James, Peter – Stirb schön (Lesung)

_Mord live: Schau mal in die Kamera, Kleines!_

Der Marketingmitarbeiter und Familienvater Tom Bryce legt eine CD, die er im Zug fand, in seinen PC ein und wird sofort mit einer Website verbunden. Er ahnt nicht, was auf ihn zukommt. Als er durch eine Webcam beobachtet, wie eine schöne junge Frau bestialisch ermordet wird, glaubt er noch an einen Erotikthriller. Doch dann muss er feststellen, dass auf seinem Mac-Laptop alle seine Daten gelöscht wurden. Und wenige Tage später erhält er eine E-Mail, die ihn davor warnt, zur Polizei zu gehen. Oder seiner geliebten Familie werde das Gleiche zustoßen wie der jungen Frau im Web-Film.

_Der Autor_

Peter James ist Schriftsteller und Filmproduzent, liebt schnelle Autos und hat ein Faible für das Übersinnliche. Er lebte lange Jahre in den USA und war dort als Drehbuchautor und Filmproduzent tätig. Mittlerweile leitet er seine eigene Filmproduktionsfirma in England. Er lebt in Sussex und in London. Mehr Info: http://www.peterjames.com (ohne Gewähr). (Verlagsinfo)

Buchrezensionen zu Peter James bei |Buchwurm.info|:

[„Mein bis in den Tod“ 2493
[„Stirb schön“ 3154
[„Stirb ewig“ 3268

_Der Sprecher_

Hans Jürgen Stockerl studierte Schauspiel an der Neuen Münchner Schauspielschule Ali Wunsch-König. Neben seiner Theater- und Fernsehkarriere ist Stockerl als gefragter Hörbuch- und Hörfunksprecher tätig, dessen markante Stimme u. a. im Bayerischen Rundfunk, ZDF, WDR und DeutschlandRadio zu hören ist.

Vera Teichmann kürzte den Text und führte Regie. Als Tonmeister fungierte Christoph Tampe im Studio Plan 1 Media, München.

_Handlung_

Tom Bryce ist ein verschuldeter Familienvater, der in seiner Londoner Firma das Marketing leitet. Er ist so mit Arbeit eingedeckt, dass er sogar noch im Pendelzug nach Brighton seine E-Mails abruft und beantwortet. Im Zug vergisst ein Passagier, eine CD-Rom mitzunehmen. Tom nimmt sie mit, um sie auf dem Fundbüro abzugeben. Hätte er das nur getan!

Unterdessen bereitet sich die Jurareferendarin Janey Stratton, die abends noch als Prostituierte arbeitet, auf einen Kunden vor. Er hat alles genau vorgeschrieben, doch obwohl er ein Kontrollfreak ist, fühlt sie sich zu ihm hingezogen. Sie zieht sich gemäß seinen Vorschriften um. Da öffnet sich unbemerkt die Tür ihres Schlafzimmers …

Tom Bryce hat mit seiner geliebten Familie zu Abend gegessen und begutachtet in seinem Arbeitszimmer die unbekannte CD aus dem Zug. Das Antivirenprogramm beanstandet sie nicht, doch die Software auf der CD übernimmt sofort den gesamten Rechner und stellt eine Internetverbindung her: zu Scarab Productions. Tom bestätigt alle User-Abfragen und starrt schließlich durch das Objektiv einer Webcam in das Zimmer einer jungen Frau, die gerade aus dem Badezimmer tritt, um sich umzuziehen. Sie weiß offenkundig nicht, dass sie beobachtet wird. Und auch den kleinen kräftigen Mann, der aus ihrem Schlafzimmer tritt, bemerkt sie nicht, so beschäftigt ist sie mit Makeup und Ankleiden. Der vermummte Mann packt sie und stößt ihr ein Stilett in Brust und Unterleib. Der brutale Mord verfehlt seine Wirkung auf Tom nicht. Unglauben weicht Schock.

