Schlagwort-Archive: Asaro

Schröder, Tanja – Hirudo II – Blut der Finsternis

In [„Hirudo – Dunkles Erbe“ 4449 stellte Autorin Tanja Schröder dem Leser die junge Karen vor, die sich, auf der Suche nach ihrem Vater Lucas, plötzlich in der Gesellschaft einer ganzen Familie von Vampiren wiederfand. Lucas nämlich ist das Oberhaupt der Hirudo – so heißen die Vampire in der Welt von Tanja Schröder -, und von Gewissensbissen ob seiner väterlichen Abwesenheit während Karens Kindheit geplagt, erlaubt er ihr nun, im Haus der Vampire ihr Lager aufzuschlagen.

An dieser Stelle ließen wir Karen am Ende des ersten Romans zurück. Mit „Hirudo – Blut der Finsternis“ hat Tanja Schröder eine Fortsetzung geschrieben, die direkt an die Ereignisse aus dem Erstling anknüpft. Fünf Jahre sind vergangen, seit Karen bei Lucas eingezogen ist. Als einziger Mensch zwischen einer ganzen Schar von Vampiren, muss sie sich ständig behaupten und auf ihre Dazugehörigkeit pochen. Trotzdem scheint es ihr, als würden die Vampire sie nicht als einen Teil der Familie akzeptieren. Sie ist ein Außenseiter.

Dabei haben die Vampire offensichtlich andere Probleme, als sich mit Karens angeschlagenem Stolz zu beschäftigen. Ein totgeglaubter Widersacher, Dorian Prior, taucht plötzlich wieder auf und will sich an seinen alten Feinden rächen. Dafür ersinnt er einen ausgeklügelten Plan, der die Vampire um Lucas ganz schön auf Trab hält und schlussendlich Karen die Möglichkeit gibt, ihr eigenes Potenzial auszuschöpfen und zu beweisen, dass sie doch ein vollwertiges Mitglied der Familie ist.

„Blut der Finsternis“ schafft es, viele der Schwächen des ersten Teils auszugleichen und damit den Leser auf den gut 200 Seiten angenehm zu unterhalten. War die Handlung in „Dunkles Erbe“ recht dünn, so schafft es Tanja Schröder hier nun, nicht nur einen ausgeklügelten Plot, sondern auch einen würdigen Widersacher zu präsentieren, die die Geschichte am Laufen halten. Gleich der Einstieg in den Roman zeigt dem Leser, wo es langgeht: Schröder beginnt mit dem Bösewicht Prior und seinem menschlichen Wächter, zeigt den fundamentalistischen Wahnsinn des Vampirs und den ganz normalen Irrsinn seines „Menschen“. Die beiden sollen im Laufe des Romans den Guten wieder und wieder die Schau stehlen. Prior und sein Diener Turner sind die ausgefeiltesten Charaktere des Romans und es ist ein Vergnügen, besonders Turners schrägen Gedankengängen zu folgen. Wer also Romane mag, die starke und überzeugende Widersacher aufweisen, der sollte sein Glück mit „Blut der Finsternis“ versuchen.

Dass die Bösen so stark herüberkommen, führt allerdings auch dazu, dass die Guten stellenweise reichlich blass erscheinen. Gerade Lucas, der dem Leser ja im ersten Teil als der Obervampir präsentiert wurde, ist hier unscheinbar, unentschlossen und über weite Strecken einfach nicht präsent. Stattdessen konzentriert sich Schröder auf den neu eingeführten Charakter Calman, mit dem Karen eine Art Lehrer-Schüler-Verhältnis unterhält. Während Lucas in anderen Sphären zu schweben scheint, ist Calman für Karen erreichbarer und verstehbarer.

Man muss Tanja Schröder ankreiden, dass sie sich für ihren Roman zu viele Charaktere aufgehalst hat. Schon in „Dunkles Erbe“ war das in Anfängen zu erkennen, doch hier nun rächen sich die vielen Nebenfiguren. Während Prior und Turner beim Leser wirklich „ankommen“, da auf sie viel Papier verwendet wird, stehen in der Ecke der Guten zwar viele Spieler bereit, sie kommen jedoch nicht zum Einsatz. Beryl und Eliane, die noch im ersten Teil so hübsch gruselig ihre Schwingen ausbreiten durften, sind hier dazu verdammt, am Schluss ein paar gälische Sätze in den Himmel zu schreien. Schlimmer noch erwischt es Blanche und Galina. Warum die beiden überhaupt vorkommen, bleibt unklar. Sie haben keinen (oder kaum nennenswerten) Text und treiben auch die Handlung nicht voran. Sie sind nichts weiter als Dekor, füllen sie doch keine weitere Funktion aus, als die Lebensabschnittspartner der beiden Hauptvampire zu sein (nämlich Lucas und Seamus).

