Gruppe, Marc – Sherlock Holmes – Das entwendete Fallbeil (Die geheimen Fälle des Meisterdetektivs 3) (Hörspiel)

_|Die geheimen Fälle des Meisterdetektivs|:_

Folge 1: [„Im Schatten des Rippers“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7494
Folge 2: [„Spuk im Pfarrhaus“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7519
Folge 3: _“Das entwendete Fallbeil“_
Folge 4: „Der Engel von Hampstead“ (07.04.2012)

_Das Fallbeil wartet, doch die Bombe nicht_

Ganz in der Nähe der Baker Street 221B, dem Wohnsitz von Sherlock Holmes und seinem treuen Chronisten Dr. Watson, befindet sich das Wachsfigurenkabinett „Madame Tussaud’s“. Den Erben der berühmten Wachsbildnerin plagen ernste Probleme, denn das originale Fallbeil, mit dem die französische Königin Marie Antoinette enthauptet wurde, ist aus der Ausstellung entwendet worden… (Verlagsinfo)

Diese Fälle dieser neuen Holmes-Reihe wurden nicht von Sir Arthur Conan Doyle geschrieben, sondern alle von Marc Gruppe. Sie basieren natürlich auf den originalen Figuren, die mittlerweile Allgemeingut geworden sind.

_Der Autor_

Marc Gruppe ist der Autor, Produzent und Regisseur der erfolgreichen Hörspielreihe GRUSELKABINETT, die von Titania Medien produziert und von Lübbe Audio vertrieben wird. Genau wie dort erscheinen auch „Die geheimen Fälle des Meisterdetektivs“ meist im Doppelpack.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

|Die Rollen und ihre Sprecher|

Sherlock Holmes: Joachim Tennstedt (dt. Stimme von John Malkovich)
Dr. John H. Watson: Detlef Bierstedt (dt. Stimme von George Clooney u. a.)
Mrs. Hudson: Regina Lemnitz (dt. Stimme von Kathy Bates)
Inspektor Abberline: Christian Stark
John Theodore Tussaud: Till Endemann
Ellen Tussaud: Maria Koschny
Edward White: Michael Pan
Sims: Simon Jäger
Sean Corder: Axel Lutter
Margery Mapleton: Philine Peters-Arnolds

Regie führten die Produzenten Marc Gruppe und Stephan Bosenius. Die Aufnahmen fanden in den Planet Earth Studios statt. Alle Illustrationen – im Booklet, auf der CD – trug Firuz Askin bei.

_Handlung_

|Prolog|

Am 28. Juni 1889 lässt sich der Reporter Sims im Keller des bekannten Wachsfigurenkabinetts von Madame Tussaud einschließen. Er möchte seinen Lesern von der „Kammer des Schreckens“ berichten, in der berühmte Verbrecher und Mordinstrumente ausgestellt sind. Doch ein hämisches Lachen im Dunkeln lässt ihn erst die Nerven und dann seine Laterne verlieren. Erst der Nachtwächter jolt den völlig Entnervten wieder heraus …

|Haupthandlung|

Dieser Vorfall ist jedoch nicht der Grund, warum John Theodore Tussaud, der Sims eingelassen hatte, sich an Sherlock Holmes wendet. Nachdem man sich über die berühmte Institution und deren momentane wirtschaftliche Schwierigkeiten ausgetauscht hat, bringt er sein Anliegen vor: Das Fallbeil aus der Guillotine, mit der Marie Antoinette geköpft wurde, ist weg. Verschwunden. Entwendet womöglich. Damit die Probleme mit seinen Teilhabern nicht noch größer werden, müsse bei der Wiederbeschaffung größte Diskretion beachtet werden. Daher hat er sich nicht an die Polizei, sondern an den Meisterdetektiv gewendet.

Eine Besichtigung des Tatorts ergibt nichts, aber als Holmes die Konstruktionspläne der Guillotine sehen will, stellt sich heraus, dass auch diese verschwunden sind. Holmes drängt sich der Verdacht auf, dass jemand entweder Tussaud erpressen, Konkurrenz machen oder einfach nur die Guillotine nachbauen will – zu eigenen finsteren Zwecken. Um Schlimmes zu verhüten, muss sie schleunigst gefunden werden, soviel ist klar.

Und es gibt auch schon einen verdächtigen. Es gab Entlassungen, und einer der gefeuerten Mitarbeiter war der Wachsfigurenbildner Edward White. Wie sich herausstellt, hat Tussauds Schwester Ellen ein zärtliches Verhältnis zu White und ihm erzählt, was im Museum s vor sich geht. Klarer Fall: Der Mann nutzte seine Chance, ließ sich einschließen und entkam mit Sims‘ Hilfe.