Als die Tür zu seinem Zimmer klickt, klappt Tom sofort den Deckel seines Laptops zu. Seine Frau Kelly will ihn ins Bett holen. Als sie wieder weg ist, ist die Verbindung ins Web abgebrochen worden. Toms Herz hämmert. Was für ein irrer Erotikthriller! Oder war das etwa echt? Kann doch nicht sein, oder? Als er am nächsten Morgen seinen Laptop aufklappt, um seine E-Mails zu lesen, sind alle seine Daten weg …

|Am nächsten Tag|

Detective Sergeant Roy Grace von der Mordkommission Sussex in Brighton wird von der Polizei Peacehaven zu einem Fall hinzugezogen. Eine Spaziergängerin bzw. ihr Hund hat in einem Rapsfeld eine Frauenhand gefunden. Nach und nach finden sich auch die anderen Körperglieder, die zum völlig zerstochenen Torso einer jungen Frau zwischen 20 und 35 Jahren gehören, doch der Kopf bleibt verschwunden. Roy Grace ahnt, dass dieser Fall seine nächsten Tage völlig beanspruchen wird. Sein Kollege Glen Branson tippt auf die vermisst gemeldete Janey Stratton, Jurareferendarin. Sie erinnert Grace an seine eigene Frau Sandy, die vor zehn Jahren spurlos verschwand.

Als Tom Bryce nach der Reparatur seines Mac-Laptops wieder seine Mails lesen kann, klickt er zweimal eine Website an, die ihm den Zugriff verwehrt. Wenig später bekommt er eine Mail ohne Absender. Der Text warnt ihn, Tom Bryce höchstpersönlich, irgendetwas von dem, was er verbotenerweise gesehen hat, an die Polizei weiterzuleiten. Oder seiner geliebten Familie könnte das Gleiche zustoßen wie dem Opfer der Tat, die er live mitangesehen hat. Für Tom beginnt ein Albtraum.

_Mein Eindruck_

Der Titel „Stirb schön“ ist bereits Programm. Es geht ums Sterben und darum, dabei gut auszusehen – vor einer Kamera, versteht sich. Nur dass die Kamera ebenso gut versteckt ist wie der Mörder, der für beides sorgt: sterben und gut dabei aussehen. Jemand hat ihn dafür bezahlt und der Auftraggeber wird wiederum von den Käufern des Snuff-Videos bezahlt, das er vom Mord vor laufender Kamera anfertigt. Das Internet macht’s möglich: Mord vor laufender Kamera, angeschaut durch zahlreiche Kanäle, die die Webcams anzapfen. Der Haken ist die Einschaltzeit: Man muss pünktlich sein oder man verpasst die „Show“. Doch die CD-Software stellt sowohl die Verbindung zum „Tatort“ her als auch die zum Zuschauer und sorgt so fürs rechtzeitige „Einschalten“.

In dieses verbotene und verborgene Märchenland perverser Aktivitäten und Phantasien tappt nun ein unbescholtener Familienvater. Das Ergebnis ist natürlich ein Albtraum, und der Autor tut alles, um ihn weidlich auszuspielen. Da der Familienvater ein unwillkommener Zeuge ist und dann auch noch zur Polizei geht, ist er mitsamt Gattin Star der nächsten Mords-Show. Unser Geschäft ist Mord – besser könnte man es nicht zusammenfassen.

Höchste Zeit, dass die Hüter von Gesetz und Ordnung auf die Plan treten. Doch Kommissar Roy Grace scheint mehr mit seiner neuen Flamme beschäftigt zu sein als mit der Verfolgung von Hacker und Snuff-Videoten. Auch ein nächtlicher Unfall bei einer Verfolgungsjagd kann ihn nicht aus Cleos Armen reißen. Er hat soeben einen göttlichen Orgasmus gehabt – was für eine Frau, diese Gerichtsmedizinerin Cleo Murray! Schade, dass Roy bald herausfinden muss, dass sie einen Verlobten hat.

