DeLong, Candice / Petrini, Elisa – Agentin, Die. Eine Frau im Dienst des FBI

Fast fünf Jahrzehnte hatte er das von ihm mitgegründete „Federal Bureau of Investigations“ geleitet, es in seinen letzten paranoiden Jahren als politisches Instrument missbraucht, seine Mitbürger und Mitarbeiter bzw. Untergebenen terrorisiert: J. Edgar Hoover (1895-1972), Segen und Fluch des FBI, dessen Schatten noch Jahre nach seinem Tod auf dieser Behörde lastete.

Eine Folge: Noch in den 1980er Jahren, als das öffentliche Aussprechen des Wortes „Gleichberechtigung“ nicht mehr den Exorzisten auf den Plan rief, arbeiteten so gut wie keine Frauen für das FBI. Dabei gab und gibt es auch unter den weiblichen US-Bürgern viele, denen es in die Wege gelegt wurde, die Feinde von Recht, Ordnung & Demokratie möglichst lange hinter Schloss und Riegel zu bringen!

Candice DeLong gehört zu den Hütehunden, die uns Herde schafsgleich durchs Leben ziehender Zeitgenossen vor den kriminellen Wölfen dieser Welt schützen möchten. Die ehemalige Krankenschwester und alleinerziehende Mutter rückt unverdrossen in die FBI-Bastion ein. Als tapferer kleiner Soldat übersteht sie klaglos maskulinen Drill und die harte theoretische Schulung. Den plumpen Chauvinismus sowie die rauen „Scherze“ ihrer Ausbilder, Mitschüler und späteren Kollegen gibt’s gratis dazu.

Aber in God’s Own Country ist das Glück mit der Tüchtigen. Gestählt durch alle Prüfungen, vor Ehrgeiz brennend, schwer bewaffnet und ihr Markenzeichen, den schicken Hut, tief in die Stirn gezogen, zieht Agentin DeLong in den Krieg gegen das Böse. Sie führt ihn mit dem für ihre Landsleute üblichen Elan erbittert und in jeder Sekunde des Tages und der Nacht. Ja, Strolche lauern überall, und sieht man sie nicht, kann man sich immer noch der verdienstvollen Aufgabe widmen, vorsorglich jene auszutilgen, die welche werden könnten – und das sind, so das ernste FBI-Wort, im Grunde alle Menschen dieser Welt, die sich nonkonform verhalten; was das im Detail bedeutet, verrät Ihnen gern die nächste Bureau-Dienststelle.

DeLong schlägt nach mehreren Lehr- und Wanderjahren die Laufbahn einer FBI-Profilerin ein. Als solche spezialisiert sie sich auf Täter, die es auf Frauen und Kinder abgesehen haben – eine schwierige, auch psychisch belastende Aufgabe, die DeLong mit einigen unerfreulichen Zeitgenossen der jüngeren Kriminalgeschichte zusammenführt.

Insider-Berichte über Geschichte und Alltag des FBI sind zumindest auf dem deutschen Buchmarkt nicht gerade häufig. Gleichzeitig ist das Bureau in den Medien, noch mehr jedoch in Literatur und Film so präsent wie seit seiner Gründung. Hier wie dort tritt es jedoch im Guten wie im Bösen eher als nationaler Mythos auf. Deshalb ist es interessant, einen Blick auf den realen FBI-Alltag werfen zu können.

Dort wird zwar auf meist hohem Niveau, aber eben auch nur mit Wasser gekocht. Dies zu belegen, ist zumindest ein Verdienst, den Ex-Agentin und Autorin Candice DeLong für sich verbuchen kann. Es bleibt ihr einziger, denn ansonsten präsentiert sich ihr Werk als chronologisch locker geordnetes, aber inhaltlich wirres Sammelsurium persönlicher Erinnerungen, kriminalistischer Fallgeschichten und FBI-Anekdoten à la „Wie mir mal im Supermarkt die Dienstwaffe aus der Tasche fiel“. Krimi und Seifenoper: Im Fernsehen nennt man das eine „überlappende Erzählstruktur“; die meisten modernen Polizei-Serien folgen diesem Muster. Das ist in der Fiktion sehr unterhaltsam, als Rückblick auf die Realität aber irritierend.

