Showdown: Die ersehnte Enthüllung?
Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör.
Poe trifft Dr. Baker um Mitternacht auf einem Friedhof in New York. Hier soll Poe Leonie wiedersehen, die Baker in die Hände gefallen ist. Und hier soll er auch das Geheimnis seiner Identität erfahren. Doch nur im Austausch für Bakers Aufzeichnungen von unmenschlichen Experimenten. Kann Poe das zulassen? Aber Baker ist ihm einen Schritt voraus …
Ulrich Pleitgen und Iris Berben haben auch an den ersten 24 Hörbüchern der Serie mitgewirkt:
#1: Die Grube und das Pendel
#2: Die schwarze Katze
#3: Der Untergang des Hauses Usher
#4: Die Maske des roten Todes
#5: Sturz in den Mahlstrom
#6: Der Goldkäfer
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben
#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora
#13: Schweigen
#14: Die längliche Kiste
#15: Du hast’s getan
#16: Das Fass Amontillado
#17: Das verräterische Herz
#18: Gespräch mit einer Mumie
#19: Die Sphinx
#20: Scheherazades 1002. Erzählung (auch: Die 1002. Erzählung)
#21: Schatten (ursprünglicher Titel: Die Scheintoten)
#22: Berenice
#23: König Pest
#24: Der Fall Valdemar
#25: Metzengerstein
Nächste Staffel (02/2008):
#26: Der Kopf des Teufels
#27: Der Mann in der Menge
#28: Die Flaschenpost
#29: Landor’s Landhaus
Das Taschenbuch ist unter dem Titel [Lebendig begraben“ bei Bastei Lübbe erschienen.
Der Autor
Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.
1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.
Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.
Die Inszenierung
Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren.
Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem Bambi und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.
Dr. Baker: Till Hagen (Kevin Spacey, Billy Bob Thornton)
Anna Rogêt: Clara Nicolai
Pater O’Neill: Jaecki Schwarz
O’Gorn: Sascha Rotermund
Diener 1: David Turba (Dan Byrd, Taylor Handley
Diener 2: Karsten Troyke
Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Laurie Randolph, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dickky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom STIL-Studio verantwortlich.
Das Titelbild
Das monochrome Titelbild, das Simon Marsden (www.simonmarsden.co.uk) geschossen und mit einer speziellen Technik entwickelt hat, zeigt einen schattigen Park, der von einem schmiedeeisernen Zaun abgegrenzt wird. Der Park wiederum umgibt ein herrschaftliches Haus, das aus dem frühen 19. oder späten achtzehnten Jahrhundert zu stammen scheint. Von links lehnt sich ein Baum ins Baum, dessen kahle Zweige nach dem Haus zu greifen scheinen, dessen Spiegel die untergehende Sonne strahlend reflektieren, als stünde es in Flammen …
Das Motiv der Rückseite ist immer noch das gleiche wie in der ersten Serie: das von leuchtendem Nebel umwaberte ausgebrannte Gemäuer einer alten Abtei, deren leere Fenster den Betrachter ominös anstarren. Die Innenseite der CD-Box zeigt einen spitzbogigen Mauerdurchgang in einem wilden, überwucherten Garten. Der Durchgang könnte die Passage zu neuen, gruseligen Erfahrungen symbolisieren, im Sinne von Huxleys „doors of perception“.
Das Booklet
Jede CD enthält ein achtseitiges schwarz gehaltenes Booklet. Eingangs gibt es einen mittlerweile recht umfangreichen Abriss der Vorgeschichte der Episode. Kleine Biografien stellen die beiden Hauptsprecher Ulrich Pleitgen und Iris Berben vor. Die mittlere Doppelseite zeigt alle bislang veröffentlichten CDs. Danach folgt eine Seite, die sämtliche Credits auflistet. Die vorletzte Seite wirbt für das Hörbuch „Edgar Allan Poe: Visionen“, das ich empfehlen kann. Die letzte Seite gibt das Zitat aus E. A. Poes Werk wieder , das am Anfang einer jeden Episode – jeweils abgewandelt – zu hören ist.
