Justine Larbalestier – Magische Verwandlungen (Cansino-Trilogie, Band 3)

Showdown: mit Magie siegen oder untergehen?

Die 15-jährige Reason Cansino wurde von ihrer Mutter Sarafina im australischen Hinterland aufgezogen, stets in dem Glauben, ihre Großmutter Esmeralda sei eine böse Hexe. Reason dürfe niemals Magie ausüben. Doch es kam zu Unfällen. Wenn Reason gereizt wurde und in Wut geriet, litt das Opfer, manchmal starb es sogar – Mitschüler etwa. Dann floh sie mit ihrer Mutter, zuletzt sogar nach Sydney, wo Sarafina in die Nervenheilanstalt Kalder eingewiesen wurde. Folglich steckten die Behörden ihre Tochter Reason zu ihrer nächsten Verwandten: Esmeralda.

Esmeraldas Haus hat eine Verbindung nach New York. Per Zufall gerät Reason so auf die winterliche Erdhalbkugel, lernt dort die magische Jay-Tee kennen, deren Bruder Danny und leider auch ihren Großvater Jason Blake. Als der ihr die Magie rauben will, flieht Reason zurück nach Sydney.

Band 2: Magische Spuren

Nun ist sie maßlos überrascht durch die Entdeckung, wie groß ihre magischen Kräfte sind. Esmeralda erteilt ihr und Jay-Tee, die Reason gefolgt ist, Unterricht in Magie. Den brauchen sie auch, um sich einer Belagerung erwehren zu können, bei der ihre Hintertür von einer unheimlichen Macht verformt wird. Als Reason nicht aufpasst, beult sich die Tür aus und reißt sie hindurch in die jenseitige Dimension: ins winterliche New York. Hier lauert ein alter magischer Mann vor Esmeraldas Tür, und Jason Blake dürfte ebenfalls nach ihr suchen. Reasons einzige Hoffnung besteht darin, Danny zu finden.

Band 3: Magische Verwandlungen

Seit sie von ihrem Vorfahren Raul Cansino dessen Magie übertragen bekommen hat und von Danny schwanger geworden ist, gehen in der 15-Jährigen seltsame Veränderungen vor: Reasons magische Kräfte übertreffen alles Vorstellbare, dafür breitet sich eine unmenschliche Gefühlskälte in ihr aus. Jason Blake, ihr Großvater und Widersacher, fasst einen riskanten Plan: Mit seiner Tochter Sarafina als Medium will er die unsterblich machende Magie von Reason anzapfen. Das aber würden weder Mutter noch Tochter überleben …

Die Autorin

Justine Larbalestier ist im australischen Sydney geboren, wo sie bis heute lebt. Mit ihren Eltern, zwei Anthropologen, zog sie mehrfach für einige Zeit in andere Gegenden Australiens, unter anderem zu den Aborigines in den nördlichen Territorien (also bei der Stadt Darwin). Mit ihrem Mann, dem amerikanischen Sciencefiction-Autor Scott Westerfeld („Weltensturm“, „Midnighters“, „Uglies – Pretties – Specials – Extras“), reist sie gern und häufig nach New York City.

Die Cansino-Trilogie:

1) Magische Töchter (Magic or Madness, 2005; dt. Mai 2008)
2) Magische Spuren (Magic Lessons, 2006; dt. Juli 2008)
3) Magische Verwandlung (Magic’s Child, 2007; dt. September 2008)

Mehr Info: https://www.justinelarbalestier.com/ (geprüft)

Handlung

Reason muss diesmal alles ins Reine bringen. Aber bevor das geht, muss sie noch einiges kapieren, das die Magie mit ihr anstellt. Denn die spezielle Cansino-Magie, die ihr ihr Vorfahre Raul gegeben hat, verwandelt sie. Wenn sie blinzelt, kann Reason wie Neo in „Matrix Revolutions“ die Welt voll goldener Lichter sehen, die die Cansino-Welt bildet. Und allmählich wird Reason ein Teil davon, statt sie zu benutzen. Ihr Haar fällt aus – und zwar überall. Ihre Poren verschwinden, so dass sie wie ein retuschiertes Foto aussieht. Und ihre Haut beginnt golden zu glänzen. Wird sie jetzt ein Alien, oder was?

Kein Wunder, dass eine Magiebegabte wie Jay-Tee, also Julieta, damit ein Problem hat. Sie selbst leidet unter ihrer Magie, denn diese macht sie krank. Tom und Reason haben ihr ein wenig davon gegeben, doch es reicht nicht. In einem denkbar ungeeigneten Augenblick klappt Jay-Tee einfach zusammen und muss von Reason „behandelt“ werden. Reason setzt ihre Cansino-Magie ein, doch als sie sieht, was die Magie ihrer besten Freundin antut, sieht sie nur noch einen Ausweg: Sie nimmt ihr alle Magie weg.

