Becka, Elizabeth – Engelsgleich

Den perfekten Mord gibt es vielleicht nicht, doch das perfekte Todesarrangement, das präsentiert uns Elizabeth Becka, und zwar gleich in dreifacher Ausführung …

_Ein Kunstwerk_

Die schwerreiche Grace Markham wird ermordet in ihrer teuer eingerichteten Wohnung aufgefunden. Eigentlich ist die Wohnung eine Festung: Nur mit einem bestimmten Code, den nur Grace, ihr Mann und ihr Zugehmädchen kennen, kann man den Aufzug überhaupt dazu bewegen, in der richtigen Etage zu halten, und doch hat es ihr Mörder bis in diese Festung hineingeschafft und Graces Leiche kunstvoll arrangiert. Mit Gurten befestigt, sitzt sie auf einem Stuhl, die Hände auf den Tisch gelegt. Ein teures Collier schmückt ihren Hals, doch gerade dieses hätte dem Mörder im Weg sein müssen, denn Grace Markham wurde erwürgt. Bleibt nur eine Lösung: Das Collier gehört ebenfalls zum Arrangement und wurde ihr nach der Tat angelegt. Wer würde so etwas tun?

Bevor die Forensik-Expertin Evelyn James darauf eine Antwort findet, wird auch ihre Kollegin und Freundin Marissa in genau dem gleichen Haus angegriffen, doch glücklicherweise kann sie dem Angreifer entkommen, bevor er auch sie ermorden kann. Marissa liegt schwer verletzt im Krankenhaus und wird künstlich beatmet. Hat sie den Angreifer gesehen und vielleicht erkannt? Diese Fragen kann Marissa nicht beantworten, und vielleicht wird sie es auch nie können, denn der Mörder folgt ihr ins Krankenhaus und versucht dort, seine schreckliche Tat zu vollenden.

Evelyn tappt im Dunkeln. Zwar konnte die DNA des Täters an Grace Markhams Leiche sichergestellt werden, da sie post mortem vergewaltigt wurde, doch nutzt das wenig ohne eine einzige Spur auf den Mörder. Nur einige Farbspuren auf Graces Kleidung und ein merkwürdiges Wachsmalbild am Kühlschrank scheinen nicht in die ansonsten perfekte Wohnung zu passen. Gehört beides zur Visitenkarte des Täters? Evelyn vermutet es und versucht, die Spuren zu analysieren. Doch wie kommt eine Kinderzeichnung aus Wachsmalstiften in Grace Markhams Wohnung, die doch keinerlei Kontakte zu Kindern hatte?

Bald wird eine zweite Leiche gefunden, die noch vor Grace Markham den Tod gefunden hat, allerdings erst entdeckt wurde, als bereits die Verwesung eingesetzt hat. Frances Duarte ist auf die gleiche Weise ums Leben gekommen wie Grace Markham, und auch hier finden sich kaum verwertbare Spuren, bis auf die gleichen Farbspuren, merkwürdige Fettflecken und ein ähnliches Kinderbild. Wo liegt die Verbindung zwischen den beiden Frauen? Oder hat der Mörder sie zufällig ausgewählt? An diese Theorie mag Evelyn nicht denken, denn sie entdeckt ein Beuteschema, das sie nach langer Ermittlungsarbeit schließlich auch auf eine heiße Spur führen wird, doch wird sie den Mörder rechtzeitig finden oder fällt sie ihm womöglich selbst zum Opfer?

_Katz- und Maus-Spiel_

Elizabeth Becka lässt sich nicht viel Zeit; gleich auf den ersten Seiten begleiten wir Evelyn James bei ihrer grausigen Arbeit am Tatort. Sie sammelt Spuren ein, wo sie keine vermutet, und grübelt über ein mögliches Tatmotiv. Doch die drängendste Frage ist wohl die, wie der Täter in eine so perfekt gesicherte Wohnung eindringen konnte. Genau hier verbirgt sich jedoch die Lösung, aber Becka verpackt diese so geschickt, dass man sie einfach nicht bemerken will.

