Ellis, Warren / Williams III., J. H. – Desolation Jones 1: Made in England

_Story_

Michael Jones, ehemaliger Agent des MIG, leidet noch immer unter den Schatten seiner Vergangenheit. Als einziger Überlebender des Desolation-Tests ist er als Privatdetektiv einer geheimen Untergrundorganisation untergetaucht und übernimmt seit einiger Zeit Fälle für Leute, denen ein arg zwielichtiger Ruf anhängt. Sein neuester Auftrag führt ihn zum stark entstellten Colonel a. D. Nigh, der über eine große private Porno-Sammlung verfügt und seit einigen Tagen sein wertvollstes Stück, eine pornografische Dokumentation von Hitlers sexuellen Leidenschaften, vermisst. Jones soll das verlorene Video wiederbeschaffen und begibt sich alsbald in die Erotikszene.

Von Beginn an kämpft der Ex-Agent mit harten Bandagen und macht den Produzenten des anrüchigen Film-Genres ordentlich Druck, gerät dabei aber selber recht schnell in einen Sumpf aus politischen Intrigen und Machenschaften, in die Nighs Töchter involviert zu sein scheinen. Als Jones während seines Einsatzes angeschossen wird, sieht der kaltblütige Detektiv rot und erklärt seine herkömmlichen Ermittlungen vorzeitig für beendet: denn scheinbar verstehen seine Gegner nur die harte Tour …

_Meine Meinung_

Warren Ellis – dieser Name hat mich bereits mit der fulminanten Science-Fiction-Story in [„Ocean“ 3401 begeistert. Und auch in seiner neuesten Reihe leistet der Autor ganze Arbeit und führt mit dem eigenartigen Detektiv Michael ‚Desolation‘ Jones einen Charakter ein, der typischer für einen lupenreinen Antihelden gar nicht sein könnte und aufgrund der makellosen Darstellung und der farbenfrohen, teils aber auch gnadenlos harten Inszenierung sofort den Status einer zukünftigen Comic-Ikone einnehmen dürfte. So viel zum ersten Eindruck …

Die Story im ersten Band „Made in England“ ist dementsprechend fantastisch: Jones schnüffelt mit skrupellosen Methoden im Porno-Business und durchleuchtet sowohl Produzenten als auch Darsteller. Auf der Suche nach einem privaten Video Hitlers eckt der Detektiv sofort an und zieht in Windeseile den Hass vieler bedeutsamer Namen auf sich. Für Jones ist dies jedoch kein Problem, denn spätestens nach dem Desolation-Test ist er allen erdenklichen Kontrahenten gewachsen und erwehrt sich gewaltsamer Attacken mittels einiger schneller, brutaler Handgriffe, was den Hass der Gegenseite weiter schürt.

Als er dann einen Schritt weiter kommt, stößt er auf erste Zweifel bezüglich seines Auftrags. Immer stärker sind die Bedenken gegenüber Nighs Vertrauenswürdigkeit, zumal sich aus den Reihen seiner Familie erste Attacken gegen den mysteriösen Colonel andeuten. Sowohl seine offensichtliche Lieblingstochter, eine pflichtbewusste CIA-Agentin, als auch ihre verschwundene Schwester sind ihrem Vater auf der Spur wegen eines Vorfalls in der Vergangenheit. Während die eine seine Unschuld beweisen will, versucht die andere, ihn mit erdrückenden Beweisen massiv zu belasten.

Der Konflikt ist vorprogrammiert, und mittendrin der verdeckte Ermittler Jones, der erst nach und nach hinter die wahren Hintergründe seines Falls kommt. Als die Situation dann zu eskalieren droht, sieht er rot: Ein Angriff auf seine Person und die ständigen Lügen, denen er ausgesetzt wird, überstrapazieren seine Nerven. Er bringt die betroffenen Personen zusammen und deckt die Sache auf – jedoch auf eine erbarmungslose Art und Weise, die man schon seit jeher an ihm fürchtet.

Die Geschichte, die Ellis im Debütalbum von „Desolation Jones“ erzählt, ist nicht nur unheimlich spannend, sondern aufgrund der zahlreichen Wendungen und des generell total unberechenbaren Verlaufs wahrhaftig überwältigend. Keine der im Mittelpunkt stehenden Personen gibt zu viel von sich preis, und jeder Einzelne scheint noch ein weiteres Geheimnis für sich zu bewahren, welches die Story wieder vollkommen umzukrempeln vermag. Nicht zuletzt die vielen, scheinbar nur zum Statisten degradierten Figuren, die plötzlich entscheidend in die Handlung eingreifen, sorgen hier für beinharte Thriller-Atmosphäre und darauf aufbauend auch für knallharte permanent spürbare Action.

Dies wird weiterhin von den genialen Zeichnungen von J. H. Williams III verstärkt, der hier, einem Frank Miller ähnlich, recht spärlich mit bunten Farben umgeht und wegen der Betonung einzelner Segmente sofort starke Parallelen zu dessen Meisterstück „Sin City“ hervorruft. Letztere könnte man, zumindest was den Umgang der Charaktere miteinander betrifft, ebenso auf den Plot beziehen, wenngleich Ellis ein wenig stringenter vorgeht als sein Pendant Miller, dabei aber mittlerweile schon in derselben Liga spielt bzw. schreibt wie die Legende.

Letztendlich ist „Desolation Jones“, vor allem, was die Atmosphäre und die eingebrachten Ideen angeht, eine Art Tarantino-Werk im Comicformat. Mich würde jedenfalls nicht wundern, wenn cineastische Vorlagen wie „Pulp Fiction“ hier Pate gestanden und dem Autor die Inspiration für diese geniale Inszenierung geliefert hätten. Und alleine diese Tatsache sollte ein relativ großes Publikum aus der Reserve locken und Interesse für das neue Meisterstück des |Panini|-Ablegers |Wildstorm| wecken. „Made in England“ ist ein absolut tadelloser Auftakt dieser neuen Serie!

http://www.paninicomics.de

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