Als Jay-Tee dies herausbekommt, kommt sie aus dem Flennen und Schluchzen nicht mehr heraus. Wie soll sie jemals wieder so cool tanzen wie mit der Magie? Wird sie weiterhin so schnell rennen können? Und was wird Tom jetzt von ihr denken, den sie irgendwie ganz gut leiden kann?

Aber Reason hat andere Sorgen, als sich um Jay-Tees Seelenleben zu kümmern. Sie hat ihren One-night-stand-lover Danny, Jay-Tees Bruder, den Basketballspieler, besucht. Sie wollte ihm eigentlich sagen, dass sie wisse, dass sie von ihm schwanger sei. Das weiß sie natürlich nur durch ihre Magie, denn jener Abend ist gerade mal etwa eine Woche her. Doch als sie ihn in seiner Wohnung sieht, ist er auf dem Sprung zum Flughafen, wo er sein Flugzeug nach Sydney erwischen muss. Zudem ist er völlig magielos, hat also keine Ahnung, was mit ihr los ist. Und so druckst sie herum und kriegt die große Neuigkeit nicht heraus. Wenig später ist es zu spät: Sie sind bloß noch gute Freunde. Jetzt ist sie an der Reihe, sich die Seele aus dem Leib zu flennen.

Da sie nun durch Jay-Tee weiß, wie man die Magie-Krankheit der wahnsinnig gewordenen Mütter – ihre eigene wie auch die von Tom – heilen kann, beschließt sie, ihre Mutter Sarafina im Therapiezentrum zu besuchen. Doch Sarafina ist spurlos verschwunden. Erst als sich Jason Blake bei der stockbesoffenen und flennenden Jay-Tee meldet, kapiert diese, dass Jason, ihr Ex-Mentor und -Gefängniswärter, Reasons Mutter entführt hat. Oder so was in der Art. Jay-Tee ist mehr damit beschäftigt, Jason ihre Verachtung entgegenzubrüllen, als zuzuhören.

Immerhin kann sie Reason und deren Großmutter Esmeralda verklickern, dass Jason Sarafina hat. Während Tom die zusammenbrechende Jay-Tee tröstet, machen sich Reason und Esmeralda auf, um Sarafina zu suchen. Sie ahnen nicht, dass sie in Jason Blakes Falle laufen.

Mein Eindruck

Man liest nicht oft, dass Magie eine Krankheit sei – Harry Schotter würde ja im Grab rotieren. Aber in Larbalestiers Trilogie wächst sich die Cansino-Magie, eine spezielle und universelle Art der Magie, zu einer Kombination aus Bluterkrankheit, HIV und Übermenschentum aus, die ihre infizierten Genträger spätestens im 18. Lebensjahr umbringt. Sie haben einfach all ihre magische Kraft verbraucht. Und wer sie nicht nutzt, der wird wie Sarafina und viele andere schlicht und ergreifend wahnsinnig.

Um einen dritten Weg für die Cansinos zu finden, hat Reason (engl. für „Verstand“), die frisch geschwängerte Super-Mathematikerin, erst einmal die Topform der Cansino-Magie verabreicht bekommen – Urvater Raul sei dank. Sie denkt nun, sie könne Leute wie die arme Jay-Tee wenigstens von der Krankheit der Magie heilen. Das ist richtig, hilft ihr selbst aber nicht. Vielmehr ist Jason Blake, ihr Opa, umso schärfer auf ihre Magie – ganz gleich, ob er Reason durch deren Entzug umbringt.

Endlich kapiert Reason kurz vor ihrem potenziellen Tod, dass nicht die Menschen die Magie kontrollieren, sondern umgekehrt die Magie die Menschen beherrscht. Sie macht sie gierig: nach einem Jahrhunderte langen Leben, wie im Fall von Jason Blake, oder nach Allmacht, wie im Fall von Reason und Sarafina. Denn Reason kann sich nun wie Neo im Fluidum der Cansino-Welt wie ein Fisch oder Atom bewegen: Sie verwandelt sich ja selbst in eine reine Form der Magie und Energie. (Die Autorin wird in ihren Vergleichen an dieser Stelle ziemlich undeutlich.)

Doch bevor Reason zu einem Superhelden wie etwa einem Silkie (einem von A. E. van Vogt erfundenen Superwesen) oder Superman werden und vollends überschnappen kann, sieht sie die Cansino-Magie als das, was sie wirklich ist: eine Krankheit, eine Falle, ein Ungeheuer – und sie mittendrin. Es gibt aus dieser Falle nur einen Ausweg, der es Reason erlaubt, zu überleben und dennoch ein Mensch zu bleiben …

Parallelhandlung

Als Kontrast zeigt uns die Autorin, wie ein Leben nach dem Verlust der Magie aussehen könnte: Jay-Tee ist erst das heulende Elend, doch dann findet sie in dem sie liebenden Tom einen Halt und Trost. Das jedoch ist wiederum ein Grund zur Besorgnis für sie – und zu noch mehr Tränen: Was, wenn Tom, der ja seine Nicht-Cansino-Magie nicht hergeben will, schon bald stirbt? Sie kann die Vorstellung kaum ertragen, was man gut verstehen kann. Tom seinerseits will auf Magie nicht verzichten, die es ihm erlaubt, auf Anhieb und intuitiv die tollsten Kleider zu schneidern. Jay-Tee und Reason bekommen seine Kreationen und sind begeistert. Sollte er auf diese Erfolge verzichten, weil er bald sterben könnte?