Die Spurenauswertung verläuft träge, Evelyn findet nicht die richtigen Wachsmaler und weiß einfach nicht, wie eine Kinderzeichnung in die Wohnung zweier reicher Frauen kommen kann, die gar keine Kinder haben. Auch eine Verbindung zwischen den Opfern findet sich zunächst nicht. Doch Evelyns Ehrgeiz ist geweckt. Es ist nicht nur die Neugier, die sie umtreibt, es ist auch die Angst um ihre Freundin Marissa, die hilflos im Krankenhaus und damit auf dem Präsentierteller für den Mörder liegt. Dem möchte Evelyn allerdings zuvorkommen. Hartnäckig und auch jenseits ihrer Kompetenzen ermittelt sie auf eigene Faust, gibt sich als Ärztin aus, um an mehr Informationen heranzukommen, und bringt sich dabei sogar selbst in tödliche Gefahr.

Die Polizei dagegen scheint machtlos, sie findet keine heiße Spur und auch keine Zeugen. Die Gebäude, in denen die Opfer gewohnt haben, sind zwar videoüberwacht, dennoch findet sich keine Aufnahme von dem Mörder; es scheint, als müsse man ein Phantom jagen. Doch dass dieses Phantom aus Fleisch und Blut ist, wird spätestens Evelyn am eigenen Leib spüren müssen.

Die Jagd nach dem Mörder, die kleinschrittige Spurensuche und die Frage nach der Verbindung zwischen den Opfern treiben nicht nur Evelyn und die Polizei an, sondern auch den Leser. Elizabeth Becka streut nur wenige Indizien ein, lässt den Fall lange vor sich hinplätschern, ohne dabei aber den Spannungsbogen leiden zu lassen, denn immer fühlt man sich vom unbekannten Mörder bedroht und spürt die nahende Gefahr. Im Nu hat man das Buch durchgelesen, weil man es einfach nicht mehr aus der Hand legen kann. Der Fall ist packend und rasant geschrieben; Becka inszeniert einen nahezu perfekten Spannungsbogen, der zwischendurch nicht einmal abbricht – bravo!

_Einsame Heldin_

Im Mittelpunkt des Buches steht Evelyn James, die zwar nicht die Ermittlungen leitet, aber ihre eigenen Motive hat, die sie antreiben und auf eigene Faust ermitteln lassen. Des Nachts wird Evelyn aus dem Bett geklingelt, um an den nächsten Tatort zu eilen, doch begibt sie sich auch freiwillig mitten in der Nacht in ihr Labor, um die drängendsten Fragen aufklären zu können. Während die Polizei auf der Stelle tritt, findet sie ein Indiz nach dem anderen und kombiniert diese schlau, bis das Bild des Täters immer klarer wird.

Dabei hat Evelyn James auch genügend eigene Probleme; ihre Tochter ist unglücklich verliebt und ihr Freund (oder doch Ex-Freund?) steht unter genauer Beobachtung durch Evelyn, die ihre Tochter vor allem Übel der Welt beschützen will. Doch das ist natürlich nicht so einfach bei einer Tochter, die flügge wird. Gleichzeitig befindet sich ihre Liebelei mit dem Polizisten David Riley in der Krise; der möchte nämlich endlich bei Evelyn einziehen, sie denkt allerdings noch mit Schrecken an ihre Scheidung zurück und möchte sich lieber noch nicht zu eng binden, außerdem fragt sie sich immer wieder, ob sie aus den richtigen Motiven mit David zusammen ist oder nur deswegen, weil sie ihn gerade braucht.

Je länger wir Evelyn bei ihrer Arbeit begleiten, umso besser lernen wir sie kennen. Während sie dem Mörder auf die Spur kommen will, verblasst die gesamte Polizeiarbeit nebenbei und erhält deswegen auch nur wenig Raum im Buch. David Riley und seinen Kollegen stellt Elizabeth Becka aber trotzdem vor, damit Evelyn das Buch nicht ganz alleine bestreiten muss. Beckas Charaktere sind sympathisch, menschlich und vor allem herrlich „unperfekt“. Genau diese allzu menschlichen Fehler sind es, welche die Distanz zwischen Leser und Romanfigur überbrücken und einen in jeder Situation mit Evelyn fühlen lassen. Ich bin schon jetzt neugierig auf die Fortsetzung, weil ich einfach wissen muss, wie es mit Evelyn James weitergeht.

_Teuflisch gut_

Mit ihrem zweiten Thriller um die Figur Evelyn James hat Elizabeth Becka genau ins Schwarze getroffen. Das Buch ist spannend von der ersten Seite an und lässt den Leser bis zur letzten Seite nicht mehr los. Die Charaktere sind gelungen und auch die Auflösung weiß zu überzeugen – was will man mehr?

http://www.diana-verlag.de

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