Theodore London, leidlich erfolgreicher Privatdetektiv in New York City, wird von der reizenden Lisa Hutchinson konsultiert. Sie fühlt sich beobachtet und gejagt, seit sie ihr Elternhaus in Crifo, US-Staat Vermont, fluchtartig verlassen hatt Ihr Vater Royce, ‚Priester‘ einer obskuren Sekte, hatte sie dort wie eine Gefangene gehalten und ihr ein unschönes Schicksal im Rahmen eines bizarren Rituals angekündigt. London will helfen, mag aber an nicht an die monströsen Verfolger glauben, die Lisa in ihren Träumen und neuerdings auch in der Realität belästigen. Er wird eines Schlechteren belehrt, als ein echsenhaftes Flugwesen durch das Bürofenster bricht und ihn beinahe in Stücke reißt, bevor er es töten kann. Lisas Monster sind also echt, und da sich London in seine Klientin verliebt hat, stellt er sich erst recht auf ihre Seite.
London rekrutiert eine bunte Schar enthusiastischer Mitstreiter. Zu ihnen zählen Dr. Timothy Bodenfelt, ein idealistischer Arzt, Paul Morcey, ein abenteuerlustiger Hausmeister, und Pa’sha Lowe, ein krimineller Waffenhändler, der London nicht nur mit schwerer Artillerie und Giftgas ausstattet, sondern ihm auch die chinesische Wahrsagerin Lai Wan zur Seite stellt. Sie recherchiert Sensationelles: Londons monströser Gegner war einst ein Mensch, der in seine neue Gestalt mutiert wurde. Dafür verantwortlich ist Royce Hutchinson, der jedoch nur als Erfüllungsgehilfe für einen leibhaftigen Dämonen fungiert: Q’talu, der aufmerksamen Lesern des Alten Testaments als „Salomons Fluch“ bekannt ist, plant seine Rückkehr in diese Welt, die er bei dieser Gelegenheit in Besitz nehmen will. Dazu bedarf es unbedingt eines Menschenopfers, das – wer hätte es gedacht – die arme Lisa darstellen soll.
Gegen Q’talu und seine Schergen hätten Lisas wenig kampferprobten Leibwächter keine Chance, wäre da nicht eine weitere Partei, die sich in den Konflikt einschaltet und London die Macht eines „Zerstörers“ zufließen lässt, ohne ihn allerdings darin zu schulen, wie er sie gezielt einsetzen kann …
Detektive als Geisterjäger
Polizisten, FBI-Agenten oder Privatdetektive, die keine Räuber, Erpresser und Mörder, sondern Vampire, Dämonen und andere übernatürliche Getüme jagen, kennen die jüngeren Freunde der Phantastik vor allem aus dem Fernsehen. Mulder & Scully waren dort mit ihren „X-Akten“ nicht die Ersten; schon in den 1970er Jahren ermittelte „Kolchak, the Nightstalker“ in einer Serie, die in den USA absoluten Kultstatus genießt.
Dieser Kolchak war es, der diverse Autoren anregte, eigene Geisterdetektive zu kreieren. Sehr erfolgreich (und auch in Deutschland angekommen) ist z. B. Harry Dresden. Schon einige Jahre früher war Teddy London aktiv, der nicht so populär wurde aber trotzdem einen Markstein für dieses Sub-Genre darstellt. (Der literarische Geisterdetektiv ist übrigens älter als das Fernsehen. Beispielsweise schuf William Hope Hodgson mit „Carnacki, the Ghostfinder“ schon 1910 einen Ermittler, den man gegen Attacken aus dem Jenseits engagieren konnte.)
Zwischen 1992 und 1995 löste Teddy London sechs Fälle mit hohem Spuk- und Blutgehalt. In Deutschland wurde nur sein erstes Abenteuer veröffentlicht; offenbar blieb die Resonanz seitens der Leserschaft zu verhalten. Über eine Begründung lässt sich nur spekulieren. „Der Fluch des Salomon“ ist nicht besser oder schlechter (bzw. blöder) als viele andere Horrorgarne, die Übersetzung gelungen, die Story unterhaltsam wüst und actionreich.
Figuren mit Flachsinn
Ein sicherer Hinweis auf die rasche Niederschrift eines Romans ist die Eindimensionalität der auftretenden Figuren. Morgan will das zwar vertuschen, doch hinter allen Szenen, die Seelentiefe suggerieren sollen, bemerkt der Leser altgediente Klischees. Natürlich ist Teddy London ein Marlowe-Klon; er trägt sogar einen Hut, obwohl „Der Fluch des Salomon“ in den 1990er Jahren auflebt. London ist zudem ein Idealist und Drachentöter, obwohl er das durch branchentypischen Zynismus zu tarnen versucht. Es bleibt ihm gar keine andere Möglichkeit als sich in seine Klientin zu verlieben, denn die ist ja sooo niedlich und hilflos. Damit dies noch dem letzten Deppen klar wird, baut Morgan diverse Szenen ein, die Lisa tüchtig weinend und mit ihrem Schicksal hadernd zeigen.
