Cobb, James – Überfall auf hoher See

|Originaltitel: „Target Lock“|

James Cobb ist einer der Newcomer im High-Tech- bzw. Militärthrillergenre und legt mit „Überfall auf hoher See“ bereits sein viertes Buch in kurzer Folge vor. Er entstammt einer traditionsreichen Marine-Familie und hat lange Zeit auf verschiedenen Kriegsschiffen der U.S. Navy gedient.

Als INDASAT 06, ein unbemannter Forschungssatellit, bei seiner planmäßigen Landung in der Arufarasee vor Indonesien von der Besatzung der STARCATCHER aufgenommen wird, wird diese kurz darauf von einer organisierten Piratenbande überfallen und versenkt. Der wertvolle Satellit mit seinen Forschungsergebnissen über Materialbearbeitung in der Schwerelosigkeit wird an einen unbekannten Ort entführt. Schnell wird klar, dass mit konventionellen Mitteln wenig zur Wiederbeschaffung beizutragen ist und die indonesische Regierung entweder korrupt ist oder zumindest vor dem seit Jahren wieder aufkeimenden Piratenproblem die Augen verschließt.

Captain Amanda Lee wird mit ihrer „Seafighter Task Force“ aus dem Mittelmeer abgezogen und läuft durch den Suez-Kanal, um vor Ort Ermittlungen anzustellen und sich dabei den Anschein eines Höflichkeitsbesuches zur Verbesserung der politischen Beziehungen zu geben. Die „Seafighter Task Force“ ist eine kleine High-Tech-Einheit der neu gegründeten „NAVSPECFORCE“ (Naval Special Forces) und besteht aus dem schlagkräftigen Stealth-Kreuzer „U.S.S. Cunningham“, dessen Kapitän sie zuvor selbst war, sowie der hochgerüsteten „LSP“ (Landing Ship Platform) „U.S.S. Evans F. Carlson“ mit mehreren bis an die Zähne bewaffneten Hovercraft-Fahrzeugen, umgerüsteten Kampfhubschraubern und einer kleinen Einheit „U.S. Marines“ und „Marine Reconnaissance Units“.

Unterstützt von einem einheimischen Polizeioffizier kommt sie bald dem charismatischen und anziehenden Makara Harconan auf die Spur, der hinter der Fassade des weltmännischen Geschäftsmanns die Sippen der uralten Bugi-Stämme mit Geld, Waffen und Logistik unterstützt und damit einen perfiden Plan zur Zerschlagung des Vielvölkerstaats Indonesien in einzelne Inselreiche verfolgt.

Nach einigen Seegefechten und Scharmützeln wird Garrett von Harconan, der zwischenzeitlich sowohl ihr erbittertster Feind, aber auch ihr leidenschaftlicher Liebhaber geworden ist, entführt und es kommt zur alles entscheidenden Schlacht um dessen letzte Festung und die Sicherheit des freien Seeverkehrs in Südostasien.

Mit seinem vierten Buch um die ebenso erfolgreiche wie unkonventionelle und sympathische Kämpferin Amanda Lee Garrett trägt Cobb extrem dick auf. Während Garrett in den ersten beiden Romanen noch Kapitän der „Cunningham“ war, dann die Leitung der experimentellen Hovercraft-Einheit „Seafighter“ übertragen bekommen und vom Polarkreis über China und Westafrika eine Spur der Vernichtung hinterlassen hat, ist sie mittlerweile der verantwortliche Offizier für die an Schlag- und Feuerkraft ständig wachsende „Task Force“. Dabei setzt sie sich, mit Wissen und Billigung ihres Vorgesetzten, reihenweise über geltendes Recht souveräner Staaten hinweg und überzieht jeglichen Widersacher mit dem, was neuerdings als „Shock and Awe Tactic“ oder „Overwhelming Force“ bezeichnet wird.

„Überfall auf hoher See“ trieft zwar nicht unbedingt vor amerikanischem Nationalstolz, mystifiziert und glorifiziert aber die Feuerkraft und Stärke der U.S. Navy in kaum erträglichem Maß. Während die in Zahl weit überlegenen, aber in Technologie meilenweit hinterherhinkenden und maximal mit ein paar schweren Maschinengewehren und veralteten Haubitzen bewaffneten ‚Bugi‘ durch High-Tech-Lenkwaffen aller Arten geradezu niedergemetzelt werden und jeder Abschuss zelebriert wird, werden eigene, zu vernachlässigende Verluste beiläufig in einem Nebensatz erwähnt. Die Darstellung von Treffern, Verletzungen und Schäden der Gegenseite werden explizit beschrieben, Verwundete in den eigenen Reihen rappeln sich meist nach kurzer Zeit wieder auf, um heldenhaft weiterzukämpfen.

Für die Zielgruppe ist „Überfall auf hoher See“ auf jeden Fall ein lesenswertes Buch. Wer grundsätzlich etwas mit SMADS (Ship Area Denial Systems), Präzisionslenkmunition für 155-mm-VGAS (Vertical Gun Advanced Ships), ATACMS (Army Tactical Missiles) und Dutzenden anderen Begriffen für Lenkwaffen, Aufklärungsdrohnen und sonstiges Kriegsgerät anfangen kann, wird hier voll auf seine Kosten kommen. Cobb ist zweifelsohne ein Fachmann auf dem Gebiet der Seekriegsführung und -ausrüstung und alle seine fiktiven Waffensysteme sind weiterentwickelte Versionen heute tatsächlich bestehenden Kriegsgerätes, das fundiert, aber verständlich beschrieben wird. Lobenswert ist auch die geglückte Übersetzung vieler militärischer und seemännischer Fachbegriffe. Dazu liest sich das gesamte Buch in einem Rutsch spannend durch und ist jederzeit fesselnd, wenn auch, für Kenner der Materie, nicht wirklich überraschend.