Trotzdem, im Vergleich zum Erstling „Dunkles Erbe“ ist Tanja Schröders zweiter Roman eine bemerkenswerte Verbesserung. Sie hat ihre Handlung viel enger geschnürt und schreibt konsequent auf einen Schlusspunkt zu. Sie lässt ihre Charaktere in einer Art Krimiplot einen Mord aufklären, lässt sie Spuren entdecken und schließlich auf Dorian treffen. Alles in allem bietet sie dem Leser damit einen wirklich durchdachten und vor allem funktionierenden Plot, der dem Roman Bewegung gibt. Außerdem ist sie sich auch nicht zu schade, einige Anspielungen und komische Passagen einzubauen. Jarout beispielsweise, der ja durch die Spiegel reisen kann, ist unfähig, den Kölner Flughafen zu finden. Ständig kommt er an einer anderen Spiegelfläche heraus, was seine Gefährten zur Weißglut bringt. Doch natürlich würde er nie, in bester männlicher Tradition, seine Schuld eingestehen. Oder gar nach dem Weg fragen. Oder wahlweise ein Taxi nehmen. Solche Stellen zeigen, dass Schröder sich selbst und ihre Charaktere auch auf die Schippe nehmen kann. Und so etwas ist immer ungemein sympathisch.

Dem Roman ist anzusehen, dass er auf einen dritten Teil hinausläuft. Handlungsstränge werden begonnen, aber nicht weitergeführt, Gefahren werden aufgezeigt, die dann aber nicht eintreten. Und die Vampirwelt Melacar wird ein weiteres Mal vorgestellt, ohne dass sie einen direkten Einfluss auf die Handlung hätte. All diese Dinge wollen in einer weiteren Geschichte erzählt werden, denn für sich genommen wirken sie unfertig. Leider ist bisher keine weitere Fortsetzung über die Hirudo erschienen. Bleibt abzuwarten, ob Tanja Schröder weiterhin Lust hat, sich in ihrer Vampirwelt herumzutreiben.

http://www.maratos.de
http://www.asaro-verlag.de

Schröder, Tanja – Hirudo – Dunkles Erbe

Hirudo – das klingt irgendwie exotisch und fremd. Tatsächlich ist Hirudo die lateinische Bezeichnung für den medizinischen Blutegel, und wenn das dem Titel von Tanja Schröders Roman auch ein wenig den Glanz nimmt, so ist die Anspielung doch zumindest treffend. Schließlich hat Tanja Schröder mit „Hirudo – Dunkles Erbe“ einen Roman über Blutsauger geschrieben.

Karen Grant ist auf der Suche nach ihrem Vater Lucas Vale. Zwar hat sie ihn nie kennengelernt, doch weiß sie aus den Geschichten ihrer Mutter sehr viel über Lucas. Dieser ist ein Vampir und hat Karen offenbar ein paar Extragene vererbt. So ist sie in der Lage, die Gedanken anderer Menschen zu lesen oder die Stimmung eines Gegenstandes zu erfühlen. Das ist eine durchaus praktische Gabe, hilft sie ihr doch bei ihrer Suche nach Lucas. Nacht für Nacht durchstreift sie die Stadt, in der Hoffnung, in den Gedanken eines Passanten den Namen ihres Vaters aufzuschnappen.

Die Ausweglosigkeit ihrer Suche ist Karen durchaus bewusst, allerdings bekommt sie unerwartet Hilfe. Jarout, ein junger Hirudo – also ein Vampir -, kennt Lucas und ist willens, Karen zu ihm zu bringen. Was die junge Frau zunächst nicht ahnt, ist die Tatsache, dass Jarout nicht aus Nächstenliebe handelt, sondern seine eigene Agenda verfolgt.

Jarout nimmt Karen mit in Lucas‘ Haus in der Nähe von Genf, doch der Hausherr ist nicht da. Stattdessen sieht sich Karen einer ganzen Familie von Vampiren gegenüber, die mal freundlich und mal hungrig gestimmt sind. Nachts schließt sie also Freundschaft mit Teilen von Lucas‘ Familie und versucht, nicht vom Rest verspeist zu werden. Und tagsüber, wenn die Hirudo schlafen, durchstreift sie das riesige Haus auf der Suche nach Hinweisen auf ihren Vater.

