Kim Faber & Janni Pedersen – Todland. Ein Fall für Juncker und Kristiansen, Band 2

Konkurrenz für Jason Bourne?

Der schreckliche Terroranschlag in Kopenhagen wirft immer noch seinen Schatten auf den Ermittler Martin Junckersen: Während er im Fall eines toten Anwalts zu ermitteln beginnt, erhält seine Frau Charlotte einen anonymen Hinweis: Der Anschlag sechs Monate zuvor hätte verhindert werden können – und Martin soll in die Vertuschung verwickelt gewesen sein.

Als Journalistin konfrontiert Charlotte ihren Mann, doch der bestreitet alles. Insgeheim fürchtet er um sein eigenes und Charlottes Leben, wenn sie die Story weiterverfolgt. Einzig Martins ehemalige Kollegin Signe will der Reporterin helfen, doch ihr Antrieb ist ein persönlicher …

Als Charlottes Informant brutal ermordet wird, beschließt Signe, dass es an der Zeit ist für die Wahrheit. Und so kommt sie einer unglaublichen Verschwörung auf die Spur, die bis in die höchsten Kreise der dänischen Politik reicht und in die auch Martin Junckers Mordopfer verwickelt ist … (Verlagsinfo)

Die Autoren

Kim Faber ist Architekt und Journalist bei „Politiken“, einer der größten Tageszeitungen Dänemarks.

Janni Pedersen ((https://da.wikipedia.org/wiki/Janni_Pedersen )) ist Moderatorin, Nachrichtensprecherin und Kriminalreporterin bei TV2, einem der meistgesehenen Fernsehsender Dänemarks. (bearbeitete Verlagsinfos) Für „Vinterland“ erhielt das Autorenduo den „Det Danske Kriminalakademis debutantpris“ ((https://da.wikipedia.org/wiki/Det_Danske_Kriminalakademis_debutantpris)).

Die Juncker und Kristiansen-Trilogie

1) Winterland
2) Todland
3) Blutland

Handlung

Der Ermittler Martin Junckersen, genannt „Juncker“, findet in seinem Heimatort Sandsted eine Leiche im Park. Es ist ein sehr heißer Sommer. Der sonnengebräunte Mann mit den Bootsschuhen hat zwei zusätzliche Löcher in den Kopf verpasst bekommen: eins mitten in die Stirn, eins in die Schläfe. Kleines Kaliber, denkt Juncker, wahrscheinlich 22er, womöglich ein Sportschütze. Man ist ja nicht in Amerika, wo alle mit einer 44er rumzulaufen scheinen. Als Nabiha Khalid, seine Polizistenkollegin, am Tatort eintrifft, fragt sie nach der Identität des Toten und will die SpuSi rufen, aber Juncker winkt ab: Er kennt den Mann. Ein Anwalt namens Ragner Stephansen. Partner in jener Anwaltskanzlei, die von Junckers Vater gegründet worden war.

Und Juncker kennt selbstverständlich auch Ragners Witwe Vera, denn sie stammt wie er aus Sandsted. Er überbringt ihr die Todesnachricht und fragt nach möglichen Feinden. Ungerührt meint sie, ein erfolgreicher Anwalt habe stets Feinde. Überhaupt scheint ihr Ragner herzlich egal zu sein. Mads, einer ihrer Söhne und ebenfalls Anwalt, trifft ein. Der Schicksalsschlag hat ihn sichtlich hart getroffen. Soll er um seinen eigenen Sohn Aksel, der erst zwölf ist, bangen? Kann Juncker nicht sagen. Er muss weiter recherchieren. Sein Chef Skakke hat den Verdacht, dass Juncker möglicherweise durch all diese Beziehungen befangen sein könnte. Das streitet Juncker rundweg ab.

