Schlagwort-Archive: Argon

[NEWS] Wolfgang Schorlau & Claudio Caiolo – Falsche Freunde (Commissario Morello 3)

Weg mit den ärmlichen Tagestouristen! Weg mit den Sandalen tragenden Studienräten aus Deutschland, die nur zwei, drei Tage auf der Biennale bleiben! Und vor allem: raus mit den noch verbliebenen Bewohnern Venedigs. Die Gruppe, die sich auf das Erbe der venezianischen Dogen beruft, über Jahrhunderte Herrscher der Serenissima, bereitet eine beträchtliche Erweiterung des Flughafens vor. Sie plant eine U-Bahn, die unter der Lagune hindurch vom Festland nach Venedig führt. Die Pläne sind fertig. Nur eine klitzekleine Kleinigkeit fehlt noch: Die zuständigen Politiker müssen bestochen werden. Diese Aufgabe übernimmt der treue Buchhalter Paolo Salini. Doch als dieser ermordet wird und das Bestechungsgeld verschwindet, übernimmt Commissario Morello den Fall und bringt das lang geplante Projekt in Gefahr. Da beschließen die reichen Männer: Morello muss weg … 
(Verlagsinfo)

1 MP3-CD
Lesung mit Dietmar Wunder
argon

Leigh Bardugo – Das neunte Haus (Alex Stern, Band 1)

Inhalt

Acht mächtige Studenten-Verbindungen beherrschen nicht nur den Campus der Elite-Universität Yale, sondern nehmen seit Generationen Einfluss auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der USA – das neunte Haus jedoch überwacht die Einhaltung der Regeln. Denn die Macht der Verbindungen beruht auf uralter, dunkler Magie: So können die Mitglieder der »Skull & Bones« die Börsenkurse aus den Eingeweiden lebender Opfer vorhersagen, während Haus Aurelian durch Blutmagie Einfluss auf das geschriebene Wort nehmen kann – ebenso hilfreich für Juristen wie für Bestseller-Autoren …

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Markus Heitz – Blutportale (Lesung)

Nicht willkommen: Freifahrschein für einen Höllenfürsten

Saskia führt eigentlich ein ganz normales Leben. Das ändert sich, als sie bei einem Fechtturnier gegen den geheimnisvollen Levantin antritt. Mit seinem Degen fügt er ihr einige tiefe Schnitte zu, die sich schon nach kurzer Zeit von selbst schließen. Saskia ahnt nicht, dass ihr Gegner ein Dämon ist, der seit Jahrhunderten nach ihr sucht. Er will, dass sie für ihn die Blutportale öffnet, durch die er endlich in seine Heimat zurückkehren kann. Doch niemand hat Saskia auf ihr dunkles Talent vorbereitet. Und so stößt sie unbeabsichtigt Türen auf, die nie geöffnet werden sollten … (Verlagsinfo)
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Anaïs Nin – Das Delta der Venus (Lesung)

Einfühlsame Führerin ins Wunderland des Sexus

Ein Kurzroman und vierzehn kürzere Erzählungen bilden eines der besten Erotika der Literatur. „Das Delta der Venus“ ist, wie Henry Miller schrieb, „schamlos und schön“ und beeindruckt noch heute, über sechzig Jahre nach der Entstehung dieser Auftragsarbeiten, mit unverklemmter Darstellung und einem unvoreingenommenen, tiefen, wissenden Blick für Frauen wie auch für Männer.

Das Hörbuch bietet die ungekürzte Lesung des gesamten Textes. Ich habe dies anhand der Knaur-Taschenbuch-Ausgabe nachgeprüft und bestätigt gefunden. Kein einziger Satz wurde weggelassen.

Die Autorin

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[NEWS] Gil Ribeiro – Einsame Entscheidung: Lost in Fuseta. Ein Portugal-Krimi (Leander Lost 5)

Mitte Juni in Fuseta – es sind die letzten idyllischen Tage in dem kleinen Fischerort an der Algarve, bevor die Touristen kommen. Soraia Rosado, Leander Lost und sein Team genießen die Ruhe vor dem Sturm. Doch dann liegt ein englischer Tourist tot in einem Ferienhaus. Und seine portugiesische Begleiterin begibt sich auf die Flucht. (Verlagsinfo)

Lesung, ca 10 Std.
Sprecher: Andreas Pietschmann
argon

[NEWS] Mhairi McFarlane – Fang jetzt bloß nicht an zu lieben

Zwei gebrochene Versprechen, zwei Mitbewohner wie Hund und Katz und ein verrückter Plan.
Obwohl Harriet Hatley die begehrteste Hochzeitsfotografin in Leeds ist, glaubt sie nicht an die Ehe und findet Romantik nur schwer erträglich. Als ihr langjähriger Freund ihr einen Heiratsantrag macht, gerät Harriet in Panik. Kurz darauf ist sie nicht nur Single, sondern braucht auch dringend eine neue Wohnung. Nur deshalb zieht sie bei Cal ein, ohne ihn vorher wenigstens einmal getroffen zu haben – mit einer unangenehmen Überraschung. Dann kommt auch noch Harriets bestgehütetes Geheimnis ans Licht und droht ihr Leben zu zerstören, und ausgerechnet Cals scharfsinniger Humor bewahrt sie vorm Durchdrehen. Doch reicht das, um sich gemeinsam der Vergangenheit zu stellen? (Verlagsinfo)


Ungekürzte Lesung mit Britta Steffenhagen, 11:22 Std.
argon

[NEWS] Angela Sommer-Bodenburg – Der kleine Vampir in der Tanzschule

Anton plagt die Langeweile – aber einen Tanzkurs will er deshalb noch lange nicht machen! Das ändert sich erst, als der kleine Vampir, Anna und Lumpi ihr ausgeprägtes Interesse an Walzerschritten bekunden. Aber können Vampire die Etikette wahren? Auf die ausgelassene Vampirpolka verzichten? Und ist ein Tanzlehrer namens Schwanenhals nicht ziemlich gefährdet…? (Verlagsinfo)


Lesung, 3:27 Std.
Sprecherin: Katharina Thalbach
argon

[NEWS] Veit Etzold – Die Filiale

Die Filiale ist der erste Band von Veit Etzolds großer Thriller-Reihe um Laura Jacobs, die als richtige Frau im falschen Job in einen mörderischen Finanzskandal verwickelt wird.
Laura Jacobs kann es kaum glauben, als sie den Brief ihres Arbeitgebers öffnet: Eben noch hat sie bei einem Banküberfall auf ihre Filiale ein Blutbad verhindert – jetzt hält sie die Kündigung für den Mietvertrag ihres Zuhauses in der Hand! (Verlagsinfo)

Ungekürzte Lesung: 9:13 Std.
Sprecherin: Verena Wolfien
Argon

Val McDermid – Vergeltung (Lesung)

Spannend & blutig: Die Rache des Ausbrechers

Bisher galt dieses Gefängnis als absolut ausbruchsicher. Doch nach zwölf Jahren Haft gelingt Jacko Vance, einem perfiden Mädchenmörder, durch eine raffinierte, lange geplante Täuschung die Flucht. Jacko ist besessen von einem einzigen Gedanken: gnadenlose Vergeltung – an allen, die ihn hinter Schloss und Riegel gebracht haben. Vor allem aber an Carol Jordan und Tony Hill. Und er hat sich etwas Hinterhältigeres als deren Tod ausgedacht: Er will seine Feinde ins Mark treffen, ihnen ihr Liebstes nehmen. Seine ersten Opfer sind Carols Bruder und dessen Frau … (Verlagsinfo)

Die Autorin

Val McDermid – Vergeltung (Lesung) weiterlesen

[NEWS] Andreas Franz und Daniel Holbe – Todesruf (Julia Durant 22)

Weihnachten in Frankfurt. Eine junge Frau verlässt am späten Heiligabend ihre Familie, um ihrer Arbeit nachzugehen. In dieser Nacht zahlen die Freier erfahrungsgemäß besonders gut. Am nächsten Tag findet man ihre Leiche. Sie war im dritten Monat schwanger. Julia Durant und ihr Chef und zukünftiger Ehemann Claus sind zutiefst berührt. Das Schicksal der jungen Frau trifft Julia hart, die eigentlich mit Hochzeitsplanungen beschäftigt ist. Nach ein paar Tagen meldet sich Peter Brandt, Julias Kollege aus Offenbach: Auch hier wurde eine Tote gefunden, ein Callgirl mit betuchter Kundschaft. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den beiden Morden? Handelt es sich womöglich um eine Fehde unter Zuhältern? (Verlagsinfo)

2 MP3-CDs im Digifile
Gekürzte Lesung: ca 10 Std.
Sprecherin: Julia Fischer
Argon

[NEWS] Ildikó von Kürthy – Morgen kann kommen

Abschied und Aufbruch. Worauf noch warten?
Ein zerrissenes Foto bringt die Wahrheit ans Licht. Es ist die Momentaufnahme eines Verrats, der vier Schicksale miteinander verbindet, sie zusammenführt und mit den unbequemen Fragen der Lebensmitte konfrontiert: Loslassen oder Festhalten? Wer bin ich, wenn ich niemandem mehr gefallen will, und wo will ich hin, wenn ich mir von niemandem mehr sagen lasse, wo es langgeht? Ruth flieht mit dem Foto und ihrem viel zu großen Hund in die alte Villa der Großeltern. Dort trifft sie nach Jahren des Schweigens auf ihre Schwester, erkennt die Lüge, die sie entzweit und das Verbrechen, das ihr Leben bestimmt hat. Ruth tritt aus dem Schatten ihrer Vergangenheit. Und das Ende ist eigentlich erst der Anfang. (Verlagsinfo)


Gelesen von Ildikó von Kürthy
Argon

[NEWS] Graham Norton – Heimweh

Sechs junge Leute fahren ans Meer. Auf dem Rückweg ein schrecklicher Unfall: Es sterben ein Paar, das am nächsten Tag heiraten wollte, und eine Brautjungfer; die andere überlebt schwer verletzt. Kaum blessiert sind Martin, der Arztsohn, und Connor, der eigentlich nicht zur Clique gehört. Er saß am Steuer. Der ganze Ort Mullinmore ist wie gelähmt. Und nach dem Prozess wird Connor nach England geschickt. Niemand weiß, dass er noch vor etwas ganz anderem flieht. (Verlagsinfo)

Ungekürzte Lesung auf 1 MP3-CD
Dauer: 8 Std.
Sprecher: Charly Hübner

Argon

Beckett, Simon – Obsession (Lesung)

_Die Entdeckung der Anderen: Grauen und Erotik_

Als seine Frau plötzlich stirbt, ist Ben Murray am Boden zerstört. Allein Sarahs autistischer Sohn Jacob spendet ihm Trost. Aber als er die Schränke der Verblichenen ausräumt, macht Ben eine merkwürdige Entdeckung: Jacob war gar nicht Sarahs Kind, sondern wurde von ihr nach einer Fehlgeburt aus dem Krankenhaus geraubt. Sarahs Hebamme bestätigt dies. Fassungslos macht sich Ben auf die Suche nach Jacobs leiblichen Eltern – doch der Vater ist genauso von Jacob besessen wie Ben selbst …

_Der Autor_

Simon Beckett studierte Anglistik und arbeitet seit 1992 als freier Journalist. Seine Reportagen dienten ihm zum Teil als Grundlage für den Thriller „Die Chemie des Todes“. Insbesondere seine Recherchen auf der so genannten |Body Farm|, dem forensischen Trainingslager des FBI, flossen in diesen Roman mit ein. Beckett lebt mit seiner Frau in Sheffield, wo er 1968 auch geboren wurde.

