Walter Moers – Der Bücherdrache

In den Katakomben von Buchhaim erzählt man sich eine alte Geschichte vom sprachmächtigen Drachen Nathaviel. Angeblich besteht er aus lauter Büchern, die von der mysteriösen Kraft des Orms durchströmt sind. Die Legende besagt, der Bücherdrache habe auf jede Frage die richtige Antwort.

Der Buchling Hildegunst Zwei, benannt nach dem zamonischen Großschriftsteller Hildegunst von Mythenmetz, macht sich eines Tages auf den Weg in den Ormsumpf, wo Nathaviel hausen soll. Dabei wagt er sich in Bereiche der Katakomben, in denen es von Gefahren wie den heimtückischen Bücherjägern nur so wimmelt. Und er ahnt nicht, dass die größte Gefahr, die ihm droht, vom Bücherdrachen selber ausgeht.

(Verlagsinfo)

Rückkehr in die Katakomben Buchhaims an die Seite des Buchlings Hildegunst, auf der Spur unglaublicher Mythen und Abenteuer. Zamonien aus der Warte eines liebenswerten Zyklopen. Eine neue Facette, illustriert mit moers‘scher Detailiertheit. Und ein Hauch des alten Orm.

Der Inhalt dieses Buches ist schnell erzählt: Auf 165 Seiten schildert Hildegunst, der Buchling und Archivar des Mythenmetzschen Gesamtwerks, ein Abenteuer in den Katakomben Buchhaims mit den unglaublichen, teils albtraumhaften Geschöpfen, die die moers‘sche Unterwelt beleben. Eine Begegnung mit dem titelgebenden Drachen, der wiederum seine Lebensgeschichte erzählt und weise Worte spricht, und eine Verfolgungsjagd mit neuen Erkenntnissen über die Buchlinge.

Eingefasst wird der Text durch kurze Sequenzen comichafter Zeichnungen und zwischen die Pappdeckel des schmucken Einbandes, den die gebundenen Ausgaben der zamonischen Bücher vorweisen – inklusive Lesebändchen. Haptik und Olfaktorik kommen also ebensowenig zu kurz wie das Auge, das sich an den illustren Illustrationen erfreuen kann, mit denen Moers dieses Buch inszeniert. Dabei darf ich an dieser Stelle bereits auf einen großen Unterschied zum letztens erschienenen Band „Weihnachten auf der Lindwurmfeste“ hinweisen, wo die Farbtafeln zwar nett, aber eigentlich kaum mehr als füllendes Beiwerk waren und den Eindruck der Platzschinderei erweckten. Nein, hier sind es echte Illustrationen nach alter Tradition.

Einige Zeit war es still um Walter Moers, der sich mit den „13 ½ Leben des Käptn Blaubär“ in die Herzen seiner Leser schrieb. Angekündigte Romane erschienen nicht, einige der letzten schienen die Leserschaft zu enttäuschen. Und nun liegt eine Erzählung vor, die er wieder selbst illustrierte und mit der er in die reich überfüllte Gegend der Unterwelt zurück kehrt, wo er seine Widmung an die Worte, die Schriftstellerei und die Intuition begann.

Er erzählt in diesem Buch nicht auf klassische Art. Hier gibt es eine Geschichte in der Geschichte, die vom Buchling live an den berühmten Dichter Hildegunst von Mythenmetz erzählt wird, anfangs eher ein Bericht denn eine Geschichte. Doch mit den Seiten wächst auch das Engagement des erzählenden Buchlings, der in Eifer gerät und spannend auf den Fährten seines großen Vorbilds wandelt. In der verschachtelten Geschichte findet sich somit stilistisch eine Darstellung des Heranwachsens von Erzählkunst, und das auch noch thematisch anhand einer Auseinandersetzung mit der Schriftstellerei und der Schönheit der Worte, die Moers hier über seine Berichterstatter auf den Punkt bringt. Ist es daher erlaubt, hier eine Art Stellungnahme zu seinem eigenen Schaffen, zu seiner Arbeit als Schriftsteller und ihre Hochs und Tiefs, zu vermuten?

Nach der Lektüre dieses Buches, das sich sehr schnell lesen lässt, bleibt ein zufriedenes Gefühl zurück. Zamonien wird um eine Facette reicher, die Buchlinge offenbaren eine bisher unbekannte Seite ihrer Existenz, eine lebhafte Erzählung und ein wichtiger Erfahrungsgewinn bilden das Zentrum der Geschichte. Bei der Aufmachung kann man dem Verlag keinen Vorwurf machen; es ist in angenehmem Schriftbild auf dickem Papier gedruckt, reiht sich schön ein in die Prachtausgabe der zamonischen Sammlung und vermittelt nicht den Eindruck der Effekthascherei. Es stellt sich allerdings bei der Betrachtung der vergangenen Jahre und der angekündigten Romane, die nicht erschienen, dann doch die Frage, ob es sich beim „Bücherdrachen“ um einen Ausschnitt, eine Nebenhandlung des geplanten dritten Teils der „Träumenden-Bücher“-Reihe, „Das Schloss der träumenden Bücher“, handeln könnte. Derlei Mutmaßungen können völlig fehl am Platze sein. Jedoch bleibt der Unterschied zu den ausschweifenden, brillianten Erzählungen voller Wendungen und Diversität trotz zufriedenstellender Geschichte bestehen.

Insgesamt ist die Erzählung aufgrund von fehlender Komplexität und ihrer Kürze eher als Novelle denn als Roman zu betrachten. Im Anhang findet sich die Leseprobe eines Titels „Die Insel der 1000 Leuchttürme“, was ich als Ankündigung des nächsten Buches deute. Inhaltlich spricht sie mich ebenfalls an, doch scheint es sich dabei erneut um eine Briefsammlung zwischen Mythenmetz und Kiebitzer zu handeln, was mich beim letzten Mal (Weihnachten auf der Lindwurmfeste) nicht überzeugen konnte. Hier ist das vorliegende Buch eine schöne Variante der Erzählung in der Erzählung, und so bleibt nur auf einen richtigen Roman zu hoffen, denn inhaltlich weht der Hauch des Orm durch dieses Buch und macht wieder Lust auf mehr.

Gebunden, 192 Seiten
Originalausgabe
Penguin 3/2019
ISBN: 9783328600640
Das Buch beim Verlag

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