Wexford ist der Sohn eines Schweinebauern und ziemlich ungebildet. Aber zeichnen kann er gut. Als eine Expedition aus Skye durch sein Dorf zieht, und deren Anführer eine von Wexfords Zeichnungen zu Gesicht bekommt, engagiert er ihn vom Fleck weg. Denn die Aufgabe der Expedition ist es, einen Teil der Berge im Norden zu kartographieren. Allerdings zeigt sich schon bei Wexfords erster Zeichenübung als Kartograph, dass seine Gabe sich nicht allein auf wirklichkeitsgetreue Darstellung beschränkt …
Ein wenig merkt man Royce Buckingham schon an, dass seine bisherigen Bücher aus der humorigen Fantasy-Ecke kamen. Obwohl dieser neue Roman eindeutig nicht ins selbe Regal gehört, lässt sich ein gewisses Augenzwinkern an einigen Stellen nicht verleugnen.
Das fängt schon bei Wexford an. Obwohl er nicht wirklich dumm ist, hat er eine Vorliebe für Fettnäpfchen und stellt sich vor allem im Umgang mit der Grafentochter Brynn manchmal ziemlich tollpatschig an. Das ist seiner entwaffnenden Offenheit zu verdanken, denn Wex – wie er kurz genannt wird – sagt einfach, was er denkt. Da er in seinem Denken und seinen Überzeugungen eher schlicht ist, entsprechen seine Vorstellungen von richtig und falsch nicht unbedingt den Maßstäben seiner Mitreisenden.
Pinchot zum Beispiel ist ein verurteilter Dieb mit einer ausgesprochen flinken Zunge, die nie um eine Ausrede verlegen ist. Soll heißen: Wenn es ihm dient, lügt er wie gedruckt und ohne schlechtes Gewissen! Aber er ist auch leutselig und ein guter Informationsbeschaffer sowie ein flinker Kämpfer.
Der Magier Kraven ist zwar nicht ganz so ein alberner Wichtigtuer, wie es auf den ersten Blick scheint, aber was die Expedition auf ihrer Reise alles vorfindet, ist ihm zutiefst suspekt, bestenfalls! Manches ist ihm auch zuwider oder macht ihm Angst. Dem Schluss, den er aus seinen Erlebnissen zieht, kann Wexford sich jedoch nicht anschließen.
Am wenigsten gemeinsam hat Wex mit Brynn und den adligen Soldaten, die die Expedition begleiten. Sie sind hochnäsig und behandeln alle, die nicht von Adel sind, wie Dreck unter ihren Stiefeln, auch Wex, in dem sie nicht den Kartographen, sondern vor allem den Schweinehirten sehen.
Angenehm an der Charakterzeichnung ist, dass die Figuren sich im Laufe der Geschichte entwickeln. Der schüchterne Wex, der zuhause selbst von Seinesgleichen herumgeschubst wurde, wird zwar nicht gleich zum Krieger, aber er entwickelt Mut und Selbstbewusstsein. Aus der Gruppe der Soldaten werden mit der Zeit einzelne Individuen mit Ecken und Kanten.
Das Setting zeichnet sich nicht unbedingt durch Brillanz oder Exotik aus. Die Umgebung ist tatsächlich ziemlich durchschnittlich: Berge, größere Flüsse, Wald, Wiesen. Die Düsterlinge erinnern ziemlich an Orks, und auch das fahrende Volk, Drachen und Zwerge kennt der Leser bereits. Wirklich neu sind nur die fleischfressenden Rinder mit ihrem ungewöhnlichen Verhalten. Trotzdem hat der Autor es verstanden, diesen im Grunde allseits bekannten Zutaten ein besonderes Flair zu verpassen, zum Beispiel durch die Beschreibung von Adaras aufsehenerregendem Tanz oder die so ganz und gar unzwergische Weinerlichkeit von Blurdo.
Für die Magie gilt Ähnliches. Dass Zauber mit Hilfe von Blut gewirkt werden, ist wahrhaftig nicht neu. In Kombination mit Wex‘ Zeichentalent hingegen wirkt die Methode doch gleich viel interessanter, zumal hier keine Dämonen beschworen werden oder Ähnliches. Statt dessen beeinflusst Wex‘ Gabe unmittelbar die Umwelt, genauer gesagt den dunklen, geheimnisvollen Schleier, der die Zornberge und alles, was dahinter liegt, verbirgt. Der Schleier wiederum ist die Verbindung zur Vergangenheit, denn er ist nicht auf natürliche Weise entstanden. Bisher wurden die damaligen Ereignisse allerdings nur lose gestreift.