Weitere Beckett-Romane:

– [Die Chemie des Todes 2355
– [Kalte Asche 4205
– [Leichenblässe 5625

_Der Sprecher_

Johannes Steck, geboren 1966 in Würzburg, ist Absolvent der Schauspielschule Wien. Von 1990 bis 1996 hatte er Engagements an verschiedenen Theatern. Dem breiten Publikum ist er vor allem aus dem TV bekannt. Er spielte in zahlreichen TV-Serien. Steck arbeitet zudem als Radio-, Fernseh- und Synchronsprecher. Er hat schon diverse Hörbücher gelesen.

Regie führte Lutz Schäfer, der auch den Text kürzte, den Ton steuerte Tobias Pfister.

_Handlung_

Erst bringt Ben Murray seinen sechsjährigen Stiefsohn Jacob zu Bett, dann kehrt er in das nunmehr leere Schlafzimmer zurück. Er trauert um seine geliebte Frau Sarah, der vor kurzem beerdigt hat. Sie starb an einem Aneurysma, einem Hirnschlag. Am nächsten Tag holt Tessa, die Frau seines besten Freundes Keith, Jacob ab, um ihn zur Schule für Autisten zu bringen. Jacob ist ein besonderes Kind, das auf besonderer Behandlung besteht. Ben liebt ihn genauso, wie Sarah es getan hat. Umso härter trifft es ihn, als er entdeckt, dass Sarah ein Geheimnis hatte.

Als Ben Sarahs Kleiderschrank und Frisierkommode aufräumt, stößt er auf eine alte Metallkassette. Der Schlüssel findet sich unter Sarahs Schmuck. In der Kassette liegt nicht nur Jacobs Geburtsurkunde, sondern auch ein Stapel Zeitungsausschnitte. Sie bilden eine Serie von Artikeln aus der „Daily Mail“, die Sarah noch nie gelesen hat. Darin ist von einem Baby die Rede, das vor sechs Jahren im März aus einer Geburtsklinik verschwunden ist. Die Serie beginnt mit Jacobs Geburtstag. Ben stockt der Atem. Könnte Jacob gemeint sein? Aber die Rede ist von einem Stephen Cole, Sohn von John und Janet Cole. John sei ein Veteran des Golfkrieges. Die Coles rufen zur Rückgabe ihres Kindes auf, ihre Gesichter sind von Leid verzerrt.

Ben stürzt mit einer Panikattacke aus dem Zimmer. Er ist versucht, die Artikel zu verbrennen. Sarah hat ihm erzählt, Jacob sei der Sohn ihres ersten Freundes Miles. Sie war immer so froh über ihr Kind. Sollte sie es wirklich geraubt haben? Undenkbar! Obwohl kurz vor Jacobs viertem Geburstag Autismus festgestellt wurde, machte Ben Sarah einen Heiratsantrag, den sie annahm. Da ruft Geoffrey an, Sarahs Vater. Er berichtet, dass Jacob eigentlich sechs Wochen zu früh auf die Welt kam, aber bei der Geburt schon ein ordentliches Gewicht auf die Waage brachte: sechs Pfund immerhin.

Um diesen Widerspruch aufzulösen, besucht Ben Jessica, Sarahs Freundin und Hebamme. Er hat kein gutes Verhältnis zu ihr, denn von Anfang gab sie ihm das Gefühl, er habe ihr Sarah weggenommen. Sie liest die „Daily Mail“, bemerkt Ben bestürzt. Die Hebamme mauert zunächst, bevor ihr Widerstand zusammenbricht und sie mit der Wahrheit herausrückt. Sarah erlitt vor sechs Jahren eine Fehlgeburt und war am Boden zerstört. Als Sarah wegging und mit einem anderen glücklich und strahlend zurückkam, hatte sie die Fehlgeburt völlig verdrängt. Was sollte Jessica tun? Sarah in den Wahnsinn treiben? Sie liebte Sarah!

Der Privatdetektiv, den Ben auf Anraten seines Freundes Keith, der Anwalt ist, engagiert hat, findet die leiblichen Eltern Jacobs: Janet Cole starb bei einem Verkehrsunfall, doch John Cole lebt in Tunford, einer kleinen Gemeinde südlichen von London. Cole sei mit Sandra, einer Pub-Bedienung, verheiratet und arbeite auf einem Schrottplatz. Doch Quiley, der Privatdetektiv, hat gründlicher recherchiert, als Ben lieb ist: Er weiß von dem Kindesraub und versucht, Ben subtil zu erpressen.

Ben fährt wenig später zusammen mit Keith nach Tunford, um sich Cole anzusehen, ganz unverbindlich. Es wird ein Desaster. Denn Quiley ist ebenfalls auf dem Schrottplatz, und als sich Ben Cole anschaut, sagt Quiley den entscheidenden Satz: Dies (Ben) ist der Mann, bei dem sich nun Stephen, Coles Sohn, befinde. Cole, der große Ähnlichkeit mit Jacob aufweist, aber als Ex-Soldat durchtrainiert und muskulös ist, geht ohne Vorwarnung auf den vermittelnden Keith los und schlägt ihn k.o. Als Cole festgehalten wird, hetzt er seinen Bullterrier auf Ben und Keith. Sie entkommen mit knapper Not. O Mann! Was für ein Irrer! Keith blutet wie ein Schwein, Ben steht unter Schock.

Drei Monate später hat das Jugendamt Ben seinen Sohn weggenommen und zu den Coles gegeben. Alle Proteste fruchten nichts. Der Gipfel der Ungerechtigkeit ist, dass Ben seinen Stiefsohn nur einmal in vier Wochen sehen darf. Beim ersten Besuchstermin öffnet eine lügnerische Schlampe: Sandra Cole. Das kleine Haus sieht ebenso ungepflegt aus wie der Vor- und der Rückgarten – überall Wrackteile vom Schrottplatz. Cole hetzt den Bullterrier wieder auf Ben, der den Zähnen des Hundes entkommt.

Doch Ben lässt zu seiner eigenen Verwunderung nicht locker. Er liebt seinen Sohn, aber er ist auch besessen von der Idee, ihn zurückhaben zu müssen. Cole ist nicht der richtige Vater für ihn, und diese Schlampe von Bardame erst recht keine Mutter. Daher verfällt Ben auf die Methode, die er als Profi-Fotograf am besten beherrscht: beobachten und fotografieren. Wenn das Jugendamt Beweise haben will, dass das Heim der Coles ungeeignet ist, dann soll es auch welche bekommen.

Aus seinem Versteck am Waldrand hinter dem Haus der Coles macht Ben schon bald Besorgnis erregende und verstörende Entdeckungen. Doch er selbst bleibt auch nicht unentdeckt.

_Mein Eindruck_

Dies ist kein Forensik-Krimi wie „Chemie des Todes“, „Kalte Asche“ und „Leichenblässe“, sondern ein viel früher (1998) entstandener Suspense-Krimi mit Human-Drama-Aspekten. Nicht um die Aufklärung eines Verbrechens geht es, sondern um das Betreuungsrecht für einen autistischen Jungen. Das klingt banaler, als es sich liest. Einen großen Teil der Geschichte macht deshalb die menschliche Seite des Dramas um Jacob alias Stephen aus. Es ist, als würden zwei verschiedene Welten aufeinanderprallen und um Jacob kämpfen.

Es ist dem Leser von vornherein klar, dass die Konfrontation zwischen Ben und Cole nur auf einen Entscheidungskampf hinauslaufen kann. Aber Ben braucht lange Zeit und durchläuft viele Stationen, bis er sich so weit entwickelt hat, dass er den Kampf aufnehmen kann. Er ist nicht nur trauernder Vater, der seine tote Frau nicht verraten will, indem er ihr Vermächtnis – eben Jacob – im Stich lässt. Er ist auch ein Mann, und als solcher für erotische Reize empfänglich.

Es mag peinlich wirken, aber dieser Aspekt wird ganz explizit an Bens Erektionsfähigkeit gemessen. Seit Sarahs Tod kriegt er keinen mehr hoch, und es ist ausgerechnet die sexuell höchst attraktive Sandra Cole, die seinen kleinen Freund wieder zum Leben erweckt. Selbstredend ist dies ein Spiel mit dem Feuer. Aber es erweist sich als notwendig, um dem sturen, gefährlichen John Cole beizukommen.

|John Cole|

John Cole ist neben Ben Murray zweifellos die wichtigste Figur. Kein Wunder, findet der Showdown doch zwischen diesen beiden Vätern statt. Cole ist ein Golfkriegsveteran, der die Erinnerung von den Panzerwracks mit nach Hause genommen hat. Sandra zeigt Ben die entsprechenden Fotos. Cole entwickelte unter dem Einfluss dieser schrecklichen Eindrücke nicht nur eine Besessenheit mit Schrott und Wracks und Unfallopfern – er fährt immer als Erster zu gerade passierten Unfällen auf der Autobahn -, sondern auch eine fixe Idee.

Coles Theorie geht von der Existenz eines „Systems“ aus, in dem alles mit allem anderen verknüpft ist. Das ist zutreffend, denn die Quanten- und Stringtheorien der Physik unterstützen diese Idee, die ansonsten als „Schmetterlingseffekt“ oder „Chaostheorie“ Verbreitung gefunden hat. Da Jacob in Coles eigenem „System“ einen zentralen Baustein darstellt, kann er nicht zulassen, dass man ihn ihm wegnimmt. Sein System würde zusammenbrechen. Dass Jacob alias Stephen ein Autist ist, stellt für Cole nur eine Prüfung seines Glaubens dar: Ist er stark genug, diese Prüfung zu bestehen, oder wird er an dem Frust über Stephens Schweigen zerbrechen?

|Finale|

Wie auch in seinen Forensikthrillern (s. o.) gipfelt der Roman in einem actiongeladenen Finale, das gar nicht recht zu dem Human-Touch-Drama der vorhergehenden Erzählung passen will, die doch stark auf Psychologie Wert gelegt hat. Nachdem John Cole Stephen alias Jacob entführt hat, fährt die Polizei, alarmiert von Ben, schweres Geschütz auf. Eine Hundertschaft umstellt den Schrottplatz, wo sich Cole mit Jacob verschanzt hat. Der Exsoldat hat Todesfallen aufgestellt, und nichts ahnende Cops werden unversehens zu Opfer. Ben sieht nur einen Ausweg: Wenn Cole Ben haben will, den er für den Verursacher all seiner Probleme hält, dann soll er ihn haben. Ben begibt sich in die Höhle des Löwen.

|Der Sprecher|

Johannes Steck legt sich hier wieder richtig ins Zeug. Er versteht es wirklich, die Figuren zum Leben zu erwecken und uns dabei vergessen zu lassen, dass es weder Geräusche noch Musik im Hintergrund gibt. Sein beeindruckendsten Figuren sind die Männer, denn mit seiner Stimmlage fällt es ihm leichter, sie zu porträtieren. Besonders die Figur des John Cole beeindruckt durch die tiefe Tonlage und den bedrohlich kontrollierten Ausdruck. Eher lächerlich wirken der durchtriebene Detektiv Quiley und der schleimige Jugendamtsmitarbeiter Carlyle. Auch der gewandte Anwalt Keith, Bens Freund, tut sich nicht gerade durch Authentizität hervor, sondern wirkt eher windig und listig. Er ist es auch, der Quiley empfiehlt.

