Schlagwort-Archive: Edgar Allan Poe

H. P. Lovecraft – Die Literatur des Grauens. Ein Essay

Mit dieser meisterlichen Studie über die Geschichte der unheimlichen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart bewerkstelligt Lovecraft die Gratwanderung zwischen wissenschaftlichem Anspruch und geistreicher Unterhaltung. Die Literatur des Grauens gilt gemeinhin als beste kurzgefaßte Darstellung des Genres. Mit einem handsignierten Porträt des Autors von Helmut Wenske. Limitierte Auflage von 1000 Exemplaren.

Der Autor
H. P. Lovecraft – Die Literatur des Grauens. Ein Essay weiterlesen

Poe – Grube und Pendel und andere Erzählungen. Mit Illustrationen von Harry Clarke

Klassische Poe-Auswahl, mit passenden Illustrationen

Dieser Auswahlband mit elf Erzählungen von Edgar Allan Poe versammelt die bekanntesten Geschichten wie etwa „Der Untergang des Hauses Usher“, „Ligeia“ oder „Der Doppelmord in der Rue Morgue“, bringt aber auch weniger bekannte wie „Die Brille“ und „Die längliche Kiste“. Alle Geschichten entstammen der Ausgabe der Dieterichschen Verlagsbuchhandlung von 1954 und wirken sprachlich dementsprechend veraltet.

Der Autor
Poe – Grube und Pendel und andere Erzählungen. Mit Illustrationen von Harry Clarke weiterlesen

Edgar Allan Poe – Der Fall des Hauses Usher. Meistererzählungen

Dieser Auswahlband mit Erzählungen von Edgar Allan Poe versammelt die bekanntesten Geschichten wie etwa „Der Untergang des Hauses Usher“ oder „Das verräterische Herz“, bringt aber auch weniger bekannte wie „Eine Geschichte aus den Ragged Mountains“ und „Metzengerstein“. Raritäten sind die Beiträge „Schweigen. Eine Fabel“ und Schatten. Eine Parabel“. Alle Geschichten entstammen der dreibändigen INSEL-Ausgabe von 1989.

Der Autor
Edgar Allan Poe – Der Fall des Hauses Usher. Meistererzählungen weiterlesen

Edgar Allan Poe – Die Brille (Lesung)

Horror der Liebe auf den zweiten Blick

Der junge Amerikaner Simpson verliebt sich auf den ersten Blick in eine wunderschöne Französin. Mit dem Heiraten kann es ihm gar nicht schnell genug gehen. Doch wie trügerisch ist der Schein, den ihm seine kurzsichtigen Augen vermitteln. Nur wenige Stunden nach der Trauung offenbart ihm eine Brille, die sie ihm gibt, den ganzen Horror der Situation, in die er sich durch seine Naivität gebracht hat.

Edgar Allan Poe – Die Brille (Lesung) weiterlesen

Poe, Edgar Allan – Maske des roten Todes, Die (Gruselkabinett 46) (Hörspiel)

_Poe-Grusel im Kombipack: ein unvergesslicher Maskenball!_

Italien um 1750: Im ganzen Land wütet eine tödliche Seuche, genannt der Rote Tod. Der genusssüchtige Landesfürst Prinz Prospero verschließt die Augen vor den Nöten seiner Untertanen. Er lässt sogar die Zugänge zu seinem größten Landsitz, einer alten Abtei, verbarrikadieren und feiert dort mit Gleichgesinnten ein ausschweifendes Fest nach dem anderen. Für einen Maskenball fehlt ihm indes noch die rechte Idee, um ihn unvergesslich zu machen … (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörspiel ab 14 Jahren.

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Sciencefiction, Short Story. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Der Erzähler: Hasso Zorn
Roter Tod: Axel Lutter
Prinz Prospero: Ernst Meincke
Erster Minister: Uli Krohm
Zweiter Minister: Viktor Neumann
Dritter Minister: Alexander Turrek
Hopp-Frosch: Sven Plate
Tripetta: Daniela Reidies
Giulietta: Reinhilt Schneider
Kutscher: Peter Reinhardt

Das Skript schrieb Marc Gruppe, der mit Stepahn Bosenius auch Regie führte. Die Aufnahme erfolgte in den Planet Earth Studios. Die Illustration ist von Firuz Askin.

_Handlung_

Um das Jahr 1750 herum wütet der Rote Tod in Europa. Die Symptome sind grausig, denn es dauert nur eine halbe Stunde, bis das Opfer aus allen Poren blutet und elendig verendet. Es ist eine Nacht, in der das Käuzchen schreit und kein Wanderer allein unterwegs sein sollte. Doch die hübsche Tripetta hat sich mit ihrem Gefährten auf den Weg gemacht, um ein besseres Heim zu finden. Da hören sie eine Kutsche, die lärmend und peitschenknallend durch die Nacht rumpelt. Wer mag dies wohl sein und können sie sie wohl mitnehmen?

Es ist Prinz Prospero, der mit seinen drei Ministern lachend und wohlgelaunt vom Besuch eines gewissen Etablissements zurückkehrt. Als er die zwei Gestalten erblickt, lässt er halten. Der Prinz ist offen für alle Arten von Vergnügungen, und wer weiß, was hier wohl auf ihn wartet? Schon die Zwergin bringt ihn zum Kichern, doch erst recht ihr Freund, den er in einem Anfall von Inspiration „Hopp-Frosch“ tauft. Sie behaupten, sie kämen aus einem Zirkus, sie sei eine Tänzerin und er ein Luftakrobat. Als sie berichten, sie wären dem Roten Tod entkommen, tritt kurz Stille ein. Aber das war ja schon heute Morgen, es besteht also keinerlei Gefahr mehr. Sie dürfen mit. Was für ein leckeres Frauenzimmer!

Der Prinz hat – welch ein Genie – schon wieder einen Einfall: Er will dem anrückenden Roten Tod entkommen, in dem er sich und seine Gefolgsleute in der Festung der alten Abtei einschließt. Nur Geladene dürfen bei ihm bleiben, der Rest – nun ja. Und Hopp-Frosch wird sein Hofnarr, verstanden? Wenn sie nicht ausgesperrt werden, müssen Trippetta und ihr Freund wohl gute Miene zum bösen Spiel machen. Auch wenn die Ungerechtigkeit und Demütigung zum Himmel schreit.

Die neue Kurtisane des Prinzen ruft wenige Tage später die zwei Freunde zu ihrem Herrn. Er plant ein Fest, das anders als alle anderen sein soll, ein Maskenball, und dafür fordert er von seinem Hofnarren Einfälle. Na, wird’s bald! Wie alle wissen, bekommt Wein Hopp-Frosch nicht, doch er wird solange abgefüllt, bis die Ideen nur so aus ihm heraussprudeln.

Der Akrobat stellt sich sieben Zimmer vor, jeweils durch Türen abgetrennt und jedes von anderer Farbe. Zu jeder vollen Stunde dürfen die Gäste ins nächste Zimmer wechseln, doch die volle Stunde solle von einer riesigen Pendeluhr geschlagen werden. Das letzte Zimmer jedoch, das erst um Mitternacht betreten werden dürfe, soll schwarz gestrichen sein und nur ein rotes Fenster dürfe es erleuchten, um alle Gäste in blutrotes Licht zu tauchen. Dann sollten alle wie vom Prinzen vorgesehen ihre Masken abnehmen. Bravo, bravo! Welch ein Einfall, lobt der Prinz und lässt die beiden Zirkusleute alles in die Wege leiten. In einer Woche steigt die Fete!

Mit den drei Ministern hat Hopp-Frosch jedoch einen ganz anderen Plan. Sie sollen auf dem Maskenball nicht wie gewöhnliche Sterbliche auftreten, sondern sich als Orang-Utans verkleiden. So sollen sie die Gäste erschrecken, als wären sie aus ihren Käfigen ausgebrochen. Allerdings müssten die Kostüme von ganz besonderer Beschaffenheit sein, um ihren Auftritt unvergesslich werden zu lassen ….

Am Vorabend des Festes beraten sich Tripetta und Hopp-Frosch wieder einmal auf den Zinnen. Tripetta ist bang zumute und hat Zweifel an ihrem Plan, doch er ist rachelüstern. Da bemerken sie einen Unbekannten, der sie belauscht. Er bittet sie, keine Angst zu haben. Er sei ihnen dankbar für den Auftritt auf dem Fest, den sie ihm ermöglicht hätten. Als sie ihn anzweifeln, versichert er ihnen: „Ich spaße nie!“ Und weg ist er.

Der Abend ist gekommen, der Maskenball kann beginnen. Und ja, es werden wie vom Prinzen verlangt jede Menge Überraschungen geboten werden …

_Mein Eindruck_

Schon als ich die beiden Erzählungen Poes zum ersten Mal las, kamen sie mir einzeln ein klein wenig dürftig vor. Das lag daran, dass jede nur, Poes Literaturtheorie gemäß, eine einzige Idee ausspielte. Dabei passen „Die Maske des Roten Todes“ (masque bedeutet auch „Maskenball) und „Hopp-Frosch“ ausgezeichnet zusammen. In Kombination präsentieren sie vor dem Hintergrund einer einzigen Epoche eine doppelte Sensation, so dass der Gehalt dieser Inszenierung weitaus dichter und reichhaltiger erscheint. Es ist, als hätte diese Geschichte nur auf ihr Erscheinen gewartet.

Wie jeder Kenner weiß, ereilt die drei Minister schon bald ihr allzu feuriges Schicksal. Doch während sie kreischen, halten die adeligen und vergnügungssüchtigen Gäste ihr Herumhampeln für einen Teil der Attraktion. Nur die Kurtisane des Prinzen erfüllt ein Gefühl der Beklommenheit, so als stimme etwas nicht. Diese Befürchtung soll sich auf schrecklichste Weise erfüllen.

Denn schon Poe hat in seinen Vorlagen eine Kombination aus Moritat, schwarzer Romantik und Sozialkritik formuliert. Ein Herrscher, der seine Untertanen ihrem Schicksal überlässt und sich derweil dem Vergnügen widmet, hat in Poes Augen jede Legitimation verloren. Die Minister sind in dieser Haltung der Selbst- und Vergnügungssucht seine Komplizen und verdienen ein Schicksal, das keinen Deut besser ist.

Doch der Tod lässt sich vielleicht aufschieben und aussperren, doch man kann ihn nicht um seine Opfer betrügen. Schlag Mitternacht schlägt also den Anwesenden im schwarzroten Zimmer das letzte Stündlein. Und in dieser Stunde, da die Masken fallen, entpuppt sich nur der Totenschädel des roten Todes von beängstigender Authentizität, während alle anderen nur die Maske des schönen Scheins tragen. Und so ist ihr Schicksal besiegelt. Nun zeigt sich, wer in Wahrheit herrscht. Nur zwei Gestalten entkommen der alten Abtei: Die Rechtschaffenen.

Das Stück ist schon bei Poe eine Moritat über Verantwortung der Herrschaft und die Bürde der Schuld, wenn die Beherrschten im Stich gelassen werden. Doch man kann die Vorlage auch anders lesen: Sie erinnert fatal an den Holocaust während des Zweiten Weltkriegs und die neutrale Haltung des Vatikans. Sie wurde bereits von Rolf Hochhuth in seinem Stück „Der Stellvertreter“ angeprangert (und später sehr gut verfilmt).

Hochhuth stellt die Frage, ob sich Kirchenvertreter in ihren „alten Abtei“ einschließen und die Augen vor dem Schicksal der Juden verschließen dürfen. Der Rote Tod als metaphorische Vorwegnahme des Holocaust also. Die Frage von Schuld und Sühne stellt sich von alleine. Poe antwortet kategorisch: Die Schuldigen müssen sich ihrem Urteil stellen. Und für sie kann es nur eines geben.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Stimmen der Sprecher sind je nach ihrem Geschlecht, ihrem Alter und ihrer jeweiligen Rolle optimal ausgewählt. Der Prinz ist natürlich der Obermacker, und Ernst Meincke spricht ihn mit entsprechend befehlsgewohnter Autorität und Überheblichkeit. Die Minister hingegen sind namenlos und folglich sind sonderlich unterscheidbar. Meistens lassen sie bloß lüstern oder gehässig, es sei denn sie schreien wie am Spieß.

Ihnen steht der Rote Tod gegenüber, recht unheimlich gesprochen von Axel Lutter, aber natürlich auch die Zirkusleute Tripetta und Hopp-Frosch. Daniela Reidies spricht die Tänzerin recht furchtsam und zweifelnd, doch Hopp-Frosch macht eine erstaunliche Entwicklung durch, vom zurückhaltenden Akrobaten zum rachelüsternen Vernichtungsmeister. Sven Plate lässt diese Verwandlung plausibel werden.

Zwischen diesen beiden Parteien steht jedoch Giulietta, die Kurtisane Prosperos. Reinhilt Schneider spricht die Hofdame zunächst mit entsprechender Hinterlist, doch je mehr sich das Maskenfest seinem blutigen Ende nähert mehr Angst muss die Figur an den Tag legen. Einen vernünftigen Grund gibt es dafür natürlich nicht, und so bleibt die Erklärung dieses Wandels rein den Gefühlen überlassen. Die Sprecher stellt dieses entscheidende Element recht angemessen, aber nicht mit vollster Überzeugung dar. Daneben zählt das Booklet noch eine Unzahl von Sprechern auf, die die Gäste akustisch verkörpern.

|Geräusche|

Die Geräusche sind recht genau die gleichen, wie man sie in einem realistischen Horrorfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und realistisch aufgebaut, meist aber reichen Andeutungen aus. So steht etwa das Wiehern von Pferden, Hufgetrappel und das Peitscheknallen für eine Kutsche, der Schrei eines Käuzchens für den Nachtwald, das Wellenrauschen das Meer am Fuße der Abtei usw.

In meinem Handlungsabriss habe ich eine Szene ausgelassen: den Besuch in einem Dorf, das dem roten Tod zum Opfer gefallen ist. Es ist, als würden die Kutschenpassagiere von Zombies angegriffen: Man kann sich das Röcheln und Lechzen nach Rettung wohl gut vorstellen, aber auch die erschrockene Fluchtreaktion der Fahrgäste.