Ein Paket sei für John abgegeben worden, sagt Ellen. Da tut es auf einmal einen Mordsschlag! Eine Explosion verwüstet Johns Büro und der Rauch bringt alle zum Husten. Eines ist klar: White oder seine Auftraggeber meinen es ernst. Es dauert nicht lange, und eine Lösegeldforderung trifft ein …

_Mein Eindruck_

Die spannende Handlung für erst zu Edward White, dann zu seinem Auftraggeber. Das war vorauszusehen. Doch wo hat der Auftraggeber die Guillotine versteckt? Inspektor Abberline wendet sich ebenfalls an Sherlock Holmes: Prinz Victor Albert, der sich im Rotlichtviertel der Homosexuellen herumtrieb, ist entführt worden – und soll offenbar mit der Guillotine und dem Tussaud’schen Fallbeil hingerichtet werden!

Es kommt selbstredend zu einem dramatischen Showdown in den Katakomben von London. Die Handlung wirft ein Schlaglicht auf die antimonarchistischen Umtriebe Ende des 19. Jahrhunderts, doch sie wurden in der Mehrzahl vom Geheimdienst Ihrer Majestät (Mycroft!) unterdrückt, so dass es kaum je zu einem effektiven Anschlag kam. Anders als in St. Petersburg, wo die Anarchisten bekanntermaßen schreckliche Erfolge hatten, als sie den Zar töteten und Reformen (ca. 1905) erzwangen. (Man lese dazu auch Kai Meyers exzellentes Jugendbuch „Frostfeuer“.)

Dieser ernste Hintergrund der Handlung wird natürlich nur angedeutet und nie ausgelotet. Schließlich soll das Hörspiel ja unterhalten und nicht belehren. Dennoch behelligt uns der Text nicht grundlos mit zahlreichen Informationen über die Entstehung des Wachsfigurenkabinetts. Madame Tussaud gründete es 1850, doch sie war die Angestellte der Königin Marie Antoinette und erlebte deren Ende mit. Es war ihre traurige Aufgabe, die Totenmasken der Enthaupteten der Revolution anzufertigen. Daher verfügte sie über Vorlagen aus erster Hand.

Durch diese Erinnerung liegt die Assoziation nahe, dass sich eine bürgerliche Revolution wiederholen könnte. Im Vereinigten Königreich?! Die letzte Revolution liegt bereits über 200 zurück, und sie führte bekanntlich zum englischen Bürgerkrieg, in dem Oliver Cromwell eine wichtige Rolle spielte. Wiederholt sich also die Geschichte? Ja, wenn man nicht aus ihr lernt.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Die Hauptfigur ist natürlich der Titelgeber himself. Joachim Tennstedt verleiht Sherlock Holmes eine flexible Janusköpfigkeit. Die erste Seite bekommen wir zu sehen, wenn Holmes recht abweisend zu Mrs. Hudson, der treuen Seele des Haushalts, ist. Das hält sie aber nicht davon ab, die Vorhänge aufzureißen und frische Luft in die Detektivsgruft zu lassen.

Die andere Seite Holmes‘ ist die des energischen Ermittlers, der sich auch verkleidet. Die dritte ist die des freundlichen Verführers und Gentleman – sie bekommen wir erst in späteren Folgen zu Gesicht, insbesondere im Tussaud-Fall. Wie bei John Malkovich können wir uns auf einen Facettenreichtum an Darstellungsformen freuen.

|Dr. Watson |

Die Figur des Dr. Watson ist in vielen Verfilmungen misrepräsentiert worden. Neben Basil Rathbone und Peter Cushing musste er den vertrottelten Stichwortgeber mimen. Er war der selbstgefällige Körper neben dem rastlosen, aber kranken Geist des Detektivs. Nicht so in dieser neuen Serie.

Detlef Bierstedts Stimme ist uns von George Clooney vertraut, daher kann er mit einer gewissen geliehenen Autorität auftreten, ganz besonders in allen medizinischen Belangen. Dennoch kommt er häufig über die Rolle des Stichwortgebers nicht hinaus. Holmes hat stets die Initiative. In Folge 3 wird er sogar als Aktenträger missbraucht. Doch auch Watson verfügt über einen Revolver und die Kenntnisse, diesen zu gebrauchen, besonders aus seiner Zeit in Afghanistan.

|Mrs. Hudson|

Regina Lemnitz als Mrs. Hudson zeigt sich stets hilfreich, mal energisch, mal als fühlende Seele, etwa bei ihrem Besuch im Wachsfigurenkabinett, bei sie unverhofft von Sherlock Holmes überrascht wird – dieses „Experiment“ ist sehr erfolgreich. Außerdem ist sie das moralische Zentrum jeder Folge. Alles, was Holmes & Watson tun, müssen sie nicht nur gegenüber Inspektor rechtfertigen, sondern vor allem vor ihrer Haushälterin. Sie würde sie sonst hochkant hinauswerfen. Holmes lässt es sich nicht nehmen, Mrs. Hudson und ihre Kusine in der „Kammer des Schreckens“ zu erschrecken – ein komischer Höhepunkt des Stücks.