Vorgeschichte
Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?
Schon vierundzwanzig Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton als Francis Baker darin spielt. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton darin spielt.
Am Anfang rekapituliert Poe sehr knapp die unmittelbare Vorgeschichte. Das erleichtert den Einstieg in die Serie ein wenig, aber nur minimal. Daher noch ein wenig mehr Inhaltsangabe:
Episode 21:
Kapitän Hardy, der süffelnde Kommandant des untergegangenen Segelschiffs „Independence“, hat Poe geraten, sich vor seinem unsichtbaren Verfolger ein gutes Versteck zu suchen. Wie wär’s mit dem Totenschiff der Armen, das im nördlichen Hafen New Yorks vor Anker liegt? Die „Rachel“ durchsucht bestimmt keiner. Gesagt, getan.
Allerdings macht dieser abgetakelte Segler keinen besonders vertrauenerweckenden Eindruck. Der einzige Lebende an Bord ist der alte Ismael. Als Poe ihm zwei Flaschen guten Whiskys in die Hand drückt, ist er überredet: Poe darf frei logieren. Ismael warnt ihn aber vor den Ratten, die recht groß werden können. Und eine der Türen sei für ihn verboten, da habe er keinen Zutritt. Alles klar? Alles klar.
Ismael geht von Bord, denn er wolle einen Freund besuchen. Auf Blackwell Island (dort liegt Dr. Bakers Klinik!) sei die Cholera ausgebrochen, und schon bald werde es die ersten Leichen abzuholen geben. Wenig später kommt Leonie Goron an Bord. Zusammen machen sie hinter der verbotenen Tür eine grausige Entdeckung.
Episode 22:
Leonie und Poe gelangen durch die Hilfe von George Appo, Kapitän Hardy und den Wirt Rick Ellis auf Blackwells Insel, die im East River liegt. Ihre erste Begegnung mit Pater Bunting ist kurz, denn er stirbt schon bald an der Seuche, die hier grassiert …
Episode 23:
Der Besuch im Asyl führt beinahe dazu, dass Poe durch Elektroschocks sein Gedächtnis verliert. Nur das beherzte Eingreifen Leonies rettet ihn, doch sie müssen in das Dorf der an der Seuche Erkrankten fliehen, wo nur König Pest herrscht. Und ihm entkommt man nur als Leiche, oder?
Episode 24:
Mit Hilfe von Mr. Valdemar gelingt Poe und Leonie in letzter Sekunde die Flucht von Blackwells Island, wo das Krankendorf gerade niedergebrannt wird. Ein Fischerboot greift sie auf, doch in der folgenden Nacht ereignet sich an Bord ein Blutbad. Wer ist der Täter?
Handlung von Episode 25
Poe und Valdemar bringen die bewusstlose Leonie mit dem gekaperten Fischerboot an Land und von dort – allen Widerständen und Bedenken zum Trotz – in das Städtische Krankenhaus. Denn dies ist ebenfalls eine Wirkungsstätte Dr. Bakers, Poes Nemesis. Zum Glück ist der sinistre Dr. Gump bereits gestorben. Trotz seiner Befürchtungen lässt Poe sie zur Behandlung mit dem Gegenmittel zurück und kehrt zu Reverend O’Neill und Anna Rogêt zurück. In der Kirche bekommt er mit, dass Bakers Männers bereits nach ihm suchen. Er erschießt den einen, Anna den anderen. O’Neill erfährt im Krankenhaus, dass es Leonie wieder gut gehe und Baker gegangen sei, um am nächsten Tag einen Vortrag zu halten.
Dort passt Poe ihn ab, um den Tausch vorzuschlagen, doch Baker nimmt ihm den Wind aus den Segeln, als er ihm Leonies Anhänger zeigt, das Medaillon, das Poe noch aus New Orleans kennt. Nun heißt es: Leonies Leben gegen Bakers Aufzeichnungen. Treffpunkt und Übergabeort soll ein Friedhof in der Bowery sein … Mitternacht. Die Kapelle ist kalt und einsam, Poe legt sich müde nieder und hat einen seltsamen Traum.