In der alten Abtei herrscht eine ganz eigenartige Geräuschkulisse. Zwei Elemente seien besonders hervorgehoben, die neben dem üblichen Gelächter und Gläserklingen zum Tragen kommen. Das Erste ist ein unerklärliches und unerklärtes tiefes Quietschen, wie es entsteht, wenn ein großer Metallkörper an einem anderen reibt. Das Zweite ist das zischende Rauschen eines sehr großen Uhrpendels: Wuuusch! Dieses spezielle Pendel ist zwar längst nicht so groß wie jenes titelgebende in „Grube und Pendel“, aber doch von einer unheimlichen Regelmäßigkeit und Lautstärke. Den tiefen Glockenschlag kann man sich leicht hinzudenken, der dann besonders unheilvoll Schlag Mitternacht erdröhnt, und ein kalter Hauch fährt wieder einmal über die Gäste hinweg …

Eine besonders dynamische Szene ist hingegen der Auftritt der „Orang-Utans“. Die verkleideten drei Minister sind aneinandergekettet, was zu einem fortwährenden Kettengeklirr führt. Und sobald ihre Kostüme in Brand gesetzt sind, sorgt ein knisterndes Feuerchen für zusätzliche akustische Reize. Hinzukommt das panische Kreischen der Opfer.

|Musik|

Gleich zu Anfang stimmt die Musik den Zuhörer auf ein bedrohliches und unheimliches Drama ein. Mehrere Intermezzi wissen diese düstere Grundstimmung aufzulockern, und die Tanzmusik des Maskenballs weiß die Vergnügungen, denen die Gäste nachgehen, wohl anzudeuten. All dies kann natürlich das grausige Ende des Dramas nicht aufhalten. Den Ausklang bilden die klagende Kantilene einer Sängerin, eine Violine und eine Harfe – ein sanft schreitendes Adagio, das in der Ewigkeit verklingt.

|Das Booklet|

… enthält im Innenteil lediglich Werbung für das Programm von Titania Medien. Auf der letzten Seite finden sich die Informationen, die ich oben aufgeführt habe, also über die Sprecher und die Macher. Die Titelillustration von Firuz Akin fand ich wieder einmal sehr passend und suggestiv.

Firuz Akin hat auch eine Seite Werbung für sein Buch „Illustration“ bekommen, das Mitte Dezember im Heider Verlag erscheinen soll.

Diesmal sind in einem zusätzlichen Katalog Hinweise auf die nächsten Hörspiele zu finden:

Nr. 48: Bram Stoker: Die Squaw (November)
Nr. 49: Frederick Marryat: Der weiße Wolf (November)
Nr. 50: Das Gespenst von Canterville (März 11)
Nr. 51: Arthur Conan Doyle: Die Mumie (März 11)
Nr. 52: Robert E. Howard: Tauben aus der Hölle (April 11)
Nr. 53: William Hope Hodgson: Die Herrenlose (April 11)
Nr. 54 + 55: Alice & Claude Askew: Aylmer Vance – Abenteuer eines Geistersehers (Mai 11)

_Unterm Strich_

Regisseur Marc Gruppe hat in seinem Drehbuch die beiden Poe-Erzählungen „Die Maske des roten Todes“ und „Hopp-Frosch“ miteinander verbunden. Die thematische Verbindung legt nahe, dass man die beiden Storys verknüpft, und doch findet dies meines Wissens erstmals in diesem Hörspiel statt. Die wirkungsvolle Inszenierung verhilft der Aussage zu einer Eindringlichkeit, die nicht auf taube Ohren stoßen dürfte. Der Aussage nämlich, dass es sich nicht auszahlt, die Not der Untertanen zu ignorieren und zu glauben, dem Tod ein Schnippchen schlagen zu können. In sozialkritischer Weise erinnert das Stück deshalb ein wenig an „Final Destination“.

|Das Hörspiel|

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und Stimmen von Hollywoodstars einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Diesmal sind der Grusel des Maskenballabschlusses und die Dynamik des Racheaktes an den Ministern zu einer wirkungsvollen Mischung kombiniert, die keinen Hörer kalt lassen dürfte.

|Audio-CD mit 65 Minuten Spieldauer
Originaltitel: The Masque of the Red Death; Hop Frog, 1845/46
ISBN-13: 978-3785743898|
[www.titania-medien.de]http://www.titania-medien.de
[www.luebbe-audio.de]http://www.luebbe-audio.de

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)
[„Der Glöckner von Notre-Dame“ 5399 (Gruselkabinett 28/29)
[„Der Vampir“ 5426 (Gruselkabinett 30)
[„Die Gespenster-Rikscha“ 5505 (Gruselkabinett 31)
[„Jagd der Vampire. Teil 1 von 2“ 5730 (Gruselkabinett 32)
[„Jagd der Vampire. Teil 2 von 2“ 5752 (Gruselkabinett 33)
[„Jagd der Vampire“ 5828 (Gruselkabinett 32+33)
[„Die obere Koje“ 5804 (Gruselkabinett 34)
[„Das Schloss des weißen Lindwurms“ 5807 (Gruselkabinett 35)
[„Das Bildnis des Dorian Gray (Gruselkabinett 36/37)“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5919
[„Die Maske des roten Todes“ (Gruselkabinett 46)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6735
[„Verhext“ (Gruselkabinett 47)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6734

Algernon Blackwood/ H.P. Lovecraft/ E.A. Poe / Franz Hohler/ M. R. James / David Morell / R.L. Stevenson – Wo die schwarzen Flüsse fließen. Gruselgeschichten (Lesungen)

Von Scheintoten und anderen Teufeleien

In einem Kupferstich wandert eine dunkle Gestalt umher, im Keller eines abgelegenen Hauses tropft plötzlich Milch von den Wänden, in einem schottischen Dorf treibt die „Krumme Janet“ ihr Unwesen und in einem Wald verschwinden Menschen spurlos. Außerdem bekommen wir endlich eine Antwort auf die Frage: Was passiert, wenn man sich in der Stunde seines Todes hypnotisieren lässt?

Algernon Blackwood, Franz Hohler, Montague Rhodes James, H. P. Lovecraft, David Morrell, Edgar Allen Poe und Robert Louis Stevenson berichten von düsteren Geheimnissen. (Verlagsinfo)

Die Autoren

Algernon Blackwood (1869-1951)

Algernon Blackwood/ H.P. Lovecraft/ E.A. Poe / Franz Hohler/ M. R. James / David Morell / R.L. Stevenson – Wo die schwarzen Flüsse fließen. Gruselgeschichten (Lesungen) weiterlesen

Edgar Allan Poe – Der Doppelmord in der Rue Morgue (Lesung)

Spannend: der Meisterdetektiv bei der Arbeit

Auguste Dupin erfährt von einem mysteriösen Mord an einer Frau und ihrer Tochter in der Rue Morgue. Die Frauen sind bestialisch zugerichtet worden und die Polizei kann sich keinen Reim auf den Hergang der Tat machen, da Türen und Fenster des Zimmers von innen verschlossen waren. Doch dann berichten Zeugen von einem Streit zweier Fremder unmittelbar vor der Tat – und alle widersprechen einander. (Verlagsinfo)

Edgar Allan Poe – Der Doppelmord in der Rue Morgue (Lesung) weiterlesen

Edgar Allan Poe – Grube und Pendel (Gruselkabinett 111)

Inquisitionsfoltern und späte Rache: Poe im Doppelpack

Rom 1846: Der Edelmann Montrésor sieht sich seit Jahren der infamen Verspottung durch Fortunato ausgesetzt und ersinnt daher einen perfiden Plan, sich dieses Plagegeistes zu entledigen – vor allem, da die beiden, was Fortunato gar nicht mehr gegenwärtig hat, eine gemeinsame Vergangenheit haben, die bis in das Jahr 1796 zurückreicht… (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörspiel ab 14 Jahren.

Der Autor
Edgar Allan Poe – Grube und Pendel (Gruselkabinett 111) weiterlesen

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – Die Sphinx (POE Folge 19)

Ein ertragreicher Ausflug in die Unterwelt

„Die Sphinx “ ist der neunzehnte Teil der Edgar-Allan-Poe-Reihe von |Lübbe Audio|, die unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör bringt.

Poe weiß nun, wo er den finsteren Dr. Baker finden kann. Doch dazu braucht er noch einen Schlüssel. Der einzige Weg führt durch die Katakomben der alten Kirche von Father O’Neill. Dieser ist rätselhaft wie eine Sphinx, und er hat die Antwort auf eine von Poes drängendsten Fragen.

Zur Vorlage: Die Cholera wütet in New York. Täglich sterben Hunderte. Viele Menschen sind auf das Land geflüchtet; nur dort gibt es noch Hoffnung auf Überleben. Da wird in den dichten Wäldern ein schreckliches Ungeheuer gesichtet. Woher kommt es? Worum handelt es sich? Ist das Monster eine noch größere Bedrohung für die Menschen als die Cholera?

Ulrich Pleitgen und Iris Berben haben auch an den ersten achtzehn Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

#1: Die Grube und das Pendel
#2: Die schwarze Katze
#3: Der Untergang des Hauses Usher
#4: Die Maske des roten Todes
#5: Sturz in den Mahlstrom
#6: Der Goldkäfer
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben
#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora
#13: Schweigen
#14: Die längliche Kiste
#15: Du hast’s getan
#16: Das Fass Amontillado
#17: Das verräterische Herz

Die vier neuen Folgen sind:

#18: Gespräch mit einer Mumie
#19: Die Sphinx
#20: Die 1002. Erzählung
#21: Schatten

Die (am 30.3.2007) kommenden Folgen sind:

#22: Berenice
#23: König Pest
#24: Der Fall Valdemar
#25: Metzengerstein

Der Autor

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren.

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem Bambi und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Laurie Randolph, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dickky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom |STIL|-Studio verantwortlich.

Das Booklet

Jede CD enthält ein achtseitiges, schwarz gehaltenes Booklet. Eingangs gibt es einen mittlerweile recht umfangreichen Abriss der Vorgeschichte der Episode. Kleine Biografien stellen die beiden Hauptsprecher Ulrich Pleitgen und Iris Berben vor. Die mittlere Doppelseite zeigt alle bislang veröffentlichten CDs und die [DVD 1487 von „Die Grube und das Pendel“. Danach folgt eine Seite, die sämtliche Credits auflistet.

Die vorletzte Seite wirbt für das Hörbuch [„Edgar Allan Poe: Visionen“, 2554 das ich empfehlen kann. Die letzte Seite gibt das Zitat aus E.A. Poes Werk wieder , das am Anfang einer jeden Episode – jeweils abgewandelt – zu hören ist.

Vorgeschichte

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon achtzehn Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton als Francis Baker darin spielt.

Am Anfang rekapituliert Poe sehr knapp die unmittelbare Vorgeschichte bis hin zum Inhalt von „Gespräch mit einer Mumie“, der 18. Folge der Serie. Das erleichtert den Einstieg in die Serie ein wenig, aber nur minimal.

Handlung

Das Notizbuch, das Poe in Dr. Gumps Büro gefunden hat, enthält einen Hinweis auf den Polizisten Moloney. Der hat nun den bedauerlichen Nachteil, dass er in den Katakomben New Yorks lebend eingemauert wurde. Zudem beginnen die Cops, ernsthaft nach dem Verschwundenen zu suchen und die Gäste des Hotels, in dem Poe logiert, auszuquartieren. Er muss seinen Zimmerschlüssel aushändigen. Da er Zeuge war, wie Moloney umkam, hält er sich in dieser Angelegenheit sehr bedeckt.

Aber dass Moloney in den Katakomben umkam und Poe nun seine Taschenuhr benötigt, macht es notwendig, dass er einen alternativen Zugang sucht. Er findet ihn wenige Straßen weiter in einer verfallenen Kirche. Ein Gewitter bricht draußen los, und Poe geht rasch hinein. Jemand spielt noch die Orgel – es ist der evangelische Father O’Neill. Er begrüßt Poe, der sich als Journalist im Auftrag eines der Stadtväter ausgibt. Er wolle sich die Katakomben ansehen und winkt mit einer anständigen Belohnung für das Bemühen.

Als die beiden ein wenig Messwein trinken, entschuldigt sich O’Neill und kehrt nicht wieder. Auf der Suche nach ihm muss Poe sehr weit hinuntersteigen und landet in den Katakomben. Ein seltsames Geräusch lässt ihn innehalten. Es klingt, als ob eine Steinplatte verschoben würde. Tatsächlich ist es O’Neill, der offene Gräber wieder schließt. Betreten gesteht er, dass er zu der ebenso uralten wie unwürdigen Zunft der Grabräuber zählt. Tja, man muss eben über die Runden kommen.

Mit den nächsten Worten gesteht O’Neill, dass er von Poes Gesicht erschreckt worden sei. Er habe nämlich einmal vor einem halben Jahr das Bloomington Asyl auf Blackwell Island besucht und sollte dort bei einer Notoperation geistlichen Beistand leisten. Der Operierte, an dem ein gewisser Dr. Baker arbeitete, hatte die gleichen Augen wie Poe!

Keine Zeit, sich zu wundern und weitere Fragen zu stellen! Das Regenwasser strömt die Treppen und Gänge herab und droht die beiden Männer in den Katakomben zu ersäufen. Sie müssen um ihr Leben laufen, doch für Father O’Neill endet diese Kletterpartie beinahe tödlich. Was schade wäre, denn er hat noch eine weitere Überraschung auf Lager.

Mein Eindruck

Es ist nicht besonders offensichtlich, wieso diese Episode den Titel „Die Sphinx“ trägt. Aber um den Grund dafür zu erklären, müsste ich weitere Teile der Handlung nacherzählen, und diese Zerstörung der Spannung würde mit Sicherheit jeden Interessierten davon abhalten, das Hörspiel überhaupt anhören zu wollen.

In diesem Rest macht Poe einen Ausflug zu einer Adresse im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Dieser liegt jenseits des East Rivers, so dass Poe die Fähre nehmen muss. Nicht nur akustisch ist damit ein anderes Ambiente verbunden. Brooklyn ist um 1845 noch recht klein und heruntergekommen, die späteren Flüchtlingsströme aus Irland und Mitteleuropa, wo die Revolution von 1848 scheitert, stehen noch aus. Aber Prostituierte und Kneipen gibt es natürlich schon, wie überall.

Poe findet sogar mehr, als er erhofft hat: Dr. Bakers Forschungsunterlagen fallen ihm in die Hände. Zusammen mit O’Neill und einem weiteren alten Bekannten, Kapitän Hardy von der gesunkenen „Independence“, liest er Bakers Tagebuch. Es ist das Dokument eines Menschen, der sich selbst bekämpft und heilen will. Dazu seziert er nicht nur Leichen, er operiert auch am Kopf von Lebenden. Eines dieser Opfer ist offenbar Poe selbst, wie ihm O’Neill verraten hat.

Das klärt aber immer noch nicht das Geheimnis um seine Identität auf. Doch wenn er Baker diese Unterlagen anbietet, dann könnte er im Austausch dafür vielleicht die alles entscheidende Frage beantwortet bekommen: Wer bin ich?

Wie man sieht, ist diese Episode voller Action, Szenenwechsel, Ausflüge und Informationen. Da bleibt es nicht aus, dass Poe ein- oder zweimal der Zufall auf recht günstige Weise in die Hände spielt. Da fragte ich mich dann doch, ob das nicht zu sehr konstruiert wirkt. Ein Tiefpunkt an Unplausibilität ist Poes Auftritt in der Savings Bank von Brooklyn. Der Bankangestellte prüft nicht einmal seine Berechtigung oder – und das würde gerade Poe schwerfallen – seine Identität.

Musik und Geräusche

Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt. Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Es gibt Donnergrollen, Glockenschläge von Turmuhren (man kann die Stunde daran ablesen), jede Menge Hall in den Katakomben und auch sonst jede Menge zu hören.