Tanja Schröders erster Roman ist ein seltsamer Hybrid. „Hirudo“ ist weit davon entfernt, ein schlechter Roman zu sein, aber gleichzeitig vermag er auch nicht durchgehend zu fesseln. Dazu kommen einige Kinderkrankeiten, die verhindern, dass der Roman sein volles Potenzial ausschöpft. Da wäre zum einen der hauchdünne Plot: Frau sucht ihren Vater. Daraus ließe sich selbstverständlich einiges machen: Durchwachte Nächte in staubigen Bibliotheken, das Durchwühlen alter Kirchenregister, das Streuen von Informationen und das Finden von überraschenden Helfern. Wie man eine derartige Geschichte genüsslich ausschmückt, hat Elisabeth Kostova in [„Der Historiker“ 2000 gezeigt. Tanja Schröder entscheidet sich für das Gegenprogramm. Karens Suche ist nicht mehr als die Exposition des Romans – bevor sie richtig losgegangen ist, übernimmt Jarout die Bühne und präsentiert Karen ihren Vater quasi auf dem Silbertablett. Über die Hälfte des Buches besteht dann aus Warten, nämlich dem Warten darauf, dass Karens Vater endlich von seiner Geschäftsreise heimkehrt. Schröder nutzt diese Zeit ausgiebig, um Karen das Haus durchstöbern zu lassen (da sie kaum etwas Nennenswertes findet, hält sich der Mehrwert in Grenzen) und die Mitglieder von Lucas‘ Familie vorzustellen. „Vorstellen“ ist dabei das zentrale Wort. Mehr passiert nicht, es gibt keinen Konflikt und über lange Strecken keine Bewegung in diesem Roman. Nachdem der Leser dann über hundert Seiten auf die Begegnung zwischen Karen und ihrem Vater gewartet hat, wirkt das groß erwartete Ereignis in seiner tatsächlichen Schlichtheit wie ein Antiklimax.

Dazu kommt, dass die Charaktere nicht völlig ausgearbeitet sind. Einzig Denis bleibt dem Leser in Erinnerung: Der geistig zurückgebliebene Hirudo ist offensichtlich Schröders Lieblingsfigur. Sie verwendet viel Zeit auf die erste Begegnung von Karen und Denis, der ein talentierter Maler ist und Karen in sein kleines Refugium entführt. Schröder schildert dies in einem wirklich schönen Kapitel, das letztendlich aber ins Leere läuft, da es nichts zur eigentlichen Romanhandlung beiträgt. Ähnliches wiederholt sich mit allen Bewohnern des Hauses. Sie werden dem Leser vorgestellt, ohne dass sie dann im Gesamtzusammenhang etwas zu tun bekämen. Einzige Ausnahme ist hier wohl Jarout, der seine eigenen Pläne verfolgt. Aber auch seine Motivation bleibt im Dunkeln. Schröder ist selten in der Lage, ihre Figuren für den Leser zu erhellen.

Viele dieser Kritikpunkte dürften der Tatsache geschuldet sein, dass „Dunkles Erbe“ nur der erste Teil eines Romanduos um die Hirudo ist. Vieles wird nur angedeutet – so z. B. der Ursprung der Hirudo und wie sie in unsere Welt kamen. Es ist davon auszugehen, dass all diese kleinen Appetithäppchen im Folgeroman „Blut der Finsternis“ wieder aufgegriffen werden, doch führt diese Taktik dazu, dass sich „Dunkles Erbe“ über weite Strecken wie ein Prolog liest. Wer nur den ersten Teil in der Hand hält, wird das Buch unbefriedigt zuklappen, da nichts gelöst und eigentlich auch noch kein Problem in den Raum gestellt wurde. Der Roman plätschert dahin, mehr nicht.

Einem wirklichen Lesevergnügen steht leider auch der technisch schlechte Text gegenüber, wobei unklar bleibt, ob die Schnitzer hier von der Autorin selbst oder vom Lektorat kommen. Tanja Schröder gelingen durchaus stilistisch schöne Passagen und überzeugende Bilder. Leider stehen diese in ständigem Kontrast zu so unausgewogenen Formulierungen wie „die übliche Schwelle war nicht vorhanden und leicht zu überwinden“ (Karen versucht hier gerade, in Denis‘ Geist einzudringen). Hinzu kommt, dass Tanja Schröder ein Problem mit richtigen Fallendungen hat und die Genitiv-s-Regel einfach ignoriert. Bei einem Roman mit drei Charakteren, die auf -s enden (nämlich Lucas, Denis und Seamus) ist das ein Fallstrick, den ein Lektor hätte ausbügeln müssen.

Die Hirudo sind faszinierende Geschöpfe. Schröder lehnt ihre Vampire weniger am klassischen Dracula als am modernen Lestat an. Lucas, das Familienoberhaupt, lehnt es beispielsweise ab, zu töten. Er ist empfindsam, von Schuldgefühlen geplagt und erpicht darauf, sich in die Welt der Menschen zu integrieren, auch wenn er nicht wirklich dazugehören kann. Darüber hinaus erlaubt Schröder dem Leser flüchtige Blicke auf den Ursprung der Hirudo. Ein anderer Planet? Eine andere Wirklichkeit? Eine andere Zeit? Das wird man wohl nur erfahren, wenn man sich den zweiten Band, „Blut der Finsternis“, zu Gemüte führt.

http://www.asaro-verlag.de
http://www.maratos.de