Ragner Stephansen hatte sich am Ort einige Feinde geschaffen. So hatte er etwa den prügelnden Ehemann einer Frau verteidigt, die sich erst nach einer besonders üblen Attacke durchrang, ihn anzuzeigen. Ihr Bruder Mikael Johansen stand ihr bei, doch Stephansen fand – mal wieder – Verfahrensfehler eines Polizisten und paukte den Prügler raus. Wenig später beging sie Selbstmord. Ihr Bruder stellte Stephansen zur Rede und beschimpfte ihn. Wie sich nun in der Befragung herausstellt, ist der Bruder Sportschütze, besitzt mehr als eine 22er und hat kein Alibi. Skakke ist happy. Er hat endlich einen Verdächtigen. Doch Juncker kann sich des Verdachts erwehren, dass er etwas ganz Wesentliches an der Leiche übersehen hat…

Unterdessen

Juncker lebt von seiner Frau Charlotte getrennt. Sie ist Vollblutjournalistin und nach sechs Jahren in der Tretmühle der Politikabteilung wechselt sie in die Investigativabteilung. Dort arbeiten nur „Jungs“, die einen Preis gewinnen wollen. Folglich beobachten sie jeden Handgriff und Tritt, den die weitaus erfahrenere Journalistin tut, mit Argusaugen. Als sie eine anonyme Nachricht von einem unbekannten Informanten erhält, muss sie sehr heimlich vorgehen. Schon die ersten beiden Mail-Fotos auf dem Handy sind ein Signal: Sie kommen vom militärischen Geheimdienst FE. Und sie weisen darauf hin, dass der FE Bescheid wusste, BEVOR sich der Terroranschlag an Weihnachten ereignete, hat aber nichts unternommen, um ihn zu vereiteln.

Nun ist jedoch der militärische Geheimdienst (der unserem MAD entspricht) keine Nuss, die man ohne fremde Hilfe und handfeste Beweise knackt. Ein Treffen mit dem Informanten und weitere Mail-Fotos auf einem USB-Stick bestärken Charlotte in dieser Ansicht. Also ruft sie ihren Noch-Ehemann Martin Juncker an. Doch der gibt vor, rein gar nichts zu wissen, obwohl er bis zum Stehkragen in der Sache drinsteckt. Aber er weiß auch, dass sein Leben keinen Pfifferling mehr wert ist, sollte das herauskommen. Neonazis und Islamisten haben gemeinsame Sache gemacht – unfassbar! Von Signe Kristiansen weiß er, dass mindestens ein Mann aus der Führungsebene des FE eines unnatürlichen Todes gestorben ist. Was, wenn diese Sache bis ganz nach oben reicht? Martin beschließt zu schweigen. Wird schon alles gutgehen. Er täuscht sich.

Signes Funde

Auf der Insel Amager ist eine kopflose Männerleiche von einer Schulklasse gefunden worden. Signe fährt hinaus an den Fundort, der wahrscheinlich nicht der Tatort ist: Der Kopf des Mannes fehlt, beide Knie wurde wie in einem Bandenkrieg zerschossen, und die Leiche liegt wie in einen Graben drapiert. Der Gerichtsmediziner Markman, der sie zur Obduktion mitnimmt, schätzt, dass der Tod schon vor rund 48 Stunden eingetreten sei, denn die Phase der Leichenstarre sei schon vorüber.

Bei der Obduktion findet Markman im Magen des relativ großen Mannes eine kleine Plastikkapsel. Er öffnet die Kapsel und findet einen weißen Zettel. Auf dem Zettel steht eine achtstellige Telefonnummer. Als Signe diese Nummer wählt, die ihr doch relativ bekannt vorkommt, meldet sich ihre Freundin Charlotte. Es ist klar, dass sie sich treffen müssen, um die Hintergründe und Zusammenhänge zu besprechen. Doch zuvor muss Signe dieses Beweismittel fälschen und das Original entsorgen. Niemand darf von Charlottes Verwicklung erfahren, denn sonst würde man Charlotte die Arbeitsgrundlage entziehen – und die Verbindung zu diesem Informanten genauestens unter die Lupe nehmen. Falls das Manöver auffliegt, wandert Signe für Jahre in den Knast.