Auf die Dreidimensionalität wurde stärker geachtet: Stimmen von links und rechts, in der Ferne (leiser) und im Vordergrund (lauter), ja sogar innerer Monolog (spezielle Musikuntermalung mit ausgeblendeten Geräuschen) vermitteln den Eindruck einer Welt, in der sich ein Betrachter wie im Zentrum des Geschehens fühlen könnte.

Die Musik erhält eine wichtige Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der Hauptfiguren und ihres jeweiligen Ambientes darzustellen. Diese untermalende Aufgabe dient diesmal mehr der Gestaltung ganzer Szenen. Auf vielfältige Weise wird das zentrale Poe-Motiv, das aus der Titelmelodie der Serie bekannt ist, variiert. Am Schluss erklingt ein neues musikalisches Motiv, das für diese Staffel charakteristisch ist: schnell, dynamisch und vorwärts drängend, begleitet es das Geschehen, das meist in dramatischer Action besteht. Es kann aber auch die drängendste von Poes Fragen symbolisieren: Wer bin ich?

Auch in den Pausen ist Musik zu hören, aber hier hat sich die Regie eine Menge einfallen lassen: Mal spielt das Cembalo eine Fuge, mal ein Honkytonk-Piano, ein andermal summt ein Chor das Poe-Motiv. Wieder werden die Übergänge zwischen Poes Erleben und seiner Traumwelt mit gelungenen Soundeffekten angedeutet.

Ein Streichquartett, Musiker des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.

Der Song

Mara Kim: A Dream within a Dream

Die Sängerin Mara Kim wurde unter anderem mit dem Hessischen Songpreis sowie bei den Berliner Festspielen ausgezeichnet. Die erste Veröffentlichung »Infinite Possibilities« erschien 2003 auf der |Frankfurt Lounge|-CD mit dem Produzententeam »Superflausch«. Die 21-jährige Künstlerin, die sich auch selbst am Klavier begleitet, schreibt ihre Texte in verschiedenen Sprachen und arbeitet an ihrem ersten Soloalbum. Ihre Stimme ist einfach ein Ereignis und muss man gehört haben.

Die elegische Ballade „A Dream within a Dream“ wird im englischen Original vorgetragen, und zwar mit so viel Intensität, dass sie bei mir einen starken Eindruck hinterließ. Natürlich wird der klassische Gesang von einem Piano und den obligaten Streichern (gutes Cello) begleitet, insofern alles wie gehabt. Im direkten Vergleich mit der Vorlage fand ich heraus, dass der Teil der Strophen besser verteilt und am Schluss etwas gekürzt wurde. Dadurch erklingt der Refrain mit der Titelzeile häufiger und eindringlicher, der Song wirkt weniger wie ein Gedicht, sondern mehr wie ein Lied. Das Ergebnis der Bearbeitung spricht für sich.

Unterm Strich

Die geänderte Strategie des Dramaturgen wirkt sich in dieser Episode voll aus: Im Vordergrund steht die äußere Entwicklung der Geschichte. Das ist einerseits befriedigend, denn so kommt es zu viel mehr Action und menschlichen Verwicklungen, doch andererseits hat dies nur noch am Rande mit den literarischen Vorlagen zu tun, auf die sich eine jede Episode beruft.

Positiv ist, dass Poe zunehmend mehr mit dem echten Edgar Allan Poe zu tun hat, über den immer mehr Leser und Hörer Bescheid wissen. So wundert es beispielsweise nicht mehr besonders, wenn Poe in eine Kneipe geht und sich volllaufen lässt oder wenn er sich mal eine Prise Opium reinzieht. Beides nahm der echte Poe bestimmt zur Genüge zu sich, denn sein Leben war überreich an Schicksalsschlägen.

Obwohl man sich als regelmäßiger Konsument dieser Serie also etwas umgewöhnen muss, bekommt man doch die gewohnte Qualität hinsichtlich filmreifer Geräusche und Musikmotive geboten, von den guten Sprechern ganz zu schweigen. Allerdings sollte der Dramaturg wieder etwas an der Verbesserung der Plausibilität der Handlung feilen, denn mir schien ein- oder zweimal, dass Fortuna persönlich zugunsten unseres Helden eingegriffen hat.

75 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 9783785731611

http://www.luebbe.de/luebbe-audio

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

E.A. Poe & Marc Gruppe – Der Rabe (Gruselkabinett Folge 139)

Poe-Klassiker: Feindliche Seelen-Übernahme

1843 am Rhein: Auf einer Reise lernt ein Engländer in einer alten Stadt am Rhein die äußerst faszinierende Dichterin Lady Ligeia kennen und lieben. Sie arbeitet gerade an einem Werk, welchem sie den Titel „Der Rabe“ gegeben hat… (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab 14 Jahren. Die Reihe wurde mit dem HörKules ausgezeichnet.

Der Autor

E.A. Poe & Marc Gruppe – Der Rabe (Gruselkabinett Folge 139) weiterlesen

Edgar Allan Poe – Die Gestalt des Bösen (Folge 37)

Explosive Höhepunkte

Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör. Mit „Das Geheimnis der Marie Roget“ und „Der Teufel im Glockenstuhl“ wurde die 9. Staffel innerhalb des großen POE-Epos fortgesetzt. Die Vorgeschichte findet man in den vorangegangenen 36 Folgen sowie in dem Roman „Lebendig begraben“, erschienen bei Bastei-Lübbe.

USA um 1850. Der Mann ohne Gedächtnis, einst Insasse eines Irrenhauses und Opfer einer medizinischen Behandlung, weiß nun, wer er ist: Edgar Allan Poe. In seinem Grab ruht ein namenloser Landstreicher. Bei einem Aufenthalt auf dem Lande („Morella“) hat er entdeckt, dass er Eltern und Geschwister hat. Er muss sie finden, um seine Identität doch noch zu beweisen.

In Boston hat Poe drei falsche Zeugen für seine Identität als Dichter E.A. Poe gekauft, allerdings unter mehr als dubiosen Umständen. Er erreicht New York City unbeschadet, muss jedoch dort vom Gericht erfahren, dass die Gegenseite, sein Verleger und ein Journalist, ebenfalls gekaufte Zeugen aufbieten, die das Gegenteil beschwören werden. Poe verfällt auf einen teuflischen Plan, um diese Zeugen auszuschalten und so die Oberhand zu behalten…
Edgar Allan Poe – Die Gestalt des Bösen (Folge 37) weiterlesen

Edgar Allan Poe – Der Teufel im Glockenturm. (Folge 36)

Teufelspakt: Der unheilvolle Glockenschlag

Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör. Mit „Der Teufel im Glockenturm“ wird die 9. Staffel innerhalb des großen POE-Epos fortgesetzt. Die Vorgeschichte findet man in den vorangegangenen 35 Folgen sowie in dem Roman „Lebendig begraben“, erschienen bei Bastei-Lübbe.

USA um 1850. Der Mann ohne Gedächtnis, einst Insasse eines Irrenhauses und Opfer einer medizinischen Behandlung, weiß nun, wer er ist: Edgar Allan Poe. In seinem Grab ruht ein namenloser Landstreicher. Bei einem Aufenthalt auf dem Lande („Morella“) hat er entdeckt, dass er Eltern und Geschwister hat. Er muss sie finden, um seine Identität doch noch zu beweisen.

Poes und Leonies weiterer Weg führt sie nach Boston, wo Poe ja geboren wurde. Hier trifft er Dr. Templeton wieder, seine Nemesis. Im Austausch für die von Poe gestohlenen Notizen Templetons bietet dieser ihm an, Poes Identität von drei gekauften Zeugen bestätigen zu lassen…
Edgar Allan Poe – Der Teufel im Glockenturm. (Folge 36) weiterlesen

Edgar Allan Poe – Das Geheimnis der Marie Roget (Folge 35)

Köpfe werden rollen, Mühlen brennen!

Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör. Mit „Das Geheimnis der Marie Roget“ wird die 9. Staffel innerhalb des großen POE-Epos fortgesetzt. Die Vorgeschichte findet man in den vorangegangenen 34 Folgen sowie in dem Roman „Lebendig begraben“, erschienen bei Bastei-Lübbe.

USA um 1851. Der Mann ohne Gedächtnis, einst Insasse eines Irrenhauses und Opfer einer medizinischen Behandlung, weiß nun, wer er ist: Edgar Allan Poe. In seinem Grab ruht ein namenloser Landstreicher. Bei einem Aufenthalt auf dem Lande („Morella“) hat er entdeckt, dass er Eltern und Geschwister hat. Er muss sie finden, um seine Identität doch noch zu beweisen.

Eine erste Spur führt ihn nach Baltimore. Dort stößt er auf einen seltsamen Buchhändler, der etwas zu wissen scheint, aber hartnäckig schweigt. Poe findet in seiner Buchhandlung versteckt eine Landkarte, auf der auch der Wohnort seiner Schwester Rosalie eingetragen, in Terrytown, das auch als Sleepy Hollow bekannt ist…
Edgar Allan Poe – Das Geheimnis der Marie Roget (Folge 35) weiterlesen

Edgar Allan Poe – Ligeia (Folge 34)

Die Wiedergängerin: Poe auf den Spuren seiner Mutter

Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör. Mit „Ligeia“ beginnt die 9. Staffel innerhalb des großen POE-Epos. Die Vorgeschichte findet man in den vorangegangenen 33 Folgen sowie in dem Roman „Lebendig begraben“, erschienen bei Bastei-Lübbe.

USA um 1851. Der Mann ohne Gedächtnis, einst Insasse eines Irrenhauses und Opfer einer medizinischen Behandlung, weiß nun, wer er ist: Edgar Allan Poe. In seinem Grab ruht ein namenloser Landstreicher. Bei einem Aufenthalt auf dem Lande („Morella“) hat er entdeckt, dass er Eltern und Geschwister hat. Er muss sie finden, um seine Identität doch noch zu beweisen.

Eine erste Spur führt ihn nach Baltimore. Dort stößt er auf einen seltsamen Buchhändler, der etwas zu wissen scheint, aber hartnäckig schweigt. Poe findet in seiner Buchhandlung versteckt eine große Sammlung von Theaterzetteln. Auf ihnen wiederholt sich immer derselbe Name: Elizabeth Poe…
Edgar Allan Poe – Ligeia (Folge 34) weiterlesen

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – Grube und das Pendel, Die (POE #1 / 5.1/DTS)

_Hörspielerlebnis in erstklassigem Sound_

Diese DVD bietet eine technisch überarbeitete Fassung des äußerst gelungenen und stimmungsvollen Auftaktes für die Hörspielserie, in deren Verlauf der |Lübbe|-Verlag mehrere Erzählungen von Edgar Allan Poe verarbeitet – bislang acht Stück. Die Reihe wird im November dieses Jahres fortgesetzt.

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan der Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten. Seine Literaturtheorie nahm den New Criticism vorweg.

Er stellt meines Erachtens eine Brücke zwischen dem 18. Jahrhundert und den englischen Romantikern (sowie E.T.A. Hoffmann) und einer neuen Rolle von Prosa und Lyrik dar, wobei besonders seine Theorie der Shortstory („unity of effect“) immensen Einfluss auf Autoren in Amerika, Großbritannien und Frankreich hatte. Ohne ihn sind Autoren wie Hawthorne, Twain, H. P. Lovecraft, H. G. Wells und Jules Verne, ja sogar Stephen King und Co. schwer vorstellbar. Insofern hat er den Kurs der Literaturentwicklung des Abendlands maßgeblich verändert.

_Die Sprecher_

Ulrich Pleitgen spricht die Figur des „Fremden“, der den Namen E. A. Poe annimmt.
Joachim Kerzel, bekannt aus zahlreichen Horror-Hörspielen und -Audiobooks, spricht die Rolle des Abtes. Kerzel ist die deutsche Synchronstimme von z. B. Jean Reno, Dustin Hoffman, Harvey Keitel, Sir Anthony Hopkins oder Jack Nicholson.
Klaus Jepsen: Bruder Amontillado
Till Hagen: Dr. Templeton
Viola Morlinghaus: Schwester Berenike
Gedicht am Anfang/Lied am Schluss: Heinz Rudolf Kunze

_Handlung_

Vorgeschichte: Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert wurde und jetzt, nach zehn Wochen, entlassen wird. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Leider neigt sich sein Aufenthalt dem Ende zu: Die Anstalt soll dichtgemacht werden und er wird bald entlassen. Doch in seiner letzten Nacht erlebt der Erzähler in seiner kargen Zelle einen beängstigenden Traum …

Er erwacht in der Zelle eines Mönches, die sich im Kloster von Toledo in Spanien befindet. Am Kopf hat er eine schwere Wunde davongetragen, die eine freundliche Nonne namens Schwester Berenike mit Kräutern behandelt. Hat er diese Wunde im Krieg davongetragen, der sich Toledo in Form napoleonischer Truppen nähert? Man schreibt das erste Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, und die Situation Toledos ist alles andere als sicher.

Wie sich herausstellt, haben ihn die Mönche niedergeschlagen, weil sie ihn für einen Spion der Franzosen hielten. Im Kloster herrscht die als grausam verrufene Inquisition der katholischen Kirche, und es herrscht eine Art Torschlusspanik. Der scheinbar freundliche Abt, der das Kloster leitet, verfügt über eine bemerkenswerte Standuhr: in das Zifferblatt sind Löcher für vier Finger eingelassen und das Pendel ist rasiermesserscharf zugeschliffen. Ein Omen? O ja, und nicht nur für Schwester Berenike, die hier eigentlich nur zu Besuch ist. Kurz zuvor sei der Bruder Botanicus gestorben, erzählt sie.

Das Kloster ist in der Tat das Gegenteil eines Kurortes: Als sich der Erzähler einmal in einem Krug Wasser von einem Auslassrohr holt, bemerkt er zu spät, dass es sich um fast pures Blut handelt. Es stammt von den in den Gewölben gefolterten Opfern der Inquisition. Als er und Berenike vor Entsetzen um Mitternacht fliehen wollen, stoßen sie auf einen Leichentransport, der gerade das Kloster verlässt: Auf dem Karren liegen zerschnittene und von Ratten angefressene Körperteile. Sekunden später werden die beiden Flüchtlinge gefangen genommen und später vom Abt verurteilt, damit das Geheimnis des Klosters gehütet wird.

Der Erzähler erwacht in einem lichtlosen Gewölbe neben einem Schacht, mit Riemen auf einen Block gebunden: neben sich Ratten, über sich ein riesiges rasiermesserscharfes Pendel, das hin und her schwingt, sich dabei aber unaufhaltsam auf den Wehrlosen herabsenkt …

_Mein Eindruck: das Hörspiel_

„Die Grube und das Pendel“ treibt den Horror auf eine bis dato unerreichte Spitze: Folter durch die Inquisition, ein mysteriöser Todesfall, Gift im Wasser, ominöse Pendeluhren und schließlich der klaustrophobische Höhepunkt unter dem Pendel selbst. Kulturell gesehen herrscht im Kloster noch finsterstes Mittelalter, bis Napoleons Truppen Freiheit, Licht und Leben bringen. Der Abt verkörpert die Willkürherrschaft der katholischen Kirche in Spanien. Es herrscht Torschlusspanik und die Entwicklung der Dinge treibt auf einen Höhepunkt zu.

