Stephen R. Lawhead – Grail (Pendragon 5)

Die Königin von Täuschung und Verrat

Als die Pest England erreicht, ist König Artus entschlossen, für den heiligen, heilenden Gral einen Schrein bauen zu lassen. Doch einer von Artus‘ engsten Vertrauten entführt Artus‘ Königin und stiehlt den Gral. So ist das Komplott Morgians, der Königin von Luft und Dunkelheit, enthüllt.

„Grail“ ist der fünfte, aber nicht der letzte Band in Stephen Lawheads Pendragon-Zyklus um den legendären britischen König Artus und seine Tafelrunde. Nur dass Artus seine Ritter nicht Tafelrunde, sondern „Dragon Flight“ nennt, also Drachenflug (walisisch: Cymbrogi). Dieser Roman wird von Gralsritter Gwalchavad erzählt, späteren Generationen als Sir Galahad bekannt.

Gwalchavad, dessen Name „Sommerfalke“ bedeutet, stammt von den Orkney-Inseln, auf denen die Hexe Morgian Königin war. Insofern ist er mit ihr verwandt und als sie sich in das Geschehen um den Gral einmischt, direkt betroffen. Es gibt in dieser Sache keinen besseren Chronisten als Gwalchavad.

Der Autor

Stephen Lawhead, geboren 1950 in den USA, wurde bei uns v.a. mit seinem „Pendragon“-Zyklus bekannt, der bei Piper veröffentlicht wurde. Inzwischen erschienen von ihm die Fantasy-Trilogie „Das Lied von Albion“ (Brendow/Bastei-Lübbe) und drei SF-Romane (Bastei). Die fünf Bände des „Pendragon“-Zyklus sind davon sicherlich die besten. Sie werden auch keineswegs von Lawheads allererstem Zyklus übertroffen, „Saga des Drachenkönigs“, die bereits 1985 in England erschien und in englischsprachigen Buchhandlungen mit Fantasy-Regal zu finden ist. Lawhead lebt mit seiner Familie in Oxford, England.

Der PENDRAGON-Zyklus

Taliesin. Avon Books, 1987, ISBN 0-380-70613-X.
Merlin. Avon Books, 1988, ISBN 0-380-70889-2.
Artus. Avon Books, 1989, ISBN 0-380-70890-6.
Pendragon. Avon Books, 1994, ISBN 0-380-71757-3.
Grail. Avon Books, 1997, ISBN 0-380-78104-2.
Avalon: The Return of King Arthur. HarperCollins, 1999, ISBN 0-380-80297-X.

Deutsche Ausgaben

Taliesin – Sänger und Seher. Piper Verlag, München 1995, ISBN 3-937501-06-1, 3492232825 und 978-3492232821
Merlin – Magier und Krieger. Piper Verlag, München 1995, ISBN 3-937501-04-5, 3492037151 und 978-3492037150 (527 S.)
Artus – Der legendäre König. Piper Verlag, München 1996, ISBN 3492037143 und 978-3492037143.
Pendragon – Artus auf dem Weg zum heiligen Gral. Piper Verlag, München 1996, ISBN 3-937501-05-3, 3937501037 und 978-3937501031.
Avalons Rückkehr. Lübbe, Bergisch Gladbach 2003, ISBN 3404155025 und 978-3404155026.

Wie man sieht, existiert bis heute noch keine Übersetzung von „Grail“!

Hintergrund

Der Zyklus verschmilzt unterschiedliche Sagenstoffe aus der Ursprungszeit des englischen Frühmittelalters, mit dem Schwerpunkt im 4. bis 5. Jahrhundert, der Zeit der Sachseninvasion. Der Bogen, den Lawhead spannt, reicht von Atlantis über die keltischen Barden und Druiden (Taliesin) bis zur Merlin- und Artussage, die uns vertraut ist. Dabei belässt es der bekennende Christ Lawhead nicht bei einer Nacherzählung von Liebes- und Heldengeschichten, wie das minderbegabte Autoren gerne tun.

Vielmehr betrachtet er die Zeit, in der Englands größte Barden, Taliesin und Merlin, lebten, als die Periode des Übergangs von der alten keltischen zur neuen römisch-christlichen Religion und Kultur, oder mythologisch ausgedrückt: die Zeit des Zwielichts nach den keltischen bzw. römischen Göttern und vor der Durchsetzung des christlichen Glaubens auf den britischen Inseln, bedroht von der Dunkelheit, die von den Invasionen der Pikten, Angeln und Sachsen ausgeht.

Handlung

Zeitlich setzt die Handlung dann ein, als die letzte Schlacht gegen die in Britannien einmarschierten Vandalenstämme geschlagen ist. Deren letzter Oberhäuptling schwört Artus Treue und Gehorsam, also belohnt ihn Artus mit Land im Norden, was den dortigen Häuptlingen überhaupt nicht behagt.