Doch Charlotte erwartet quid pro quo: Sie zeigt Signe die Ausdrucke jener FE-Mails, die ihr der Informant gegeben hatte. Sie merkt sofort, dass Signe, wie schon zuvor Martin, diese Mails kennt. Nur hat sich inzwischen etwas geändert: Derjenige, der ihren Informanten getötet hat, hat an sie mit der kopflosen Leiche eine Botschaft gesandt (ohne von der Telefonnummer in der Kapsel zu wissen): „Wer uns enttarnt, dem wird es genauso gehen wie diesem Verräter.“

Mein Eindruck

Die beiden Kriminalfälle werden lange Zeit parallel geführt. Der erste Mord an dem Anwalt scheint ganz harmlos zu sein, was etwa Politik anbelangt. Doch nachdem es Junckers Team gelungen, die Mauer des Schweigens zu durchbrechen, stößt er auf einen Abgrund der Verkommenheit. Die Spur führt, wie so häufig, weit in die Vergangenheit, ins Jahr 1999 und die Jahre davor, als Junckersen senior Stephansen in seine Anwaltskanzlei aufnahm.
Wer diese Spur aufdeckt, ist keine andere als Junckers eigene Tochter Karoline. Sie erwartet ein Baby von einem pakistanischen Arzt, einem Dänen, und braucht bis zur Heirat einen Unterschlupft. Den ihr Juncker gerne gewährt. Doch sie interessiert sich zunehmend für ihre eigene Familie, denn für die Heirat möchte sie gerne auf eine reine Weste verweisen können. Nur gut, dass sie nicht weiß oder erfährt, wer schuld ist am Tod ihres Großvaters. Stattdessen kramt sie dessen Tagebücher hervor und fängt an, diese genau durchzulesen. Megapeinlich für ihren Vater, wie Großvater sich über dessen Geburt gefreut hat. Aber anno 1999 steht da etwas sehr Beunruhigendes über Stephansen drin und dann tritt eine Pause von rund sechs Monaten ein.

Als Michael Johansen festgenommen wird, weil er eine unregistrierte 22er-Pistole hatte, die verschwunden ist, versucht er sich in der U-Haft zu erhängen. Was kann ihn bloß zu diesen Tat veranlasst haben, fragt sich Juncker und lässt tiefer graben. Er stößt auf einen sehr verstörenden Verdacht: Warum flog der reiche Anwalt nie direkt nach Südostasien, sondern stets über Mallorca? Was hatte er zu verbergen? Juncker beginnt, Vera eingehender zu verhören…

Polit-Thriller

Der zweite Handlungsstrang ist ein Polit-Thriller und beinahe eines Jason Bourne würdig, sogar eine qualifizierte Hackerin, die Freundin, des ermordeten kopflosen Mannes, setzt ihre beträchtlichen Fähigkeiten ein – wohl nicht, ohne selbst entdeckt zu werden. Allerdings erweisen sich weder Christiane noch Signe als professionelle Agentinnen, denn Christiane wird entführt und Signe übersieht einen Peilsender. Mit dem Militärischen Geheimdienst FE legt man sich eben nicht ohne entsprechende Qualifikation an. Es darf aber bezweifelt werden, dass die Kripo Kopenhagen ihre Mitarbeiter zu Agentinnen und Agenten ausbildet.

Die Spur führt nach ganz oben, denn bekanntlich beginnt der Fisch am Kopf zu stinken. Signe will unbedingt herausfinden, wer dafür verantwortlich ist, dass die Warnung der Quelle SBO nicht an die Polizei weitergegeben wurde, bevor der Terroranschlag erfolgte. Sie verfügt also über die entsprechende Motivation. Und als sie Juncker, ihrem Mitstreiter, sagen muss, dass seine Frau Christiane spurlos verschwunden ist, kennt auch er kein Halten mehr. In der Zentrale des FE wird dann halt entsprechend viel Staub aufgewirbelt. Die Vorgesetzten Signe und Christianes sind denn auch ziemlich von den Socken: Derartige Machenschaften im “glücklichsten Volk der Welt“? Wer hätte das gedacht.

Bleibt nur noch eine Sache zu erledigen: Wohin ist Christiane verschleppt worden? Wird Juncker sie noch rechtzeitig finden? Wer weiß, wo sie ist? Wieder ist es die mysteriöse Dame in Grau, die von ihm ein Opfer verlangt…

Die Übersetzung

S. 45: „Das ist ja das reinste Barnaby.“ Hier bringt der Sprecher etwas durcheinander. Der Rechtsmediziner meint die Grafschaft Midsomer, die in der TV-Krimiserie „Inspektor Barnaby“ den Schauplatz zahlloser Mordtaten liefert. Eigentlich müsste die Grafschaft längst entvölkert sein, doch da sie ebenso wie die Morde fiktiv ist, kann das Morden munter weitergehen.