Die Rahmenhandlung in Dr. Templetons Anstalt taugt durchaus dazu, die Serie zu tragen, allerdings sind die Traumreisen in Poe’sche Storywelten nur mit romantischen Mitteln zu erklären, es sei denn, der Patient Poe bekäme zur Heilung ein traumförderndes Medikament.

|Die Sprecher|

Ulrich Pleitgen und Joachim Kerzel dominieren das Hörspiel mit ihren tiefen Stimmen. Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. Kerzel ist als Abt nur in zwei Szenen zu hören, wirkt aber dabei bereits zwielichtig beziehungsweise kriminell – kein Wunder, denn der Abt ist einer der letzten Vertreter der grausamen spanischen Inquisition.

Klaus Jepsen ist uns inzwischen am besten als deutsche Stimme von Bilbo Beutlin vertraut, die des „Dr. Templeton“ als die Synchronstimme von Kevin Spacey, allerdings mit betonten Bässen. Meine besondere Bewunderung möchte ich Viola Morlinghaus aussprechen: Sie spielt die sympathische Botanikerin „Schwester Berenike“ absolut lebensecht, verzweifelt und schließlich niedergeschmettert, dass man mit ihr mitfühlen muss. Allerdings fällt auf, dass ihre Figur sehr oft „Ich weiß es nicht“ sagen muss.

|Der Song|

Das Stück klingt mit H. R. Kunzes Lied über E. A. Poe, dem „Weißen Raben“, aus. Es ist quasi eine Moritat, die versucht, diesen Dichter als Warner seiner Zeitgenossen in einen soziokulturellen Kontext zu stellen. Der Fünf-Minuten-Song ist zwar textlastig wie jede Moritat, aber stimmungsvoll instrumentiert und vorgetragen: schön schräg intoniert, mit „singender Säge“ unterlegt und wohligen Schauder erzeugend.

|Die szenische Musik und Klanggestaltung|

Die Musik besteht aus moderner Klassik, vermischt mit dem Kirchenlied „Dies irae, dies illa“ („Tag des Zornes, jener Tag“, oft auch übersetzt als „Tag der Rache, Tag der Sünden“) und einem Streichquartett. Getrennt werden die einzelnen Szenen durch besondere Klangelemente wie etwa eine Glocke.

Die Klangkulisse dieses ersten Teils der Serie ist im Vergleich zu den anderen Teilen ganz besonders ausgetüftelt und äußerst wirkungsvoll. Von dezenten Kirchenglocken, Chören, menschlichen Schreien bis hin zu Wolfsgeheul, Rattengefiepe und Windrauschen reicht die Geräuschpalette.

Wer über eine ordentliche Anlage verfügt, sollte jedoch die Bässe bis zum Anschlag aufdrehen: Die Szene unter dem Pendel bietet ein paar besonders basslastige Soundeffekte – man kann das Schwingen des riesigen Pendels praktisch sehen, nicht nur hören. Der Soundstandard DTS, den diese DVD anbietet, erlaubt es, diese Bässe noch stärker zu betonen. Unüberhörbar bedrohlich klingt das Pendel aber bereits mit „normalem“ Dolby-Digital-5.1-Sound.

Inszenierung und Sprecher sind von erster Güteklasse – schade, dass Kerzel nur in dieser Folge der Poe-Serie mit von der Partie ist. Die Musik und Klanggestaltung unterstützen die hervorragenden Sprecher mit wirkungsvoller Klangdarstellung. Kunzes Song am Schluss wirkt für mich etwas aufgesetzt, aber sei’s drum.

_Die DVD_

Technische Infos

Laufzeit: ca. 59 Min.
FSK: keine Altersbeschränkung
Bildformate: 16:9 anamorph
Tonformate: DD 5.1, DTS, PCM Stereo
Sprachen: Deutsch
Untertitel: keine

Extras:

– Booklet mit informativen Texten und Fotos von Simon Marsden
– Interview mit Sprecher Ulrich Pleitgen
– Vom Skript zum Hörspiel: illustrierende Demonstration in Bildern
– Komplette Novelle „Die Grube und das Pendel“

_Mein Eindruck: die DVD_

Wie bereits oben erwähnt, liefert die DVD eine sagenhafte Soundqualität, und zwar in drei Klangstandards: PCM Stereo für einfache Anlagen, DD 5.1 und DTS für hochwertigere Geräte. Nicht jeder DVD-Player verfügt über einen DTS-Dekoder. Ein Großteil der Datenmenge auf der DVD dürfte alleine auf diese Toninformationen zurückzuführen sein.

An den wenigen Bildern in der digitalen Video-Diaschau kann es nämlich nicht liegen. Vorüberziehende Gewitterwolken, eine strömender Bach, ein unheimlicher Wald – all dies ist weder sonderlich aufwändig noch besonders aufregend. Denn dafür sind die Bilder nicht gedacht. Sie haben häufig die gleiche ästhetische Qualität wie Simon Marsdens Fotos: Sie laden zur Betrachtung, wenn nicht sogar Versenkung ein, lenken aber nicht vom Hörspiel ab.

Das Interview mit Ulrich fand ich einigermaßen erhellend. Er spricht u. a. darüber, was er an Poe so interessant findet und wie er seine Rolle in „Grube und Pendel“ gestaltet hat. Seine Aussagen sind kurz, aber knackig. Er hat den Durchblick.

Der Beitrag „Vom Skript zum Hörspiel“ ist eine Demonstration dessen, was man sich schon denken kann. Irgendwo muss der jeweilige Sprecher ja seine Anweisungen her haben. Sie stehen im Skript, das einem Drehbuch doch verblüffend ähnlich sieht. Dazu hört man das Ergebnis: den gesprochenen Text. Und wenn Geräusche gefordert sind, erklingen eben Geräusche – wie sie zusammengesetzt sind, liegt im kreativen Ermessen des Toningenieurs. Im Fall von „Grube und Pendel“ haben wir den Glücksfall, dass es eine riesige Palette passender Geräusche gibt.

Wer die ursprüngliche Novelle Poes, von der das Hörspiel erheblich abweicht, nachlesen möchte, kann dies anhand des entsprechenden Beitrags auf der DVD tun. Ich habe es nicht getan, denn die Schrift war mir zu klein. Eine Zoom-Funktion wäre hier hilfreich.

|Das Booklet|

Stefan Bauer, Cheflektor beim Bastei-Lübbe Verlag, hat im März 2004 die Einleitung geschrieben. Sie ist immerhin zweieinhalb Seiten lang. In seinem Kurzessay versucht er zu erklären, warum und was uns an Edgar Allan Poe so fasziniert – und warum es das 150 Jahre nach seinem Tod immer noch tut. Offenbar hat er an Ängsten des modernen Menschen gerührt, die immer noch existieren: das Ausgesetztsein, die Fremdheit, das Ausgeliefertsein an eine fremde unsichtbare Macht, die Illusionen von Tod und Leben usw.

Dabei macht Bauer klar, dass Poe selbst ein Fremder in seiner Kultur war: statt amerikanischen Unternehmergeistes spielte er den bizarren Warner, der an morbide Gelüste appellierte. Doch genau dies übte auf Schriftsteller wie Charles Baudelaire („Die Blumen des Bösen“) und Maupassant („Der Horla“) einen ungeheuren Einfluss aus, und sie selbst wiederum hatten ihre Kopisten und Epigonen. Poes Pionierarbeit wird auch von Ulrich Pleitgen und Heinz Rudolf Kunze in je einem Zitat gewürdigt.

Kunzes Song „Der weiße Rabe“ ist im Booklet endlich auch vollständig abgedruckt. Die Zeilen haben durchaus einen gewissen Charme und passen zum Sujet. Der Text stammt zwar von Kunze, die Musik allerdings von Leo Schmidthals.

Die Seiten 8 und 9 sind den Fotos von Simon Marsden gewidmet. Der britische Fotograf outet sich als Fan von Poe, dem er eine ganze Veröffentlichung gewidmet hat: „Visions of Poe“. Er arbeitet hauptsächlich mit Infrarotfilmen und besonderen Drucktechniken. „Ich glaube, dass eine andere Dimension, eine ‚geistige Welt‘, neben unserer so genannten echten Welt existiert, und dass wir manchmal, wenn die Umstände stimmen, in diese Welt hineinblicken können und Teil werden mit dieser übernatürlichen Gegebenheit. [seltsames Deutsch, oder?] – Die mystischen Aspekte meiner Fotografien reflektieren die ehemalige Ordnung und versuchen das Ewige zu offenbaren.“

Die beiden vorletzten Seiten bringen Werbung für die Hörspielreihe und den Erzählband. Die letzte Seite führt sämtliche Mitwirkenden an diesem Hörspiel und der künstlerischen DVD-Herstellung auf – eine praktische Übersicht. Die Frontseite des Umschlags zeigt ein charakteristisches Zitat aus der Erzählung in Englisch und Deutsch: |“Ich war krank, todkrank von langer Qual. Und als sie mich losbanden und ich mich hinsetzen durfte, fühlte ich, wie mir die Sinne schwanden.“|

_Unterm Strich_

Es muss ja nicht unbedingt die DVD sein; es reicht dem, der nur das Hörspiel kennen und genießen will, die CD völlig aus. Doch die DVD liefert einiges an Bonusmaterial, von dem die Dokumentationen und das Booklet nur der offensichtlichste – und nicht der geringste – Teil sind. Der größte Vorteil besteht vielmehr in der verbesserten Akustik, die wirklich dem State of the Art entspricht. Ich halte die Darbietung in DTS einer normalen CD-Wiedergabe für haushoch überlegen, worin mir sicher nicht jeder beipflichten wird. Wahrscheinlich werde ich jetzt für einen Soundfetischisten gehalten, aber sei’s drum: Warum sollte ein Verlag gleich drei Klangspuren auf eine DVD packen? Es muss wohl etwas dran sein an diesem Aspekt.

Und obendrein ist die DVD für ein Hörspiel ein Novum: Man kann – noch – lange suchen, bis man eine ähnliche Produktion findet. Wenn sich die DVD zu diesem vertretbaren Preis durchsetzt, könnten wir künftig mit mehr solchen Produktionen rechnen. Dann müssten wir nicht mehr Discjockey spielen, wenn wir ein Hörbuch mit sechs oder zehn CDs anhören wollen. Dann reicht eine Doppel-DVD.

Freunden von Poe und dem gepflegten Horror sei diese DVD daher ans Herz gelegt. Sie mag ihre Ecken und Kanten haben, ist aber weit gehaltvoller und hochwertiger als das Hörspiel auf CD.

|Originaltitel: The Pit and the pendulum
Laufzeit ca. 59 Minuten|

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – Landors Landhaus (POE #27)

_Vertreibung aus dem Paradies_

Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör. Mit „Flaschenpost“ begann die 7. Staffel und der Auftakt zur zweiten Geschichte innerhalb des großen POE-Epos. Die Vorgeschichte finden man in den vorangegangenen 26 Folgen sowie in dem Roman „Lebendig begraben“, erschienen bei |Bastei Lübbe|.

USA um 1850. Der Mann, der sich POE nennt und kein Gedächtnis besitzt, versucht nach den schrecklichen Erlebnissen in New York City, ein neues Leben zu beginnen. Er glaubt, er ist Poe, wer sonst? Sicher ruht auf dem Friedhof von Baltimore ein Namenloser. Poe und Leonie mieten Landors Landhaus in den nördlichen Wäldern von New York. Doch sie kommen dort nicht zur Ruhe: Über dem Landhaus liegt ein Fluch. Und Leonies Vergangenheit ist dunkler, als Poe ahnt. (Verlagsinfo)

Ulrich Pleitgen und Iris Berben haben auch an den ersten 26 Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

#1: Die Grube und das Pendel
#2: Die schwarze Katze
#3: Der Untergang des Hauses Usher
#4: Die Maske des roten Todes
#5: Sturz in den Mahlstrom
#6: Der Goldkäfer
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben
#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora
#13: Schweigen
#14: Die längliche Kiste
#15: Du hast’s getan
#16: Das Fass Amontillado
#17: Das verräterische Herz
#18: Gespräch mit einer Mumie
#19: Die Sphinx
#20: Scheherazades 1002. Erzählung (auch: Die 1002. Erzählung)
#21: Schatten (ursprünglicher Titel: Die Scheintoten)
#22: Berenice
#23: König Pest
#24: Der Fall Valdemar
#25: Metzengerstein

#26: Die Flaschenpost
#27: Landors Landhaus
#28: Der Mann in der Menge
#29: Der Kopf des Teufels

Das Taschenbuch ist unter dem Titel [„Lebendig begraben“]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3404156757/powermetalde-21 bei |Bastei Lübbe| erschienen.

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.

_Die Inszenierung_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren.

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem Bambi und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Landor: Peter Schiff
Clerk: Oliver Brod
Priester: Johannes Hubert
Büchereiangestellte: Natalie Spinell

Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Giuliana Ertl, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dicky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom |STIL|-Studio verantwortlich.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon 26 Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton als Francis Baker darin spielt.

Am Anfang rekapituliert Poe / Pleitgen sehr knapp die unmittelbare Vorgeschichte. Das erleichtert den Einstieg in die Serie ein wenig, aber nur minimal.

_Handlung_

Nachdem ihre Abreise nach England gescheitert ist, suchen Poe und Leonie erstmal ein Zuhause, wo sie zueinanderfinden und heiraten können. Das nächste Landhaus, das sie auftreiben können, gehört einem Herrn Landor und liegt drei Stunden Fußweg außerhalb von New York City. Zunächst fährt er sie zu seinem eigenen Haus, um etwas zu holen, dann bringt er sie zum Landhaus. Sie kommen an einem seltsamen Gedenkstein in Form eines Herzens vorbei. Der Stein soll an ein junges Liebespaar aus dieser Gegend erinnern, das vor zehn Jahren verschwand, und werde „Das steinerne Herz“ genannt, erzählt Landor.

Das Landhäuschen liegt in einem schönen Tal, das sich jenseits eines dichten Waldes öffnet. Das Häuschen benötigt ein wenig Instandsetzung, aber Poe stellt schnell seine handwerklichen Fähigkeiten unter Beweis. Eine häusliche Atmosphäre kehrt nach Landors Abschied ein. Dennoch scheint etwas nicht zu stimmen. Leonie hört unerklärliche Geräusche, und in den Kaminsims ist das gleiche Zeichen wie in den Gedenkstein eingeritzt. Welcher Zusammenhang mag hier bestehen?

Als sie von einem langen Fußweg in die Stadt und zum Pfarrer einer kleinen Kapelle zurückkehren, fließt der Bach direkt durch ihr Häuschen! Die Tür ist offen – wer hat sie geöffnet? Sie rackern, um den Bach abzulenken und das Haus wieder bewohnbar zu machen. Erschöpft fallen sie ins Bett. Als Poe am nächsten Tag Landor davon erzählt, faselt dieser etwas von einem Fluch, der auf diesem Haus liege, und rät ihnen, schleunigst abzureisen. Poe beschwört ihn, Leonie nichts davon zu erzählen.