Erträglicher (doch nicht besser) wird es nur, wenn DeLong sich auf ihre Tätigkeit als Profilerin konzentriert. Darauf versteht sie sich, sie kann diesen Job ihren Lesern vermitteln, die diese Passagen mit Interesse verfolgen. Nun wird außerdem deutlicher, dass die schmalztriefigen, einer schlechten TV-Show entliehenen Szenen des DeLongschen Privatlebens unterstreichen sollen, dass a) auch gestrenge FBI-Agenten nur Menschen sind und b) sich die Erlebnisse einer Profilerin nach Feierabend nicht einfach abschütteln lassen.

Weiterhin unverändert bleibt freilich der kindliche Tonfall dieser Biografie. Niemand verlangt von einer fähigen FBI-Agentin, auch eine gute Autorin zu sein. Aber wen hat man DeLong dann eigentlich zur Seite gestellt? Co-Autorin Elisa Petrini dürfte eine dieser literarischen Söldnernaturen sein, die auch hierzulande Gestalten wie Bohlen & Co. die Illusion vermieten, „Schriftsteller“ zu sein. Dieser Vergleich kommt hier nicht von ungefähr, denn er beschreibt etwa das Niveau, auf dem sich „Die Agentin“ bewegt.

Die saloppe Übertragung ins Deutsche konserviert diesen Eindruck oder verstärkt ihn womöglich, obwohl es möglich ist, dass die Übersetzerin die schlimmsten Plattheiten der Vorlage glättet und ansonsten einfach ihren Job zu Ende bringen wollte. (Allerdings kommt der Leser manchmal ins Grübeln. Was soll denn nur dieser Satz auf S. 96 – „Der Teufel ist manchmal ein Eichhörnchen“ – bedeuten?)

DeLongs offensichtliche Naivität, ihr Tunnelblick wirkt befremdlich. Eine Frau, die in einem großen Land im Laufe eines langen Berufslebens zahlreiche schauerliche Fälle bearbeitet hat, sollte darüber eigentlich zu einer etwas differenzierten Sicht der Welt und vor allem ihrer Bewohner gelangt sein. Aber für „Candy“ DeLong gab und gibt es nur Schwarz und Weiß, kein Grau. Nach ihrer Meinung, die – das ist das Erschreckende – durch ihre Ausbildung geprägt wurde, sind kriminelle Neigungen quasi angeboren und auch nicht wirklich ‚heilbar‘. Deshalb sollte man Verbrecher am besten gut wegsperren und sie von den braven Mitbürgern fernhalten. Aufgrund von DeLongs Erfahrungen als Mitglied einer Sonderkommission gegen Kindesmissbrauch mag diese Haltung verständlich erscheinen, aber das erhebt sie keinesfalls zur allein gültigen Maxime.

So hat sie es wie gesagt beim FBI gelernt. Obwohl auch für DeLong nicht alles Gold ist, das dort glänzt, fühlt sie sich dem Kodex dieser Institution (und dem unglücklichen, weil mit kapitelbreit ausgewalzter Affenliebe peinlich bloßgestellten Herzblatt-Sohn Seth) zutiefst verpflichtet. Nicht einmal die wirklich Bösen (= Dummen, Fiesen oder Chauvinistischen) unter „den Jungs“ stellt sie bloß. Pathetisch widmet sie ihr Werk „den 33 tapferen Männern und Frauen des FBI, die [zwischen 1925 und 1996] bei der Ausübung ihrer Pflicht durch direkte Angriffe des Gegners getötet wurden“, und listet sie über drei volle Seiten auf.

Zu echter Distanz ist DeLong unfähig, Objektivität gibt es nicht. Die Ironie, die daraus entsteht, ein Buch wie „Die Agentin“ mit dem Goethe-Zitat „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen“ einzuleiten, ist unfreiwillig. Jedenfalls scheint sie DeLong nie bewusst geworden zu sein. Und wer sich nicht nach FBI-Norm bemühen mag oder kann, hat offenbar Pech gehabt und die Folgen zu tragen: |“Ich fand es sehr erfrischend, was [DeLongs kleiner Sohn] den Leuten über meine Aktivitäten an der Academy zu erzählen pflegte: ‚Sie lernt, wie man Leute umbringt, aber nur die bösen.'“| (S. 67)

Fazit: Vom Thema interessant und als Einblick in die Arbeit der gern mythisch verklärten, tatsächlich recht alltäglichen FBI-Organisation möglicherweise aufschlussreich; aber nicht nur als Biografie langweilig, weil gespickt mit moralisierenden Binsenweisheiten und vor allem hausbacken geschrieben und/oder übersetzt – eher ein Ärgernis als ein Erlebnis.

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