John und Ellen Tussaud sind ein gut besetztes Geschwisterpaar, das durch professionelle Darstellungskunst zu überzeugen weiß. Besonders Maria Koschnys Stimme fand ich sehr angenehm. Man kann sich gut vorstellen, dass sie einen Mann wie Edward White zu verführen weiß.

|Geräusche|

Die Geräusche sind genau die Gleichen, wie man sie in einem realistischen Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und realistisch aufgebaut. Statt der aus dem GRUSELKABINETT vertrauten Andeutungen setzt diese Reihe mitunter auf handfeste Splattereffekte. So kann es Sherlock einfach nicht lassen, das Fallbeil selbst einmal zu testen.

Natürlich gibt es eine Fülle anderer Geräusche, so etwa immer wieder das typisch englische Teetrinken inklusive Tassenklirren und Teegluckern. Diesen heimeligen Klängen stehen knallharte Geräusche wie etwa das Fallbeil oder die Bombenexplosion gegenüber. Letztere macht doch einiges her, um der Mitte des Stücks etwas Pfeffer zu verleihen.

|Musik|

Die Musik entspricht der eines Scores für ein klassischen Spielfilm, also nicht zwangsläufig für einen Horrorstreifen. Klassische Instrumente wie Violine, Cello und Kontrabass werden manchmal von elektronisch erzeugten Effekten ergänzt. Schnelle Musik deutet Dynamik und Dringlichkeit an, langsame Musik entspannt und immer wieder endet eine Szene in einem dramatischen Crescendo. Die Haupthandlung beginnt mit idyllisch-heiteren Klängen, endet dann jedoch umso dramatischer.

Musik, Geräusche und Stimmen wurde so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

|Das Booklet|

Im Booklet sind die Titel des GRUSELKABINETTS verzeichnet sowie Werbung für Firu Askin zu finden. Die letzte Seite zählt sämtliche Mitwirkenden auf. Ein zweites Booklet listet sämtliche Titel von Titania Medien auf, und zwar auch alle Neuerscheinungen bis Mai 2012.

Hinweise auf die nächsten Hörspiele:

Nr. 58: Lovecraft: Pickmans Modell (November 2011)
Nr. 59: Edith Nesbit: Das violette Automobil (November 2011)
Nr. 60: Robert E. Howard: Der Grabhügel (ab März 2012)
Nr. 61: Arthur Conan Doyle: Der Ring des Thot (ab März)
Nr. 62: Nathaniel Hawthorne: Rappaccinis Tochter (April)
Nr. 63: Robert E. Howard: Besessen (April)
Nr. 64: Francis Marion Crawford: Der schreiende Schädel (Mai)
Nr. 65: Mary Elizabeth Braddon: Gesellschafterin gesucht (Mai)

_Unterm Strich_

Das Phänomen des Wachsfigurenkabinetts bildet eine geschichtliche Brücke zwischen der französischen Revolution, als das entwendete Fallbeil eingesetzt wurde, und den (anno 1889) aktuellen antimonarchistischen Umtrieben in London. Droht eine zweite Revolution, wenn der entführte Prinz enthauptet gefunden wird? Wer weiß. Auf jeden Fall wäre es eine Riesenblamage für die Regierung Ihrer Majestät, besonders für den Geheimdienst und die Polizei. Und die Monarchie würde sich als verletzlich und vergänglich erweisen.

Wie auch immer, es ist ein heikler Fall für Holmes, und es versteht sich, dass Holmes darüber Stillschweigen bewahren muss. So macht sich die Inszenierung ein Vergnügen daraus, das Verbrechen mit dem Nervenkitzel zu kombinieren: eine Bombenexplosion, eine Beinahe-Enthauptung, ja sogar ein Schrecken für Mrs. Hudson ist mit drin.

Dieses Hörspiel ist viel flotter inszeniert als etwa „Im Schatten des Rippers“ und weit weniger idyllisch als etwa „Spuk im Pfarrhaus“. Ich hätte mir noch mehr Gruselszenen in der „Kammer des Schreckens“ gewünscht und mehr Romantik. Anders als im GRUSELKABINETT scheint es in dieser Reihe zudem keinerlei Rückblenden zu geben, ein Stilelement, das ich für sehr wirkungsvoll erachte, um eine Szene unmittelbarer wirken zu lassen.

|Das Hörspiel|

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und bekannte Stimmen von Synchronsprechern und Theaterschauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Die Sprecherriege für diese neue Reihe ist höchst kompetent zu nennen, handelt es sich doch um die deutschen Stimmen von Hollywoodstars wie John Malkovich und George Clooney.

|Audio CD mit 78 Min. Spieldauer
ISBN 9783785745267|
[www.titania-medien.de]http://www.titania-medien.de

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