Der Traum
Die generationenlange Fehde zwischen beiden Geschlechtern Berlifitzing und Metzengerstein findet ein jähes Ende, als die Burg des Barons von Berlifitzing in Flammen aufgeht. Der Herr von Burg Metzengerstein triumphiert, dass sein Widersacher in seinem eigenen Stall verbrannt ist, wie ihm seine Diener berichten. Und sie haben obendrein im Wald ein wunderbares Rassepferd eingefangen, einen feurigen Rappen, den Metzengerstein sogleich besteigt, um ihn zu bezwingen.
Der Ritt geht zwar zunächst willig über Stock und Stein, doch als Metzengerstein Feuer über seiner eigenen Burg aufflammen sieht, kennt der Rappe kein Halten mehr und gehorcht weder Zügel noch Sporen. Metzengerstein wird mitten in die Flammen seines eigenen Stammsitzes getragen. So wie das Orakel es ihm prophezeit hatte.
Nächtliches Stelldichein
Endlich trifft Dr. Baker ein, kaum dass Poe erwacht ist. Auf einem Leichenkarren liegt Leonie, bewusstlos, angeblich von Baker mit Chloroform betäubt – und mit einem Gift. Nur das Gegengift in seiner Tasche könne sie vor dem sicheren Tod bewahren, sagt er. Poes Drohung mit einem Dolch ist wirkungslos. Er soll zu einem Brunnenschacht gehen und sich auf Bakers Befehl hineinstürzen. Am Grunde des Schachtes wimmelt es von Ratten, und Poe graust davor.
Wenigstens ist der triumphierende Baker so freundlich, ihm den Grund zu verraten, warum er Poe mit seinem Hass verfolgt. Poe hat Bakers Halbschwester Lucy Monaghan in New Orleans geliebt, doch sitzenlassen, woraufhin sich die Schwangere in den Tod stürzte. Und er, Poe, sei wirklich der Schriftsteller Edgar Allan Poe. Nur sei der offiziell schon ein, zwei Jahre tot. In seinem Grab liege nur ein Landstreicher, keine Sorge. Aber Poe könne nie mehr an seine alte Karriere anknüpfen, denn schließlich würde man ihn nun für einen Aufschneider und Betrüger halten. Und nach einem Sprung in den Brunnenschacht sei das auch gar nicht mehr nötig, nicht wahr?
Doch da macht Leonie Dr. Baker einen dicken Strich durch die Rechnung …
Mein Eindruck
Bestand in „Berenice“ (Folge 22) das Leitmotiv in Zähnen, so sind es in „Metzengerstein“ Pferde, die allenthalben auftauchen. Das in der Binnenerzählung auftauchende schwarze Prachtpferd, das die Hauptfigur ins Verhängnis trägt, wird schon in der Rahmenerzählung angekündigt, und zwar in New York selbst. Erst hören wir ab und zu Pferdefuhrwerke durch die Straßen rattern, aber noch dezent im Hintergrund. Dann, als Dr. Baker eintrifft, quietscht sein Leichenkarren, der von einem wiehernden und schnaubenden Ross gezogen wird.
Doch für den Zuhörer, der bis jetzt die Reihe geduldig und erwartungsvoll angehört (und zu seltsamen Preisen gekauft) hat, ist das Leitmotiv sicherlich nicht Grund, warum er gespannt auf diese Folge war. Vielmehr will er jetzt wissen, wie die wahre Identität des Mannes lautet, der sich „Edgar Allan Poe“ nennt. Er bekommt zwar einen Namen gesagt, aber es ist sein eigener angenommener, und den kannte er ja schon. Legt ihn Dr. Baker erneut aufs Kreuz? Es sieht ganz danach aus.