S. 493: „Er war eine[r] der vier Personen“: Das R ist überflüssig, denn auf „ihn“ trifft das weibliche Geschlecht der Personen zu.

Unterm Strich

Dieser zweite Band der Trilogie ist wesentlich besser geschrieben und flotter zu lesen. Das liegt zum Teil daran, dass hier kaum noch neue Figuren einzuführen sind, deren Charakterzeichnung den Fluss der Handlung hemmen. Die zwei Handlungsstränge, die einerseits in Sandsted, und andererseits in Kopenhagen spielen, halten sich die Waage, wie es sein sollte. Keiner nimmt dem anderen was weg. Vielmehr sorgt der konstante Szenenwechsel für Abwechslung und dafür, dass der Leser wachsam und aufmerksam bleibt. Die Anzahl des Personals hält sich in überschaubaren Grenzen, so dass keine Verwirrung aufkommt, wenn man sich mit dem Lesen ranhält – und wenn man Band 1 kennt.

Die beiden Ermittlungen sollen demonstrieren, dass das Private politisch ist und das Politische sich im Privaten widerspiegelt. Das gilt offensichtlich für den Polit-Thriller, denn eine Seilschaftsbindung verhinderte, dass Missverhalten aufgedeckt und geahndet wurde. Der Missetäter konnte ungestraft seine Pflicht vernachlässigen und sich im Bordell austoben.

Apropos Bordell: Dies ist der Schnittpunkt der beiden Verbrechensszenarien. Nur dass das Bordell, in dem sich der werte Anwalt Stephansen herumtrieb, nicht in Dänemark liegt, sondern in Südostasien. Und dass es dort auch kein einziges Mädchen zu kaufen gibt, sondern nur Jungs. In beiden Fällen legt Sex die verkommene Moral dänischer Bürger und Beamter offen.

Wer dies allerdings offenlegt, ist sehr interessant. Die Journalistin Janni Pedersen berichtet aus eigener Erfahrung, wie Investigativjournalisten vorgehen (dürfen), wenn sie Christianes verschlungenen Pfaden folgt. Sehr deutlich kommt die Paranoia zum Vorschein, die in das Leben der Journalistin einzieht. Bis zu jenem Moment, als sich eine Hackerin an sie um Hilfe wendet: Der Freund der Hackerin war ein Whistleblower und liegt nun kopflos im Graben. Sie kennt also das Risiko, das sie eingeht, wenn sie sich mit den Agenten des FE anlegt. Es ist dem ungeplanten bzw. unerfahrenen Vorgehen von Christiane und Signe zu „verdanken“, dass die Hackerin nicht lange überlebt. Sie ist kein Bauernopfer oder so, sondern ein sogenannter „Kollateralschaden“, wie die FE-Agenten das zynisch bezeichnen.

Auch die mysteriöse Frau in Grau ist so eine „Schadensbegrenzerin“, fragt sich nur, welche Risiken sie dafür einzugehen bereit ist. Das fragt sich zumindest Juncker, der direkt auf ihre Spur gelangt. Auch die FE-Agenten sind angeblich Schadensbegrenzer. Dumm nur, dass sie ein faules Ei in den eigenen Reihen dulden. Am Ende ist dieser Kollateralschaden nicht mehr auf die Führung der Behörde FE begrenzt, sondern auch das Justizministerium. Gibt es also doch noch eine Gerechtigkeit? Die beiden Autoren möchten dies offenbar gerne vermitteln. Doch bei mir bleiben weiterhin große Zweifel.

Taschenbuch: 557 Seiten plus Leseprobe.
O-Titel: Satans Sommer 2020
Aus dem Dänischen von Franziska Hüther.
ISBN 9783764507299

https://www.penguinrandomhouse.de/Verlag/Blanvalet/1000.rhd

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