Und auch von der Handlung kann man dasselbe behaupten. Die Expedition zieht durch die Berge und begegnet den unterschiedlichen Geschöpfen, die dort hausen. Einige von ihnen sind gefährlich, andere nicht. Daraus ergibt sich ein Wechsel aus brenzligen Situationen und ruhigeren Phasen. Für einen durchgehenden Spannungsbogen reicht das kaum aus, weshalb der Autor der Expedition einen Verfolger an die Fersen geheftet hat. Auch dieser Antagonist, ein Mann namens Vill, ist auf seine Weise ungewöhnlich, da er die Fähigkeit verloren hat, Gefühle wie Liebe, Trauer oder Zorn zu empfinden. Er will einfach nur ein bestimmtes Ziel erreichen, und wählt seine Mittel nach ihrer Nützlichkeit. Die Nebenwirkungen interessieren ihn nicht.
Tatsächlich wird Vill dadurch zu einer ungewöhnlichen Person, und seine Hartnäckigkeit bringt auch einen steigenden Spannungsbogen mit. Trotzdem konnte mich die Geschichte nicht gänzlich fesseln. Wahrscheinlich lag es daran, dass die Auseinandersetzung mit den Düsterlingen im Vergleich zu der Sache mit der Karte einen so großen Raum eingenommen hat. Ich persönlich hätte es vorgezogen, wenn die Kämpfe zugunsten des magischen Aspekts etwas weniger stark gewichtet worden wären. Zumal auch das Rätsel um Vills Vorgeschichte im Grunde gar keines ist. Sobald Wex etwas über die Vergangenheit seines Gefährten Arkh erfährt, sind die Zusammenhänge klar.
Gestolpert bin ich dann noch über das rasche Ableben eines Soldaten, der eine Woche bei Aussätzigen verbracht hat. Am siebten Tag wurde er gerettet, am neunten zeigten sich erste Symptome, und am zehnten ist er schon tot? Das ging dann aber doch bissl arg schnell! Zumal sich auch noch ein Fehler im Namen eingeschlichen hat: Der betreffende Soldat ist beim Endkampf auf einmal wieder lebendig und kämpft mit!
Unterm Strich bietet das Buch zwar im Detail ungewöhnliche und interessante Abweichungen vom Altbekannten und auch die Figuren sind ganz gut getroffen. Die Abwechslung, die die unterschiedlichen Abenteuer der Expedition boten, geht jedoch verloren, als Vill beschließt, dass er einen Magier braucht. Von diesem Zeitpunkt an dominieren er und seine Düsterlinge zunehmend die Handlung, was zunächst vor allem dafür sorgt, dass die Ereignisse blutiger werden. Zunehmende Spannung stellt sich erst ein, als die Expedition die Zwerge verlässt, da es aber weiterhin blutig bleibt, und das auf Kosten der amüsanteren Details, hat mir der Schluss trotzdem nicht mehr so gut gefallen wie der Anfang. Durch diese Kehrtwende empfand ich das Buch insgesamt als eine eher durchwachsene Lektüre.
Royce Buckingham studierte Rechtswissenschaften und arbeitet als Staatsanwalt. Das Schreiben lief lange Zeit nebenher, neben Kurzgeschichten und Drehbüchern entstanden die Einzelromane „The dead Boys“ und „Goblins! An Underearth Adventure“ sowie die Demonkeeper-Trilogie, deren erster Teil „Dämliche Dämonen“ demnächst verfilmt wird. „Die Karte der Welt“ ist ebenfalls der erste Band eines Mehrteilers, die Fortsetzung ist in Arbeit. Bemerkenswerterweise ist das Buch aber offenbar nur für den deutschen Buchmarkt entstanden, denn obwohl es den englischen Originaltitel „Mapper“ trägt, gibt es weder in den USA noch in Großbritannien eine Veröffentlichung des Autors mit diesem Titel.
Taschenbuch 608 Seiten
Originaltitel „Mapper“
Deutsch von Michael Pfingstl
ISBN-13: 978-3-442-26884-9
www.demonkeeper.com
www.randomhouse.de/blanvalet
Der Autor vergibt: