_Hintergrund_
Auch nach der Fußball-WM ist das Thema Fußball in Deutschland populärer denn je. Zeit also, einmal die wahren Hintergründe des einflussreichen Ballsports zu beleuchten, Zeit für eine etwas exklusivere Berichterstattung, in der Dunkelziffern aufgedeckt, Scheinrealitäten analysiert und jahrelange Unzulänglichkeiten zum ersten Mal unverblendet ans Tageslicht gebracht werden. Denkt zumindest Till Burgwächter, der sich bereits seit einiger Zeit mit der Materie befasst und auf satirisch-kritische Art die echten Phänomene der Lieblingsbeschäftigung vieler Deutschen hinterfragt hat.
_Meine Meinung_
Welcher Zeitpunkt wäre für Burgwächters Reportage wohl besser gewesen als der jetzige? Die Euphorie der Weltmeisterschaft ist noch immer nicht gänzlich abgeklungen, so dass der bissige Satiriker mit diesem Buch mitunter Leute erreichen wird, die im Regelfall nicht zur Zielgruppe des einschlägig bekannten Lästermauls gehören. Dieses Mal jedoch ist sein Humor noch persönlicher, soll heißen, Burgwächter agiert noch um ein Vielfaches angriffslustiger, wohl wissend, dass er hier vielen Leuten aus der Seele spricht, die mit dem Verein oder Spieler xy spinnefeind sind und sich in ihrer Rolle dadurch noch bestätigt fühlen. Ist ja auch cool, mal wieder gegen den FC Bayern zu lästern, die wirtschaftliche Misere von Borussia Dortmund an den Pranger zu stellen oder die alten Klischees zu Skandalclubs wie Hansa Rostock und dem FC St. Pauli zu beleben. Aber bis hierhin ist „Die Wahrheit über Fußball“ auch noch nichts Besonderes. Interessanter wird das Buch indes, wenn Burgwächter, der sich übrigens einmal mehr von Jan Oidium mit einigen witzigen Karikaturen unter die Arme greifen ließ, seine Lästerzunge zu altbekannten Helden der deutschen Fußballgeschichte in Bewegung setzt und sich dabei über die Eskapaden von Leuten wie Mario Basler und Stefan Effenberg ebenso lustig macht wie über das optische Erscheinungsbild von Koryphäen wie Günther Netzer und Paul Breitner. Desweiteren werden hier Namen wie Matthäus, Völler und Klinsmann durch den Kakao gezogen, dies jedoch mit einem erstaunlichen Hintergrundwissen, das entweder auf lange Recherche oder aber doch ein eigenes fundiertes Wissen schließen lässt. Zumindest liefert Burgwächter abgesehen von seiner wirklich manchmal überzogen bissigen Art kaum Angriffsfläche, was die faktische Nachvollziehbarkeit seiner Texte anbelangt. Der Mann kennt sich aus und baut seine Spötteleien stets auf tatsächlichem Basiswissen auf, was den Inhalt einerseits noch brisanter erscheinen lässt, den Autor andererseits aber auch in Sicherheit wiegt, denn auch wenn er manchmal ziemlich Heftiges vom Stapel lässt, so erzählt er doch nichts, was man ihm im Nachhinein als Produkt seiner eigenwilligen Phantasie anlasten könnte.
Der Punkt, in dem sich Burgwächter über die Spieler auslässt, ist dann aber auch schon der Höhepunkt dieses kurzweiligen Buches, was aber auch daran liegen mag, dass er hier auf Geschichten zurückgreifen kann, die eine ganze Menge Potenzial für pointierte Reflektionen bieten. Im nachfolgenden Kapitel, in dem dann die verschiedenen Vereine ihr Fett wegkriegen, spielen sich zwar ähnliche Szenen ab, weil der Autor sich dabei aber recht deutlich auf bereits mehrfach erwähnte Fakten, nennen wir sie mal Klischees, bezieht, ist deren Humorpotenzial nicht mehr ganz so groß wie im vorangegangenen Abschnitt. Wenn Burgwächter über graue Mäuse wie den VFL Wolfsburg, Arminia Bielefeld oder den MSV Duisburg ablästert, ist das nett zu lesen, aber nicht sonderlich einfallsreich, schließlich sind Witze auf Kosten dieser Vereine in den Stadien an der Tagesordnung. Zumindest versucht der Verfasser der verschiedenen Artikel, durch das Einbringen seiner eigenen Meinung ein paar neue Pulverfässer zu verteilen, aber wirklich begeisternd ist diese Episode von „Die Wahrheit über Fußball“ dann nicht.
Was folgt, sind leider mehrfache Hochs und Tiefs, angefangen beim peinlichen Rundumschlag „Stad(t)ionen“, in dem Burgwächter die Gelegenheit nutzt, und sich einfach noch mal kurz und bündig über die verschiedenen Spielstätten und –städte zu äußern, was aber letztendlich mehr oder weniger dazu dient, den Umfang des Buches etwas aufzustocken. Es geht immer noch sehr derbe weiter, aber es will irgendwie nicht so recht mit den übrigen Berichten harmonieren, die sich im weitesten Sinne ausschließlich mit dem runden Leder und seinen Protagonisten befassen. Glücklicherweise bekommt der Mann später wieder rechtzeitig die Kurve und verliert noch einige unterhaltsame Worte über die Nationalmannschaft sowie größere Skandale dieses Sports, so zum Beispiel in einem exklusiven Kapitel über einen gewissen Herrn Hoyzer, der sich neben seinem Schiedsrichterdasein vor einiger Zeit auch noch durch einige unlautere Aktionen bereichern wollte. So was darf natürlich von Burgwächter nicht ungeahndet bleiben, wobei auch hier gilt: Bei aller groben Stänkerei beruht auch hier der grundsätzliche Inhalt ausschließlich auf real geschehenen Ereignissen.
Nun, nach 120 Seiten voller übler Nachrede und niederträchtiger Anklage ist’s dann aber auch genug. Burgwächter hat die Zwerchfelle seiner Leser bisweilen ausschweifend beanspruchen können, dabei aber zwischendurch die Formel „weniger ist manchmal mehr“ außer Acht gelassen. Gerade in Kapiteln wie „Stad(t)ionen“ läuft die Sache nämlich aus dem Ruder und geht ausnahmsweise mal auf Kosten des Lesers, der ein wenig aussichtslos nach neuen humoristischen Formeln verlangt. Bekommt er aber nicht, bis Burgwächter sich dann in einem seltsamen Interview doch noch einmal von dem sich wiederholenden Schema abgrenzt und plötzlich auch wieder witzig ist.
Bevor jemand dies aber in den falschen Hals bekommt: „Die Wahrheit über Fußball“ ist über große Strecken ein gelungenes und auch tatsächlich sehr lustiges Buch und gefällt vielleicht gerade deswegen, weil hier kein Blatt vor den Mund genommen wird und sich der Autor herausnimmt, kompromisslos drauflos zu wettern. Und weil der Mann aufgrund seiner lockeren, unkomplizierten Art auch zu derjenigen Spezies gehört, die sich das auch erlauben darf, schlägt das Buch in eine ähnlich ansprechende Kerbe wie einst [„Die Wahrheit über Wacken“, 1589 Burgwächters bislang beste Veröffentlichung. Abseits von Floskeln wie „wer Burgwächter mag, wird ‚Die Wahrheit über Fußball lieben'“, möchte ich daher auch mal jeden Einzelnen, der den bedenklichen Entwicklungen in unserem Lieblingssport ebenfalls kritisch gegenübersteht, auf diese nette kleine Broschüre aufmerksam machen. Solange man nämlich immer noch drüber lachen kann, ist doch alles in Butter. Nicht wahr?
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