Sie ist aufs Konsulat in die Stadt gegangen, um sich Identitätspapiere auf den Namen „Leonie Sander“ ausstellen zu lassen, damit sie Poe heiraten kann. Dass sie Sander heißt, weiß er ja schon aus ihrer Zeit in New Orleans. Er besucht unterdessen die Ortsbücherei und leiht ein Buch über lokale Legenden aus. Einst habe hier im Tal eine alte Hexe gelebt, heißt es da. Doch ein Kaufmann und seine Geliebte hatten Streit mit ihr, woraufhin sie verbrannt werden sollte. Doch sterbend verfluchte sie ihn und alle seine Nachkommen. Der Kaufmann ließ an der Stelle des alten Hexenhäuschens sein Lusthäuschen errichten, doch eines Tages starb er bei einem Brand in der Scheune.

Na, das sind ja lustige Geschichten, denkt Poe noch. Da schlägt neben dem Haus der Blitz in einen großen Baum, der sofort Feuer fängt. Dieses Haus scheint wirklich verflucht zu sein: Erst Wasser, dann Feuer. Was kommt als nächstes? Hinter einem Riss in der Kellermauer stößt Poe mit Leonie auf das grausige Geheimnis dieses Hauses …

_Mein Eindruck_

Diese Episode ist eine der seltenen POE-Folgen, deren Handlung völlig auf dem Lande stattfindet. Meist liegt der Schauplatz ja in der Stadt, sei es New York oder New Orleans, oder auf und an der See. Zwar beginnt diesmal alles in einer Idylle auf dem Lande, doch auch hier endet alles in purem Horror.

Bemerkenswert komplex ist die vielsträngige Handlung, so dass die verschiedenen Schichten einander beeinflussen. Zunächst sieht es so aus, als würden beide erfolgreich aufs Land fliehen können, doch schon bald gehen mit Leonie rätselhafte psychische Veränderungen vor sich. Die Hochzeitsvorbereitungen gelingen zwar pragmatisch, und das Leitmotiv der Paare, symbolisiert durch „Das steinerne Herz“, wird hoffnungsvoll weitergeführt.

Doch etwas hat sich gegen das Glück der Verlobten verschworen. Zunächst scheint es nur die Natur zu sein: der Bach, der über die Ufer trifft, der Blitz, der den Baum in Brand gesetzt. Doch je mehr Poe über die Vorgeschichte dieses Ortes erfährt, desto mehr gelangt er zur Überzeugung, dass ein Fluch nicht nur auf diesem Haus, sondern auch auf seiner Verbindung mit Leonie liegt.

Als auch noch Landor den düsteren Hintergrund bestätigt und das Grauen im Keller erklärt, ist es mit der Ruhe auf dem Lande endgültig vorbei. Die Heirat mit Poe scheint keine Perspektive mehr zu sein. Leonie verschwindet spurlos, und Poe ist auf sich selbst angewiesen. Dies hat schlimme Folgen für ihn, wie die übernächste Folge zeigt.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Mr. Poe

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in fast jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. In dieser Episode schwankt Pleitgens Ausdruck zwischen hoffnungsvoller Aufbruchstimmung und niedergeschmetterter Grübelei – und allen Nuancen, die dazwischen liegen. Das ist eine herausragende Darstellerleistung.

Miss Leonie Goron

Iris Berben bietet Pleitgens melancholischem und nachdenklichem Poe einen lebhaften Widerpart mit ihrer Leonie Goron. Und wie der grüblerische Poe sogar selbst merkt, zeichnet sich Leonie durch ungewöhnlichen Scharfsinn und eine kluge Feinfühligkeit aus. In der neuen Staffel tritt sie nicht mehr so energisch auf, sondern erscheint uns als zwielichtige, will heißen: mehrdimensionale Figur, die es zu ergründen gilt. Die weitere Folgen legen ihre verborgenen Schichten offen und warten mit Überraschungen auf. Leonie hat uns (und Poe) beileibe nicht alles über sich erzählt.

Landor

Peter Schiff spricht zwar nur eine Nebenfigur, doch sein Landor ist von einer beeindruckenden Nuancenvielfalt. Erst erscheint Landor als eine normale Art von Landedelmann, doch je mehr sich die Natur von ihrer ungastlichen Seite zeigt, desto mehr erscheint seine Figur im Zwielicht, denn schließlich ist er der König dieses Landes. Die Wahrheit über seine Rolle trifft den Hörer ziemlich unvermutet, daher umso heftiger. Peter Schiff weiß alle diese Wandlungen dieser Figur überzeugend darzustellen – eine beachtliche Leistung.

|Geräusche|

Der Sound liegt im Format PCM-Stereo vor, wie mir mein DVD-Spieler angezeigt hat, und klingt glasklar. Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt.

Die Geräuschkulisse ist entsprechend realistisch und detailliert gestaltet. Ländliche Geräusche wie eine rollende Kutsche, ein schnaubendes und wieherndes Pferd sowie die allgegenwärtigen Vögel – ein sehr beliebtes Motiv der Serie – gesellen sich diesmal zu unheimlichen Wetterphänomenen wie Blitz, Donner und Regen. Je ungastlicher die Natur sich gebärdet, umso feindseliger führt sich auch die Tierwelt auf: Wespen summen und Ratten fiepen. Den Schlusschor bilden unheilvolle Nachtvögel, die schon immer als Omen des nahen Todes galten, sowie Krähen, die Aasvögel des Todes. Höchste Zeit für die unwillkommenen Menschlein, von diesem ungastlichen Ort abzuhauen.

|Musik|

Die Musik untermalt, quasi als eine Widerspiegelung, die emotionale Verfassung der jeweiligen Hauptfigur. In aller Regel ist dies die von Poe selbst, aber es gibt auch andere Erzählperspektive, so etwa die von Dr. Baker und die von Leonie. Immer wieder ist das leitmotivische Poe-Thema zu hören, das in allen möglichen Instrumentierungen erklingt, mal als Streichquartett im langsamen Tempo, dann wieder durch Hörner umgesetzt.

Diesmal erklingt der aus früheren Folgen bekannte Chor „Dies irae, dies illa“, der das Verhängnis, das über Poe hängt, beschwört. Hier waren offenbar versierte Komponisten und Arrangeure am Werk – ebenso Hagitte und Bertling vom Studio |STIL|.

Ein Streichquartett, Musiker des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.

|Der Song|

Der britische Schauspieler Christopher Lee singt „Elenore“, das schon auf der CD „Visionen“ zu finden ist. Hier liegt der EAP-Mix vor. Die Musik stammt wieder von Hagitte & Bertling, der deutsche Text von Marc Sieper. Sopran singen Rosemarie Arzt und Ricarda Lindner. Es spielt das Berliner Filmorchester unter der Leitung von Christian Hagitte.

Christopher Lee wurde am 27. Mai 1922 in London geboren. Seine Schauspielkarriere begann 1947. Den meisten dürfte der britische Schauspieler als Dracula bekannt sein, den Lee 1958 das erste Mal verkörperte und damit weltberühmt wurde. Noch vor seiner Zeit als Schauspieler war Lee in diversen Opernhäusern zu hören – er genoss eine Ausbildung als Opernsänger. Einige seiner aktuellen Rollen sind die des Saruman in „Herr der Ringe“ und Count Dooku in „Star Wars“. Insgesamt wirkte Lee in über 250 Filmen mit.

Ich wusste auch nicht, wie toll Christopher Lee singen kann – bis ich seine Aufnahme auf der CD [„Visionen“ 2554 hörte. Der Gesang ist klassisch, die Orchesterbegleitung ebenso, zwei Soprane begleiten den Meister, streckenweise im Duett. Er gibt die dramatische Ballade „Elenore“, in der um die verlorene Liebste geklagt wird, zum Besten, und zwar mit viel Gefühl und Sinn fürs Dramatische. Man stelle sich eine schmissige Arie aus einem bekannten Musical vor, z. B. „Elisabeth“ – so umwerfend gut kommt das rüber. Die vorliegende Fassung wurde neu gemischt, um zur Instrumentierung des Hörspiels zu passen.

_Unterm Strich_

Poe und Leonie hätten es wie Adam und Eva haben können, doch das Land ist nicht mehr wie im Garten Eden, sondern selbst mit einem Fluch belegt. Dass es sich um den Fluch einer Hexe handeln soll, mutet dem Hörer schon etwas ungewöhnlich an, denn Hexen werden mit europäischen Märchen assoziiert. Aber es gab ja auch Hexenprozesse im Salem des 17. Jahrhunderts, und warum sollte der Hexenglaube sich nicht auch bis nach New York City verbreitet haben? Das Motiv des Hexenfluches ist schon ziemlich alt, und hier wird es mit dem Thema des Fluches, der auf Poe lastet, verknüpft. Folgerichtig kommt es zur Vertreibung aus diesem verdorbenen Paradies.

Ich fand diesen Plot ziemlich schlau ausgedacht und wurde Ohrenzeuge, wie ausgetüftelt die Szenen gestaltet wurden. Die akustische Umsetzung ist vom Feinsten, und man merkt in jeder Szene, wie viel Sorgfalt die Mitwirkenden und Macher aufgewendet haben, um die Episode reizvoll und stimmungsvoll zu gestalten. Ein Highlight ist für mich zweifellos Christopher Lees Song, auch wenn dieser eher Musical-Freunde ansprechen dürfte.

Die Reihe wird mit „Der Mann in der Menge“ fortgesetzt.

|Basierend auf: Landor’s Cottage, ca. 1848
58 Minuten auf 1 CD|
http://www.poe.phantastische-hoerspiele.de
http://www.luebbe-audio.de

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – Flaschenpost, Die (Poe #26)

_Ein neuer Aufbruch: Hoffnung und Scheitern_

Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör. Mit „Flaschenpost“ beginnt die 7. Staffel und der Auftakt zur zweiten Geschichte innerhalb des großen POE-Epos. Die Vorgeschichte finden man in den vorangegangenen 25 Folgen sowie in dem Roman „Lebendig begraben“, erschienen bei |Bastei Lübbe|.

USA um 1850. Der Mann, der sich POE nennt und kein Gedächtnis besitzt, versucht nach den schrecklichen Erlebnissen in New York City, ein neues Leben zu beginnen. Er glaubt, er ist Poe, wer sonst? Sicher ruht auf dem Friedhof von Baltimore ein Namenloser. Eines Tages findet er eine Flaschenpost, und plötzlich legen sich die Schatten der Vergangenheit auf seinen Weg. (Verlagsinfo)

Mit der Erzählung „M.S. found in a bottle“ (M.S. = Manuscript) errang Poe anno 1833 den |Fiction Prize| der Zeitung „Baltimore Saturday Visitor“ und so seinen ersten größeren Erfolg auf der literarischen Bühne.

Ulrich Pleitgen und Iris Berben haben auch an den ersten 25 Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

#1: Die Grube und das Pendel
#2: Die schwarze Katze
#3: Der Untergang des Hauses Usher
#4: Die Maske des roten Todes
#5: Sturz in den Mahlstrom
#6: Der Goldkäfer
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben
#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora
#13: Schweigen
#14: Die längliche Kiste
#15: Du hast’s getan
#16: Das Fass Amontillado
#17: Das verräterische Herz
#18: Gespräch mit einer Mumie
#19: Die Sphinx
#20: Scheherazades 1002. Erzählung (auch: Die 1002. Erzählung)
#21: Schatten (ursprünglicher Titel: Die Scheintoten)
#22: Berenice
#23: König Pest
#24: Der Fall Valdemar
#25: Metzengerstein

#26: Die Flaschenpost
#27: Landors Landhaus
#28: Der Mann in der Menge
#29: Der Kopf des Teufels

Das Taschenbuch ist unter dem Titel [„Lebendig begraben“]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3404156757/powermetalde-21 bei Bastei-Lübbe erschienen.

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.

_Die Inszenierung_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren.

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem Bambi und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Direktor: Friedhelm Ptok
Griswold: Friedrich G. Beckhaus
Carolan: William O’Connor
Wirt: Charles Rettinghaus (dt. Stimme von Jean-Claude van Damme u. a.)
Diplomat: Arne Toost
Kapitän: Rainer Wut

Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Giuliana Ertl, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dickky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom |STIL|-Studio verantwortlich.

|Das Titelbild|

Das monochrome Titelbild, das Simon Marsden (www.simonmarsden.co.uk) geschossen und mit einer speziellen Technik entwickelt hat, zeigt eine Burg auf einer vorgelagerten Insel, mit einem großen Felsen im Vordergrund. Die Insel könnte St. Michael’s Mount an der englischen Südküste sein, das Gegenstück zum Mont St. Michel in der Normandie.

Das Motiv der Rückseite ist immer noch das gleiche wie in der ersten Serie: das von leuchtendem Nebel umwaberte ausgebrannte Gemäuer einer alten Abtei, deren leere Fenster den Betrachter ominös anstarren. Die Innenseite der CD-Box zeigt einen spitzbogigen Mauerdurchgang in einem wilden, überwucherten Garten. Der Durchgang könnte die Passage zu neuen, gruseligen Erfahrungen symbolisieren, im Sinne von Aldous Huxleys „doors of perception“.

|Das Booklet|

Jede CD enthält ein achtseitiges schwarz gehaltenes Booklet. Kleine Biografien stellen die beiden Hauptsprecher Ulrich Pleitgen und Iris Berben vor. Die mittlere Doppelseite zeigt alle bislang veröffentlichten CDs. Danach folgt eine Seite, die sämtliche Credits auflistet. Die vorletzte Seite wirbt für das Hörbuch [„Edgar Allan Poe: Visionen“, 2554 das ich empfehlen kann. Die letzte Seite gibt das Zitat aus E.A. Poes Werk wieder, das am Anfang einer jeden Episode – jeweils abgewandelt – zu hören ist.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon 25 Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton als Francis Baker darin spielt.

Am Anfang rekapituliert Poe / Pleitgen sehr knapp die unmittelbare Vorgeschichte. Das erleichtert den Einstieg in die Serie ein wenig, aber nur minimal.

_Handlung_

Nach den schrecklichen Vorgängen auf dem Friedhof, bei denen Dr. Baker alias Templeton von Poe besiegt wurde, ist Poe unsicher, wer er wirklich ist. Wenn in seinem Grab in Baltimore, wie Baker behauptet, nur ein namenloser Landstreicher liegt, muss er der echte Poe sein. Er freut sich bereits darauf, endlich wieder schreiben und publizieren zu können, als ihm ein neuerlicher Besuch in der Irrenanstalt auf Blackwell’s Island vor New York City deutlich vor Augen führt, dass auch dies nur ein Wunschtraum ist. Nicht nur, dass Dr. Baker noch lebt und dort als namenloser Insasse eingesperrt ist, nein, der neue Direktor kennt Poe persönlich – und Poe ist mit Sicherheit nicht jener Schriftsteller. Folglich darf Poe nie mehr auftreten, will er nicht eingesperrt werden.

Im Versuch, ein neues Leben an der Seite Leonie Gorons aufzubauen, macht er ihr einen Heiratsantrag. Anzeichen dafür, dass sie etwas vor ihm verbirgt, übersieht er wie üblich. In England wartet eine Erbschaft auf Leonie. Schon am nächsten Tag geht ein Segler. Als sie an Bord gehen, begrüßt der Kapitän gerade einen Mann namens Carolan, der angibt, krank zu sein und in seiner englischen Heimat sterben zu wollen.