Unter den weiblichen Figuren gibt es leider viel weniger Abwechslung. Da ist zum einen Jessica, die abweisende Hebamme, dann die stets bemühte und beflissene Hausfrau und Mutter Tessa, Keiths Ehefrau. Sie spricht in einem sehr hohen Tonfall, den ich Steck überhaupt nicht zugetraut hätte. Auch Bens Assistentin Zoe ist gelungen: stets mürrisch, eine echte Londoner Stadtpflanze. Die Hauptfigur unter den Frauen ist jedoch Sandra Cole, die eine derartige erotische Ausstrahlung vermittelt, dass man um Bens „Jungfräulichkeit“ nur bangen kann.

Hinter diesen markant gezeichneten Figuren tritt der Sprecher zurück, so dass sich der Zuhörer gut unterhalten lassen kann, selbst wenn das erzählte Geschehen noch so erotisch oder grausig ist. Geräusche und Musik würden hier nur stören.

_Unterm Strich_

Der Originaltitel deutet etwas weniger spektakulär als der deutsche Titel an, um was es geht: um den „Besitz“ eines Kindes. Zwei Prinzipien treffen dabei aufeinander: die selbstlose Liebe Ben Murrays einerseits, der das Wohl des Kindes in den Vordergrund stellt, und die selbstsüchtige „Liebe “ John Coles, der Jacob als Baustein seines eigenen Welt-Systems betrachtet und eine Weiterentwicklung des Kindes weder fördert (keine Schule) noch zulässt (er schottet Jacob ab und lässt ihn auf dem Schrottplatz schuften).

Interessant ist dabei das Verhalten des Jugendamtes als Schiedsrichter: Eigentlich soll es dem Kindeswohl dienen, doch es gibt hier schwarze Schafe, die ihr eigenen Süppchen kochen. In einer dramatischen Konferenz kommt alles ans Tageslicht und führt zu einer Krise. John Cole ist unbeweglich in seinem totalen Anspruch auf Jacob. Doch Sandra erweist sich nicht als seine Stütze, sondern steht auf Bens Seite. Das betrachtet er als Hochverrat …

„Obsession“ bedeutet Besessenheit, aber es bleibt dem Leser bzw. Hörer überlassen zu beurteilen, ob diese Besessenheit nicht doch auch etwas Gutes haben könnte. Wenn alles gut ausgeht, kann man immer leicht sagen, dass Ben nur hartnäckig war, es aber Coles Obsession ist, die ihn in Gefahr bringt. Aber es hätte genauso gut Ben sein können, den das Jugendamt wegen seiner „Besessenheit“ bestraft hätte. Eltern dürften sich zweifellos auf Bens Seite stellen wollen, denn Cole ist offensichtlich verrückt. Aber Cole ist auch ein Vater mit entsprechenden Rechten. Vielleicht erzeugt Elternschaft automatisch auch eine Besessenheit, nur dass diese gutartig und notwendig ist: Liebe zu den eigenen Kindern.

|Das Hörbuch|

Johannes Steck versteht es wirklich, die Figuren zum Leben zu erwecken und uns dabei vergessen zu lassen, dass es weder Geräusche noch Musik im Hintergrund gibt. Auch vorm Brüllen und Rufen schreckt er keineswegs zurück. Doch keine Angst: Die Lautstärke bleibt stets im Normalbereich. Diese Lesung ist nicht nur spannend, sondern auch lebhaft und abwechslungsreich.

|Originaltitel: Owning Jacob, 1998
Aus dem Englischen übersetzt von Andree Hesse
472 Minuten auf 6 CDs
ISBN-13: 978-3-86610-618-5|
http://www.simonbeckett.com/German/home.php
http://www.argon-verlag.de
http://www.rowohlt.de

Katzenbach, John – Das Rätsel (Lesung)

Im 51. Bundesstaat: Wild West oder Faschismus?

Eine junge Frau wird grausam ermordet – in einem von der State Security streng überwachten Territorium, das seinen wohlhabenden Bewohnern absolute Sicherheit verspricht. Jeffrey Clayton, Psychologieprofessor und Profiler, soll bei der Aufklärung des geheim gehaltenen Mordes mithelfen. Die Suche nach dem Täter führt Clayton zurück in seine eigene, dunkle Familiengeschichte, zurück zu dem Mord in seiner Nachbarschaft, der sich vor 25 Jahren ereignete. Damals zählte sein Vater zu den Verdächtigen – bis dieser kurz darauf auf mysteriöse Weise ums Leben kam … (Verlagsinfo)

Der Autor

Katzenbach ist der Sohn einer Psychoanalytikerin und des früheren US-Justizministers Nicholas deB. Katzenbach. Er war ursprünglich Gerichtsreporter für den „Miami Herald“ und die „Miami News“ und hat mittlerweile elf Spannungsromane veröffentlicht. Katzenbach ist mit der Journalistik-Professorin und Pulitzer-Preisträgerin Madeleine Blais verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Die Familie lebt im westlichen Massachusetts, USA.

Mehr von John Katzenbach auf |Buchwurm.info|:

[„Das Rätsel“ 4627
[„Der Fotograf“ 4360
[„Das Opfer“ 3414
[„Der Patient“ 2994
[„Die Anstalt“ 2688

Der Sprecher

Simon Jäger, geboren 1972 in Berlin. Seit 1982 arbeitet er als Synchronsprecher bei Film und TV. Er lieh u. a. Josh Hartnett, James Duvall, Balthazar Getty und River Phoenix seine Stimme, aber auch „Grisu dem kleinen Drache“, und war auch in TV-Serien wie „Waltons“, „Emergency Room“ zu hören. Seit 1998 arbeitet er zudem als Autor und Dialogregisseur. (Homepage-Info)

Regie führte Tanja Geke.

Handlung

Susan Clayton entwirft die Rätsel für die lokale Zeitung und bedient sich dabei des Pseudonyms „Mata Hari“, nach der berühmten Spionin. Sie besitzt standesgemäß eine halbautomatische Pistole und ein vollautomatisches Sturmgewehr, das sie in dem Haus, in dem sie mit ihrer Mutter Diana lebt, versteckt hat. Die Zeiten sind hart und rau, denn gewalttätige Jugendbanden beherrschen die Straße. Sogar vor ihrem Bürogebäude bekommt sie bewaffneten Geleitschutz, wenn sie zu ihrem geparkten Auto will.

Heute bekommt Susan einen anonymen Brief, den ersten von dreien: „Die erste Person besitzt das, was die zweite Person versteckt hat.“ Einfaches Rätsel! Lösung: „Ich habe dich gefunden.“ Susan läuft ein Schauder über den Rücken. Denn vor rund 25 Jahren hat ihre Mutter Diana Susan und ihren Bruder Jeffrey geschnappt und ihren gewalttätigen Mann Joseph Mitchell verlassen. Diana nahm als Tarnung den Namen ihrer Großmutter mütterlicherseits an: Clayton. Sie versteckte sich im südlichsten Florida, wo Joseph sie nie vermutet hätte. Wie konnte er sie jetzt nur aufspüren? Susan versucht Jeffrey zu erreichen, doch er scheint verreist zu sein …

Jeffrey Clayton, Professor der Psychologie, bekommt Besuch von einem Agenten der Staatssicherheit. Der Mann nennt sich Robert Martin. Jeff ist keineswegs entzückt, diesen Besucher in seiner Vorlesung über psychopathische Serienmörder zu finden, noch dazu bewaffnet. Der stille Alarm des Metalldetektors an der Tür seines Hörsaals hat Jeff gewarnt und nun zielt Jeff nach der Vorlesung auf ihn. Der Typ bleibt jedoch eiskalt. Er sagt, er gehöre der Regierung des geplanten 51. Bundesstaates an, einem Hochsicherheitsgebiet, das den ganzen Mittleren Westen durchzieht und in dem nur Privilegierte leben dürfen. Und er will Jeffs Mitarbeit an der Aufklärung dreier Mordfälle, die unangenehmerweise in einem Gebiet stattfanden, wo Waffen für Normalbürger streng verboten sind.

Jeff, der zunächst ablehnt, muss einsehen, dass er keine Wahl hat. Denn Martin macht ihm klar: Wenn er ablehnt und die Abstimmung im Kongress über die Einrichtung des 51. Bundesstaates wegen der Publikation der Morde scheitert, dann wird er Jeff die Hölle heiß machen. Und so wie Jeff den Typ Serienmörder kennt, um den es geht, hat der Killer gerade erst angefangen. Die religiöse Motivation ist unverkennbar, denn die jungen Mädchen liegen mit ausgebreiteten Armen da und ihnen wurden Haare als Trophäen abgeschnitten. Nach der postmortalen Vergewaltigung. Und eine davon war eine Studentin Jeffreys. Obendrein: Der Hauptverdächtige ist sein Vater. Bei diesem Argument kapituliert Jeffrey.

Jeff richtet sich in der Hauptstadt New Washington ein. Aber der Auftrag hat auch eine politische Dimension, und deshalb wird er in dem Gespräch mit dem Chef der Staatssicherheit und dessen Stellvertreter zusätzlich noch von einem Regierungsbeamten auf Verschwiegenheit vergattert. Jeff benennt die namenlosen Herrschaften nach drei berühmten Massenmördern. Das tangiert sie nicht; Hauptsache, er macht seinen Job.

Doch schon bald merkt er, dass jemand in sein maximal gesichertes Büro eingedrungen ist. Es kann nur jemand vom autorisierten Personal sein. Sein Vater, den er als Ersten verdächtigt, hat also einen Komplizen, wahrscheinlich eine Ehefrau, die er als Tarnung benutzt und die entsprechende Zugangsberechtigungen besitzt. Jeff ist also nirgendwo sicher.

Als er Susan endlich am Telefon erreicht, erfährt er, dass sein Vater seine krebskranke Mutter und seine Schwester bedroht hat. Daher lässt er sie umgehend zu sich kommen. Zusammen ziehen sie in ein Haus der Staatsregierung. Doch er hat nicht damit gerechnet, dass seine Familie der ideale Lockvogel für den Mörder in New Washington darstellt. Er erkennt ein wenig spät, dass es Agent Robert Martin von Anfang an darauf angelegt hat, den Mörder in dieser Falle zu fangen. Mit den Claytons als Köder.

Mein Eindruck

Wie man sicher schon gemerkt hat, gibt es den hier vorgestellten 51. Bundesstaat mit seiner Hochsicherheitspolitik (noch) nicht. Denn es handelt sich nicht um einen Zukunftsroman im klassischen Sinne, sondern um eine Spekulation, wie sie jedem frei erfindenden Schriftsteller erlaubt ist. Erzählen bedeutet schließlich stets auch Erfinden, Erdichten.

Diese spekulative Wirklichkeit erscheint zunächst denkbar erschreckend, wenn sie auch in dieser Hinsicht wesentlich hinter anderen Schreckensvisionen der sogenannten Science-Fiction zurückbleibt. Wie Susans Beispiel zeigt, kann man auch in den von Jugendbanden beherrschten Straßen leben, wenn auch nur schwer bewaffnet. Diesen Zustand haben gewisse Viertel von US-amerikanischen und lateinamerikanischen Metropolen schon längst erreicht, so dass es für den Autor anno 1998 kein großer Gedankensprung war, sich diese Zukunft vorzustellen.

