Die Mona Lisa, die zurzeit im Louvre in der französischen Hauptstadt Paris ausgestellt ist, ist wohl auch das bekannteste Werk Leonardo da Vincis. Immer noch ranken sich Theorien um das wohl berühmteste Gemälde der Welt. Das magische Lächeln der Porträtierten ist unergründlich, fast schon mystisch. Leonardo da Vincis Feingefühl für sanfte Übergänge in den Farbregionen ist meisterhaft und für diese Zeit einmalig. Genauso verhält es sich mit dem Spiel von Licht und Schatten, das sich durch die Kleidung der jungen dargestellten Frau zeigt.
Wer war diese junge Frau? Es gibt verschiedene Spekulationen. War das Modell gar keine lebende Person, sondern nur den Phantasien des Meisters entsprungen? Welche Rolle spielte diese geheimnisvolle Frau mit ihrem sanften aber doch scheinbar humorvollen Blick im Leben des Künstlers? Leonardo da Vinci hat dieses Gemälde bei seinem zweiten Aufenthalt in Florenz gemalt (1503 – 1506) – ist diese Frau eine sehr bekannte Dame des florentinischen Adels?! Da Vinci hat dieses Geheimnis mit ins Grab genommen, Abschriften oder Erklärungen existieren zwar zur Genüge vom genialen Meister, aber nichts davon erklärt die Figur der Mona Lisa.
Eines ist jedenfalls sicher: Das Lächeln der Mona Lisa nahm Leonardo da Vinci auf all seinen späteren Reisen mit. Eine stumme Geliebte, eine treue Gefährtin und ein Angelpunkt in seinem künstlerischen Schaffen, doch eine Frage stellt sich immer wieder: Wer war diese unergründliche Frau?
„Leonardos Geheimnis“ von Jeanne Kalogridis erzählt die Lebensgeschichte der Mona Lisa und von ihrem geheimnisvollen Bezug zum größten Genie seiner Zeit – Leonardo da Vinci.
_Die Geschichte_
Florenz im 15. Jahrhundert. Die Stadt wird regiert von der Familie Medici und ist dadurch ein wichtiger kultureller, wirtschaftlicher und politischer Standort geworden.
Ein Jahr vor der Geburt der Mona Lisa wird Giuliano di Medici Opfer einer Verschwörung der Familie der Pazzi. Ein Attentat bereitet seinem Leben ein vorzeitiges Ende. Lisa di Antonio Gherardini Giocondo, genannt Mona Lisa, bekommt zu ihrem zwölften Geburtstag ein Medaillon von ihrer Mutter geschenkt, auf dem ebendieser Mord dargestellt ist. Damit verändert sich das Leben der wohlbehüteten Tochter eines Florentiner Wollhändlers. Der Bruder des Ermordeten schwört Rache, denn ein Verschwörer und Mörder ist nach der Tat entkommen. Zeuge dieser Tat ist der inzwischen schon berühmte Künstler Leonardo da Vinci, den Mona Lisa schon seit ihrer Kindheit kennt.
In den folgenden Jahren begegnet sie da Vinci immer wieder und eine tiefe Freundschaft beginnt. Mona Lisa verliebt sich in einen Medici, den Neffen des toten Giuliano, und gerät mitten in die politischen Auseinandersetzungen. Sie erlebt die Verbannung der Familie aus Florenz, Krieg und Seuchen sowie den traurigen Tod ihres einzigen Kindes. Leonardo begleitet sie als treuer Freund durch die harten Zeiten.
Er arbeitet unablässig an ihrem Portrait, ein perfektes Abbild ihrer Person. Ein dunkles und großes Geheimnis vertraut er seinem Modell an. Nicht nur die Hintergründe des Mordes werden aufgeklärt, sondern dieses Geheimnis wird das Leben der Mona Lisa auf immer verändern.
_Kritik_
Die Autorin Jeanne Kalogrids geht einer der zahlreichen Theorie um die berühmte Gestalt Mona Lisas nach. Seit dem frühen 16. Jahrhunderts versuchen viele Kunstliebhaber, das berühmteste Lächeln der Welt zu analysieren. Ebenso verhält es sich mit der historischen Person der jungen Frau. Die Identität und die Umstände, unter denen sie gemalt wurde, bleiben ein Geheimnis.