Damit die Serie weitergehen kann – es warten ja noch einige Geschichten auf ihre Umsetzung, z. B. „William Wilson“ -, enthält diese Folge einen überraschenden Schluss, in dem Dr. Baker höchstselbst zu Worte kommt und uns einiges über die Vorbereitungen zu dem Treffen mit Poe verrät. Er hatte sich mit Leonie Goron abgesprochen, so dass es aussieht, als stecke sie mit ihm unter einer Decke und wisse mehr, als sie uns bislang preisgegeben hat. Eine interessante Frau, in der Tat. Jetzt erinnert sie mich ein wenig an Eva-Marie Saint, die Cary Grant in Hitchcocks „Der unsichtbare Dritte“ hinters Licht führt und so tut, als helfe sie ihm. Arbeitet sie im Auftrag, oder hat auch sie eine geheime Agenda?
Die Inszenierung
Mr. Poe
Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. Im ersten Teil des „Metzengerstein“-Traumes beispielsweise schwelgt sein Poe in befriedigter Rachsucht und Triumphgefühlen, und das kann man deutlich hören. Umso gequälter klingt Poe in der zweiten Traumhälfte, als ihn das durchgehende Pferd in die Flammen seiner eigenen Burg trägt.
Aber Poe kann auch sehr pragmatisch agieren, und Pleitgen weiß die scharfe Beobachtungsgabe seiner Hauptfigur wie auch dessen Hinterlist ebenso glaubwürdig darzustellen. Sein Poe ist kein hilflos durch die Gassen torkelnder Somnambuler, sondern ein hellwacher Geist, der nur ab und zu unter ein paar Bewusstseinstrübungen leidet, die ihn in Gestalt von Träumen heimsuchen.
Miss Leonie Goron
Iris Berben bietet Pleitgens melancholischem und nachdenklichem Poe einen lebhaften Widerpart mit ihrer Leonie Goron. Und wie der grüblerische Poe sogar selbst merkt, zeichnet sich Leonie durch ungewöhnlichen Scharfsinn und eine kluge Feinfühligkeit aus. Sie hat erheblichen Anteil an Poes Rettung in der Rahmenhandlung von Episode 5 („Mahlstrom“). Spätestens ab „Der Goldkäfer“ wirkt sie wie eine kluge Freundin, die durch ruhige Überlegung und kluge, verständnisvolle Fragen bald zu seiner unverzichtbaren Ratgeberin wird. In Episode 15 „Du hast’s getan“ steht sie selbst ihren Mann als Detektivin und Ein-Frau-Polizeitruppe. In Episode 18 tritt sie als Ägyptologin auf, unter dem Namen Leonie Sander. Sie spielt Scully an der Seite von Poes Mulder.
Musik und Geräusche
Der Sound liegt im Format PCM-Stereo vor und klingt glasklar. Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt.
Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Glocken sind überall, wo Poe geht, zu hören, aber auch zwitschernde Vögel, wiehernde Pferde (siehe oben) und kreischende Möwen, denn New York liegt bekanntlich am Meer. In der Nacht ertönen die Grillen, die Blätter rauschen unheimlich im Mondlicht, doch kein Käuzchen ruft zur Abendruh.
Aus gutem Grund, denn vor der Kapelle des Friedhofs in der Bowery spielt sich ein aggressives Drama ab. Poe hat den Dolch, den ihm Pater O’Neill in einer ausgehöhlten Bibel mitgab, gezückt und drückt ihn an Baker Kehle. Doch Baker kontert mit der angeblich vergifteten Leonie, der nur sein Gegengift helfen können. Wir hören Poes Dolch auf dem Steinboden aufprallen. Wenig später sind die fiependen Ratten im Brunnenschacht zu hören, doch der finale Schrei stammt nicht aus seiner Kehle …
Auf die Dreidimensionalität wurde stärker geachtet: Stimmen von links und rechts, in der Ferne (leiser) und im Vordergrund (lauter), ja sogar innerer Monolog (spezielle Musikuntermalung mit ausgeblendeten Geräuschen) vermitteln den Eindruck einer Welt, in der sich ein Betrachter wie im Zentrum des Geschehens fühlen könnte. Nur am Schluss steht ein Monolog, der durch ein merkwürdiges Knistern untermalt ist, so als würde die Stimme von einer frühen Schallplattenaufnahme stammen. Hier wurde offenbar ein Filter eingesetzt, um Dr. Bakers Selbstzeugnis als gefundenes Ton-Dokument zu inszenieren.