Einen Tag später ist Carolan zusammengebrochen, und das Schiff muss in Sandy Hook anlegen. Ein Arzt verhängt Quarantäne, was die Weiterfahrt unmöglich erscheinen lässt. Eine Flaschenpost, die Leonie auffischt, inspiriert Poe zu weiterem Schreiben – über einen Schiffbrüchigen, der auf ein Kriegsschiff gerät, auf dem sich niemand befindet: ein Geisterschiff …

Unheimliche Dinge gehen an Bord des unter Quarantäne stehenden Seglers vor sich. Schon zwei Matrosen sind gestorben, und als Leonie und Poe beschließen, sich vorsichtshalber zu verdrücken, hören sie einen weiteren Schrei des Todes. In der Strandkneipe „Zum toten Matrosen“ finden die beiden Obdach und lernen den Journalisten Griswold kennen. Als Poe ihm hoffnungsfroh sein neues Manuskript zu lesen gibt, reagiert dieser jedoch auf unangenehme Weise anders als erwartet. Er nennt Poe wütend einen Scharlatan und Nichtskönner, der nur den Stil des echten Poe nachäffe, der, wie jeder wisse, auf einer Reise verschwunden sei …

_Mein Eindruck_

Nach den ersten 25 Folgen schienen alle offenen Fragen beantwortet zu sein. Doch nun stellt sich heraus, dass dem keineswegs so ist. Erstens ist das Geheimnis Leonies zu lüften, die es ja mehr oder weniger in die Vereinigten Staaten verschlagen hat. Und zweitens ist Poes Identität zwar (halbwegs) geklärt, aber ironischerweise nicht umsetzbar. Alle Welt hält den namenlosen Landstreicher, der 1849 anstelle Poes in Baltimore begraben wurde, für den echten Poe. Jeder, der für sich nun reklamiert, Poe zu sein, muss automatisch als Hochstapler angesehen werden. Das wird dem echten Poe an Leonies Seite nur zu bald klar. Identität kann eine zweischneidige Sache sein, wie ihm in seinen philosophischen Grübeleien am Strand von Sandy Hook klar wird.

In dieser Episode scheint nicht viel zu passieren, doch das kann nur einem Menschen so vorkommen, der nicht kreativ ist. In Poe selbst passiert nämlich sehr viel. Inspiriert von dem „Manuskript in der Flasche“- so heißt der Titel einer von Poes frühesten Erzählungen (s. o.) – kann Poe endlich wieder schreiben. Das wäre schon mal für ihn und Leonie eine gute Voraussetzung, um mit der Schriftstellerei in England seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Doch auch dieser Plan wird zerschlagen, als Griswold ihn des Plagiats bezichtigt.

Dieser Griswold war in Wahrheit nicht Journalist, sondern Reverend und einer von Poes schlimmsten Widersachern. Ausgerechnet diesen Mann setzte der echte Poe zu seinem Nachlassverwalter ein und machte so den Bock zum Gärtner. Ob beispielsweise die berühmte Erzählung „Das Fass Amontillado“ wirklich so von Poe geschrieben wurde, darf stark bezweifelt werden, denn es gibt nur jene Fassung, die Griswold im Nachlass gefunden haben will und publizierte.

Zurück zum Hörspiel. Nach einer heftigen psychosomatischen Reaktion ist Poe wieder so weit hergestellt, dass er Leonie wiedererkennt. Sie sagt ihm, sie könnten noch nicht nach England und müssten beweisen, dass Poe wirklich er selbst sei. Das scheint eine unmögliche Aufgabe zu sein. Und der Einzige, der ihnen dabei helfen kann, ist derjenige, der Poe angeblich unter die Erde gebracht hat: Dr. Baker alias Templeton, mal wieder.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Mr. Poe

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in fast jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. In dieser Episode schwankt Pleitgens Ausdruck zwischen hoffnungsvoller Aufbruchstimmung und niedergeschmetterter Grübelei – und allen Nuancen, die dazwischen liegen. Das ist eine herausragende Darstellerleistung.

Miss Leonie Goron

Iris Berben bietet Pleitgens melancholischem und nachdenklichem Poe einen lebhaften Widerpart mit ihrer Leonie Goron. Und wie der grüblerische Poe sogar selbst merkt, zeichnet sich Leonie durch ungewöhnlichen Scharfsinn und eine kluge Feinfühligkeit aus. In der neuen Staffel tritt sie nicht mehr so energisch auf, sondern erscheint uns als zwielichtige, will heißen: mehrdimensionale Figur, die es zu ergründen gilt. Die weiteren Folgen legen ihre verborgenen Schichten offen und warten mit Überraschungen auf. Leonie hat uns (und Poe) beileibe nicht alles über sich erzählt.

|Musik und Geräusche|

Der Sound liegt im Format PCM-Stereo vor, wie mir mein DVD-Spieler angezeigt hat, und klingt glasklar. Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt.

Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Wie so häufig, halten sich die Outdoor-Geräusche mit denen in Wohnräumen die Waage. Wiederholt sind Vögel zu hören – seltsamerweise eine Feldlerche, wenn weit und breit weder Acker noch Wiese zu finden sind. Aber auch Pferde und Kutschen, Glocken, Türen und Riegel sind immer wieder zu vernehmen, am Strand natürlich die Brandung.

|Musik|

Die Musik untermalt, quasi als eine Widerspiegelung, die emotionale Verfassung der jeweiligen Hauptfigur. In aller Regel ist dies die von Poe selbst, aber es gibt auch andere Erzählperspektiven, so etwa die von Dr. Baker und die von Leonie. Immer wieder ist das leitmotivische Poe-Thema zu hören, das in allen möglichen Instrumentierungen erklingt, mal als Streichquartett im langsamen Tempo, dann wieder durch Hörner umgesetzt. Einmal imitiert die Musik sogar die totale Verwirrung, in die Poe durch die abweisende Reaktion Griswold gestürzt worden ist, und die Musik ist selbst ganz durcheinander, atonal und arhythmisch. Hier waren offenbar versierte Komponisten und Arrangeure am Werk, ebenso Hagitte und Bertling vom Studio |STIL|.

Ein Streichquartett, Musiker des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.

|Der Song|

Der britische Schauspieler Christopher Lee singt „Elenore“, das schon auf der CD „Visionen“ zu finden ist. Hier liegt der EAP-Mix vor. Die Musik stammt wieder von Hagitte & Bertling, der deutsche Text von Marc Sieper. Sopran singen Rosemarie Arzt und Ricarda Lindner. Es spielt das Berliner Filmorchester unter der Leitung von Christian Hagitte.

Christopher Lee wurde am 27. Mai 1922 in London geboren. Seine Schauspielkarriere begann 1947. Den meisten dürfte der britische Schauspieler als Dracula bekannt sein, den Lee 1958 das erste Mal verkörperte und damit weltberühmt wurde. Noch vor seiner Zeit als Schauspieler war Lee in diversen Opernhäusern zu hören – er genoss eine Ausbildung als Opernsänger. Einige seiner aktuellsten Rollen sind die des Saruman in „Herr der Ringe“ und Count Dooku in „Star Wars“. Insgesamt wirkte Lee in über 250 Filmen mit.

Ich wusste auch nicht, wie toll Christopher Lee singen kann – bis ich seine Aufnahme auf der CD „Visionen“ hörte. Der Gesang ist klassisch, die Orchesterbegleitung ebenso, zwei Soprane begleiten den Meister, streckenweise im Duett. Er gibt die dramatische Ballade „Elenore“, in der um die verlorene Liebste geklagt wird, zum Besten, und zwar mit viel Gefühl und Sinn fürs Dramatische. Man stelle sich eine schmissige Arie aus einem bekannten Musical vor, z. B. „Elisabeth“ – so umwerfend gut kommt das rüber. Die vorliegende Fassung wurde neu gemischt, um zur Instrumentierung des Hörspiels zu passen.

_Unterm Strich_

Diese Episode ist die Geschichte einer gescheiterten Hoffnung – und als solche nicht sonderlich aufmunternd. Aber welches von Poes Erlebnissen wäre dies auch schon? Wenigstens gibt es keine besonders gruseligen Vorkommnisse. Ein wenig enttäuscht war ich von der sehr kurzen Abfertigung, die der titelgebenden Geschichte widerfährt: Die Geschichte des Schiffbrüchigen, der auf einem Geisterschiff landet, ist reizvoll, erinnert jedoch vielleicht ein wenig zu sehr an die von Arthur Gordon Pym, Poes bekanntes Romanfragment. Das hätte vielleicht zu weit geführt – und womöglich eine neue Poe-&-Pym-Reihe erforderlich gemacht (ein durchaus reizvoller Gedanke).

Die akustische Umsetzung ist wieder mal vom Feinsten, und man merkt in jeder Szene, wie viel Sorgfalt die Mitwirkenden und Macher aufgewendet haben, um die Episode reiz- und stimmungsvoll zu gestalten. Bis auf die Feldlerche an der Küste ist ihnen dies auch passend gelungen. Ein Highlight ist für mich zweifellos Christopher Lees Song, auch wenn dieser eher Musical-Freunde ansprechen dürfte.

Die Reihe wird mit „Landors Landhaus“ fortgesetzt.

|Basierend auf: M.S. found in a bottle, 1833
74 Minuten auf 1 CD|
http://www.poe.phantastische-hoerspiele.de
http://www.luebbe-audio.de

Edgar Allan Poe – Morella (Folge 33)

_Psycho 2.0: Wie erschießt man einen Geist?_

Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör. Mit „Feeninsel“ beginnt die achte Staffel des großen POE-Epos. Die Vorgeschichte findet man in den vorangegangenen 32 Folgen sowie in dem Roman [„Lebendig begraben“,]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3404156757/powermetalde-21 erschienen bei |Bastei Lübbe|.

USA um 1850. Der Mann, der sich POE nennt und kein Gedächtnis besitzt, versucht nach den schrecklichen Erlebnissen in New York City, ein neues Leben zu beginnen. Er glaubt, er ist Poe, wer sonst? Sicher ruht auf dem Friedhof von Baltimore ein Namenloser. Nach seiner Flucht aus dem Irrenasyl von Blackwell’s Island hat er seine Beinahegattin Leonie wiedergetroffen und versucht, seine Identität durch seinen Verleger Graham bestätigen zu lassen – nur um in eine perfide Falle zu tappen.

Nun sucht Poe mit Leonie seine Spuren in dem kleinen Weiler Fordham in den nördlichen Wäldern, wo Poe einmal gewohnt hat. Das weiß er aus einer Kurzbiografie in einem von Poes Büchern, die Graham gedruckt hatte. Doch in Fordham will niemand etwas mit dem Namen „Poe“ zu tun haben …

Die |Edgar Allan Poe|-Serie von |STIL| bei |Lübbe Audio|:

#1: [Die Grube und das Pendel 1487
#2: [Die schwarze Katze 755
#3: [Der Untergang des Hauses Usher 761
#4: [Die Maske des roten Todes 773
#5: [Sturz in den Mahlstrom 860
#6: [Der Goldkäfer 867
#7: [Die Morde in der Rue Morgue 870
#8: [Lebendig begraben 872
#9: [Hopp-Frosch 1906
#10: [Das ovale Portrait 1913
#11: [Der entwendete Brief 1927
#12: [Eleonora 1931
#13: [Schweigen 3094
#14: [Die längliche Kiste 2510
#15: [Du hast’s getan 2518
#16: [Das Fass Amontillado 2563
#17: [Das verräterische Herz 2573
#18: [Gespräch mit einer Mumie 3178
#19: [Die Sphinx 3188
#20: [Scheherazades 1002. Erzählung 3202 (auch: Die 1002. Erzählung)
#21: [Schatten 3206 (ursprünglicher Titel: Die Scheintoten)
#22: [Berenice 4394
#23: [König Pest 4408
#24: [Der Fall Valdemar 4420
#25: [Metzengerstein 4471
#26: [Die Flaschenpost 4946
#27: [Landors Landhaus 4966
#28: [Der Mann in der Menge 5000
#29: [Der Kopf des Teufels 5089

Achte Staffel (11/2008):

#30: [Feeninsel 5540
#31: [Teer und Federn 5569
#32: [William Wilson 5578
#33: Morella

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.

Mehr von und über Edgar Allan Poe auf |Buchwurm.info|:

[„Faszination des Grauens 554“]
[„Edgar Allan Poes Meistererzähler“ 4832 (Hörbuch)
[„Der Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11, Hörspiel)
[„Der Doppelmord in der Rue Morgue“ 2396 (Hörbuch)
[„Der Streit mit der Mumie“ 1886 (Hörbuch)
[„Die Brille“ 1885 (Hörbuch)
[„Mythos & Wahrheit: Edgar Allan Poe. Eine Spurensuche mit Musik und Geräuschen“ 2933
[„Visionen“ 2554

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon zahlreiche Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren.

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie unter anderem mit dem |Bambi| und mit der |Goldenen Kamera| ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Edgar Allan Poe: Ulrich Pleitgen
Leonie Goron: Iris Berben
Rick Ellis: Tilo Schmitz (Ving Rhames, Michael Clarke Duncan)
Morella: Sabine Arnhold (Lola Glaudini, Melinda Clarke)
Alte Frau: Hannelore Minkus (Kathryn Joosten, Frances Sternhagen)
Und andere.

Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Giuliana Ertl, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dicky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom |STIL|-Studio verantwortlich.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon 32 Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton als Francis Baker darin spielt.

_Handlung_

Nach schrecklichen Erlebnissen und Träumen beschließt Poe, seine Verwandten zu suchen. Und es gibt auch einen Hinweis, den er der Kurzbiografie im Buch fand, das er in der Gruft las: Poe lebte eine Zeitlang in dem Dörfchen Fordham, das in den nördlichen Wäldern liegt – einer verrufenen Gegend, wie Poe inzwischen wohl bewusst ist. Er will sich auf Ricks Rat hin als Poes Biograph tarnen. Man weiß ja nie, wie die Leute dort auf den Namen „Poe“ reagieren.

Endlich stößt auch Leonie wieder zu ihm! Sie hat ihn bei Rick, ihrem gemeinsamen alten Unterschlupf, gefunden. Die Postkutsche setzt sie beide in Fordham ab, doch keiner will dort Unterkunft gewähren, sobald der Name „Poe“ fällt. Nach einem Hinweis gehen sie zu dem abgelegenen Haus, wo Poe mit einer Familie gewohnt haben soll. Neben dem Haus erblickt Poe eine Hütte und fragt dort eine alte Frau nach Informationen, doch auch sie sagt nichts.

Obwohl das Haus verlassen und verfallen aussieht, bleibt Poe und Leonie nichts anderes übrig, als dort zu übernachten. Die Dusche fällt Poe sofort auf: Sie ist ungewöhnlich modern eingerichtet und im Gegensatz zum Rest des Hauses blitzblank. An einer der Wände steht das Wort MORELLA. Was mag es wohl bedeuten? In der Nacht hat Poe den ersten von mehreren Träumen, in denen eine junge Frau zu ihm spricht. Wer ist sie? Hat sie hier mit dem Dichter gelebt?