Die wahrscheinlichste Kandidatin unter den Anwärterinnen auf die Person Mona Lisas ist wohl die Protagonistin dieses Buches, Lisa di Antonio Gheradini, Tochter eines wohlhabenden Seidenhändlers. Als junges Mädchen wird Lisa in den luxuriösen Haushalt der Medici eingeführt und lernt die mächtigste Familie Florenz kennen. In den politischen Verwirrungen und dem Niedergang der Familie verliebt sie sie in den jüngsten der drei Söhne des Familienoberhauptes Lorenzo de Medici, Giuliano. In der gleichen Zeit tritt auch Leonardo da Vinci in ihr Leben, der ein geförderter Wissenschaftler der kunstbegeisterten Familie ist.
Nach dem Tode Lorenzo de Medicis erlebt Lisa die Vertreibung seiner Nachkommen aus dem toskanischen Florenz. Leonardo da Vinci erhält kurz vor dem Tode seines Förderers Lorenzo de Medici den Auftrag, heimlich ein Portrait von Mona Lisa zu erschaffen …
Jeanne Kalogridis Roman lebt einzig und allein von seiner Perspektive und der ihrer Protagonistin Lisa de Gheradini. Ihre Entwicklung vom unschuldigen, naiven Mädchen zur starken und leidenschaftlichen Frau ist der rote Faden der Erzählung. Ihre Erlebnisse um und mit der Familie der Medici eröffnen dem Roman eine ungeahnte Tiefe. Inwieweit diese Person noch über eine historische Genauigkeit verfügt, sei dabei erst einmal dahingestellt. Mona Lisa ist eine der wenigen geschichtlichen Gestalten, deren Bildnis die meisten Leser vor Augen haben. Gleichzeitig ist über diese Figur zu wenig bekannt, und die Geheimnisse laden die Autorin geradezu ein, eine Theorie zu entwerfen.
So dicht, wie sie ihre Protagonistin beschreibt, lenkt sie die Aufmerksamkeit, die man den anderen Persönlichkeiten widmen sollte, leider ab. Viele Beschreibungen der Nebencharaktere fallen dadurch viel zu simpel und unglaubwürdig aus. Einzig und allein die erzählerische Gestalt Leonardo da Vincis ist interessant und vielseitig. Seine Loyalität und seine geheimnisumwitterte Persönlichkeit verleihen dem Roman eine spannungsvolle Struktur. Allerdings birgt der erste Teil von „Leonardos Geheimnis“ ziemliche Längen, da dieser nicht aus Lisas Sicht geschildert ist. Die Waage zwischen Lisas Entwicklung und der politischen Situation balanciert die Autorin jedoch geschickt aus.
Jeanne Kalogridis verleiht dem historischen Florenz zur Zeit der Renaissance ein vielfältiges Bild mitsamt der politischen und künstlerischen Aufgeschlossenheit und zugleich dem schon frühzeitigen religiösen Fanatismus. Die Autorin nimmt sich jedoch für einen historischen Roman allzu viele Freiheiten heraus und verfälscht damit die Genauigkeit der recherchierten Gegebenheiten. Historischen Quellen nach zu urteilen, gab beispielsweise nicht Lorenzo de Medici da Vinci den Auftrag, sondern dies geschah auf Wunsch ihres Ehemannes.
Zwar gibt die Autorin interessant die verschiedenen Legenden um die Identität der Mona Lisa wider und schafft damit das Sinnbild einer perfekten Frau, aber alles in allem gelingt es Kalogridis nicht, wahre Lesefreude zu wecken. Zu unglaubwürdig und schwammig sind ihre Theorien mit den Fakten verknüpft.
„Leonardos Geheimnis“ ist ein historischer Frauenroman mit wenig wirklich historischem Hintergrund. Für Leser, die einen unterhaltsamen Roman mit einer starken „Frau“ lesen möchten, ist dieser Roman zu empfehlen. Wer allerdings etwas über das Leben und Wirken Leonardo da Vincis erfahren möchte und sich auch für das Gemälde der Mona Lisa interessiert, dem ist hier eher abzuraten.
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