Zunehmend wird deutlich, dass die Autorin die Magie als Metapher einsetzt, um verschiedene Aspekte des Lebens von Jugendlichen zu verdeutlichen. Da sind die Einsamkeit und das Bedürfnis nach Selbstfindung und Liebe. Da sind aber auch die Sehnsucht nach Macht und die Sucht nach schneller Befriedigung – wie sie etwa Magie, Alkohol oder Sex gewähren. Wäre AIDS magischer Natur, dann könnte es wirklichen Jugendlichen nicht dreckiger ergehen als den jungen Figuren in der Romantrilogie. Dies und die lebensnahe, wenn auch dramatische Darstellung lässt die Trilogie unter all den Fantasy-Genre-Produktionen in Buch, Film, Game und TV herausragen.

Tränen und Humor

Und dabei macht sie wohl jungen Lesern und Leserinnen ab 14 Jahren wirklich Spaß. Welches Mädchen würde sich nicht an den Kummer der ersten Liebe und an den ersten Kuss erinnern? Und an die tränenreichen Beichten bei der besten Freundin. Es wird jede Menge geflennt in diesem dritten Band, mehr als in den vorhergehenden. Doch zugleich macht die Emotionalität der Figuren ihr Verhalten umso bewegender und glaubhafter. Humor gibt es nicht, ohne zugleich ernste Beziehungsfragen zur Sprache zu bringen. So erfährt Danny eher zufällig von seiner Schwester, dass er in neun Monaten Vater werden wird. Darf und soll man darüber lachen? Humor ist eben, wenn man trotzdem lacht.

Die Übersetzung

Die Übersetzerin hat sich bemüht, den Jugendjargon ins Deutsche zu übertragen. Zusätzlich musste sie die Unterschiede zwischen amerikanischem und australischem Englisch deutlich machen. Meistens ist ihr dies sehr gut gelungen. Ob allerdings Ausdrücke wie „Fuck“ und „Shit“ ebenfalls zu gutem Deutsch gezählt werden können, darf bezweifelt werden. Immerhin ist jedoch „Fuck“ hier Teil eines Wortspiels und somit notwendig.

Unterm Strich

Ich habe diesen unterhaltsamen Jugendroman in kurzer Zeit gelesen, wenn auch nicht in Stunden wie den ersten Band. Die Schrift ist groß, die Sätze sind einfach gehalten, die Handlung ist leicht verständlich und am Schluss auch ziemlich spannend. Wie es sich für ein Serienfinale gehört (siehe „Herr der Ringe“), geht es nun um alles oder nichts: Wird Reason der Falle ihres Großvaters entkommen können? Oder wird ihr Baby mit ihr draufgehen?

Die Geschichte fängt diesmal langsam an, doch sie steigert sich an Komplexität. Nicht alle offenen Fragen werden geklärt, und manchmal fragte ich mich, was denn die Parallelhandlung für einen Sinn hat. Dies wird endlich ebenso klar wie das Finale den ersehnten Showdown mit Reasons Widersacher Jason Blake bringt. Dessen Motive bleiben durchweg eindimensional: Ihn treibt die Gier nach Reasons Magie, um egoistische Ziele zu erreichen.

Darüber macht sich Jay-Tee ebenfalls Gedanken. Wozu ist Magie überhaupt gut? Als Katholikin fragt sie sich letzten Endes, ob Gott ein Magier ist und gewollt hat, dass es Magie gibt. Und wo steht dann sie als „Normalo“? Diese und andere Fragen erörtert sie – recht unbeholfen – mit ihrem neuen Freund Tom, dem magischen Couturier.

Fünfzehnjährige dürften die Abenteuer Reasons besonders interessieren, schlägt sie sich doch mit allen Problemen herum, die mit der Pubertät einhergehen, so etwa das Begehren eines Mannes, der Sex und die Komplikationen, die darauf folgen. Diese Vorgänge erzeugen innere Spannungen, die weibliche Leser wesentlich interessanter finden dürften als männliche. Und für das ausgiebige und wiederholte Flennen dürften sie ebenfalls mehr Verständnis aufbringen als Jungs.

Taschenbuch: 318 Seiten
Originaltitel: Magic’s Child, 2006
Aus dem Australischen Englisch von Kattrin Stier
Empfohlen ab 12 Jahren
ISBN-13: 978-3-570-30467-9
https://www.randomhouse.de/Verlag/cbt-Kinder-und-Jugendbuecher

Home