Doch wie sieht es nun im Paradies aus, das totalen Schutz bietet? Um totale Freiheit von Gewalt zu erlangen, müssen die Bürger, die sich hier niederlassen wollen, etlicher ihrer Freiheiten entsagen. Es ist ein wenig wie in China unter der Kulturrevolution oder in einem faschistischen oder stalinistischen System. Jeder wird maximal registriert und reglementiert. Fehlt nur noch die Heirats- und Kindergenehmigung, aber darüber lässt sich der Autor leider nicht aus. Jeffrey, der liberale Ami, nennt den Staatssicherheitsdienst, dem Bob Martin angehört, jedenfalls „SS“, und damit liegt er nicht weit von der Wahrheit entfernt (die echte SS verstand sich als Eliteorden, und davon kann bei Martin keine Rede sein).

Und dennoch kommen mir all die Sicherheitseinrichtungen, die sich der Autor hier ausmalt, wie Pippifax vor im Vergleich zu dem, was heute, nach dem 11. September, der Fall ist. Eine Vision à la Orwells [„1984“ 1373 lag aber auch gar nicht in der Absicht der Autors, denn schließlich will er mit einer Thrillerhandlung unterhalten. Nach Vorstellung des Polizeistaates wendet er sich der Familie Clayton alias Mitchell zu. Im letzten Drittel gerät das Buch deshalb schier zu einem Familiendrama.

Auftritt Joseph Mitchell, Jeffs Vater. Er ist ein psychopathischer Killer, so viel ist auch Jeff klargeworden. Doch interessanterweise betrachtet sich Mitchell keineswegs als durchgeknallt, sondern vielmehr als Freiheitskämpfer, quasi als Ein-Familien-Guerilla, zusammen mit Frau und Sohn. Und er bekämpft den Polizeistaat auf dessen Territorium da, wo es meisten wehtut: in puncto Sicherheit. Die Abstimmung im Kongress, bei welcher der 51. Staat gegründet werden soll, droht wirklich auf der Kippe zu stehen, wenn die Morde Mitchells publik werden.

Es sind nicht irgendwelche Opfer, die er sich aussucht, sondern junge Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren, Marke „All American Girl“ und Cheerleader, sozusagen der ganze Stolz und die Hoffnung ihrer behütenden Eltern. Wenn es der Polizeistaat nicht einmal schafft, diese künftigen Mütter stolzer Söhne des Vaterlandes zu beschützen, wer dann? Moralisch gesehen ist der Polizeistaat im Recht, sich zu wehren, aber in der fiktiven Wirklichkeit tritt Robert Martin als dessen Vertreter um keinen Deut moralischer auf als der Killer selbst. Das ist die eigentliche Kritik des Autor am Polizeistaat.

Der Showdown ist dann thematisch gesehen nur noch eine notwendige Fußnote. Aber man möchte sie in einem Thriller auf keinen Fall missen. Wie sich zeigt, ist das Warten auf dieses packende Finale die Mühe wert. Es geht nicht nur um das Töten Mitchells, sondern auch um die Rettung seines jüngsten Opfers aus seinem Folterkeller. Und wie sich herausstellt, fällt dabei Diana, Mitchells todkranker Exfrau, eine besondere Aufgabe zu: die der Nemesis, deren moralische Berechtigung keiner infrage stellen kann.

Der Sprecher

Simon Jäger, die deutsche Stimme von Heath Ledger und Josh Hartnett, ist ein sehr fähiger Sprecher für diesen gruseligen Text. Er lässt sich jede Menge Zeit, spricht deutlich und kitzelt die unterschwelligen Bedeutungen des Textes hervor. So entsteht ein deutliches Bild der Vorgänge.

Indem er die Figuren mit einer individuellen Ausdrecksweise und Stimmhöhe ausstattet, macht er sie leicht erkennbar. Doch erst in emotionalen Situationen erwachen sie zum Leben, wenn der Sprecher sie rufen, klagen und brüllen lässt. Simon Jägers Vortragsweise ist zwar nicht so emotional wie die von Johannes Steck, doch viel fehlt nicht mehr.

Und ab und zu macht er sich auch mal einen Spaß und lässt einen Professor nuscheln oder jemand anderen lispeln. Zum Kichern fand ich die doofe Sekretärin im Polizeiministerium, die Jeff so bereitwillig Auskunft erteilt. Andere mögen dies klischeehaft nennen, doch dieser ganze Roman strotzt nur so vor Klischees, wozu also noch ein weiteres beklagen?

Unterm Strich

Als der Autor seinen Thriller im Jahr 1998 veröffentlichte, mag er gedacht haben, seine Schreckensvision eines Polizeistaates auf US-amerikanischem Boden sei abschreckend. Seit dem 11. September 2001 ist sein Szenario jedoch von den Ereignissen rasch überholt worden. Tatsächlich sind die gesamten USA heute ein 51. Bundestaat und nicht nur die Behörden bis an die Zähne bewaffnet. Insbesondere Muslime dürfen sich heute glücklich schätzen, überhaupt im Land bleiben zu dürfen – oder hineingelassen zu werden. Der Patriot Act sorgte für die maximale Bespitzelung und die Wahl Barack Obamas für die maximale Individualbewaffnung.

Katzenbach wollte mit seinem Thrillerszenario wahrscheinlich abschrecken. Denn unsere Sympathien gelten sofort Jeffrey Clayton, der ja den Polizeistaat und die Staatssicherheitspolizei Robert Martins als faschistisch ablehnt. Und tatsächlich legt Martin genauso wenig Skrupel an den Tag, Bürger wie die Claytons als Köder zu benutzen, wie bei der Jagd auf den eigentlichen Killer. Die Obrigkeit und ihre Vertreter legen also keine höhere Moral als Verbrecher an den Tag. Das reicht, um die Kritik vernichtend werden zu lassen. Doch angesichts heutiger Bedrohungen hat der Patriot dieses Szenario als veraltet erscheinen lassen: Die Behörden in den USA gehen noch weiter als Robert Martin. Siehe Guantanamo.

Und was die Individualbewaffnung anbelangt, so wird sie in Katzenbachs Thriller in jeder Hinsicht gerechtfertigt, weil nur mit entsprechenden Waffen die Familienmitglieder ihren Showdown erfolgreich ausfechten können. Ob dieser Aspekt so vorbildlich ist, möchte ich jedoch stark bezweifeln. Wer die Wahl zwischen Wild West und Faschismus hat, würde wohl am liebsten auswandern.

Das Hörbuch

Simon Jägers Vortrag ist lebhaft und emotional, er kann die Figuren in den emotionalen Szenen wirklich zum Leben erwecken. Dass es weder Geräusche noch Musik gibt, finde ich weniger schön, aber wahrscheinlich würden sie bloß stören.

Audio: 399 Minuten
Originaltitel: State of Mind
Aus dem Englischen von Anke Kreutzer
ISBN-13: 9783866104518

www.argon-verlag.de

Hoffman, Jilliane – Vater unser (Lesung)

_Bin ich ein Monster oder bloß unzurechnungsfähig?_

Mord in Miami. Der Täter: Der angesehene Chirurg Dr. David Marquette. Die Opfer: seine Frau und seine drei kleinen Kinder. Ist der Familienvater psychisch krank – oder hat er kaltblütig gemordet? Ist er womöglich ein lang gesuchter Serienkiller? Staatsanwältin Julia Valentine will die Wahrheit herausfinden, gegen alle Widerstände. Und die lauern auch in ihrer eigenen Vergangenheit … (Verlagsinfo)

_Handlung_

In der Notrufzentrale von Coral Gables bei Miami nimmt Georgia Adams den Hörer ab. „Helfen Sie uns bitte!“, fleht die Stimme eines Mädchens sie an. „Er kommt zurück.“ Dann Stille. Georgia hat die Nummer gespeichert und ruft zurück – vergeblich. Sie schickt die Polizei zu der Adresse von Dr. David Marquette. Als Pete Colonna vor dem bezeichneten Haus steht, sieht alles in Ordnung aus: eine herrschaftliche Villa. Aber auf seine Rufe antwortet niemand. Nach fünf Minuten bricht er ein, und die Alarmanlage geht los. Als er und Sergeant Deamus in den ersten Stock gehen, entdecken sie schließlich die Blutspritzer auf dem Teppichboden – und dann die Leichen … Colonna erleidet einen Nervenzusammenbruch.

|Julia|

Staatsanwältin Julia Valentiano wird am Montag ins Büro von Charlie Rifkin gerufen, den Bezirksstaatsanwalt von Dade County, Miami, zuständig für Kapitalverbrechen. Dessen Stellvertreter, Julias Lover Ricardo Bellido ist schon da. Sie berichten ihr von dem, was Pete Colonna vorfand: David Marquettes Frau Jennifer und ihre drei kleinen Kinder wurden ermordet und Dr. Marquette selbst so schwer verletzt, dass er nun auf der Intensivstation liegt.

Bellido, der für den Fall zuständig ist, hält Marquette für den Tatverdächtigen. Julia soll helfen, ihn festzunageln und vor Gericht zu stellen. Sie ist verblüfft. Während er einerseits ihre Leistungen lobt, sie andererseits unter Zeitdruck setzt, verteidigt er seine Wahl gegenüber Rifkin. Julia will sich diese Chance, ihre Karriere zu fördern, nicht entgehen lassen und sagt zu.

Am Tatort hält Kommissar Steve Bryll Julia für eine Praktikantin – sehr erbaulich! Die Tatorte im ersten Stock jagen Julia das kalte Grauen ein und sie kommt sich vor wie in einem Horrorfilm. Jennifer Marquette wurde erst mit einem stumpfen Gegenstand niedergeschlagen und dann mit 32 Stichen getötet. Zwischen zwei und 4:30 Uhr in der Nacht. Eigentlich hätte Dr. Marquette auf einem Ärztekongress in Orlando sein sollen; warum war er zu Hause? Detective John Laterino hat jede Menge offener Fragen und sät Zweifel. Dann die toten Kinder …

Julia wird es speiübel und muss eine Pause machen. John Laterino begründet seinen Verdacht gegen Dr. Marquette vor allem damit, dass es keinerlei Einbruchsspuren gibt. Die Alarmanlage war aktiviert. Marquette wurde in der Badewanne gefunden, mit zahlreichen Stichwunden. Ein Selbstmordversuch, meint John Laterino. Schon bald sind er und Julia per Du.

|Festnahme|

Kurz nachdem David Marquette auf der Intensivstation aufgewacht ist, veranlassen seine Eltern alles Nötige, um ihn in ein Krankenhaus in Chicago verlegen zu lassen. Das muss unbedingt verhindert werden, befiehlt Bellido. Julia reicht einen Antrag ein, Marquette festzunehmen, und Richter Irving Katz veranlasst alles Nötige. Sein Anwalt Mel Levinson legt vergeblich Beschwerde ein. Marquette wird in eine geschlossene Klinik verlegt.

Julia hat 180 Tage Zeit, um ihn rechtskräftig vor Gericht zu stellen und verurteilen zu lassen. Schnell sind 20 davon verstrichen. Besuche bei Marquette bringen nichts: Er ist apathisch, nicht ansprechbar. Auf Druck von Marquettes Vaters, eines Neurologen, beantragt Verteidiger Levinson, Marquette als unzurechnungsfähig anzusehen und ihn als schuldunfähig freizusprechen. Allerdings gilt in Florida: Alle sind als geistig gesund anzusehen, es sei denn, das Gegenteil kann bewiesen werden und der Täter nicht zwischen Gut und Böse unterscheiden kann. Levinson behauptet, Marquette sei schizophren. Er sei bereits in Chicago in der Psychiatrie gewesen.

