vorzeitig den Löffel ab: Ein unsichtbarer Killer geht um.

Die Lage spitzt sich zu, je näher der 31. Oktober rückt. Doch Snuff tut sein Möglichstes, um zum Erfolg beizutragen, das Öffnen zu verhindern: Er ist einer der Schließer, hat aber mächtige Widersacher. Aber auch er kann nicht ahnen, was auf ihn zukommt, als sich die Pforten der Hölle tatsächlich öffnen.

_Mein Eindruck_

Die Kapitel entsprechen den einzelnen 31 Tagen des Oktober. Auf den ersten 50 Seiten ist der Eindruck, den die Story hinterlässt, recht positiv: Viele neue Ideen, die wundervollen Zeichnungen, und man muss sich erst einmal zurecht finden. Auch Snuffs Redeweise ist von erfrischender Ungekünsteltheit – ein Yankee in London. Doch dann tauchen immer wieder die gleichen Figuren auf, und es tut sich nur wenig. Stattdessen quasselt Snuff mit einem halben Dutzend Figuren, meist Tieren, die ganze Zeit. Rund neunzig Prozent des gesamten Buches bestehen aus Dialogen. Es ist nötig, sich die Namen der Gesprächsteilnehmer gut zu merken.

Erst ab Seite 150 ist wieder richtig was los: Der erste der SPIELER findet ein unschönes Ende, der GRAF. Snuff und seine Freundin, die Katze Graymalk, gehen auf Erkundung ins Lovecrafts Katzenparadies im „Traumland Kadath“, genauer: nach Ulthar. Das ist allerdings fast ein wörtliches Zitat des alten Meisters, das sich über mehrere Seiten erstreckt. Etwas für Nostalgiker.
Die Spannung des recht überraschungsreichen Schluss sollte man sich bewahren, indem man das letzte Kapitel über den 31. Oktober, also Halloween, nicht zuerst liest.

_Unterm Strich_

Um den 20. herum erreicht der Monat Oktober wie auch dieser Roman eine Art toten Punkt. Diesen gilt es zu überwinden. Ansonsten bietet dieses Buch eine Art fantastisches Puzzle- und Ratespiel wie in den besten der Sherlock-Holmes-Romane. Da dies aber Dark Fantasy ist, treten ein paar unkalkulierbare Horrorelemente in die Gleichungen ein – sie sorgen für mehr Spannung und etwas düstere Farbe.

Ironisiert wird das grimme Geschehen vor dem Öffnen der Höllenpforte durch Snuffs (und seiner Freunde) Bemühen, allem rational auf die Spur zu kommen. Die Tiere sprechen untereinander wie in Disneyfilmen, um Infos auszutauschen und zu argumentieren. Gegenüber Menschen jedoch kann Snuff schaupielern, ein treudoofes Hundchen zu sein, das nicht sprechen kann. Zelazny, ein Meister seines Fachs seit den 70er Jahren, sorgt so auf der fast vergessenen Ebene der Tierfabel für hintergründigen Humor.

|Die Illustrationen|

Jedem Kapitel ist eine Schwarzweißzeichnung von Gahan Wilson beigefügt. Gahan Wilson muss man wohl nicht mehr vorstellen, denn seine Illus sind in den wichtigsten Magazinen der Welt zu finden. Dennoch: Seine Figuren sind in deutlichen Strichen gezeichnet, die jedoch so angeordnet sind, dass a) eine sehr merkwürdige Perspektive und b) eine recht verzerrte, geradezu unheimliche Darstellung der jeweiligen Figur erzielt wird.

|Originaltitel: A night in the lonesome October, 1993
Aus dem US-Englischen übertragen von Peter Pape|