Dieses kleine Hindernis in seinem dunklen Drange verleiht ihm jedoch den Freiraum, um mal wieder in seiner kleinen Mord-Ermittlung nach dem Rechten zu sehen. Zwei Zeugen entführt – so, so, gleich mal hinterherdüsen, Leute! Bei der Verfolgung von Verdächtigen lässt er auch schon mal die Tiefgarage eines Supermarktes absperren – und wenn sich die Leute auf den Kopf stellen, was sein muss, muss sein. Einer Geschäftsführerin eines „Hostessen“-Vermittlungsdienstes droht er schon mal damit, ihr Büro auf den Kopf zu stellen – was die Dame denn auch schnell kooperativ werden lässt. Nur eines kriegt er nicht auf die Reihe: dass sein Polizeihauptquartier in seinen Reihen einen Verräter beschäftigt.

Der Showdown ist für jeden Actionfan vom Feinsten. Dass der Oberböse abhauen will, wenn’s brenzlig wird, versteht sich von selbst, aber da hat Kommissar Grace auch noch ein Wörtchen mitzureden – und greift rechtzeitig zu. Was ihm erst recht das Händchen seiner Angebeteten einbringen dürfte, Verlobter hin oder her (sie wollte den Typen sowieso nicht, ist ja klar).

|Der Sprecher|

Hans Jürgen Stockerl kann zwar nicht so sehr die Tonlage variieren, aber dieses Manko macht er leicht wieder wett, indem er a) die Lautstärke wechselt und/oder b) das Tempo variiert. Beispiel: Carl Venner, der böse Bube im Hintergrund. Er brüllt seinen Helfershelfer, einen gehemmten Hacker, an, bis der andere fast in die Hose macht. Der Hacker weiß aber etwas, was ihm wertvoll erscheint. Dennoch spricht er leise, zögernd und langsam, so dass man gleich Bescheid weiß: Der wird nicht lange vor Carl Venner bestehen. Auf diese Weise charakterisiert der Sprecher seine Figuren.

Gegenbeispiel: Cleo Murray. Sie wird die Geliebte des Helden Roy Grace von der Mordkommission. Sie spricht zwar ebenfalls langsam und leise, als sie ihn vor ihrer Haustür willkommen heißt, aber dann macht sie auf verführerischste Weise einen netten Vorschlag, den Roy nicht ablehnen kann. Der Sprecher findet genau die richtige Tonlage, um sie echt klingen zu lassen. Man muss nur genau hinhören, um solche feinen Untertöne herauszuhören. Denn der Sprecher weiß, dass die Kunst in der Beschränkung liegt, nicht im Übertreiben.

|Das Booklet|

Das mehrseitige Booklet, das dem Klappkarton beiliegt, liefert Informationen über den Autor, den Sprecher, den Inhalt der Story, die Mitwirkenden. Schließlich gibt es noch ein Verzeichnis der Tracks auf den sechs CDs. Den Umschlag ziert das Bild eines blauen Skarabäus – wie passend.

_Unterm Strich_

An Grips und Raffinesse hat der Thriller von Mystery-Fachmann Peter James wenig zu bieten, aber dafür umso mehr an zielstrebiger Lösung eines Mordfalls, der durch den Grad seiner Perversität nur das Schlimmste für die Zukunft des Internets ahnen lässt. Auftragsmord vor laufendem Web-Publikum? Das ist sicher schon heute machbar, genauso wie Live-Sex – nur eine weitere Variante der Beglückung durchs Schlüsselloch. Peter James bietet spannende Unterhaltung unter einer aufregend erscheinenden Prämisse, aber mehr auch nicht. Der O-Titel „Looking Good Dead“ ist von echt britischem schwarzen Humor.

Das Hörbuch wird von Hans Jürgen Stockerl kompetent gestaltet, aber auch er muss sich nicht der Sprachakrobatik eines Rufus Beck bedienen, um sein Soll zu erfüllen. Mir ist es viel lieber, wenn sich der Sprecher zurückhält und nur andeutet, wie die Figuren sich ausdrücken. Den Rest besorgt meine Phantasie und Vorstellungskraft.

|Originaltitel: Looking Good Dead, 2006
Aus dem Englischen übersetzt von Susanne Goga-Klinkenberg
429 Minuten auf 6 CDs|
http://www.argon-verlag.de