Musik
Die Musik erhält eine wichtige Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der zwei Hauptfiguren und ihres jeweiligen Ambientes darzustellen. Diese untermalende Aufgabe dient diesmal mehr der Gestaltung der ganzen Episode, denn in der Umgebung des Friedhofs und der Kapelle ist die Gestaltung der beklemmenden Atmosphäre besonders wichtig, um die Aufmerksamkeit des Hörers zu fesseln und seine Emotionen zu steuern.
Die Binnenerzählung leitet mittelalterliche Tanzmusik ein, so dass sich der Hörer sofort in eine andere Ära versetzt fühlt. Das ist angemessen, denn ebenso wie „Die Maske des Roten Todes“ spielt auch „Metzengerstein“ im europäischen Mittelalter, allerdings diesmal mehr in Deutschland als in Italien. Die Tanzmusik kontrastiert mit dem Requiem „Dies irae, dies illa“ und dem Poe-Leitmotiv, das im Intro und Outro erklingt.
Ein Streichquartett, Musiker des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.
Der Song
Edgar Allan’s Projects „Ich bin nicht wahnsinnig“ ist ein Remix aus der Hörspielserie mit Originalauszügen und angereichert mit der Musik, die das Berliner Filmorchester für Visionen und auch für die Hörspielserie eingespielt hat. Produziert von Simon Bertling und Christian Hagitte (STIL).
Den Anfang macht ein gewohnt schauerliches Zitat, wie es jedem der Poe-Hörspiele vorangestellt ist: „Ich bin nicht wahnsinnig“. Weitere Zitate stammen aus „Die Grube und das Pendel“ sowie aus „Der Untergang des Hauses Usher“. Die Instrumentierung ist wie gehabt: Drums, Bass und – sehr dezent – Orchester. Die Sprecher sind schwer zu identifizieren, aber es könnte sich um die Originalsprecher der Hörspiele handeln, nur etwas verzerrt.
Unterm Strich
„Metzengerstein“ ist eine frühe Poe-Erzählung, die noch stark der schwarzen Romantik eines E. T. A. Hoffmann verpflichtet ist. Dementsprechend ist auch der Einsatz von Symbolen wie dem Wandteppich und dem feurigen Rappen ein wenig krude zu nennen. Aber da dies nichts mit der ebenso spannenden Rahmenhandlung zu tun hat, kann man die Unzulänglichkeiten vernachlässigen.
Der Showdown zwischen Baker, Leonie und Poe findet endlich statt, doch ob die Informationen, die Baker endlich herausrückt, der Wahrheit entsprechen, ist doch stark anzuzweifeln, nicht zuletzt dank eines Epilogs (Bakers Tondokument), das alles wieder in Zweifel rückt. Feststeht, dass die Serie im Februar 2008 weitergeführt wird, und auch Dr. Baker wird wohl wieder mit von der Partie sein, denn er ist wiederauferstanden. Poe ist auch kein Gutmensch, aber die Serie braucht unbedingt einen Schurken, und wer wäre für die Rolle besser geeignet als der ebenso finstere wie ungreifbare Doktor mit den Frankensteinambitionen?
Der Erfolg hat der Poe-Hörspielreihe zu langer Laufzeit verholfen. Würde der Erfolg fehlen, wäre sie schon längst abgebrochen worden, wie es unlängst der VAMPIRA-Reihe widerfahren ist, die Lübbe Audio nach inoffiziellen Informationen nicht mehr weiterführen will. Der hohe Produktionswert der Poe-Reihe wird vor allem vom STIL-Studio gewährleistet, das für einwandfreie Musik- und Geräuschuntermalung sorgt. Hoffentlich bleibt das auch so.
72 Minuten auf 1 CD
Basierend auf „Metzengerstein“, ca. 1842
www.poe.phantastische-hoerspiele.de
www.luebbe-audio.de