Bellido veranlasst, dass Laterino und Bryll Beweise für das Gegenteil herbeischaffen. Er selbst könnte zum nächsten Generalstaatsanwalt von Florida gewählt werden und muss diesen Fall gewinnen. Außerdem müssen Levinson und Julia entsprechende Gutachter aussuchen. Bellido will Christian Barracat für diese Aufgabe.

|Schatten der Vergangenheit|

In Julia kommen zunehmend ihr Zweifel an Marquettes Schuldfähigkeit – und ob dieser Fall das Richtige für sie ist. Ihre Pflegeeltern, die sie großgezogen haben, raten ihr dringend ab. Aber sie schweigen hartnäckig darüber, wer am Tod ihrer Eltern schuld ist ist. War es wirklich ihr Bruder Andrew, der sie umbrachte? Und wo lebt er jetzt? Bei ihrer Ermittlung in der Vergangenheit ihrer Familie stößt Julia auf ein finsteres Geheimnis: Ihr Vater war schizophren, ihr Bruder ist es auch – und sie fühlt sich in letzter Zeit auch nicht so gut …

_Mein Eindruck_

Jeder Justizthriller funktioniert auf zwei Ebenen: auf der der juristischen Ermittlung und dem Prozess sowie auf der menschlichen Ebene. Letztere beeinflusst den Verlauf des Prozesses und seiner Vorbereitung und das ist auch der Fall bei Julia Valentiano. Ihre Haltung gegenüber David Marquette wandelt sich, erschüttert von der Begegnung mit ihrem Bruder, von Ablehnung hin zu Verständnis. Damit verrät sie allerdings die knallharte, karriereorientierte Haltung von Ricardo Bellido und seinem Chef Charlie Rifkin. Als sie ihren eigenen (!) Gutachter in eine Falle tappen lässt, so dass er offenbart, dass letzten Endes sein Urteil rein auf Instinkt basiert, führt dies nicht nur zum Skandal, sondern auch folgerichtig zu ihrem Rauswurf. Seis drum – sie hat ja Johnny Laterino und dessen Liebe.

Was ist ein Monster, fragt uns die Autorin und lässt verschiedene Stichwortgeber zu Wort kommen. Ein Monster ist ein Serienmörder, der im Bewusstsein seiner Schuld Menschen tötet. Ein Monster ist aber auch ein Simulant, der so tut, als wäre er unzurechnungsfähig, um zu vermeiden, als Mörder verurteilt zu werden. Doch der Verlauf des Prozesses zeigt deutlich, dass sich ebenso schuldig macht, wer einen Unschuldigen bzw. Unzurechnungsfähigen zum Tode verurteilt.

|Wechsel des Standpunktes|

Der Weg von Vorverurteilung hin zu Verständnis und Freispruch ist lang. Die Gesellschaft muss ihn ebenso gehen wie Julia Valentiano, die B-Staatsanwältin. Sie ist selbst betroffen von der Krankheit und hat einen psychotischen Schub, der einer möglichen Schizophrenie vorausgehen kann. Wunderbar und beängstigend ist ihr Gefühl der Dissoziation mitten im Gerichtssaal, wenn alle um sie herum unwirklich erscheinen. Wahrlich ein Moment von dickschen Dimensionen.

Sie selbst kann dem Eindruck dieser Scheinwirklichkeit nicht standhalten. Scheinwirklich deshalb, weil ihr Lover Bellido sie mit ihrer Chefin betrügt – sie hats genau gehört. Nicht sie hat Bellido verraten, indem sie seinen Gutachter bloßstellte, sondern zuvor Bellido sie, indem er sie betrog. Wie so oft, spielen grundlegende Loyalitäten wie Treue und Ehrlichkeiten eine ausschlaggebende Rolle im amerikanischen Thriller.

|Hochgeschlafen?|

Hat sich Julia hochgeschlafen, um ihren Job zu bekommen, fragt man sich wiederholt, wenn man merkt, wie abhängig sie von ihrem Lover und Mentor Ricardo Bellido ist. Andersherum könnte man allerdings fragen, ob sie eine Chance hatte, seinen Nachstellungen zu entgehen, wenn sie doch nur die B-Staatsanwältin ist und er der kommende Generalstaatsanwalt. Jedenfalls keine, wenn sie ihren Job behalten wollte.

So läuft es doch eigentlich überall in der Wirtschaft – aber auch in der Justiz? Die US-Justiz funktioniert anders als die hierzulande: Dort werden Anklagevertreter des Staates und seiner Organe gewählt, als wären sie Politiker. Folglich ist auch der Druck, unabhängig zu bleiben oder Loyalität zu beweisen, ungleich höher als in einem Rechtswesen, das von den organen der Politik auch gesetzlich unabhängig gemacht worden ist.

|Offene Fragen|

Natürlich muss die menschliche Ebene des Romans auch die Gefühle des Lesers erreichen und wecken. Dafür ist der erfahrenen Autorin praktisch jedes Mittel recht. Allein die Tatortszenen sind der pure Horror. Die junge Staatsanwältin Julia, die an unserer Stelle alles aufnimmt, ist entsprechend niedergeschmettert. Die Vorverurteilung des Täters kann beginnen. Aber hat man mit Dr. Marquette wirklich den Richtigen erwischt? Am Schluss wird klar: Selbst wenn er der Täter gewesen sein sollte, so kann man ihn nicht dafür verurteilen – er ist ein Opfer seiner Krankheit.

Die Autorin sät mehrmals Zweifel an Marquettes Täterschaft. Ja, sie geht sogar soweit, Julia einen anonymen Anruf entgegennehmen zu lassen, bei dem der Unbekannte sagt, Marquette sei es nicht gewesen. Das einzige Detail, dass uns an einem dritten Mann zweifeln lässt, ist die eingeschaltete aber nicht von außen ausgelöste Alarmanlage. Dieses Detail hat mich mehrfach verwirrt. Ein Einbrecher hätte sie auslösen müssen. Es sei denn, Marquette ist der Täter. Er wäre heimgekehrt und hätte sie eingeschaltet. Erst die Cops lösten sie aus. Vielleicht wird dieses Detail in der ungekürzten Fassung besser erklärt.

Auch die Rückblenden, in denen Julia über ihre Vergangenheit nachdenkt, werfen Fragen auf. Wenn Andrew, ihr Bruder, aus der geschlossenen Anstalt entlassen und nach seiner „Heilung“ in ein offenes Apartment ziehen darf, warum bringt er sich dann dennoch um? Müsste er sich nicht über seine Freiheit freuen? Die Antwort wird angedeutet: Sein Schuldbewusstsein, ausgelöst von Julia, überwältigte ihn.

_Die Sprecherin_

Andrea Sawatzki, Jahrgang 1963, reizen extreme Figuren, ihr Spiel kann in Sekundenschnelle von zarter Verlorenheit zu handfester Vitalität überspringen (FAZ). Für ihre Darstellung der „Tatort“-Kommissarin Charlotte Sänger wurde sie u. a. mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. (Verlagsinfo) Sie spielte u.a. in Oliver Hirschbiegels „Das Experiment“ neben Moritz Bleibtreu sehr eindrucksvoll die Rolle einer Verhaltensforscherin, die vergewaltigt wird. Diese Szene wird in TV-Ausstrahlungen stets unterdrückt. Der ganze Film geht an die Nieren, aber diese Szene besonders.

Andrea Sawatzki ist zwar keine große Stimmkünstlerin, aber ihr gelingt der fast fehlerlose und recht flotte Vortrag dieses vielschichtigen Textes auf eine Weise, die das Verstehen einigermaßen leicht macht. Durchweg konnte ich die tiefere Tonlage für die männlichen Figuren leicht heraushören, wohingegen die weiblichen Figuren fast alle ziemlich gleich klingen. Das wirkt auf die Dauer ein wenig monoton.

Deshalb war es unabdingbar, dass die Sprecherin jeder Figur eine eigene Sprech- und Ausdrucksweise zugewiesen hat. So ist etwa Pamela, die Unterschichtenfrau, die von ihrem Männe geschlägen wird, unschwer als genervte Mutter und Gattin erkennbar. Sie wehrt sich erst lautstark gegen Julias Einmischung, kehrt dann aber reumütig zu ihr zurück.

Die Sprecherin legt anders als Sprecherinnen wie Franziska Pigulla wenig Wert auf Sentimentalitäten oder den Ausdruck von Kurzatmigkeit, häufiges Seufzen und dergleichen. Es ist ihr wichtiger, eine Figur durch die eigentümliche Sprechweise zu charakterisieren. In diesen Charakterisierungen erweist sich die Routiniertheit der Sprecherin, die hierbei offenbar auf ihre Schauspielausbildung zurückgreift.

Da das Hörbuch weder Musik noch Geräusche aufweist, brauche ich darüber kein Wort zu verlieren.

_Die Autorin_

Jilliane Hoffman war bis 1996 stellvertretende Staatsanwältin in Miami, bevor sie begann, für das Florida Department of Law Enforcement (FDLE) zu arbeiten. Sie schulte Special Agents in Zivil- und Strafrecht und war an vorderster Front an den Ermittlungen gegen den Mörder des Mödeschöpfers Gianni Versace beteiligt.

Heute lebt sie als Schriftstellerin mit ihrem Mann und ihren Kindern in Fort Lauderdale. „Cupido“ war ihr erster Roman. Noch bevor das Buch erschienen war, hatte das Filmstudio Warner bereits die Filmrechte für 3,5 Mio. Dollar gekauft. (Verlagsinfo) „Morpheus“ ist die Fortsetzung.

_Das Hörbuch_

Andrea Sawatzki trägt kompetent und gut verständlich vor. Mit der individuellen Charakterisierung der Figuren trägt sie zur Spannung und Unterhaltung bei. Insbesondere John Laterino hat mir gut gefallen, wohingegen Julia immer als schwache Frau dargestellt wird – obwohl das gar nicht stimmt, wie sich am Schluss zeigt.

Mir war die Geschichte an manchen Stellen zu rührselig, aber der zweck dieser Sentiments ist, wie oben gesagt, die Anrührung des Hörers, damit er überhaupt bereit ist, seinen eigenen Standpunkt zu überdenken.

Die Lesefassung ist gekürzt. Regie führte Frank Bruder.

_Unterm Strich_

Diesmal erzählt Jilliane Hoffman eine ganz andere Geschichte als in „Cupido“ und „Morpheus“. Dass es diesmal keine richtige Ermittlung durch die Hauptfigur gibt, daran muss sich der Leser bzw. Hörer erst einmal gewöhnen. Diese Schwerpunktverschiebung ist aber notwendig, um das eigentliche Anliegen der Autorin vertreten und zur Geltung bringen zu können: die Relativierung der Einstellung gegenüber Geisteskranken.

Schizophrene sind für sie keine „Monster“, sondern selbst Opfer ihrer Krankheit, selbst wenn diese Leute unsägliches Leid über ihre Mitmenschen bringen. Geschickt versteht es die Autorin, den zweifel an Marquettes Schuldfähigkeit bis zum Schluss aufrechtzuerhalten. Wir erinnern uns allzu gut an Kevin Spacey in David Finchers „SEVEN“, von dem man auch nicht recht weiß, ob er durchgeknallt oder ein durchtriebenes Monster ist.