Es gibt Anzeichen, dass in der Nacht jemand im Haus war. Aber die Suche muss weitergehen: Sie suchen alle Zimmer ab, sogar das Arbeitszimmer, wo sich ein verfallenes Bücherregal findet, doch keine Bücher. Nur ein verstecktes altes Foto, eine Daguerreotypie: Sie zeigt eine alte Frau, die den Betrachter freudlos anschaut. Keine Daten geben Aufschluss über das Entstehungsdatum. Im nächsten Traum kommt die junge Frau wieder zu ihm: Er solle lernen, die Frau zu achten, die er einst verschmähte.

Leonie wird das Haus allmählich ganz schön unheimlich. Da auch der Keller keine Hinweise liefert, beschließen sie, ihre Sachen zu packen und die nächste Postkutsche zu nehmen, die einmal am Tag Fordham passiert. Doch etwas hält Poe noch an diesem Ort: Er ist sicher, das Rätsel lösen zu können. Sie bleiben noch eine Nacht, und wieder erscheint ihm die Frau im Traum. Eine Totenglocke läutet, heute wird sie begraben: „Du wirst finden, was du einst verlorst“, sagt eine Stimme zu ihm. Die Zukunft liege in seiner Vergangenheit …

Als Poe erwacht, ist Leonie nicht in ihrem Bett. Als er sie im Erdgeschoss sucht, folgt er dem Geräusch des Rauschens von Wasser. Sie muss in der Dusche sein. Eine bizarre Szene bietet sich ihm: Leonie steht mit einem Messer in der erhobenen Hand vor einer nackten jungen Frau, die in der Dusche steht. Ist dies die nächtliche Besucherin?

_Mein Eindruck_

Wenn sich jemand an die berühmte Duschszene aus Hitchcocks Thriller „Psycho“ (1960) erinnert fühlt, so lag dies sicherlich in der Absicht der Macher dieses Hörspiels. Das erhobene Messer, die Dusche, das ominöse Rauschen des Wassers, das wehrlose weibliche Opfer – es ist alles angerichtet, um einen schön blutigen Mord zu zelebrieren. Doch so weit soll es (leider) nicht kommen, denn Poe ist keineswegs umnachtet, wie er vielleicht gemeint hat, sondern durchaus noch im Diesseits. Doch wer ist die junge Frau in der Dusche?

Schon in den Hörspielen zu „Eleonora“ und „Berenice“ wurden mit Poes Erzählungen über junge, schöne Frauen bekannt gemacht, die früh starben (ein sehr romantisches und poetisches Motiv), aber von jenseits des Todes ihren unheilvollen Einfluss auf ihren einstigen Geliebten ausüben. Poe hat den Tod junger Frauen, wie oben aus seiner Biografie ersichtlich wird, selbst erlebt und mehrfach in seinen Erzählungen verarbeitet. „Morella“ ist die Nr. 3, doch die beste ist Nr. 4 „Ligeia“. Auf dieses Hörspiel warte ich bereits sehr gespannt.

Morella tritt in dem Hörspiel erst nur im Traum auf, als wäre sie ein Geist. Die Traumauftritte wechseln sich mit dem relativ drögen Tagesgeschehen ab und bilden eine Sequenz, die offenbar einem Höhepunkt zustrebt. Wird Morella, die Traumfigur, persönlich auftreten? Das ist die spannende Frage, die sich der Hörer stellt. Und wenn ja, wird sich dann ihr Einfluss fördernd oder verderblich auf Mr. Poe, den Besuchten, auswirken?

Genau an diesem Punkt stellte sich mir die Frage, wie ein solches Geistwesen sowohl real als auch eine Traumfigur sein kann. Die Nagelprobe erfolgt dann wenig später, als ein Schuss fällt und es einen Toten gibt. Ist die Traumfigur für eine Pistolenkugel überhaupt erreichbar, fragte ich mich. Aber wenn es das Mädchen Morella wirklich gäbe, in welcher Beziehung stünde sie dann zu dem Dichter Poe, als dessen Reinkarnation ihr der Mann, der sich Poe nennt, erscheinen muss?

Diese Geheimnisse sollen nicht verraten werden, um die Spannung nicht zu verderben.

In dieser Episode stößt Poe auf zwei Spuren seiner Familie. Die eine führt zu seiner Mutter nach Boston, die andere zu seiner Schwester nach Baltimore. Von beiden Damen ist in den Poe-Biografien, die ich gelesen habe, sehr wenig die Rede, ganz einfach deshalb, weil sie schon früh aus seinem Leben verschwinden. Umso neugieriger macht mich nun ihr unvermitteltes Auftreten. Als nächstes ist „Das Geheimnis der Marie Rogêt“ zu lüften.

_Die Inszenierung_

|Sprecher & Figuren|

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. Aber Poe kann auch sehr pragmatisch agieren, und Pleitgen weiß die scharfe Beobachtungsgabe seiner Hauptfigur wie auch dessen Hinterlist ebenso glaubwürdig darzustellen. Sein Poe ist kein hilflos durch die Gassen torkelnder Somnambuler, sondern ein hellwacher Geist, der nur ab und zu unter ein paar Bewusstseinstrübungen leidet, die ihn in Gestalt von Träumen heimsuchen. Diese Träume, so erkennt er schließlich, sind Erinnerungen an seine eigenen Erzählungen. Aber trifft dies auch auf Morella zu?

Leonie Goron erschien uns in den ersten Staffeln als patente und zupackende Helferin und Gefährtin des manchmal recht hilflosen Poe. Doch nach dem scheinbaren Tod Dr. Templetons ändert sich ihr Erscheinungsbild. Sie hat ja zuvor schon Andeutungen gemacht, dass sie vor gewissen Ereignissen in England geflohen sei, um bei ihrer Kusine in den Vereinigten Staaten Hilfe und Obdach zu finden.

Doch offensichtlich ist ihr ihr Mann, den sie als einen verurteilten Mörder verließ, in die Neue Welt gefolgt und hat sie bereits einmal gefangen genommen. Der Schluss liegt nahe, dass es sich bei ihrem Mann, der bislang noch keinen Namen bekommen hat, um Dr. Templeton alias Baker handelt, Poes Peiniger. Das würde der Geschichte eine weitere Ebene an tragischer Ironie hinzufügen. Kein Wunder, dass Templeton sowohl seine Aufzeichnungen von Poe als auch seine entflohene Frau zurückhaben will.

Nun erscheint Leonie als gehetzte Frau auf der Flucht vor der Vergangenheit – so ziemlich das Gegenteil zu Poe. Denn Poe sucht in der Vergangenheit sein Heil, die in seiner Identifizierung als der echte Edgar Allan Poe bestehen soll, um ihm eine Zukunft zu ermöglichen. Ob dieser Glücksfall und Erfolg wirklich eintritt, ist noch abzuwarten.

Die Figur der Morella wird leider überhaupt nicht ausgebaut, sondern lebt nur in der Erinnerung der alten Frau fort, die nahe Poes Ex-Haus wohnt. Diese Alte ist Morellas Mutter und spielt eine verhängnisvolle Rolle, erweist sich aber auch als Informationsquelle.

|Geräusche|

Der Sound liegt im Format PCM-Stereo vor, wie mir mein DVD-Spieler angezeigt hat, und klingt glasklar. Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt.

Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Aber sie werden nur ganz gezielt dort eingesetzt, wo sie einen Sinn ergeben. Die Geräusche im Haus sind entsprechend reduziert: Stühle, Betten, Gerümpel, Schritte.Von draußen sind Regen und Wind zu hören, ab und zu auch mal ein Vogelruf (diesmal kein Wolfsgeheul).

Diese untere Schicht von Geräuschen wird von der Musik ergänzt, die eine emotionale Schicht einzieht. Darüber erst erklingen die Stimmen der Sprechen: Dialoge, aber auch Rufe und sogar Schreie. Durch diese Klang-Architektur stören sich die akustischen Ebenen nicht gegenseitig, sind leichter aufzunehmen und abzumischen. Das Ergebnis ist ein klares Klangbild, das den Zuhörer nicht von den Informationen, die es ihm liefert, ablenkt.

|Musik|

Die Musik erhält eine wichtige Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der jeweiligen Hauptfigur und ihres Ambientes darzustellen. Leonie hat nicht ihr eigenes musikalisches Leitmotiv, doch allenthalben stößt sie auf die Spuren Poes, der musikalisch mit seinem Leitmotiv sowie mit dem Chor „Dies illa, dies irae“ zitiert wird. Da diese Handlung jedoch auf eine Duschszene à la „Psycho“ sowie einen Schuss im Dunkeln hinausläuft, lässt die Musik die bekannten kreischenden Psycho-Geigen von Bernard Hermann erklingen.

Aber die Musik kann auch Poes Jubel über das Wiedersehen mit Leonie illustrieren, sowie die unheimliche Stimmung in Poes altem Haus, in dem Poe mit Leonie zusammen wie Ehepartner leben. Erst nach dem Schuss tritt wieder die düstere Stimmung vieler Poe-Folgen auf, und zwar mit der dramatischen Stimmung einer Tragödie. Erst durch die Geräusche des Aufbruchs zu neuen Zielen wird dieser Tiefpunkt überwunden. Und der Schluss-Song entführt den Zuhörer wieder in andere Gefilde.

Ein Streichquartett und Musiker des Filmorchesters Berlin wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht. An der Musik gibt es absolut nicht auszusetzen. Für die jüngere Generation mag sie aber zu klassisch orientiert sein.

|Der Song|

Jede Folge der Serie wird mit einem Song abgeschlossen, und in jeder Staffel gibt es einen neuen Song. Diese Staffel enthält den Song „You see“ von der deutschen Gruppe |Elane|. Die Stilrichtung entspricht einem weiterentwickelten Celtic Folk Rock, wie er von der Gruppe |Clannad| in den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelt wurde. Auch bei |Elane| wird englische mit gälischer Sprache kombiniert.

Die Musik verbindet Romantik und sehnsuchtsvolle Mystik, was einerseits durch die Instrumentierung, zum anderen durch den mehrstimmigen Frauengesang betont wird. Zu den Instrumenten, die für Folk Rock obligatorisch sind, gehören die akustische Gitarre, die Harfe und die Flöte. Dass Drums, E-Gitarre und E-Bass eine elektrisch verstärkte Rhythmusgruppe bilden, wurde schon von |Clannad| als Standard etabliert. Besonders interessant bei |Elane| ist die Mehrstimmigkeit.

Ich konnte zwei tiefe Frauenstimmen ausmachen und eine hohe Frauenstimme, also Alt und Sopran. Die Überlagerungen machen die Harmonien zu einer kniffligen Angelegenheit der gegenseitigen Abstimmung, sonst können leicht Disharmonien oder gar Rhythmusstörungen entstehen. Soweit ich hören könnte, gelingt die Polyharmonie jedoch durchweg einwandfrei – Applaus.

Ob der Celtic Folk Rock dem Thema „Feeninsel“ Rechnung trägt, sei dahingestellt. Aber es gibt jedenfalls schlimmere Abschluss-Songs, und „You see“ klingt sehr erträglich.

_Unterm Strich_

Diese Folge habe ich mit hohen Erwartungen antizipiert, doch die Ausführung hat mich enttäuscht. Statt zahlreicher Hinweise auf Poes Familie liefert die Handlung nur Flops und stark verzögerte Belohnungen, während man dem Eheleben der Beinahe-Poes folgt und das Haus auf den Kopf stellt.

Die Daramaturgie verfolgt ein anderes Ziel als vordergründige Action, nämlich einen psychologisch herbeigeführten, dramatischen Höhepunkt. Dass sich dieser erst aus Poes innerem Erleben ergeben kann, dürfte einleuchten. Geschickt balanciert Morellas Erscheinen im Traum in der Ungewissheit, ob es sich wirklich um einen Traum, eine Erinnerung oder gar um die Einflüsterung einer realen Figur handelt.

Umso verblüffender dann die Duschszene aus „Psycho“. Da hat man doch ein wenig stark aufgetragen, wenn auch der melodramatische Effekt sehr willkommen ist. Der Eindruck, dass sich die Entwicklung zuspitzt, wird schon von der übernächsten Szene bestätigt, als ein Schuss mit verhängnisvollen Folgen fällt.

|Das Hörspiel|

Die akustische Umsetzung ist vom Feinsten, und man merkt in jeder Szene, wie viel Sorgfalt die Mitwirkenden und Macher aufgewendet haben, um die Episode reizvoll und stimmungsvoll zu gestalten. Aber die Episode langweilt in den ersten zwei Dritteln durch ihre Taktik verzögerter Belohnungen: Die Hinweissuche ergibt fast nichts. Kein Wunder, sagt man sich hinterher, denn die wirklich wichtigen Hinweise finden sich erst im direkten Kontakt mit der Vergangenheit. Das letzte Drittel überrascht dann mit umso mehr Action, die nun jedoch unausgewogen und überstürzt wirkt, als sei sie drangeklebt worden. Wenigstens hat Poe nun zwei weitere Ziele, die er anpeilen kann.

|68 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3689-0|
http://www.poe.phantastische-hoerspiele.de
http://www.luebbe-audio.de
http://www.elane-music.de

Edgar Allan Poe / diverse Interpreten – Visionen

Huldigung an Edgar, mit Überraschungen

Dieses wunderschön aufgemachte Hörbuch bietet auf zwei CDs eine Menge Werke, die von Edgar Allan Poe stammen oder zumindest von ihm inspiriert sind. Auf der ersten CD werden seine Gedichte vorgetragen, auf der zweiten Scheibe erklingen eine Menge interessante und völlig unterschiedliche Musikkompositionen. Ein umfangreiches Booklet liefert jede Menge Informationen, nur eine nicht: Wie lang ist das Hörbuch?

Edgar Allan Poe / diverse Interpreten – Visionen weiterlesen

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – verräterische Herz, Das (POE #17)

_Das pochende Herz unter dem Boden der Stadt_

„Das verräterische Herz“ ist der siebzehnte Teil der Edgar-Allan-Poe-Serie von |LübbeAudio|, die unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör bringt.

In New Orleans ist Poe den Machenschaften Doktor Templetons alias Francis Baker entkommen und nach New York geflohen. Dort mietet er sich in einem alten Hotel im sechsten Bezirk ein. Poe, ohne Kontakt zu den anderen Gästen, wird wieder von Visionen heimgesucht. Was er nicht weiß: Im Volksmund heißt die Gegend „der blutige alte Bezirk“. Über ihm logiert ein Mann mit einem unheimlichen Auge. Poe fühlt sich von Tag zu Tag mehr davon beobachtet. Schließlich steigen Mordgedanken in ihm auf …

Ulrich Pleitgen und Iris Berben haben auch an den ersten sechzehn Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

#1: Die Grube und das Pendel
#2: Die schwarze Katze
#3: Der Untergang des Hauses Usher
#4: Die Maske des roten Todes
#5: Sturz in den Mahlstrom
#6: Der Goldkäfer
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben
#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora

Die vier neuen Folgen der POE-Reihe sind:

(Nr. 13 wird vorerst ausgelassen.)