Wegen der anhaltenden Dürre suchen die Ritter nach Wasser. Dabei stoßen sie im Wald auf eine junge Frau, die aber stumm zu sein scheint. Keinem der Ritter in Gwalchavads Begleitung scheint aufzufallen, dass sie ihren Gesang gehört hatten, sie aber nicht sprechen will. Es handelt sich um Morgaws, die inzestuös mit Morgians Sohn Lot gezeugte Tochter der Hexe. Als sie später in Artus‘ Lager auftaucht, wird sie in den Süden mitgenommen. Artus kehrt zurück ins spirituelle Zentrum seines Landes: Ynys Avallach, die Burg des Fischerkönigs. Hier will er das gesegnete „Königsreich des Sommers“ verkünden, das einst Merlins Vater, der große Barde Taliesin prophezeit hatte.

Während Gwalchavad mit Verwunderung und Besorgnis bemerkt, wie sich der irische Ritter Lancelot in Morgaws bis über beide Ohren verliebt, lässt Artus die Gralskapelle errichten, den wundertätigen Gral darin unterbringen und die Kapelle segnen. Drei Tage lang wirkt das göttliche Gefäß, dann wird er von Lancelot nächtens geraubt. Er tötet acht Gralshüter und 15 Pilger. Mit ihm fliehen Morgaws und die Königin, Guinevere. Auch das Schwert Excalibur wird geraubt.

Artus hält sich für von Gott bestraft, und es bedarf großer Anstrengungen von Seiten Gwalchavads und Merlins, um ihn dazu bringen, die Verschwundenen zu verfolgen – in das wüste Land Llyonesse, der Heimstatt Morgians. Denn Merlin und die Ritter haben ihr Wirken in den Geschehnissen um den Gralsraub erkannt.

Die Expedition nach Llyonesse steht unter einem Unglücksstern. Die Königin von Täschung und Verrat bietet alles auf, was ihr zur Verfügung steht. Allerdings kann sie nicht selbst auftreten, sondern benutzt ständig neue Werkzeuge dafür, um die Gralsritter um den Verstand zu bringen und ihren Glauben an Gott und ihre Mission auf die Probe zu stellen.

Erst als Gwalchavad und die Ritter Bors und Gereint (= Gawain?) eine verlassene Kapelle dem Christengott weihen und ihnen ein Engel den Gral bringt, bestehen Chancen, daß sie lebend aus Lyonesse herauskommen. Sie finden Arturs Schwert Excalibur, hier Caledvwlch genannt. Mit Gral und Schwert setzt sich das Trio erfolgreich gegen Morgians und Morgawses Zombies und Versuchungen (etwa des Fleisches und der Lust) durch. Sie befreien Artus, Guinevere und andere Ritter. Lancelot tötet Morgaws, deren Betrug er erkennt. Dennoch muß er zur Strafe seiner Missetaten nach Irland in die ehrlose Verbannung. Artus kehrt geläutert nach Hause zurück. Den wiedergewonnenen Gral will er irgendwo im Norden verstecken und hüten. Denn Morgian lebt ungestört weiter.

Seltsam: Guinevere hat es nie nötig, sich dafür zu entschuldigen, sich mit dem Verräter und Mörder Lancelot davongemacht zu haben. Im Gegenteil: Sie verteidigt ihn auch gegen Artus‘ Beschluß, ihn töten zu lassen. Aus Barmherzigkeit oder aus Liebe? Immerhin ist Lancelot ihr Landsmann. Wir erfahren es nicht.

Mein Eindruck

„Grail“ auf seine besondere Weise ebenso spannend und actiongeladen wie die Bände, in denen berühmte Schlachten (wie die von Baedun Hill) geschlagen werden, „Arthur“ und „Pendragon“. Doch der Kampf in „Grail“ ist seelischer und spiritueller Natur: die Botschaft und der Glaube des Christengottes gegen die alten heidnischen Glaubenssätze der Zauberei, die in Morgian ihre Verkörperung finden.

Perverserweise bilden kurze autobiographische Kommentare der „Königin von Luft und Dunkelheit“ Morgian die genaue Antithese zu Gwalchavads gottesfürchtiger und rechtgläubiger Chronik. So kann der Leser erkennen, wie Morgians Verstand funktioniert, und entscheiden, ob er ihren Ansichten – es sind meist weniger Argumente, die sie vorbringt – zustimmt oder nicht.

Artus gilt Lawhead im ganzen Zyklus als Vorkämpfer des Christentums. Taliesin und Merlins sind seine Vorreiter und Künder, der Gral das Symbol für das Königreich Gottes auf Erden. In der Darstellung von Artus‘ Gegnern – von der Pest über Invasionsheere bis hin zu heidnischen Zauberern und verräterischen Häuptlingen – kann man Lawheads Darstellung gut nachvollziehen. Aber war es wirklich so? Man tut gut daran, sich selbst in dieser Materie ein wenig kundig zu machen.

Lawhead bringt mit dem Pendragon-Zyklus seine eigene, christlich basierte Interpretation zum Thema „the matter of Britain“ ein. Er tut dies mit Verve, aber eben aus einem besonderen Blickwinkel heraus, mit dem man sich nicht unbedingt anfreunden muss.

Hardcover: 453 Seiten
Sprache: Englisch
Originaltitel: Grail
ISBN-13: 978-0380975266

https://www.harpercollins.com/9780380781041/grail/

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