Das ist die Schwäche des ganzen Konzepts: Der Leser ist schon zu sehr durch solche Filme vorbelastet. Die Autorin muss ihre Hauptfigur deshalb selbst fast verrückt werden lassen, um deutlich machen, was Psychose überhaupt bedeutet – und dass es jeden treffen kann. Deshalb, so die Aussage, darf keiner auf den anderen zeigen und sagen, der sei ein Monster. Der Finger könnte zurück zeigen.

|Gekürzte Lesung auf 6 Audio-CDs mit 396 Minuten Spieldauer
Originaltitel: Plea of insanity (2006)
Aus dem US-Englischen übersetzt von Nina Scheweling und Sophie Zeitz
ISBN-13: 978-3866101685|

_Jilliane Hoffman bei |Buchwurm.info|:_
[„Cupido“ (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=699
[„Morpheus“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1779

Katzenbach, John – Rache, Die (Lesung)

_Der Banker als Bankräuber: Lebenslüge adieu!_

Megan und Duncan Richards haben Karriere gemacht und sich in ihrem bürgerlichen Wohlstand bequem eingerichtet – aber das war nicht immer so: Als naive Weltverbesserer hatten sie sich in ihrer Studentenzeit einer radikalen Gruppe angeschlossen und bei dem Überfall auf einen Geldtransporter mitgemacht. Doch nur Olivia Barrow, die Rädelsführerin, war dafür ins Gefängnis gewandert. Nun wird sie aus der haft entlassen und hat sich geschworen, an den Verrätern von damals blutige Rache zu nehmen … (abgewandelte Verlagsinfo)

_Handlung_

Megan und Duncan Richards haben sich 1986 fein eingerichtet in ihrem bürgerlichen Leben an der Ostküste der USA. Er ist Bankmanager, Sie Immobilienmaklerin. Und eigentlich wollten sie ihren gemeinsamen Abend dieses erfolgreichen Tages – sie ist wieder ein Haus losgeworden – zusammen mit ihren Kindern verbringen. Doch es gibt eine kleine Störung. Opa Tom Pearson sollte Tommy von der Schule abholen und ihn schnurstracks zu Megan nach Hause bringen – aber er ist bereits eine Stunde überfällig. Duncan beruhigt sie erst am Telefon, doch dann bekommt er selbst einen unangenehmen Anruf – von einer Stimme aus der Vergangenheit. Tommy und Opa seien als Geiseln entführt worden …

|Rückblende aufs Jahr 1968|

Megan und Duncan sind noch nicht miteinander verheiratet, aber schon zusammen, als sie beide bei einer Art Stadtguerilla und politischen Rebellengruppe an der Westküste mitmachen. Die Anführerin Olivia Barrow schwört die kleine Gruppe aus Männern und Frauen, Weißen und Schwarzen auf den Kampf gegen das Establishment ein, angeblich im Namen der Gerechtigkeit.

Doch wie gerecht kann ein Banküberfall schon sein, fragt sich zweifelnd Megan, die wirklich die Hosen voll hat. Und dass ihr wegen ihrer neu entdeckten Schwangerschaft morgens stets übel wird, trägt auch nicht gerade zu ihrem Kampfeseifer bei. Kurz bevor die Gruppe zum Überfall ausrückt, offenbart sie Duncan ihren Zustand. Er ist zum Glück höchst erfreut über die Aussicht, Vater zu werden. Doch nun kommen auch ihm Bedenken: Was, wenn dieses Unternehmen schiefläuft? Was wird dann aus Megan und dem Baby?

Der Überfall auf die Bank, den Olivia angeblich fein säuberlich ausgetüftelt haben will, gerät zum Fiasko. Nicht nur, dass der eine Wachmann des Dow-Chemical-Geldtransportes sofort Lunte riecht, bringt den Ablauf durcheinander, nein, auch einer der Wachleute innerhalb der Bank feuert aus allen Rohren. Olivias Geliebte bricht im Kugelhagel zusammen, was Olivia aus dem Konzept bringt. Es gibt weitere Tote in und vor der Bank. Duncan soll den Fahrer beim Rückzug spielen, doch als er merkt, dass die Sache schiefläuft und bereits die Sirenen der Polizeiautos nahen, gibt er die Sache auf und überlässt Olivia sich selbst. Kurz darauf nimmt er Megan mit, gemeinsam und unerkannt machen sie sich aus dem Staub. Bis heute dieser Anruf gekommen ist …

|Gegenwart (1986)|

Richter Tom Pearson und sein Enkel Tommy sitzen im Auto ihrer Entführer. Es sind drei: Olivia Barrow, die freigelassene Exterroristin, ihr Liebhaber Bill Lewis sowie Ramón, ein Helfer. Olivia ist interessanterweise die Anführerin. Sie lässt die beiden Geiseln in eine Dachkammer sperren, ie sich in einem alten Haus am Waldrand befindet. Dann setzt sie mit ihren zwei Helfern ihren Plan in die Tat um.

Duncan Richards sieht sich konsterniert Olivias Forderung gegenüber, die sie persönlich in seinem Büro überbringt: Er soll seine eigene Bank ausrauben! Erst dann bekommt er die beiden Geiseln lebend wieder zu sehen. Duncan bleibt nichts anderes übrig, als auf Olivias Forderung einzugehen. Er fühlt sich ihr gegenüber auch ein wenig schuldig. Zu Megan erwähnt er von dieser Aufgabe kein Sterbenswörtchen.

Doch die Kidnapper lassen die Familie Richards keineswegs in Ruhe, sondern üben eine Art Psychoterror aus. Als auch noch Ramón ins Haus einbricht, bringt dies für Megan das Fass zum Überlaufen. Sie ergreift Maßnahmen, um das Versteck der Entführer ausfindig zu machen. Nach einer Weile wird sie fündig und spioniert die Hütte am Waldrand aus. Olivia hat sich Opas Auto als letzten Fluchtweg beiseite gestellt. Sie hat offenbar ihre eigenen Pläne – ohne die beiden Kerle.

Während Duncan seine eigene Bank ausraubt, haben die beiden entführten Tommys in der Dachkammer Todesängste auszustehen. Während sich Richter Pearson bereits an die Arbeit macht, um sich durch die morschen Wandbretter zu graben, erholt sich sein Enkel von einer Panikattacke. Allerdings macht Olivia weiterhin Terror. Nicht mehr lange, wenn es nach Richter Pearson geht.

Als Duncan das geraubte Geld übergeben will, zickt Olivia so lange herum, bis er gründlich gedemütigt ist. Doch dies ist nicht das Ende seiner Qualen: Sie kündigt an, ihn fortan jedes Jahr heimsuchen zu wollen, wie ein Vampir, der ihn aussaugt, bis von seinem Familienglück nichts mehr übriggeblieben ist. Da platzt auch beim ängstlichen Duncan die Hutschnur.

Zusammen mit Megan und den beiden Zwillingen Karen und Lauren staffieren sie sich für ein Überfallkommando aus, um im Morgengrauen die Geiseln zu befreien.

_Mein Eindruck_

Wie schon in „Das Rätsel“ endet die Geschichte mit einem bleigeladenen, explosiven Showdown. Und mir drängt sich der Verdacht auf, der Autor habe seine frühen Romane, wie „Die Rache“, nur deshalb geschrieben, um einen actiongeladenen Showdown inszenieren zu können. Eine Art Western der Gegenwart sozusagen.

Zum Western gibt es allerdings einen gravierenden Unterschied, nämlich die Gegenüberstellung zweier Zeitebenen: hier 1986, dort 1968. Die Figuren erzählen es immer wieder: 1968 herrschte in den USA der Ausnahmezustand. Mit Robert Kennedy und Martin Luther King waren zwei Führer der Landes ermordet worden. 1963 wurde John F. Kennedy getötet und 1966 Malcolm X. Kein Wunder also, dass sich auf der einen Seite Paranoia entwickelte und sich eine Gegenkultur bildete, die das kriegsführende „System“ nicht bloß unterminieren, sondern auch erschüttern und schließlich beseitigen wollte.

An der Westküste trieben die „Weathermen“ ihr terroristisches Unwesen, und so erscheinen Olivia Barrows Kämpfer durchaus plausibel. Sie wollen eine Bank ausrauben, um geld für Waffen zu beschaffen – und um Dow Chemical zu schädigen. Sie hätten sich, wie die RAF in Deutschland, kein schlechteres Ziel aussuchen können.

Das Jahr 1986 liegt mitten in der Amtszeit Ronald Reagan, als der Kapitalismus fröhlich gedieh und „der militärisch-industrielle Komplex“ (Eisenhower) blendende Geschäfte machte. Die Wirtschaft blühte, und die Bank verdienten fleißig am verliehenen Geld. Erst 1987 kam dann der erste Warnschuss in Form eines Börsencrash. 1986 ist also noch alles in bester Ordnung. Bis sich für die Richards die Nemesis wieder erhebt und zuschlägt.

Das Witzigste an Olivia Barrows Plan ist wohl, dass sie den Banker Duncan zwingt, zum Bankräuber zu werden. Dadurch wird Duncan wieder zu dem gemacht, was er schon 1968 sein sollte. Doch diesmal macht er alles viel besser, nach seinem eigenen System. Und dieses System sieht vor, alles nach dem Einbruch eines Dritten aussehen zu lassen. Seine Raffinesse und Umsicht ist dabei sehr zu bewundern. Erstaunlich, welche kriminelle Energie immer noch im alten, gemütlichen Duncan steckt, würde Olivia jetzt lästern. Mittlerweile wissen wir ja nach 2008, dass auch viele andere Banker kriminelle Energie entwickelten. Diese war allerdings systemimmanent aktiv, siehe Bob Madoff. Gesprengte Tresortüren würden dabei in die Kategorie „Grober Unfug“ fallen.

Der Showdown ist eine Umkehrung des Überfalls von 1968: Der Schatz besteht in den beiden Entführten, und die Richards-Familie setzt alles daran, sich diesen Schatz zu holen. Selbst Megan muss eine Knarre nehmen, ebenso die beiden 18-jährigen (und somit wohl volljährigen) Zwillinge. Als sich die beiden Mädels ihrem Erzfeind Olivia Barrow gegenübersehen, schlägt die Phantasie des Autors allerdings über die Stränge: Sie sollen sich an ihre Zeit im Mutterleib erinnern und so den Erzfeind erkennen, auf dass sie keinerlei Gnade üben. Das ist natürlich blanker Blödsinn.

_Der Sprecher_

Simon Jäger, die deutsche Stimme von Heath Ledger und Josh Hartnett, ist ein sehr fähiger Sprecher für diesen gruseligen Text. Er lässt sich jede Menge Zeit, spricht deutlich und kitzelt die unterschwelligen Bedeutungen des Textes hervor. So entsteht ein deutliches Bild der Vorgänge.

Indem er die Figuren mit einer individuellen Ausdrucksweise und Stimmhöhe ausstattet, macht er sie leicht erkennbar. Doch erst in emotionalen Situationen erwachen sie zum Leben, wenn der Sprecher sie rufen, klagen und brüllen lässt. Simon Jägers Vortragsweise ist zwar nicht so emotional wie die von Johannes Steck, doch viel fehlt nicht mehr.

Simon Jägers Vortrag ist lebhaft und emotional, er kann die Figuren in den emotionalen Szenen wirklich zum Leben erwecken. Dass es weder Geräusche noch Musik gibt, finde ich weniger schön, aber wahrscheinlich würden sie bloß stören, so wie im Simon-Beckett-Hörbuch „Leichenblässe“.

Simon Jäger, geboren 1972 in Berlin. Seit 1982 arbeitet er als Synchronsprecher bei Film und TV. Er lieh u.a. Josh Hartnett, James Duvall, Balthazar Getty, River Phoenix seine Stimme, aber auch „Grisu dem kleinen Drache“, und war auch in TV-Serien wie „Waltons“, „Emergency Room“ zu hören. Seit 1998 arbeitet er zudem als Autor und Dialogregisseur.(Homepage-Info) Jäger liest eine von Dicky Hank gekürzte Fassung.

_Der Autor_

John Katzenbach war ursprünglich Gerichtsreporter für den „Miami Herald“ und die „Miami News“. Er hat bisher zehn Spannungsromane veröffentlicht. Er lebt mit seiner Familie im westlichen Massachusetts, USA.

_Unterm Strich_

Die Familie Richards begegnet ihrer Nemesis und konfrontiert sie mit ihrer Lebenslüge – das ist eigentlich eine gute Ausgangslage, um ein paar ätzende Kommentare auf die Reagan-Ära loszuwerden. Pustekuchen! Familie Richards wird mit der Spät-Terroristin durchaus allein fertig, indem sie ihr Waffenarsenal auspackt und selbst gegen die Gefahr aus dem Innern der Gesellschaft vorgeht.

Und die beiden Tommys in der Dachkammer, die zwei andere Generationen verkörpern, berappeln sich auf ähnliche Weise: Opa hat immer noch ein paar knackige Weisheiten an den Enkel zu vermitteln, bis dieser endlich Mut genug aufbringt, die Flucht zu wagen. Wahrscheinlich wird Klein-Tommy später mal ein Marine werden und den Kameltreibern im Irak den Hintern versohlen.

Das einzig Gute an dem Roman sind wahrscheinlich die witzigen Pläne Olivia Barrows, die den Banker wieder zum Bankräuber machen, sowie der explosive Showdown. Ansonsten ereignet sich vor allem Psychoterror, und das kann ganz schnell langweilig werden. Zum Glück hat es nie eine Verfilmung dieses Garns gegeben. Der Produzent hätte sich ja mit einer womöglich politisch interpretierten Aussage weit aus dem Fenster lehnen müssen. Das tut selten gut.

|6 Audio-CDs mit 429 Minuten Spieldauer
Originaltitel: Day of Reckoning
Aus dem Amerikanischen von Anke und Eberhard Kreutzer
Regie: Tanja Fornaro
Aufnahmeleitung im Studio XBerg: Jochen Simmendinger
ISBN-13: 978-3-86610-758-8|
[www.argon-verlag.de]http://www.argon-verlag.de

_John Katzenbach bei |Buchwurm.info|:_
[„Die Anstalt“ 2688
[„Der Patient“ 2994
[„Das Opfer“ 3414
[„Der Fotograf“ 4360
[„Das Rätsel“ 4627
[„Das Rätsel (Hörbuch)“ 5843

[NEWS] Andreas Franz – Julia Durant. Die junge Jägerin: Kriminalroman (Julia Durant ermittelt, Band 21)

München, Anfang der 1990er-Jahre. Eine tote Frau wird gefunden – eine Prostituierte, wie es zunächst scheint. Diese entpuppt sich bei genauerem Hinsehen jedoch als Transvestit und außerdem als eine bekannte Persönlichkeit der Stadt. Eine heikle Situation für die Mordkommission, denn in den Fall ist offenbar jede Menge Prominenz verwickelt. Hatte man die Ermittlung zuerst auf Julia Durant abgewälzt, die Neue in einer von Männern beherrschten Abteilung, möchte man ihr den Fall nun wieder wegnehmen. Doch das lässt sie nicht mit sich machen. Als eine zweite Leiche auftaucht und sich in der Szene Angst ausbreitet, wird klar: Es geht ein Serienmörder um in der Stadt. (Verlagsinfo)

Gekürzte Lesung auf 1 MP3-CD
Laufzeit: ca. 8 Std.
Sprecherin: Julia Fischer
argon

[NEWS] Quentin Tarantino – Es war einmal in Hollywood

Los Angeles, Hollywood 1969. Rick Dalton war einst Star seiner eigenen Fernsehserie und hält sich heute mit Schurkenrollen über Wasser. Zusammen mit seinem Stunt-Double Cliff versucht er alles, um seiner Karriere neuen Schwung zu verleihen. Dabei müssen sie sich durch eine Welt windiger Agenten und aufgehender Sternchen schlagen, die mitten im Umbruch ist. Dabei kreuzt sich ihr Weg mit dem Haufen Hippies rund um den Ex-Knacki Charles Manson – und das Goldene Zeitalter Hollywoods steuert rasant seinem Ende entgegen. (Verlagsinfo)

Ungekürzte Lesung auf 2 MP3-CDs: ca. 10 Std.
Sprecher: Gerrit Schmidt-Foß
argon

McDermid, Val – Nacht unter Tag (Hörbuch)

_Schicht im Schacht: verzwickter Bergarbeiterkrimi_

Ungelöste Fälle sind ihre Spezialität, doch dieser führt Detective Inspector Karen Pirie an ihre Grenzen. Ein Mann wird als vermisst gemeldet – nach über 20 Jahren. Karens Ermittlungen im schottischen Glenrothes stoßen auf eine Mauer des Schweigens. Ähnlich ergeht es einer Journalistin, die einen fast vergessenen Entführungsfall recherchiert. Bald landet auch dieser alte Fall auf Karens Schreibtisch – zusammen mit einem neuen Mord … (Verlagsinfo)

_Die Autorin_

Die 1955 geborene Val McDermid wuchs in Kirkcaldy, einem schottischen Bergbaugebiet nahe St. Andrews, auf und studierte dann Englisch in Oxford. Nach Jahren als Literaturdozentin und als Journalistin bei namhaften englischen Zeitungen lebt sie heute als freie Schriftstellerin in Manchester und an der Nordseeküste. Sie gilt als eine der interessantesten neuen britischen Autorinnen im Spannungsgenre – und ist außerdem Krimikritikerin. Ihre Bücher erscheinen weltweit in 20 Sprachen. Für „Das Lied der Sirenen“ erhielt sie 1995 den |Gold Dagger Award| der britischen |Crime Writers‘ Association|. (Verlagsinfo)

Val McDermid auf |Buchwurm.info|:

[„Echo einer Winternacht“ 703 (Hörbuch)
[„Der Erfinder des Todes“ 2602 (Hörbuch)
[„Das Lied der Sirenen“ 5647 (Hörspiel)
[„Das Lied der Sirenen“ 1498 (Buch)
[„Schleichendes Gift“ 5727 (Hörbuch)

_Die Sprecherin_

Andrea Sawatzki, Jahrgang 1963, reizen extreme Figuren, ihr Spiel kann in Sekundenschnelle von zarter Verlorenheit zu handfester Vitalität überspringen (FAZ). Für ihre Darstellung der „Tatort“-Kommissarin Charlotte Sänger wurde sie unter anderem mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. (Verlagsinfo) Sie spielte unter anderem in Oliver Hirschbiegels „Das Experiment“ neben Mirotz Bleibtreu sehr eindrucksvoll die Rolle einer Verhaltensforscherin, die vergewaltigt wird. Diese Szene wird in TV-Ausstrahlungen stets unterdrückt. Der ganze Film geht an die Nieren, aber diese Szene besonders.

Regie führte Vera Teichmann, den Ton steuerte Christian Mevs.

_Handlung_

Am 27. Juni 2007 wird Detective Inspector Karen Peary von dem Ansinnen einer jungen Bürgerin überrascht. Michelle Gibson möchte ihren Vater Mick Prentiss als vermisst melden: nach 22 Jahren und sechs Monaten. Er sei am 14. Dezember 1984 verschwunden. Karen gehört zum Team für ungelöste Fälle im schottischen Glenrothes und fühlt sich eigentlich nicht zuständig, da ja kein Verbrechen vorliegt, geschweige denn ein unaufgeklärtes. Aber es handelt sich um einen Notfall: Michelles Sohn Luke leidet an Anämie und benötigt dringend eine Knochenmarksübertragung. Am besten natürlich von einem nahen Verwandten, und der nächste wäre zweifellos ihr Vater.

Angeblich war Prentiss ein Streikbrecher, der während des einjährigen Bergarbeiterstreiks zur anderen Seite überlief und mit fünf anderen Kumpels nach Nottingham fuhr. Dieser Verrat war für seine Frau natürlich schlimm, die danach in der Minengemeinde, in der die Gewerkschaft das Sagen hatte, fast wie eine Aussätzige behandelt wurde. Vergangene Zeiten: Die Gewerkschaft gibt es nicht mehr. Und Jenny Prentiss heiratete einen anderen Mann, einen wohlhabenden Steiger, der aber inzwischen auch tot ist, wie Karen herausfindet.

Zu ihrer Überraschung bekommen ihre Kollegen in Nottingham gesagt, dass Mick Prentiss nie mit den Streikbrechern fuhr. Wo aber blieb er dann? Merkwürdig findet Karen auch die Tatsache, dass fast zur gleichen Zeit auch Micks bester Freund Andy Kerr verschwand. Da man einen Abschiedsbrief fand, nahm man an, dass er sich umbrachte. Seine Schwester ließ ihn nach angemessener Zeit für tot erklären, um das Erbe antreten zu können, und wanderte anschließend nach Neuseeland aus, wo sie heiratete.

Karen schnüffelt mit ihrem langjährigen Kollegen Phil Pahatka herum. Während Jenny Prentiss mauert, ist ihre Nachbarin umso mitteilsamer. Ein Bild von der Prentissfamilie und ihrer Gemeinde entsteht. Mick war ein talentierter Aquarellmaler und obendrein Mitglied im Verein zur Erhaltung der Höhlen an der Küste des Landkreises Fife. Als sie ihre Freundin River Wild, eine forensische Anthropologin, bittet, mal hinter dem Einsturz in der größten Höhle nachzusehen, entdecken Rivers Doktoranden im Boden ein männliches Skelett. Doch um wen handelt es sich – Prentiss oder Kerr? Denn wenn Prentiss noch lebt, dann besteht noch Hoffnung für seinen Enkel Luke.

|Der Patriarch|

Karen bringt mit ihren unorthodoxen und vorschriftswidrigen Methoden regelmäßig ihren Chef Simon Lees zur Weißglut. Zum Glück konnte sie ihm bis jetzt vorflunkern, die Höhlenuntersuchung erfolge im Rahmen des neuen Falles, den er ihr übertragen hat: Sie soll die ungeklärten Umstände beim Tod von Catriona Grant untersuchen, der Tochter des bekanntesten Großindustriellen Schottlands, Sir Broderick Maclennan-Grant. Catriona starb nach offiziellen Polizeiberichten bei der Übergabe des Lösegeldes an ihre Entführer Anfang 1985. Angeblich erschoss einer der Entführer die Millionenerbin und flüchtete sowohl mit dem Geld als auch mit ihrem Sohn Adam.

Nun hat die britische Investigativreporterin Annabelle Richmond ein Exemplar jenes Posters entdeckt, mit dem sich die Entführer, der „Anarchistische Kampfbund Schottlands“, an Catrionas Vater wandten. Es zeigt einen Puppenspieler mit Marionetten. Interessanterweise fand Richmond das Poster nicht im Königreich, sondern in der Toskana, unweit Volterra und Siena. In einer alten, verlassenen Villa hatten Hausbesetzer gelebt, die zu einer Wandertruppe von europäischen Puppenspielern gehörten. Neben Posterstapeln fand Richmond auch einen großen Blutfleck. Fand hier ebenfalls ein Mord statt?

Während sie die italienischen Carabinieri um Amtshilfe bittet, ahnt Karen nicht, dass Brodie Maclennan-Grant sie hintergeht. Er schickt die Reporterin aus, um das Verbrechen in der Toskana aufzuklären, denn er vermutet, dass sich dort Adam, sein Enkelsohn und Erbe, befinden könnte. Was weder Richmond noch Karen noch die Carabinieri erwartet haben, ist, hier die Spur von Mick Prentiss zu entdecken …

_Mein Eindruck_

Dass es Val McDermid fertigbringt, auch die entlegensten Schauplätze und die jeweiligen Ereignisse spannend miteinander zu verknüpfen, habe ich inzwischen kapiert. Immerhin habe ich schon fünf Romane dieser Krimiautorin kennengelernt, stets in akustischer Form. Ich habe es kein einziges Mal bereut, sondern wurde stets von ihrer Sicherheit verblüfft, mit der sie ihre Ermittler durch die unwahrscheinlichsten Wendungen führt. Die Handlung war praktisch nie vorhersehbar.

Bis jetzt. Dass Mick Prentiss in Italien ebenso wieder auftauchen würde wie Catrionas entführter kleiner Sohn Adam hielt ich für höchst wahrscheinlich, auch durch die dramaturgische Notwendigkeit, die beiden auseinanderliegenden Handlungsstränge um die Toskana einerseits und das östliche Schottland andererseits zusammenzuführen. Nicht voraussehen konnte ich allerdings, wie es zu dem traurigen Schicksal Catrionas kam und was aus ihrem Sohn Adam wurde. Ich möchte hier nichts Näheres verraten, aber das Finale hat durchaus das Potenzial, recht blutig zu enden. Falls nicht doch noch die unerschrockene Karen Peary korrigierend eingreift.

Das Buch lebt von seinen Kontrasten, aus denen sich entsprechende Kritik ergibt. Auf der einen Seite erkundet Karen Peary die ehemalige Bergarbeiterstadt Weems und deren Ortsteile. Das Schicksal der mit ihrem Streik gescheiterten Bergarbeiter war bitter. Ich habe den Streik 1984 im Fernsehen selbst mitverfolgt und erlebt, wie sich Gewerkschaftsführer Arthur Scargill an die Regierung Thatcher verkaufte. Es war kaum zu fassen. Die wirtschaftlichen Folgen für die Region waren verheerend: Alle Zechen wurden nach und nach geschlossen.

Dem steht nun auf der anderen Seite ein neureicher Emporkömmling namens Broderick Maclennan-Grant gegenüber, der sein Geld vor allem durch seine Frau erwarb, sich aber nun aufführt wie ein Tyrann von altem Adel, der mit der eigenen Familie ebenso willkürlich umspringt wie mit der Polizei (etwa mit dem Speichellecker Simon Lees) und den Medien. Er ließ aus politischem Kalkül Polizeiberichte fälschen, um beispielsweise die peinliche Tatsache zu verschleiern, dass er zu der verhängnisvoll endenden Geldübergabe mit einer Pistole bewaffnet erschien. Der von Karen Peary ins Gefängnis gebrachte ehemalige Detective Inspector James Lawson packt einige Hämmer aus und schildert, was nicht im Polizeibericht stand. Karen Peary kommt ein furchtbarer Verdacht, wer Catriona in Wahrheit auf dem Gewissen haben könnte. Aber sie kann nichts beweisen.

Auftritt Annabelle Richmond. Karen bezeichnet die Reporterin tatsächlich einmal als Sir Brodies „Sklavin“, und da Richmond für sein Geld und den Presse-Ruhm fast alles tut, ist sie keineswegs ein rühmlicher Vertreter ihres Standes. Sie weiß sich wie ein Chamäleon zu tarnen und zu verstellen. Doch sie ist immens tüchtig in der Informationsbeschaffung. Dumm nur, dass sie keine Absicht hat, die Polizei an ihren Ergebnissen teilhaben zu lassen. Karen Peary setzt ihr gnadenlos die Pistole auf die Brust, und Richmond muss sich zwischen zwei Herren entscheiden. Elegant wie stets zieht sie sich aus der Affäre.

Doch wo bleibt hier die Romantik? Gemach, gemach! Es gibt ein leidenschaftliches und glückliches Liebespaar in diesem Buch, und dreimal darf man raten, um wen es sich dabei handelt. Wie schon bei D. H. Lawrence, dem Bergarbeitersohn aus Nordengland, und seiner Geliebten Frieda von Richthofen handelt es sich auch hier um eine verbotene, skandalöse Liebesbeziehung, die von dem Vater der Frau niemals abgesegnet worden wäre – und interessanterweise auch nicht von der Familie des Mannes.

Ob es jemals einen „Anarchistischen Kampfbund Schottlands“ gegeben hat oder je geben könnte, darf wohl mit Fug und Recht bezweifelt werden. Dafür sind die Schotten zu lange von den Engländern geknechtet worden, um jetzt noch etwas mit der Anarchie anzufangen. Und sie sind auch meist zu protestantisch (viele sind Presbyterianer) nüchtern in ihrem Verhalten. So machten sie selbst aus ihrer Vergangenheit noch ein Geschäft, wie ich bei meinem Besuch auf dem Schloss von Edinburgh, dem Holyrood Palace, feststellen konnte.

|Schwächen|

Den nächsten Kontrast bildet dazu die total katholische, sinnenfreudige Toskana, die bei vielen Engländern (und Deutschen) so beliebt ist. Richmond ist nur eine Vertreterin jenes Schlages Engländer, der hier „the good life“ zu genießen versteht. Greve, die Chiantistadt, ist fest in englischer Hand. Auch Sting hat hier ein Domizil. Und zufällig ist Greve neben Siena und San Gimignano einer der malerischen Schauplätze des Romans.

Ob hier die Autorin nicht ein wenig zu sehr auf ihr englisches Publikum geschielt hat? Auch die rasch wechselnden Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Figuren erinnern mich peinlich an Autoren vom Schlage einer Rosamunde Pilcher, in denen ja vielfach das Schicksal unverhofft zuschlägt. Dieses abgedroschene Element tritt auch noch im Epilog auf, indem ein kurzer Dialog einen weiteren Schlenker vollzieht, nur um den armen Luke Gibson vor einem üblen Tod zu bewahren.

|Die Sprecherin|

Die Kapitelüberschriften – Orte und Daten zur Orientierung – liest ein Mann mit einer sonoren Stimme vor, der aber nirgends als Mitsprecher genannt wird. Deshalb konzentriere ich mich in meiner Würdigung auf die Sprecherin.

Andrea Sawatzki ist zwar keine große Stimmkünstlerin, aber ihr gelingt der fast fehlerlose und recht flotte Vortrag dieses vielschichtigen Textes auf eine Weise, die das Verstehen einigermaßen leicht macht. Wir haben es ja hier mit Italienern, Schotten und Briten zu tun. Durchweg konnte ich die tiefere Tonlage für die männlichen Figuren leicht heraushören, wohingegen die weiblichen Figuren fast alle ziemlich gleich klingen.

Deshalb war es unabdingbar, dass die Sprecherin jeder Figur eine eigene Sprech- und Ausdrucksweise zugewiesen hat. So ist es leichter, die pedantische Assistentin von Sir Maclennan-Grant, Susan Charleson, etwa von der resoluten und verschlagenen Karen Peary zu unterscheiden. Und Karens Vorgesetzter, der dämliche Kontrollfreak Simon Lees, ist ebenso deutlich von dem Tyrannen Sir Broderick Maclennan-Grant zu unterscheiden.

Die Sprecherin legt anders als Kolleginnen wie Franziska Pigulla keinen Wert auf Sentimentalitäten oder den Ausdruck von Kurzatmigkeit, Seufzen usw. Es ist ihr wichtiger, eine Figur durch die eigentümliche Sprechweise zu charakterisieren. In diesen Charakterisierungen erweist sich die Routiniertheit der Sprecherin, die hierbei offenbar auf ihre Schauspielausbildung zurückgreift.

Das Hörbuch weist weder Musik noch Geräusche auf, so dass ich darüber kein Wort zu verlieren brauche.

_Unterm Strich_

Diesmal mischt die versierte Autorin in ihre klassische Ermittlung unter Beargarbeitern und Industriebaronen, Puppenspielern und Reportern einen gehörigen Schuss Schicksalsdrama. Die Wechselfälle in den Verwandtschaftsverhältnissen sind doch allzu auffällig häufig, besonders im letzten Drittel. Daher habe ich mich gefragt, ob die Autorin vielleicht die Leserinnen von Autoren des Schlages von Rosamunde Pilcher ansprechen will. Auch die Schilderung der ach so romantischen Toskana ist schon verdächtig, doch sie lässt ihre Reporterin über die vielen Touristen klagen. Dass sie mit Lukes Krankheit und Lebensrettung schwer auf die Tränendrüse drückt, ist ein weiteres Symptom für diesen sentimentalen Schwenk.

Immerhin aber schafft sie es, die wilde Zeit des englischen Bergarbeiterstreiks von 1984 heraufzubeschwören, die für die Entwicklung der britischen Wirtschaft von entscheidender Bedeutung war. Danach ging es unter Margaret Thatchers „Reaganomics“ steil bergauf, die sich bis zu Tony Blairs Regierungsjahren weiterführen ließen. Diesen Aufschwung konnte kein einziger Streik der Gewerkschaften mehr stoppen und wurde auf Kosten der entmachteten Exgewerkschaftler erkauft – bis zum Crash 2008. Nichts davon ist in diesem Roman nachzulesen, denn dies kann die Autorin bei ihren Lesern als sattsam bekannt voraussetzen, vielleicht sogar in der jungen Generation. Immerhin schreibt die Autorin hier über ihre eigene Heimatregion Kirkcaldy (siehe den Abschnitt „Die Autorin“ oben).

Dies ist der erste Krimi McDermids, dessen Handlungsverlauf ich einigermaßen voraussehen konnte. Das war etwas enttäuschend, aber das Finale entschädigte mich dann doch wieder für die vielen Schwächen dieses Buches.

|Das Hörbuch|

Andrea Sawatzki trägt kompetent und gut verständlich vor. Mit der individuellen Charakterisierung der Figuren trägt sie zur Spannung und Unterhaltung bei, aber auch zum Humor so mancher Szene zwischen der streitbaren Karen Peary und ihrem dümmlichen Chef Simon Lees. Und Karen bekommt endlich einen Lover, was richtig sinnlich wirkt. Der einzige Fehler in der Aussprache betrifft den Namen Ian, aber das ist wirklich der einzige Fehler.

|Originaltitel: A Darker Domain
Aus dem Englischen übersetzt von Doris Styron
443 Minuten auf 6 Cds
ISBN-13: 978-3-86610-637-6|
http://www.val-mcdermid.de
http://www.valmcdermid.com
http://www.argon-verlag.de

[NEWS] Zoë Beck – Paradise City

Deutschland in der Zukunft. Die Küsten sind überschwemmt, weite Teile des Landes sind entvölkert, und die Natur erobert sich verlassene Ortschaften zurück. Berlin ist nur noch eine Kulisse für Touristen. Regierungssitz ist Frankfurt, das mit dem gesamten Rhein-Main-Gebiet zu einer einzigen Megacity verschmolzen ist. Dort, wo es eine Infrastruktur gibt, funktioniert sie einwandfrei. Nahezu das gesamte Leben wird von Algorithmen gesteuert. Allen geht es gut – solange sie keine Fragen stellen. (Verlagsinfo)

Ungekürzte Lesung,
Spieldauer
6 Stunden und 33 Minuten
Sprecherin: Heike Warmuth
Argon