#14: Die längliche Kiste
#15: Du hast’s getan
#16: Das Fass Amontillado
#17: Das verräterische Herz

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan aus Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten. Seine Literaturtheorie nahm den New Criticism vorweg.

Er stellt meines Erachtens eine Brücke zwischen dem 18. Jahrhundert und den englischen Romantikern (sowie E.T.A. Hoffmann) und einer neuen Rolle von Prosa und Lyrik dar, wobei besonders seine Theorie der Shortstory („unity of effect“) immensen Einfluss auf Autoren in Amerika, Großbritannien und Frankreich hatte. Ohne Poe sind Autoren wie Hawthorne, Twain, H.P. Lovecraft, H.G. Wells und Jules Verne, ja sogar Stephen King und Co. schwer vorstellbar. Insofern hat er den Kurs der Literaturentwicklung des Abendlands maßgeblich verändert.

_Die Sprecher_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem Bambi und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Außerdem wirken Georg Schaale als George Appo und eine Reihe weiterer Sprecher mit. Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Penny Shepherd, die Ansage erledigt André Sander.

_Das Titelbild_

Das monochrome Titelbild, das Simon Marsden (www.simonmarsden.co.uk) geschossen und mit einer speziellen Technik entwickelt hat, zeigt bei „Das verräterische Herz“ ein Motiv, das wieder – wie schon bei „Sturz in den Mahlstrom“ – der Natur an der Küste entnommen ist. Ein schroffer Fels erhebt sich aus dem Gras, doch er ist sonderbar ringförmig: In seiner Mitte gähnt eine Finsternis, der man sich nur ungern nähern möchte. Andererseits ist so ein Geheimnis immer verlockend …

Das Motiv der Rückseite ist immer noch das gleiche wie in der ersten Folge: das von leuchtendem Nebel umwaberte ausgebrannte Gemäuer einer alten Abtei, deren leere Fenster den Betrachter ominös anstarren. Die Innenseite der CD-Box zeigt einen spitzbogigen Mauerdurchgang in einem wilden, überwucherten Garten. Der Durchgang könnte die Passage zu neuen, gruseligen Erfahrungen symbolisieren, im Sinne von Huxleys „doors of perception“.

_Das Booklet_

Jede CD enthält ein achtseitiges schwarz gehaltenes Booklet. Neben dem Eingangszitat auf Deutsch und Englisch werden hier auch der gesamte Stab und die Sprecherbesetzung der Rollen aufgeführt. Pleitgen und Berben werden näher vorgestellt.

Eingangs gibt es einen kleinen Abriss der Vorgeschichte. Die Rückseite der CD fasst die Handlung zusammen und listet die wichtigsten Mitwirkenden auf. Die mittlere Doppelseite zeigt alle bislang veröffentlichten CDs und die DVD von „Die Grube und das Pendel“. Die vorletzte Seite weist auf die Band „We Smugglers“ hin, die den Titelsong „On the verge to go – Edgar Allan Poe Edit“ beigesteuert hat.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon fünfzehn hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton als Francis Baker darin spielt.

Am Anfang rekapituliert Poe sehr knapp die unmittelbare Vorgeschichte bis hin zum Inhalt von „Das Fass Amontillado“, der 16. Folge der Serie. Das erleichtert den Einstieg in die Serie ein wenig, aber nur minimal.

_Handlung_

In seinem schäbigen Hotel, dem Washington House am Broadway, bemerkt Poe beim Frühstück einen alten Mann, der ihm bekannt vorkommt. Doch der Kellner verweigert die Auskunft über dessen Identität, und bevor es sich Poe versieht, ist der Alte verschwunden. Bei seinem Treffen mit seinem Freund George Appo, einem Bettler und Dieb, erzählt Poe ihm von allen den Ereignissen, die ihm zuvor widerfahren sind. Er müsse unbedingt Leonie wiederfinden, seine Gefährtin aus New Orleans. Appo weiß Rat: Er brauche nur der Spur von Dr. Baker zu folgen, denn da Leonie mit diesem noch ein Hühnchen zu rupfen hat, ist sie ihm mit Sicherheit bereits auf den Fersen. Das leuchtet Poe ein.

Doch wie findet man einen Leichenhändler und skrupellosen Experimentator am besten in einer Riesenstadt wie New York? Wieder weiß Appo Rat. Leichenhandel ist ein blühendes Geschäft. Er selbst habe sich zwar nie daran beteiligt, wisse aber, dass Ärzte Leichen ständig für ihre Forschung benötigen. Zwecks eiliger Beschaffung kann man da schon ein bisschen nachhelfen. Und wer wüsste darüber besser Bescheid als der Einbalsamierer, der sie beide auf der unglückseligen „Independence“ begleitet hat? Waltman, so hieß er doch, oder?

Um Waltman zu finden, brauchen sie Captain Hardy. Im Hafenviertel stoßen sie per Zufall auf ihn und retten ihm bei der Gelegenheit auch gleich das Leben. Er berichtet, Waltman sei im Washington House abgestiegen und arbeite im New York Hospital. Poe wird es nun endlich klar: Es ist sein alter Tischnachbar!

In der Tat hat Waltman eine interessante Räuberpistole zu erzählen. Poe pocht das Herz bis zum Hals, als er gesteht, er suche Kontakt zum lokalen Leichenhandel. Ah, well, Leichen werden den medizinischen Forschern in drei Formen besorgt: a) als legale Präparate von Organen usw.; b) als originale Körper, die auf natürlichem Wege verstarben; und c) als „Lebendmaterial“ … Waltman beschaffte nur tote Körper, beteuert er. Ärzte wie Dr. Baker würde Poe im Keller des Hospitals finden, in der Pathologie. Ach ja: Die beste Besuchszeit für diesen Zweck sei Miternacht …

Schlag Mitternacht trifft Poe zu seinem makabren Vorhaben im Keller des riesigen Hospitals ein. Ein Hund heult. Dr. Gump lässt ihn ein, dem sich Poe als ein Mann vorstellt, der ein paar Leichen anzubieten habe. Gump hat sofort Interesse, wird aber durch einen Besucher abgelenkt. Auf Gumps Seziertisch liegt ein Hund mit offenem Schädel … In Gumps Büro hängt ein sonderbares Porträt an der Wand. Es zeigt einen ägyptischen Pharao. Poe erinnert sich an den unglücklichen Jimmy Farrell (vgl. Episode 16), dessen letztes Wort „Pharao“ gelautet hat. Ist damit Dr. Baker gemeint?

Der Besucher hat ein bewussloses Mädchen gebracht. Poe erkennt es wieder: Es wohnt in Jimmy Farrells Nachbarhaus und hat Poe geholfen, Farrell zu finden. Als es erwacht und ihn erblickt, beginnt es zu schreien, muss es ihn doch für Farrells Mörder halten. Poe macht schleunigst die Fliege, auch wenn er nichts herausgebracht hat.

|Der Traum|

In dieser Nacht findet er kaum Schlaf, und wieder sucht ihn ein Albtraum heim. Er sieht das Auge des alten Waltman vor sich, doch diesmal blickt es nicht freundlich, sondern spöttisch und grauenerregend: ein Geierauge. Die Frau in seinem Traum spricht mit Leonies Stimme und mahnt ihren Mann zu Geduld und Ruhe. Poe erzählt ihr von dem alten Mann im Nachbarhaus, dem mit den Rosen im Garten. Warum wohnt er ganz allein? Sie weiß nur, dass der Alte ein Glasauge hat und auf dem anderen wohl schon den Grauen Star hat. Poe weiß: Es ist wie verschleiert, so als überlege dieser Teufel, was er mit Poe anstellen solle.

In dieser Nacht fasst Poe den Entschluss, den alten Mann zu töten, koste es, was es wolle.

_Mein Eindruck_

Die Begegnungen mit Appo, Captain Hardy und Waltman dienen nur dazu, den Besuch in der Pathologie des Hospitals vorzubereiten. Dieses gruselige und verstörende Erlebnis löst wieder einen Horrorschub in Poe aus, der auch prompt einen seiner sattsam bekannten Albträume bekommt. Allerdings sind weder das eine noch das andere besonders neu. Die makabren Experimente, die man in der Pathologie anstellt, kennen wir bereits aus Dr. Bakers Kellern in seiner Villa bei New Orleans. Dies wurde in „Das ovale Porträt“ (Episode 10) erzählt.

Und das Motiv, dass ein paranoider Verbrecher sich am Schluss selbst verrät, um sich der strafenden Gerechtigkeit auszuliefern und zu zeigen, dass er Recht hat, genossen wir bereits in „Die schwarze Katze“ (Episode 2) mit zweifelhaftem Vergnügen. Nicht, dass an der damaligen oder jetzigen Darstellung etwas auszusetzen wäre. Aber die Wiederholung nimmt dem aktuellen Motiv etwas von seinem Reiz. Dass das Element des unheimlichen Auges eines Beobachters sowohl in Poe Erlebnissen als auch in seinem Traum auftaucht, erscheint folgerichtig, wenn man berücksichtigt, dass seine Träume oftmals real (auch unbewusst) Erlebtes verarbeiten.

Das zentrale Motiv ist neben dem Auge das pochende Herz. In der Tat nimmt dieser Klang sowohl in Poes Erleben und Träumen wie auch in der akustischen Darstellung eine dominante Stellung ein. Die Sache hat jedoch einen Haken: Das Herzpochen gibt es lediglich in Poes Einbildung. Um den Hörer in dieses Reich der Phantasmen zu befördern, muss daher der Herzschlag entsprechend gruselig und bezwingend dargestellt sein, ohne aufdringlich zu wirken.

Ich konnte zufrieden feststellen, das es den Machern gelungen ist, dieses entscheidend wichtige Element, ohne das der Traum über „Das verräterische Herz“ nicht funktioniert, mit beeindruckender Raffinesse darzustellen. Der ermordete alte Mann mag ja tot sein, doch wir hören – mit Poe – immer noch das Schlagen seines Herzens. Bis zum Stillstand. Der Mörder ist erleichtert. Doch sein Wahnsinn, der ihn zu seiner Untat verleitet hat, bricht mit voller Wucht hervor, als er das Herz des Toten erneut schlagen hört – unter den Brettern des Bodens, unter denen er die Leiche versteckt hat …

Klar, dass Poe aus diesem Albtraum schleunigst erwacht, wenn auch schweißgebadet. Er fasst den Entschluss, dem düsteren Hospital einen erneuten Besuch abzustatten, um Dr. Baker aufzustöbern. Vielleicht hat der ja noch eine Leiche im Keller.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

|Mr. Poe |

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. Im ersten Teil des „Eleonora“-Traumes schwelgt sein Poe in verliebter Seligkeit, und das kann man deutlich hören. Umso gequälter klingt Poe in der zweiten Traumhälfte, als ihn die tote Geliebte in seinen Albträumen heimsucht. Dieser Stimmungswandel leitet die Trennung von Leonie ein und macht diesen abrupten Schritt ein wenig nachvollziehbarer. In den Episoden 16 und 17 jedoch ist Poe überzeugt, dass es ein Fehler war, Leonie zu verlassen. Seine Träume in diesen Episoden belegen dies überdeutlich.

|Miss Leonie Goron |

Iris Berben bietet Pleitgens melancholischem und nachdenklichem Poe einen lebhaften Widerpart mit ihrer Leonie Goron. Und wie der grüblerische Poe sogar selbst merkt, zeichnet sich Leonie durch ungewöhnlichen Scharfsinn und eine kluge Feinfühligkeit aus. Sie hat erheblichen Anteil an Poes Rettung in der Rahmenhandlung von Episode 5 („Mahlstrom“). Spätestens ab „Der Goldkäfer“ wirkt sie wie eine kluge Freundin, die durch ruhige Überlegung und kluge, verständnisvolle Fragen bald zu seiner unverzichtbaren Ratgeberin wird. In Episode 15 „Du hast’s getan“ steht sie selbst ihren Mann als Detektivin und Ein-Frau-Polizeitruppe.

In der Traumhandlung von „Das verräterische Herz“ hat sie eine wenig dankbare Aufgabe. Die von ihr gespielte Hausfrau ist so unbedarft und ein ahnungsloses Heimchen am Herd, dass man ihr nicht allzu viel Geistesgegenwart zutraut. Es wirkt daher umso ironischer, dass es diese Frau ist, die die Polizei ruft und damit das Verhängnis ihres Gatten einleitet.

_Musik und Geräusche_

Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt. Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Über das zentrale Geräusch des Herzklopfens habe ich alles Nötige bereits angemerkt.

Die Musik erhält daher eine umso wichtigere Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der zwei Hauptfiguren und ihres jeweiligen Ambientes darzustellen. Diese untermalende Aufgabe dient diesmal mehr der Gestaltung ganzer Szenen, so etwa im „Verräterherz-Traum“. Wieder werden die Übergänge zwischen Poes Erleben und seiner Traumwelt mit gelungenen Soundeffekten angedeutet.

Ein Streichquartett, Musiker des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.

_Der Song_

Die Band „We Smugglers“ hat, wie erwähnt, den Titelsong „On the verge to go – Edgar Allan Poe Edit“ beigesteuert. Ihr Konzertplakat weist sie als vier recht schräg aussehende Herrschaften aus, die nichtsdestotrotz ihre Instrumente zu beherrschen scheinen. Was wir in der Länge von rund 3:30 Minuten zu hören bekommen, würde ich als balladesken Slow-Metal-Rock bezeichnen. Die Tonart ist recht ausgefallen: Cis-Dur.

Deutlich dominiert die E-Gitarre, die sich wie die von Jimmy Page anhört, als er sein berühmtes Stück „Kashmir“ für die MTV-Acoustic-Session neu arrangierte. Für mich klingt das gut und melodisch, aber kraftvoll. Der Klangteppich wird von einer deutlich zu vernehmenden Basslinie und unauffälligen Drums und Cymbals unterstützt. Der Gesang ließe sich noch verbessern, und die Lyrics könnte man auch mal abzudrucken beginnen. Vielleicht gibt es darin ja etwas zu entdecken. Die Band wird sich wohl etwas dabei gedacht haben, nicht wahr?

_Unterm Strich_

Innerhalb der vierten Staffel bildet diese vier Episode einen gewissen Höhepunkt, wenn man auf Action und viele Hinweise auf die Lösung von Poes Identitätsrätsel Wert legt. Innerhalb der Episode stellen die Hafenschlägerei und der Albtraum wiederum eigene Höhepunkte in der Kategorie Action und Grusel dar. Schaudern erzeugt aber auch das Gerede über den Leichenhandel, der in New York City – ebenso wie in Edinburgh – um 1840/50 erhebliche Ausmaße angenommen haben muss und natürlich jede Menge unheimliche Aspekte aufweist. Ich bin sicher, dass diese „Aspekte“ in kommenden Episoden weidlich, ähem, ausgeschlachtet werden.

|Basierend auf: The tell-tale heart, ca. 1845
67 Minuten auf 1 CD|
Mehr Infos auf www.poe-hoerspiele.de.