Zum Weinen sind leider auch die Rollen, in die Morgan die übrigen Figuren zwingt. Wahrscheinlich soll es originell und komisch sein, dass Teddy London eine schauerliche Gurkentruppe um sich sammelt. Sie darf man keinesfalls Ernst nehmen, da sonst die weitere Lektüre sinnlos wird. „Der Fluch des Salomon“ ist Trash, das muss man sich vergegenwärtigen, um Lächerliches wie einen menschenfreundlichen Waffenhändler, der alle Schießprügel dieser Welt sowie biologisch und chemische Todmacher in seinem Keller stapelt, oder eine – natürlich asiatische (der Fu-Manchu-Effekt!) – Schönheit mit Draht ins Dämonenreich zu verkraften.
Ist das gelungen, übersteht man auch den Auftritt der Bösewichte. Royce Hutchinson und Q’talu wetteifern um den Rang des lächerlichsten Weltenzerstörers. Einmal mehr bestätigt sich, dass Dämonen ziemlich dämliche Schurken abgeben: Ihre Vorstellungen vom Bösen sind ebenso antiquiert wie lächerlich. Im Jenseits liest man offenbar vor allem Kinderbibeln, denn ihnen sind die ‚apokalyptischen‘ Plagen entnommen, mit denen Q’talu Eindruck zu schinden hofft.
Lachen statt gruseln
Immerhin ist er zumindest marginal schlauer als Hutchinson sen., der mit zum Grinsen reizender Wonne den durchgeknallten Propheten gibt, der das eigene Töchterlein opfern will. Man möchte ihm und Q’talu wirklich raten, nicht so ausgiebig über geplante Übeltaten zu reden, sondern aktiv zu werden. Andererseits benötigen London und seine Mitstreiter die daraus resultierenden Pausen, um sich ‚überraschende‘ Gegenmaßnahmen auszudenken.
Genug des Spotts, der hier nicht übertrieben werden soll. „Der Fluch des Salomon“ ist das Werk eines Verfassers, der gut über seinen Status Bescheid weiß. Robert Morgan produziert Unterhaltung für lange Bahnfahrten oder Flugreisen. Originalität mag sein Ziel sein, doch sein Talent entspricht nicht seinem Ehrgeiz. Mit „Der Fluch des Salomon“ reiht er sich in das endlose Heer jener Autoren ein, die Verbrauchsliteratur für anspruchslose Leser liefern. Zu denen gehören wir alle hin und wieder, und in einer solchen Phase können uns Bücher wie dieses unterhalten. Bedenklich wird es höchstens, sollte echte Begeisterung aufkeimen, denn das wäre zu viel der Ehre für Londons Rumpelhorror.
Autor
„Robert Morgan“ ist das Pseudonym des Vielschreibers C. J. Henderson, der 1951 im Mittleren Westen der USA geboren wurde und mit seiner Familie ausgiebig umzog, bis man schließlich in Bridgeville, Pennsylvania, ansässig wurde. Hier brachte Henderson High School und College hinter sich, bevor er sich aufmachte, sein Glück in New York zu versuchen.
Wie es sich für einen Künstler gehört, scheiterte er dort zunächst mit seinen schriftstellerischen Ambitionen und hielt sich mit einer Unzahl entwürdigender Jobs über Wasser, die sich in der Biografie eines später erfolgreichen Mannes gut machen. Nach eigener Auskunft arbeitete Henderson als Kinopächter, Kellner, Anstreicher, Spielkartengeber, Buchrezensent, Lehrer, Roadie, Wachmann usw. usf.; selbstverständlich fehlt in der Liste nicht der klassische Tellerwäscher.
Wie er sich zum frei schaffenden Autor mausern konnte, verrät uns Henderson auf seiner Website nicht. Er macht freilich keinen Hehl daraus, dass er weit entfernt vom Ruhm eines Stephen King und vor allem Auftragsautor ist, der öfter als es ihm behagt um des Geldes Bücher schreiben muss, die ihn nicht interessieren. Tatsächlich schreibt (oder produziert) Henderson heute vor allem Romane zu Filmen und Fernsehserien, darunter zahlreiche Bände zur schriftlich fortgesetzten „Kolchak“-Reihe.
Sehr offen schildert Henderson seine Streitigkeiten mit Verlegern, von denen er sich mehr als einmal gewaltig über den Tisch gezogen fühlte. Zum Beispiel geht es auf eine verlagsseitige Forderung zurück, dass die Teddy-London-Romane unter einem Pseudonym erschienen. Henderson schrieb auch ‚normale‘ Detektivromane, die der bekanntlich dumme und leicht zu verwirrende Leser nicht mit den London-Storys verwechseln sollte – eine absolut unnötige Entscheidung, wenn man dem streitbaren Henderson Glauben schenken möchte, der Teddy London 2009 nach 14-jähriger-Pause zurückkehren ließ.
Taschenbuch: 317 Seiten
Originaltitel: The Things That Are Not There (New York : Diamond Books 1992)
Übersetzung: Cécile G. Lecaux
http://www.luebbe.de
Der Autor vergibt: